Friedehelm schnappte gerade nach Luft, da ging es plötzlich los.
»IST JETZT BALD MAL RUHE?«, fragte eine Grummelstimme, die man bis tief in die Magengrube spürte. Wie ein nahes Donnergrollen klang das, und Friedehelm verging das Lachen schon beim allerersten Ton.
Aber dem Käuzchen nicht! Es lachte noch in aller Ruhe zu Ende, dann schüttelte es sein Gefieder, plusterte sich auf und sagte: »Mach keinen solchen Wind, alte Rumpelpumpel!«
Rumpelpumpel? Von jemandem, der so hieß, hatte Friedehelm ja noch nie gehört. Und als er sich umschaute, sah er auch niemanden, den das Käuzchen damit hätte meinen können. Aber das Käuzchen half ihm auf die Sprünge.
»Sie war’s«, sagte es und nickte zum Stamm der alten Mooreiche hin. »Wenn ihr was nicht passt, rumpelt und pumpelt sie herum – aber sie meint’s nicht so, stimmt’s, alte Rumpelpumpel?«
»NENN MICH NICHT IMMER SO!«, grummelte die Mooreiche.
»Wer rumpelt und pumpelt, ist eine alte Rumpelpumpel, da beißt die Maus keinen Faden ab«, sagte das Käuzchen.
»NA SCHÖN«, grummelte die Mooreiche.
Dann war Ruhe, aber Friedehelm traute dem Frieden nicht. Die alte Mooreiche war doch hundertmal größer und stärker als das Käuzchen. Solche Frechheiten ließ sie sich doch bestimmt nicht gefallen.
»Wo waren wir vor dem Lachen stehengeblieben?«, fragte das Käuzchen, das sich anscheinend keine solchen Gedanken machte.
»Bei meinem Papa, wenn er morgens nach Hause kommt und pfeift, dass manchmal das ganze Haus aufwacht«, sagte Friedehelm.
»Genau«, sagte das Käuzchen.
Und schon erklang ganz leise wieder das Donnergrollen. Vielleicht hatte die alte Mooreiche Angst, dass das Gelächter noch mal von vorne losging.
»Hör einfach nicht hin!«, sagte das Käuzchen.
»Es ist aber ganz schön laut«, sagte Friedehelm.
»Laut?«, wunderte sich das Käuzchen. »So leise hab ich sie überhaupt noch nie rumpeln und pumpeln gehört.«
»Ich meine doch Papa, wenn er pfeift«, sagte Friedehelm.
Da ging das Gelächter wirklich noch mal los, und die alte Mooreiche konnte rumpeln und pumpeln, so viel sie wollte, die beiden hörten erst wieder auf, als sie beim besten Willen nicht mehr konnten und völlig aus der Puste waren.
»Du bist aber auch eine Knalltüte!«, japste das Käuzchen.
»Selber Knalltüte!«, japste Friedehelm.
Dann klärten sie die Sache mit dem Gespensterpapa, der natürlich keine Mäuse fing, sondern morgens beim Nachhausekommen deshalb pfiff, weil er wieder mal genügend Menschen um den Schlaf gebracht hatte. Für ein Käuzchen war es eine gute Nacht, wenn es genügend Mäuse fing, und für einen Gespensterpapa, wenn er genügend Menschen um den Schlaf brachte.
»Verstehe«, sagte Friedehelm, nachdem es ihm das Käuzchen verklickert hatte.
»War aber auch Zeit«, sagte das Käuzchen. »So, und jetzt bring ich dich nach Hause – einverstanden?«
»Ich wollte dich aber noch ein paar Sachen fragen«, sagte Friedehelm.
»Unterwegs«, sagte das Käuzchen.
»Okay«, sagte Friedehelm.
Dann wartete er, dass es losging. Er dachte nämlich, dass ihm das Käuzchen voranfliegen würde. Aber das tat es nicht. Es blieb auf seiner Schulter sitzen und wollte ihm von dort den Weg zeigen.
»Sonst bin ich zu schnell für dich«, sagte es. »Los geht’s – immer schön am Bächlein entlang!«
Da schwebte Friedehelm los, und das Käuzchen rief: »Huhuuu! Aus dem Weg, wir kommen!«
Nicht zu glauben, dass es Friedehelm vor dem »Huhuuu!« mal so gegruselt hatte! Jetzt machte es ihm überhaupt nichts mehr aus. Er rief es sogar selbst und versuchte dabei, die Käuzchenstimme nachzumachen.
»Hühüüü!«, rief er übers neblige Moor.
»Klüngt noch ein büsschen mückrüg«, sagte das Käuzchen. »Aber das würd!«
Sie waren so albern und das Rufen machte solchen Spaß, dass sie am liebsten gar nicht mehr aufgehört hätten. Friedehelm vergaß darüber sogar, dass er das Käuzchen ja noch alles Mögliche hatte fragen wollen. Er überlegte sich zwischendurch nur, ob ihnen womöglich sein Papa entgegenkam – und was der wohl sagen würde, wenn er sah, dass sein Jüngster mit einem Käuzchen auf der Schulter durch die Gegend schwebte und seltsame Rufe ausstieß.
Aber der Gespensterpapa kam ihnen nicht entgegen. Und auch bei den Weiden war er nicht.
»Können wir einen Bogen um die machen?«, fragte Friedehelm, als die knorrigen Gestalten vor ihnen aus dem Nebel auftauchten.
»Nur wegen dem kleinen Liedchen?«, fragte das Käuzchen.
»Woher weißt du …«, begann Friedehelm.
»Käuzchenohren«, unterbrach ihn das Käuzchen. »Schon mal gehört, dass sie noch hundertmal besser sind als Gespensterohren?«
»Nein«, sagte Friedehelm.
»Ist aber so«, sagte das Käuzchen. »Ich kann sogar hören, was deine großen Geschwister dir morgens auf dem Schulweg erzählen.«
»Ehrlich jetzt?«
»Ja. Und darum weiß ich auch, was du mich noch für Sachen fragen wolltest.«
»Können wir trotzdem erst den Bogen machen?«, fragte Friedehelm.
»Auf gar keinen Fall«, sagte das Käuzchen.
Sie waren den schrecklichen Weiden jetzt schon so nah, dass die sie jederzeit hätten packen können. Aber nichts geschah. Die Weiden wisperten nicht mal. Sie standen still und stumm im Nebel, als Friedehelm mit dem Käuzchen an ihnen vorüberschwebte.
»Jetzt aufgepasst!«, flüsterte das Käuzchen. »Bei drei rufen wir zusammen!«
»Du meinst ›Hühüüü!‹?«, flüsterte Friedehelm zurück.
»Du ›Hühüüü!‹ und ich ›Huhuuu!‹, aber genau gleichzeitig!«
»Okay.«
»Dreh dich von ihnen weg, damit sie nicht sehen, dass wir es sind, die rufen! – Und Achtung: eins, zwei …«
»HUÜHUÜUÜUÜ!«
Es war bestimmt der fürchterlichste Käuzchenruf, der jemals übers neblige Moor geklungen war, aber was dann passierte, war trotzdem nicht zu fassen:
Die Weiden duckten sich! Und sie bewegten zwar die Zweige, als wären es dünne Arme, aber sie fuchtelten nur damit in der Luft herum, als wollten sie jemanden verjagen!
Dabei waren da nur Friedehelm und das Käuzchen.