Auf dem Pony und neben seinem kleinen Esel sah Håkan aus wie ein Koloss. Seine Kleidung verstärkte den exzentrischen Anblick. Gegen Ende seiner Zeit im Lager konnte er sich kaum noch bewegen, ohne dass der enge Stoff riss. Als Abschiedsgeschenk hatten die Frauen sein Hemd und seine Hose geflickt und geweitet. Sie hatten das ursprüngliche Material und die Struktur der Sachen erhalten und neuen Stoff eingenäht — Abschnitte von ihren Zelten, Reste alter Decken, gewebte Flicken, wann immer die größeren Stücke nicht reichten. Das Ergebnis war ein einigermaßen formloser und dabei kühler, bequemer Anzug unbestimmbarer Herkunft — der europäische Bauernjunge, der kalifornische Trapper und der wandernde Indianer waren auf Augenhöhe zusammengekommen. Der kurzhaarige Mann, ein begnadeter Schuster, hatte Håkans aufgeschnittene Schuhe repariert, indem er die Sohle mit einem Stück Leder verlängerte und das Obermaterial größtenteils durch weichstes Wildleder ersetzte, was eine Art Mokassin mit Absatz ergab. Schließlich hatten die Kinder seinen Filzhut mit einem bunten Webband dekoriert, das eine schillernd schwarze Feder hielt.
Der Weg durch die pulsierende Wüste war wie ein Versinken in den Trancezustand direkt vor dem Einschlafen, wenn das Bewusstsein all seine verbleibende Kraft zusammennimmt, um den Augenblick seiner eigenen Auflösung zu registrieren. Zu hören war nur die dünne Krume — über die Jahre pulverisierter Stein, von den Elementen zermahlene Knochen, wie Geflüster über die Ebene wehende Asche —, die sich unter den Hufen weiter zerrieb. Bald wurde dieses Geräusch ein Teil der Stille. Håkan räusperte sich oft, um sich zu versichern, dass er nicht taub geworden war. Über dem harten, flachen Wüstenboden der grausame Himmel und die winzige Sonne — ein dichter, scharfer Punkt.
Und doch, trotz ihrer unbeugsamen Eintönigkeit, war die Wüste in Håkans Augen nun etwas vollkommen anderes. Von dem Kompass, der warm in seiner Tasche lag, strebten unsichtbare Strahlen in jede Himmelsrichtung. Die Ebene war nicht mehr leer, sondern von Linien der Gewissheit durchzogen, so fest und unzweifelhaft wie Alleen und Handelsstraßen. Er wusste, wohin er ritt, er würde hinter dem Ring des Horizonts die Emigrantenroute finden, er konnte Feuer machen und richtiges Essen darauf zubereiten, mit jedem Schritt des Esels konnte er das Wasser in den Fässern plätschern hören, er spürte das Gewicht seines vollen Geldbeutels in der Tasche, und die Wüste selbst war nicht mehr so fremd wie einst — all das machte die Ebene zu einem fassbaren Gebiet, das durchquert und verlassen werden konnte und an die Stelle einer erstickenden Leere trat, aus der alles, sogar der Raum selbst, verschwunden war.
Allerdings war keine Veränderung an Håkans Umständen so bedeutsam wie die, ein Pferd zu besitzen. Auf seinem Pferd, seinem eigenen Pferd, war er in Sphären hoch über den meisten Menschen aufgestiegen — niemand in Schweden, nicht einmal der Mächtigste, den er dort gekannt hatte, der Gutsverwalter, der das Geld von seinem Vater eintrieb, besaß ein eigenes Pferd. Es störte ihn nicht weiter, dass Pingo — so hieß das Pferd Antim zufolge — eines der etwas kränklichen Ponys war, die die Plünderer zurückgelassen hatten, und dass es weder Sattel noch Zaumzeug hatte, nur eine um den Kiefer geschlungene Lederschnur. Er war größer und freier geworden. Vielleicht zum ersten Mal im Leben war er stolz. Es spielte keine Rolle, dass draußen in der Wüste niemand seiner Erhabenheit beiwohnen konnte. Seine Zufriedenheit bedurfte keiner Zeugen, nur ein ganz bestimmtes Augenpaar vermisste Håkan. Wenn Linus ihn sehen könnte, wie er auf seinem Kastanienbraunen durch die Prärie ritt — mit einem Esel im Schlepptau! Im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten verwöhnte Håkan Pingo. Er gönnte dem Pferd viel Ruhe und rieb es mehrmals täglich mit einem rauen Tuch ab. Wenn er merkte, dass es großen Durst hatte, verzichtete er auf seine eigene Wasserration. Im Gegenzug bereitete Pingo ihm wenig Ärger. Bis auf seine Gefräßigkeit war er ein gutmütiges Tier. Wann immer das gedrungene Pony einen etwas grüneren Strauch sah, steuerte es schnurstracks darauf zu, und erst wenn die unteren Blätter — die kleineren, zarteren — verschlungen waren, reagierte es auf das Ziehen der Schnur. Um nicht den geringsten Rest übrig zu lassen, schnaubte es in den Sand, drückte das Maul hinein und grub mit den Lippen, bis nichts mehr da war. Dann hob es den Kopf und ließ Håkan wieder den Kurs bestimmen. Als er sah, welche Freude Pingo an diesen Mahlzeiten hatte (und weil er es ihm so angenehm wie möglich machen wollte), ließ Håkan ihm bald jedes Mal seinen Willen.
