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FREUNDE GANZ OBEN

Roarhaven lag da wie ein hässlicher Tintenfleck auf einem schönen weißen Blatt Papier. Eine Kleinstadt – wobei die Bezeichnung „Stadt“ schon fast zu hoch gegriffen war – neben einem dunklen See mit stehendem Wasser. Auf zwei Seiten war sie von steilen, mit braunem Gras bewachsenen Abhängen eingeschlossen. Es gab die Hauptstraße und ein paar Nebenstraßen, Häuser und Bars und Läden mit schmutzigen Schaufenstern. In dieser Stadt lebten Zauberer, allerdings nur die wirklich unzufriedenen, die durch und durch verbitterten. Die Welt da draußen war für sie eine Welt, die aus dem Ruder gelaufen war, eine Welt voller ignoranter, zänkischer Sterblicher. In den Bars von Roarhaven – es gab genau zwei solcher Lokalitäten – redete man leise von einer Zeit, in der die Sterblichen fallen und die Zauberer die Macht übernehmen würden. Für solches Gerede waren die Einwohner von Roarhaven bekannt. Und wenn der Alkohol sie mutig machte, wurde das leise Gerede lauter, ging in gemurmelte Schwüre über und wurde von Fäusten bekräftigt, die auf Tischplatten niedersausten.

Die Wende, so hieß es, würde kommen.

Roarhaven war alles mögliche, das wusste Walküre. Doch eines war die Stadt beim besten Willen nicht: ein Touristenzentrum. Als der Bentley also an einem Mietwagen vorbeifuhr, runzelte sie die Stirn. Der Wagen parkte vor dem, was in Roarhaven als Zeitschriftenhandlung durchging.

„Halt mal eben an“, bat sie.

Skulduggery ging vom Gas und schaute sie fragend an. „Hier?“

„Ich weiß, wie hier mit Fremden umgegangen wird, und will nur sichergehen, dass wir nicht Geoffrey Scrutinus kommen lassen müssen, damit er jemandes Gedächtnis löscht.“

Der Bentley hielt an und Walküre stieg aus. Skulduggery fuhr weiter zum Sanktuarium, während sie zu dem Mietwagen zurückging. Auf dem Beifahrersitz saß eine Frau. Drei Kinder waren auf der Rückbank zusammengepfercht. Sie redeten mit amerikanischem Akzent.

Walküre lächelte der Frau zu und wurde dafür mit einem knappen Nicken bedacht. Dann betrat sie den Laden. Ein paar Tageszeitungen auf den Regalen. Keine Zeitschriften. Einige Lebensmittel, Süßigkeiten, Schreibwaren, ein Kühlschrank mit Milchtüten und eingeschweißten Schinkenscheiben und ein breitschultriger Amerikaner, der sich über den Tresen hinweg mit dem wortkargen Verkäufer stritt.

Walküre trat lächelnd näher. „Gibt es ein Problem?“

„Der Mann hier will mich nicht in Ruhe lassen“, antwortete der Verkäufer.

Der Amerikaner sah ihn stirnrunzelnd an. „Ich möchte etwas kaufen.“

Der Verkäufer ignorierte ihn. „Er will einfach nicht gehen.“

Der Amerikaner wandte sich an Walküre. „Wir sind in dieses Geschäft gekommen –“

„Es ist kein Geschäft“, unterbrach ihn der Verkäufer, „es ist ein Laden.“

„Meinetwegen“, knurrte der Amerikaner. „Wir sind vor zehn Minuten in diesen Laden gekommen. Meine Kinder haben sich ausgesucht, was sie haben wollen, und die Sachen zum Bezahlen auf die Theke gelegt. Der Typ stand da, an genau derselben Stelle wie jetzt, und hat an die Decke gestarrt, während wir versucht haben, auf uns aufmerksam zu machen.“

„Ich habe sie ignoriert“, erklärte der Verkäufer. „Man hat mir gesagt, wenn man sie ignoriert, gehen sie wieder weg. Der da ist nicht weggegangen.“

„Und ich gehe auch nicht weg, da haben Sie verdammt noch mal recht. Ich bin Kunde und Sie werden mich bedienen.“

Der Verkäufer grinste spöttisch. „Leute von Ihrer Sorte bedienen wir hier nicht.“

„Sie bedienen keine Amerikaner?“

„Ich bediene keine Sterblichen.“

Der Amerikaner blickte Walküre mit hochgezogener Augenbraue an. „Und dann hat er mit diesem Quatsch angefangen.“

Walküre sah den Verkäufer an. „Wäre es in diesem Stadium nicht einfacher, ihn die Sachen kaufen zu lassen, damit er dann geht?“

