Und zum guten Schluss ins Städtchen!

Der nächste Tag war schon der Freitag. Da waren die Menschen dran, und zum ersten Mal wollte die Gespenstermama Friedehelm zu den drei Ulmen bringen.

»Damit ihr früher mit dem Streichen anfangen könnt«, sagte sie zu den anderen.

Aber in Wirklichkeit machte sich die Gespenstermama ein bisschen Sorgen, weil sie sich ziemlich sicher war, dass Friedehelm sich vor den Menschen am allermeisten fürchtete. Wann immer Papa von seiner Arbeit erzählte, wollte Friedehelm lieber auf sein Zimmer und lesen und nichts davon hören. Dabei erzählte Papa meistens nur davon, wie er den Menschen mal wieder ordentlich Angst eingejagt hatte. Mama selber geisterte ja nicht, sondern war Forscherin und

»Aber Mama, warum sehen sie dann so grässlich aus?«, fragte Friedehelm, als sie ihm erklärte, dass die Menschen sich eigentlich vor Gespenstern fürchten und nicht umgekehrt.

»Was genau findest du denn so grässlich an ihnen?«, erkundigte sich die Gespenstermama.

»Ihre trampeligen Füße«, sagte Friedehelm und schüttelte sich. »Ihre trampeligen Füße und ihre großen Nasen.«

»Stimmt, der Mensch als solcher ist nicht gerade schön«, gab die Gespenstermama zu. »Aber die Füße braucht er nun mal, weil er nicht schweben kann.«

»Und die große Nase, wofür braucht er die?«, fragte Friedehelm.

»Das wissen wir noch nicht so genau«, sagte die Gespenstermama. »Wir glauben, die braucht er, weil er so naseweis ist, aber ob das stimmt, müssen wir erst noch rauskriegen.«

»Vielleicht krieg ich das später raus, wenn ich auch Forscher bin und an der Gespensteruniversität arbeite«, sagte Friedehelm.

Da waren sie schon fast bei den drei Ulmen, und als sie

»Du weißt, wie du ins Städtchen kommst?«, fragte sie und drückte ihn, dass er kaum antworten konnte.

»Ja … Mama«, ächzte er. »Immer … am Waldrand entlang … bis man den … Kirchturm sieht.«

Da ließ die Gespenstermama ihn los, schaute ihm tief in die Augen und sagte:

»Bleib einfach ganz ruhig, Friedehelm! Und immer dran denken: Wir Gespenster können die Menschen sehen, aber sie uns nur, wenn wir es wollen! Wie das geht, lernst du später in der Schule. Jetzt brauchst du es ja noch nicht.«

»Aber hören können sie mich, stimmt’s?«, fragte Friedehelm.

»Ja«, sagte die Gespenstermama. »Darum sei vielleicht lieber still. Für die Mutprobe reicht es ja, wenn du bei ihnen warst.«

»Ja, Mama«, sagte Friedehelm und musste dazu auch gar nicht flunkern. Er wollte wirklich nur rein ins Städtchen und dann schnell wieder raus.

Mama tat jetzt so, als wäre ihr was ins Auge geflogen, aber Friedehelm wusste Bescheid: Sie wischte sich heimlich eine Träne ab. Bei Tag! Das war jetzt schon das zweite Mal.

»Tschüs, Mama, bis später!«, sagte er tapfer.

»Jetzt geh schon!«, sagte sie, und Friedehelm machte sich auf den Weg.

Es ging eine ganze Weile am Rand des Finsterwaldes entlang, und als in der Ferne endlich die Kirchturmspitze auftauchte, hielt Friedehelm sie erst für eine kleine dunkle Tanne oben auf einem Hügel. Aber genau da landete das Käuzchen auf seiner Schulter und erklärte ihm, er brauche nur noch ein Stück weiterzuschweben, dann komme darunter ein weißer Turm mit einer Uhr zum Vorschein, und von Tannen mit Türmen und Uhren darunter habe Friedehelm doch bestimmt noch nie gehört. Es sollte ein Witz sein, aber man hörte an der Stimme des Käuzchens, dass ihm heute längst nicht so nach Lachen zumute war wie gestern.

Trotzdem fragte Friedehelm:

»Und wenn solche Tannen nur unheimlich selten sind?«

Es war bestimmt nicht der beste Witz der Welt, aber gestern hätte sich das Käuzchen darüber schiefgelacht, da war sich Friedehelm sicher. Heute verdrehte es nur die Augen und stöhnte: »Ha-ha.« Von da an schwieg es sich aus, und sagte erst wieder was, als sie den weißen Turm mit der Uhr

»Aber da siehst du sie mit deinen Augen doch genauso gut wie bei Tag!«, wunderte sich Friedehelm.

»Ihr Anblick macht mir auch nichts aus«, sagte das Käuzchen. »Ich kann nur den Lärm nicht ab, den sie tagsüber machen. Menschen sind Krawallbolzen, das wirst du gleich hören.«

»Aber du wartest hier auf mich, ja?«, fragte Friedehelm, als das Käuzchen schon mit den Flügeln klappte.

»Sind wir jetzt Freunde oder nicht?«, fragte das Käuzchen, dann flog es davon.

Auch der Witz vom Anfang, also der, den das Käuzchen gemacht hatte, war bestimmt nicht der beste Witz der Welt gewesen. Aber das jetzt war ganz bestimmt die beste Antwort der Welt. Von da an schwebte Friedehelm tapfer auf das Städtchen zu und dachte: Nehmt euch bloß in Acht, ihr trampeligen Großnasen, ich komme!