Einige Tage nach der Abreise bekam Pingo Durchfall. Håkan vermutete, dass die Blätter der Grund der Erkrankung seien, und wollte ihn nun davon abhalten, sie weiter zu fressen. Aber so kräftig er auch versuchte, ihn fortzuzerren, Pingo rupfte die sprießenden Blätter immer wieder aus dem Sand. Es ging ihm zusehends schlechter. Håkan pflückte eine Handvoll der Blätter und aß sie selbst. Sie waren bitter und gummiartig wie kleine, tote Zungen. Er wartete, doch nichts geschah. Drei oder vier Tage vergingen, in denen Pingo stark an Gewicht verlor. Die Hüftknochen stachen aus dem abgemagerten Körper hervor. Auch sein Verhalten änderte sich. Oft streckte er sich, als wollte er pinkeln, um dann lange in dieser Haltung zu verharren, zu scharren und sich zuletzt hinzulegen und auf den Rücken zu rollen, ungeachtet seines Reiters, der mehrmals eingeklemmt wurde und bald wusste, dass er bei den ersten Anzeichen eines solchen Anfalls abspringen musste. Schließlich war Pingo zu krank, um auf ihm zu reiten, und Håkan führte ihn am Zügel, sofern er sich überhaupt von der Stelle bewegte. Ihm war der Zustand des Tieres ein Rätsel. Wieder und wieder tastete er seinen Unterleib ab, ohne etwas Auffälliges zu finden. Und doch starb Pingo offensichtlich. Nach einer weiteren ergebnislosen Untersuchung schmiegte Håkan sich voller Verzweiflung und in einer eher liebevollen als klinischen Geste an den Bauch des Pferdes. Er hörte ein Rauschen, das träge Plätschern von Wellen, die auf einen Sandstrand auflaufen und wieder abfließen. Er drückte das Ohr fester an den Leib. Eine friedliche Küste. Das Wispern von Sand in der Brandung. Ein beschauliches Meeresufer in den Eingeweiden seines Pferdes. Er trieb seine Faust kräftig in den Unterleib des Tieres und horchte erneut an seiner Flanke. Der murmelnde Sandstrom wurde lauter. Håkan leerte einen Ledersack und ging den Rest des Tages hinter dem Pferd her. Am späten Nachmittag entleerte Pingo schließlich seinen Darm, und Håkan fing eine Probe mit dem Sack auf. Nachdem er den Mist sorgfältig, aber ergebnislos untersucht hatte, füllte er den Sack bis zur Hälfte mit Wasser auf, band ihn zu, schüttelte und wartete, bis der Inhalt sich gesetzt hatte. Dann ließ er behutsam die Hand hineingleiten, um die Flüssigkeit nicht zu verwirbeln und betastete den Boden. Dort fand er eine dicke Sandschicht. Im Laufe des nächsten Tages wiederholte Håkan den Test mehrmals, stets mit dem gleichen Ergebnis. Er folgerte, sein Pferd habe übermäßige Mengen Sand aufgenommen, während es unter den Sträuchern nach Blättern gewühlt hatte. Mittlerweile plagten Pingo starke Schmerzen. Håkan wusste keine andere Lösung, als den Bauch des Pferdes zu öffnen, den Dickdarm aufzuschneiden, den Sand herauszuspülen und alles wieder zu vernähen. Eine solche Operation allein und mit unzureichenden Instrumenten durchzuführen war gefährlich, das wusste Håkan, und Pingos Überlebenschancen waren gering. Er wusste aber auch, dass die Koliken sein Pony bald töten würden, wenn er nichts unternahm.