Der Verkäufer schüttelte den Kopf. „Wenn ich das bei einem von ihnen mache, muss ich es bei allen machen.“

„Bei welchen allen? Da draußen ist keiner mehr.“

„Es wird sich aber herumsprechen.“

„Herumsprechen?“, echote der Amerikaner. „Dass es mir gelungen ist, in diesem kleinen Laden mitten in der Pampa tatsächlich etwas zu kaufen? Ich weiß ja nicht einmal, wo wir hier sind! Ich habe den Ort auf keiner unserer Karten gefunden. Das Dreckloch da draußen ist eingezeichnet, aber irgendeine bescheuerte Kleinstadt dürfte es daneben gar nicht geben.“

„Wenn Sie nicht wussten, dass hier etwas ist, wie haben Sie uns dann gefunden?“, wollte der Verkäufer wissen.

„Wir machen eine Besichtigungstour.“

„Besichtigen oder ausspionieren?“, fragte der Verkäufer.

„Ausspionieren? Sie? Warum zum Teufel sollten wir Sie ausspionieren? Sie sind ein Verrückter mit einem verkommenen kleinen Laden, der anscheinend ein krankhaftes Bedürfnis hat, seinen Kunden nichts zu verkaufen.“

„Tut mir leid“, entschuldigte sich der Verkäufer, „ich verstehe Ihren lächerlichen Akzent nicht.“

Meinen Akzent?“

„Er ist ziemlich dämlich.“

„Sie verstehen mich also nicht?“

„Kein Wort.“

„Wie kommt es dann, dass Sie das verstanden haben?“

„Hab ich doch gar nicht.“

„Sie haben nicht verstanden, was ich gerade gesagt habe?“

„Richtig.“

„Aber das haben Sie verstanden.“

„Ganz und gar nicht.“

Der Amerikaner blickte ihn finster an. „Gleich fahre ich die Faust aus und schlage Ihnen eine in die Fresse, ich schwör’s.“

„Oh-oh“, mischte Walküre sich ein, „ich glaube, wir sollten uns jetzt alle wieder beruhigen. Wie Sie vielleicht schon gemerkt haben, Sir, ist das hier nicht die allerfreundlichste Stadt. Ich garantiere Ihnen, dass Sie in jeder anderen Stadt in dieser Gegend mit einem strahlenden Lächeln begrüßt werden. Nur hier läuft es eben anders.“

„Wir wollten hier lediglich etwas zu trinken kaufen für meine Kinder. Und ich gehe hier nicht weg, bevor der Typ nicht mein Geld genommen und das Wechselgeld herausgegeben hat.“

Walküre wandte sich an den Ladenbesitzer. „Bitte nehmen Sie sein Geld.“

Der Ladenbesitzer richtete den Blick auf das Geld auf dem Tresen. Seine Lippen kräuselten sich verächtlich. Er legte einen Finger auf die Banknote und zog sie zur Kasse.

„Sie sind ein harter Brocken“, bemerkte der Amerikaner. „Wissen Sie das?“

Der Ladenbesitzer ignorierte ihn und warf ein paar Münzen auf den Tresen. „Zufrieden?“, fragte er.

Der Amerikaner stopfte das Wechselgeld in seine Tasche und nahm die Getränke. „Und ich habe gehört, die Iren seien besonders freundlich.“

„Das war in der Zeit, als noch niemand hierherkam“, klärte der Verkäufer ihn auf. „Jetzt sind wir ganz genauso freundlich wie alle anderen auch.“

Der Amerikaner kniff die Augen zusammen, schaffte es aber, sich nicht weiter in die Diskussion hineinziehen zu lassen. „Ich gehe jetzt. Jemand so Unhöfliches wie Sie ist es nicht wert, dass ich meine kostbare Zeit mit ihm verschwende.“

Der Ladenbesitzer sagte nichts dazu. Er schaute wieder an die Decke.

Walküre begleitete den Amerikaner zu seinem Wagen. „Was Sie da erlebt haben, tut mir wirklich leid. Ich komme jetzt seit fast einem Jahr in die Stadt und die Leute tun sich immer noch schwer, mit mir zu reden.“

Skulduggery kam mit einem strahlenden Lächeln auf seinem künstlichen Gesicht die Straße herunter. „Hallo, zusammen!“, rief er, „Alles in Ordnung?“

Der Amerikaner runzelte argwöhnisch die Stirn, doch Walküre nickte. „Der Ladenbesitzer war nur wieder mal unhöflich, weiter nichts.“

