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DIE LIEBE EINES VAMPIRS

Walküre erwachte. Draußen wurde es dunkel und wie immer war es kalt in Skulduggerys Haus. Sie stand auf und reckte sich, löste eine Verspannung in ihrem Nacken und ging dann zum Spiegel, um ihre Narben zu checken. Sie gab es nur ungern zu, aber Nye hatte ausgezeichnete Arbeit geleistet. Sie war müde, doch es ging ihr gut und sie war überzeugt, dass ihr für ihre vollständige Genesung nichts weiter fehlte als eine Nacht in ihrem eigenen Bett.

Sie rief ein Taxi und wartete draußen darauf. Als es kam, setzte sie sich auf die Rückbank. Wenn sie Fletcher angerufen hätte, wäre sie bereits zu Hause gewesen. Allerdings hätte sie sich dann wieder seine Vorwürfe wegen der vielen Verletzungen anhören müssen, die sie sich ständig zuzog. Sie hatte einfach keine Lust auf ihn. Nicht an diesem Abend.

Sie stieg in Haggard aus und nahm die Abkürzung durch den Park. Fast hätte sie darauf wetten können, wer sich ihr in den Weg stellen würde.

„Ich habe versagt“, bekannte Caelan.

„Hi“, begrüßte sie ihn, ohne stehen zu bleiben.

Er ging neben ihr her. „Ich hätte schneller sein müssen. Ich hätte dieser Totenbeschwörerin die Kehle aufreißen sollen. Aber sie hat dich weggebracht, bevor ich … Ich werde dich nicht noch einmal im Stich lassen.“

„Mach dir keine Gedanken deshalb. Was machst du in der Stadt?“

„Ich bin deinetwegen hier.“

„Bist du mit dem Auto gekommen? Hast du den Bus genommen? Fahren Vampire mit dem Bus?“

Er stellte sich vor sie hin. „Du machst Witze, aber mir ist nicht zum Lachen. Der Todbringer, Lord Vile, das Ende der Welt … nichts wäre so schlimm, wie dich zu verlieren.“

„Wie bitte? Nicht mehr knutschen zu können ist schlimmer als das Ende der Welt? Ist das dein Ernst? Stehst du wirklich hinter dieser Aussage? Du findest nicht, dass sie ein klein wenig melodramatisch ist?“

„Ohne unsere Liebe, Walküre, gibt es keine Welt mehr, die zu retten wäre.“

„Und diese Aussage ist noch unsinniger als die eben. Du musst dich wieder in den Griff kriegen, Caelan. Ich habe Wuthering Heights gelesen, okay? Ich kenne das ganze düstere, gequälte Romantikgetue. Jeder kennt es. Und es ist nicht so romantisch, wie du glaubst. Wo bleibt der Spaß? Wo das Lachen? Ich könnte mit niemandem zusammen sein, mit dem ich nicht auch ein bisschen Spaß haben kann. Ich weiß, du hasst ihn, aber mit Fletcher ist es wenigstens lustig.“

Caelans Miene veränderte sich, wurde kalt. „Liebst du ihn mehr als mich?“

„Ich habe nie das Wort Liebe in den Mund genommen. Ich habe von Spaß gesprochen.“

„Wir haben Spaß.“

„Wir haben eine bestimmte Art von Spaß, das ist richtig, aber wir lachen nicht. Wann haben wir das letzte Mal miteinander gelacht?“

„Lachst du mit Fletcher?“

„Die ganze Zeit.“

„Dann hat der Junge seine Berechtigung. Wenn du über etwas lachen musst, kannst du über ihn lachen. Wenn du deine Erfüllung brauchst, hast du mich.“

„Du verstehst es wirklich nicht.“

Er nahm ihre Hand in seine und kniete vor ihr nieder. „Heirate mich“, bat er.

Walküre schaute ihn an. Er meinte es ernst. Sie hatte in einem ernsthaften Gespräch noch nie zu jemandem ‚he, Alter‘ gesagt. Die Unterhaltung, die sie gerade führten, fiel ihres Erachtens nicht in diese Kategorie. „He, Alter, ich bin sechzehn.“

„Ich liebe dich.“

„Davon werde ich auch nicht älter. Steh auf.“

„Erst wenn du Ja sagst.“

„Willst du den Rest deines Lebens auf Knien herumrutschen? Steh um Himmels willen auf!“ Sie wartete, bis er wieder stand. „War das ein echter Heiratsantrag? Hast du nicht zugehört, was ich in den letzten Monaten immer wieder gesagt habe? Das ist lächerlich. Das ist mehr als lächerlich.“