Bei Sonnenaufgang (er wollte sichergehen, dass er so lange wie möglich Licht hatte) gab Håkan Pingo einige Tropfen von Lorimers Beruhigungstinktur mit einem Sack voller weicher Blätter. Bald wurden die Augen des Pferdes schmaler und schwärzer, es schien einwärts zu schielen. Dann zeigte es der Wüste die Zähne. Obwohl seine Hinterbeine wacklig wurden, ging Pingo davon. Er war unaufhaltsam — er spürte die Schnur nicht und schleifte sogar Håkan mit, der ihm am Hals hing und die Hacken in den Boden stemmte. Pingo keckerte freudlos wie eine alte Henne oder eine müde Hexe. Kia, kia, kia, kia. Håkan keuchte. Der Esel sah sie mit gelassenem Befremden über ihr unziemliches Verhalten an. Pingo setzte sich und starrte kurzsichtig ins Leere. Håkan beschwor ihn mit sanften Worten aufzustehen. Als wäre er mit einer unsichtbaren Peitsche geschlagen worden, stand Pingo auf und setzte seinen unsteten Marsch fort. Kia, kia, kia, kia. Wieder hielt Håkan sich am Hals des Ponys fest. Mit seiner Orientierungslosigkeit nahm scheinbar auch die Kraft des Pferdes zu. Der Esel war nur noch ein Punkt am Horizont. Waren sie schon so weit gelaufen, oder ging der Esel in die entgegengesetzte Richtung? Es gelang Håkan, Pingo noch ein paar Tropfen der Tinktur einzuflößen. Dessen bereits wacklige Beine gaben schließlich nach, und er fiel auf die Seite. Sicherheitshalber fesselte Håkan seine Beine und lief zurück zum Esel. Der hatte sich nicht bewegt.
Als er mit dem Esel und der Ausrüstung wieder beim Pferd war, legte Håkan eine gewachste Stoffplane aus, kochte seine Instrumente im trüben Wasser ab (und summte dabei wie der kurzhaarige Mann), wusch sich die Hände, so gut er konnte, und zog sich vollständig aus. Als er einen langen Schnitt im Unterleib des Ponys vorgenommen hatte, fand er den Dickdarm schnell. Dieser war viel größer, als er ihn sich jemals vorgestellt hätte — dicker als ein menschlicher Oberschenkel. Er steckte den Arm bis zur Schulter in den Pferdebauch, denn er wollte den Dickdarm einhaken und herausheben, aber dieser war zu schwer und zu glitschig. Außerdem wirkte das Gewebe so zart, dass es bei forscher Behandlung sicher reißen würde. Håkan war bald von Schweiß, Blut und schmierigen Flüssigkeiten bedeckt. Nachdem er sanft mit der Riesenschlange gerungen hatte, bekam er den beweglichsten Teil des Dickdarms herausmanövriert. Das schwere Gedärm hing nun aus dem Leib des Tieres und quoll auf die Plane. Håkan nahm einen handlangen Einschnitt vor und spülte den Inhalt heraus. Pingo hatte eine enorme Menge Sand verschluckt. Håkan reinigte den Darm, bis seine Wasserreserven beinahe erschöpft waren. Dann nähte er das Organ zu und hob es wieder ins Innere. Es war nun deutlich leichter, nachdem es vom Sand befreit war, und er brachte es ohne Schwierigkeiten wieder an seinen Platz.
Vorsichtshalber ließ Håkan das Pferd noch zwei Tage am Boden angebunden und verabreichte ihm eine niedrige Dosis des Betäubungsmittels. Als die Zeit zum Aufstehen kam, war Pingo kräftiger als erwartet. Dennoch wusste Håkan, dass es mehrere Wochen dauern würde, bis das Tier wieder die langen Strecken laufen konnte, die sie bisher jeden Tag zurückgelegt hatten. Und sie hatten fast kein Wasser mehr. Lorimer zufolge sollten sie auf einen Fluss stoßen, und der bereits bewältigten Distanz nach zu urteilen konnte es nicht mehr weit sein. Håkan hinterließ Pingo Futter und Wasser in einem bis zum Rand eingegrabenen Fass, band ihn mit einer langen Schnur an den Stamm eines robusten Strauches und — falls diese riss — fesselte ihm die Vorderbeine locker aneinander. Obwohl das Tier angebunden und in seiner Beweglichkeit eingeschränkt war, ließ Håkan es nur ungern zurück und blickte sich immer wieder nach seiner reglosen Silhouette um, bis sie von fernen Wellen heißer Luft verzerrt und verschlungen wurde.