„Ja, ja, ein sehr unhöflicher Mensch, dieser Ladenbesitzer“, bestätigte Skulduggery. „Aber jetzt ist alles in Ordnung? Nichts passiert? Ausgezeichnet.“ Er bückte sich vor dem Wagenfenster und schaute hinein. „Was haben Sie für eine reizende Familie. Ganz entzückend. Sie sind alle reizend, bis auf den da.“ Er tippte mit dem Finger auf die Scheibe. „Der da ist ein bisschen hässlich.“

Der Amerikaner ging einen Schritt auf ihn zu. „Was haben Sie gesagt?“

„Oh, machen Sie sich nichts daraus. Ich bin sicher, seine Persönlichkeit macht das wieder wett.“

Walküre trat rasch zwischen die beiden. „Er hat es nicht so gemeint“, versicherte sie. „Mein Freund ist nicht ganz richtig im Kopf. Er redet einfach so daher. Schlimme Sachen. Es tut mir wirklich sehr leid. Sie sollten jetzt besser gehen.“

„Nicht, bevor dieser Blödmann sich bei meinem Sohn entschuldigt hat.“

„Gütiger Himmel“, murmelte Walküre.

„Habe ich Sie beleidigt?“, fragte Skulduggery. „Du liebe Güte, das tut mir wirklich leid.“

„Entschuldigen Sie sich nicht bei mir“, fauchte der Amerikaner, „entschuldigen Sie sich bei meinem Sohn.“

„Bei welchem? Bei dem hässlichen?“

„Bei dem, den Sie vorhin gemeint haben.“

„Das war der hässliche“, bestätigte Skulduggery.

„Nennen Sie mein Kind nicht immer hässlich!“

Walküre stieß Skulduggery den Ellbogen in die Rippen. „Entschuldige dich augenblicklich“, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen.

„Selbstverständlich.“ Skulduggery beugte sich wieder zum Fenster hinunter. „Es tut mir sehr leid“, sagte er laut, damit man ihn im Wagen hören konnte. „Manchmal sage ich Dinge und merke erst, wenn es zu spät ist, dass ich sie gesagt habe. Es ist ganz allein meine Schuld. Falls ich jemanden beleidigt habe, bitte ich vielmals um Entschuldigung.“ Damit richtete er sich wieder auf.

Endlich löste der Amerikaner seinen Blick von Skulduggery. „Das“, sagte er, „ist die übelste Stadt, in der ich jemals war.“

Walküre nickte. „Da kann ich Ihnen nur aus tiefstem Herzen zustimmen.“

Er blickte Skulduggery noch einmal finster an, stieg dann in seinen Mietwagen und fuhr davon.

„Was war das denn?“, wollte Walküre wissen.

Skulduggery legte den Kopf schief. „Was war was?“

„Du hast gesagt, das Kind sei hässlich.“

„Habe ich das?“

„Ja. Und zwar vor genau zwanzig Sekunden.“

„Oh. Das ist mir, um ehrlich zu sein, gar nicht aufgefallen. Ich war mit meinen Gedanken anderswo. Aber ich bin sicher, dass ich einen Scherz gemacht habe. Und ich bin sicher, er war sich bewusst, dass ich einen Scherz gemacht habe. Alles in Ordnung. Das Kind war aber wirklich hässlich. Hast du es gesehen? Sein Gesicht sah aus, als seien zwei halb fertige Hälften zusammengepappt worden. Doch das alles ist Vergangenheit. Ich hoffe, sie kommen wieder. Sie schienen nett zu sein. Komm mit.“

Er ging in Richtung Sanktuarium und Walküre lief eilig hinter ihm her.

„Geht es dir gut?“, erkundigte sie sich.

„Mir?“

„Dir.“

„Ich denke, ja. Ich bin ein bisschen durch den Wind. Nicht ganz auf der Höhe. Aber es geht mir gut. Bald geht es mir wieder gut. Warum sind wir hier?“

Sie runzelte die Stirn. „Wir treffen uns mit den Ältesten wegen Melancholia.“

Er schnippte mit den Fingern. „Genau! Ausgezeichnet. Gut. Das tun wir. Hervorragend.“

Der Bentley parkte vor einem hässlichen Gebäude aus Beton und Granit. Das Sanktuarium kauerte rund und niedrig und flach neben dem dunklen See, als hätte es jemand aus großer Höhe fallen lassen. Es gab einen Haupteingang und drei verborgene Ausgänge. Keine Fenster. Keinen Anstrich. Keinen Schnickschnack. Innen war es genauso karg. Steinerne Wände und ringförmig angelegte Korridore, die in konzentrischen Kreisen zur Mitte hinführten. Sensenträger standen Wache und Zauberer und Funktionäre gingen ihren Geschäften nach. Egal wie das Wetter draußen war, im Sanktuarium war es immer kalt.