„Werde meine Frau.“

„Halt endlich die Klappe. Was habe ich dir zum Thema penetrante Anmache gesagt? Und ein Heiratsantrag gehört ja wohl in diese Abteilung, meinst du nicht?“

„Wir sind füreinander bestimmt.“

„Sind wir nicht, Caelan. Ich habe es dir mehr als einmal verklickert. Ich war mit dir zusammen, weil du echt gut aussiehst und gefährlich bist. Das macht mich an. Das ist eine gute Kombination. Aber das waren die einzigen Gründe für unser Zusammensein. Das ist nicht Liebe.“

„Es ist Schicksal.“

„Es ist auch nicht Schicksal, du Idiot. Warum magst du mich überhaupt?“

„Ich liebe dich.“

„Also gut, warum liebst du mich? Nenne mir fünf gute Gründe, weshalb du mich liebst.“

„Weil du wunderschön bist.“

„Da hast du absolut recht, aber das hat nichts mit mir zu tun, das sind die Gene. Noch vier, Sunny.“

„Du bist intelligent. Du bist das Licht in meiner Dunkelheit.“

„Intelligent ist Grund Nummer zwei. Licht in der Dunkelheit? Das ist kein Grund, das ist ein Begriff aus einem schnulzigen Schlager.“

„Du bist voller Leben. Ich schaue dich an und muss an die Glorie der Menschheit denken, daran, wie die Menschen das Leben anpacken und sich ganz von ihm ausfüllen lassen.“

„Ich erinnere dich an die Glorie der Menschheit. Okay, das ist dann der dritte Grund. Noch zwei.“

Caelan lächelte. „Die Gründe für meine Liebe sind zahlreicher als die Sterne am Himmel.“

„In diesem Fall wird es dir nicht schwer fallen, zwei weitere zu nennen.“

Er zögerte.

„Du liebst mich nicht. Du glaubst nur, dass du es tust. Dir gefällt die Vorstellung. Aber Tatsache ist, dass du hundertundnochwas Jahre alt bist und ich sechzehn bin. Ich bin noch nicht einmal erwachsen. Findest du nicht auch, dass da irgendwas nicht stimmt?“

„Wenn du mich abstoßend findest …“

„Ich finde dich nicht abstoßend, Caelan. Du siehst aus wie ein sexy Neunzehnjähriger. Aber sobald du den Mund aufmachst, werde ich an die Tatsache erinnert, dass du eigentlich ein alter Mann bist. Und … okay, ich habe das bis jetzt noch nie laut gesagt und es ist auch ziemlich krass.“

„Für Leute wie uns spielt das Alter keine Rolle.“

„Für Leute wie dich nicht. Für alte Männer spielt das Alter nie eine Rolle. Für Leute wie mich, für Mädchen in meinem Alter, wird es ganz schnell ziemlich kitschig.“

„Ich versuche, dir verständlich zu machen, dass durch die Liebe alles Trennende bedeutungslos wird. Wenn ich dich liebe, lasse ich mich durch nichts daran hindern. Wenn du mich liebst … –“

„Was ich nicht tue.“

„– … lässt auch du dich durch nichts daran hindern. Heirate mich und wir werden für immer zusammen sein.“

„Nein.“

„Du kannst nicht ewig vor deinen Gefühlen davonlaufen.“

„Und du kannst nicht ewig vor der Wirklichkeit davonlaufen. Ich werde dich nicht heiraten, Caelan. Und jetzt gehe ich nach Hause.“

„Ich begleite dich.“

„Nein. Das wirst du nicht tun.“

„Und wenn der Todbringer wieder kommt?“

„Du musst wirklich lockerer werden. Ich habe mein Handy so programmiert, dass ich nur auf einen Knopf zu drücken brauche und Fletcher und Skulduggery teleportieren her. Aber Melancholia wird nicht kommen. Sie hat ihren Spaß gehabt.“

„Du brauchst die beiden nicht. Ich bin der Einzige, den du brauchst. Ich bin dein Schutzengel.“

„Ich gebe dir diese Nacht frei, okay? Unternimm etwas. Hab Spaß. Lern ein Mädchen kennen. Schmeiß dich nicht zu doll an sie ran. Morgen früh hast du dann viel bessere Laune, glaub mir.“

„Du bist die Einzige für mich.“

„Ich gehe jetzt.“

„Sag, dass du mich liebst!“, rief er ihr nach.

Sie verdrehte die Augen.