Der Fluss, eine braune Linie trägen, trüben Wassers, war nur zwei Tage entfernt. Auch wenn die Ufervegetation dieselbe Strenge offenbarte, die die Wüste allen Lebewesen abverlangte, kam sie Håkan erfrischend grün vor — und der Esel fand sogar etwas Horstgras, das sie Pingo mitbringen konnten. In niedrigen, miteinander verschränkten Baumwipfeln, dem einzigen sicheren Ort meilenweit, waren Vogelnester mit Eiern verborgen, die meisten blassorange mit ockerfarbener Marmorierung. Håkan aß ein paar und wickelte gut zwei Dutzend Eier verschiedener Größen und Farben in ein Tuch. Dann versuchte er, mit einem Faden und einer gekrümmten Nadel zu angeln, fing aber mit viel Geduld nur einen kleinen, übelriechenden Gründler. Wenn er am Ufer auf und ab ging, knirschte es bei jedem Schritt. Er kratzte mit der Fußspitze über den Sand und sah, dass sich dicht unter der Oberfläche überall Muscheln angesiedelt hatten. Er brach eine auf und untersuchte den Schleim darin. Er sah nicht aus wie ein aus vielen Teilen zusammengesetzter Körper, eher wie ein einziges Organ. Håkan entfernte das Weichtier aus seiner Schale und ließ es sich den Hals hinabgleiten, ohne es zu kauen oder zu schmecken. Mit wenig Mühe grub er große Mengen Muscheln aus und warf sie in die Fässer, die bereits wieder mit trübem Wasser aufgefüllt waren. Die Säcke wurden mit Gras und Eiern gefüllt, und bald brachen Håkan und der Esel wieder in die Richtung auf, aus der sie gekommen waren.
Der treue, geduldige Pingo wartete bei seinem Strauch, genau dort, wo sie ihn zurückgelassen hatten. Er war durstig, doch sein Zustand hatte sich etwas verbessert. Seine Naht verheilte, doch auch wenn er lebhafter wirkte, fiel ihm das Gehen sehr schwer.
Langsam wurde aus ihrem Biwak ein dauerhaftes Lager. Håkan rodete die Mitte eines großen Dickichts und spannte darüber die Plane, wodurch ein niedriger, schattiger Unterschlupf entstand, in dem er die meiste Zeit benommen von der Hitze lag. Etwa alle drei Tage ging er mit dem Esel zum Fluss, um Wasser, Muscheln, Eier und Gras zu holen, sodass sie trotz des langen Aufenthalts ihre Vorräte kaum anbrechen mussten. Pingos Zustand verschlechterte sich wieder. Die Naht schien ihn heftig zu jucken. Sein Brustkorb war wund, wo er versucht hatte, sich mit den Zähnen zu kratzen, und oft musste Håkan ihm das Maul zubinden. Dieses Verhalten wurde heftiger, als die Naht rot anschwoll, als wirkte eine harte, aber zugleich fragile Kraft von innen dagegen. Pingos Augen hatten sich geweitet. Wenn Håkan nicht seine Wunden versorgte, ermutigte er ihn zu trinken oder versuchte, ihn vor der Sonne zu schützen. Den Großteil des Tages verbrachte er mit der Wange am Hals des Pferdes und spürte, wie unter dem Fell das Fleisch zuckte. Schließlich gaben Pingos Beine nach, er legte sich hin. Sein Atem war nun ein gebrochenes Rasseln, als würden trockene Blätter durch eine rostige Luftröhre wirbeln. Seine Augen sahen aus, als würden sie jeden Moment aus den Höhlen platzen. Die Wunde — warm und malvenfarben, straff und pochend — entwickelte ein Eigenleben.
An dem Tag als Pingo zu halluzinieren anfing, kroch eine Made aus der Naht hervor. Håkan zog die Fäden und sah in der Wunde ein Wirrwarr aus Würmern kochen. Einige Stunden später zitterten Pingos Ohren, als wuselten Insekten auf ihnen herum. Dann schüttelte er den Kopf und schlug mit dem Schwanz nach unsichtbaren Fliegen. Er versuchte vergeblich, aufzustehen. Er brüllte. Das Geräusch ähnelte keinem, das Håkan jemals gehört hatte. Zwei monströse Messerklingen, die aneinanderschliffen. Pingo hielt den Schrei durch, bis seine Lunge nichts mehr hergab. Dann brüllte er wieder. Immer und immer wieder. Håkan umarmte den Hals des Pferdes, dessen wahnsinnige Augen vom Horizont aus den Höhlen gesaugt wurden. Pingo brüllte weiter, die Adern und Sehnen an seinem Hals traten hervor. Håkan drückte ihn an sich und weinte. Die Schreie verstummten erst nach einer starken Dosis des Betäubungsmittels. Als Pingo bewusstlos war, durchtrennte Håkan seine Schlagadern, rollte die Plane auf und zog weiter.