Der Administrator erwartete sie an der Tür. „Detektive Pleasant und Unruh, der Rat wartet bereits auf euch.“

Skulduggery nickte. „Geh voraus, Tippstaff.“

Tippstaff nickte höflich. Sie folgten ihm über einen die immer kleiner werdenden Korridorringe schneidenden Gang zum Sitzungssaal im Herzen des Gebäudes.

An den Wänden hingen Bilder verstorbener Ältester. Kleine Scheinwerfer holten sie aus dem Dämmerlicht heraus. Drei hohe Stühle standen wie Throne in der Mitte des Raums und darauf saßen die Ältesten. Grässlich Schneider saß links. Das Licht spielte mit den wulstigen Narben, die seinen gesamten Schädel bedeckten. In der Mitte saß der Großmagier Erskin Ravel, ein gut aussehender Mann mit einem verschmitzten Lächeln und wunderschönen Augen. Rechts von ihm hatte Madam Misty Platz genommen, ein Kind der Spinne. Sie beobachtete die Ankömmlinge durch ihren Schleier hindurch. Von den drei Ältesten war sie offenbar die Einzige, die sich nicht an der Robe störte, die sie tragen mussten.

„Skulduggery Pleasant und Walküre Unruh wünschen eine Audienz beim Rat“, verkündete Tippstaff mit einer Verbeugung. „Gewährt der Rat sie ihnen?“

Grässlich seufzte. „Muss das wirklich sein?“

Tippstaff blickte hoch. „Dem Protokoll muss Genüge getan werden, Ältester Schneider.“

„Aber sie sind unsere Freunde.“

„Das mag sein, aber Regeln sind dazu da, uns vor Chaos zu bewahren. Dies ist ein neues Sanktuarium. Ein Protokoll muss erstellt und eingehalten werden.“

„Dann hocken wir hier oben auf diesen bescheuerten Thronen und sie stehen da unten?“, fragte Ravel. „Wir können während des Gesprächs nicht herumlaufen oder meinetwegen einen Kaffee trinken?“

„Wenn Sie einen Kaffee möchten, bringe ich Ihnen sehr gerne einen, Großmagier.“

„Ich will keinen Kaffee“, knurrte Ravel. „Gut, okay. Wir halten uns an die Regeln. Skulduggery, Walküre, tut mir leid.“

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen“, versicherte Skulduggery. „Die ganze Situation ist ausgesprochen amüsant, glaub mir. Übrigens, eure Roben gefallen mir.“

„Ich habe versucht, neue zu entwerfen“, murmelte Grässlich, „aber anscheinend ist das auch nicht erlaubt.“

Tippstaff sagte nichts.

Madam Misty rührte sich nicht, während sie sprach. „Nachdem wir mit dem eigenartigen Smalltalk durch sind, könnten uns die Detektive vielleicht den Grund ihres Kommens nennen … Es wird zweifellos etwas mit Melancholia St. Clair zu tun haben.“

Skulduggery zögerte kurz. „Ihr habt es also schon gehört.“

„Ja“, bestätigte Ravel. „Was wissen wir über sie?“

„Sie ist ein paar Jahre älter als ich“, berichtete Walküre. „Als Schülerin war sie nicht viel mehr als unterer Durchschnitt. Sie hat ihr Leben im Tempel verbracht, die einschlägigen Bücher gelesen und geübt, wie man möglichst hochtrabend redet. Wenn ihr mich fragt, hat kein Mensch erwartet, dass sie plötzlich solche Kräfte entwickelt. Kranz jedenfalls nicht und Tenebrae auch nicht.“

Grässlich versuchte auf seinem Thron eine bequeme Sitzhaltung zu finden. „Wird sie Probleme machen?“

„Sie ist lediglich eine Totenbeschwörerin“, ließ Misty sich mit ihrer leisen Stimme vernehmen. „Das ganze Gerede vom Todbringer ist reine Zeitverschwendung. Die wahre Gefahr stellt Darquise dar. Wir sollten unsere Energien darauf richten, sie zu finden und auszuschalten, bevor sie eine Chance hat zuzuschlagen.“

„Die Totenbeschwörer sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen“, gab Skulduggery zu bedenken.

Walküre wandte den Blick ab.

Grässlich nickte. „Der Meinung bin ich auch. Hätte es sich gezeigt, dass Walküre der Todbringer ist, hätten wir alles genauestens im Auge behalten können. Das wäre ideal gewesen. Jetzt, da ein echter Totenbeschwörer die Position einnimmt, haben wir diesen Vorteil nicht mehr.“

Misty seufzte. „Die Totenbeschwörer sind egoistische Feiglinge. Seit Jahrhunderten haben sie für niemanden eine Gefahr dargestellt und ich glaube nicht, dass sie ausgerechnet jetzt damit anfangen wollen.“

„Ich gebe es ungern zu“, meinte Ravel, „aber die Älteste Misty hat recht. Es fällt schwer, die Totenbeschwörer ernst zu nehmen, nachdem sie in all der Zeit kaum einmal den Kopf aus ihren Tempeln gestreckt haben. Wenn wir vielleicht etwas mehr über diese Passage in Erfahrung bringen könnten …?“

„Die Totenbeschwörer haben es darauf angelegt, uns im Dunkeln zu lassen“, meldete sich Skulduggery wieder. „Bis jetzt wurden zwei Leute mit entscheidenden Informationen umgebracht. Das allein sagt mir, dass sie etwas von größerer Tragweite im Schilde führen.“

Grässlich runzelte die Stirn. „Du hast mir einmal erklärt, die Passage sei etwas, das die Grenze zwischen Leben und Tod durchbricht.“

„Richtig.“

„Und was genau muss ich mir darunter vorstellen?“

„Um ehrlich zu sein, Grässlich: Ich habe nicht die leiseste Ahnung.“

„Der Älteste Schneider sollte mit seinem Titel angesprochen werden“, warf Tippstaff ein.

„Selbstverständlich. Um ehrlich zu sein, Eure Hoheit: Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Die Totenbeschwörer glauben, das Leben sei ein ununterbrochener Energiestrom, der vom Leben in den Tod fließt und wieder zurück ins Leben. Es ist alles sehr vage und unbefriedigend. Sie wollen die Welt retten, was ja wirklich ein netter Zug von ihnen ist, aber bis jetzt haben sie uns noch nicht wissen lassen, wovor sie die Welt retten wollen.“

Ravel ergriff wieder das Wort. „Na ja, vielleicht haben wir Glück und Lord Vile erscheint auf dem Plan, bringt den Todbringer wie angekündigt um, schafft die Sache damit aus der Welt, bevor sie zu einem Problem wird, und schlendert dann davon in den Sonnenuntergang.“

„Meines Erachtens wäre es ein Fehler, sich darauf zu verlassen, dass Lord Vile etwas anderes tut, als einen ganzen Haufen Leute umzubringen“, erklärte Skulduggery.

„Der Meinung bin ich auch“, stimmte Grässlich ihm zu.

„Es ist allgemein bekannt, dass Sie nichts von dem Orden der Totenbeschwörer halten, Detektiv Pleasant“, bemerkte Madam Misty. „Dass Sie insbesondere seine Aktivitäten nicht gutheißen – vor allem seit Solomon Kranz Ihren Schützling ausbildet.“

„Das wäre eine zutreffende Zusammenfassung, ja.“

„Sie haben nicht das Gefühl, dass Ihre Einstellung Ihre Objektivität beeinflusst?“

„Was die Totenbeschwörer betrifft, bin ich alles andere als objektiv“, gab Skulduggery zu. „Was aber nicht heißt, dass ich falsch liege. Unser nächster Schritt sollte uns in den Tempel führen. Dort können wir Solomon Kranz nach diesem unbekannten Agenten fragen, der ständig Leute umbringt, mit denen wir reden wollen.“

„Du bittest also für den Fall, dass du sie brauchst, um die Bereitstellung weiterer Mittel durch das Sanktuarium?“, fragte Ravel.

Skulduggery zuckte mit den Schultern. „So ist es, Eure allmächtige Heiligkeit. Was nützen einem Freunde ganz oben, wenn man sie nicht dazu gebrauchen kann, alte Rechnungen zu begleichen?“

Grässlich blickte Ravel an. „Wir müssen in Erfahrung bringen, was sie vorhaben.“

„Das ist reine Zeitverschwendung“, widersprach Misty.

Ravel schüttelte den Kopf. „Ich bin bereit, mich in diesem Fall Skulduggery anzuschließen. Mag sein, dass es sich als unwichtig herausstellt, aber wir müssen wissen, worum es sich bei dieser Passage handelt. Und wir müssen dafür sorgen, dass nicht noch mehr Leute sterben.“ Er lehnte sich auf seinem Thron zurück und hob eine Augenbraue. „Hast du das gehört, Skulduggery? Die Ältesten haben gesprochen. So klingt das System, wenn es für dich arbeitet.“

Skulduggery nickte ihnen anerkennend zu. „Daran könnte ich mich, ungelogen, gewöhnen.“