M eine Hand verkrampft sich, so schnell schreibe ich, während Mr Sussmann, mein Professor für Umweltmanagement, ein Diagramm erklärt. Das Gekrakel auf meinem Tablet ist unübersichtlich, obwohl ich eigentlich mit Schaubildern, Farbsystemen und Schönschrift lerne. Daher habe ich es mir inzwischen angewöhnt, nach den Vorlesungen noch mal alles abzuschreiben und es dabei so zu gestalten, wie ich es für mein Lernkonzept und meine innere Zufriedenheit benötige.
»Wenn wir also von der Planung und Implementierung von Umweltmanagementsystemen sprechen«, sagt Mr Sussmann in seiner beruhigenden Bassstimme, »welche Aspekte gibt es dann zu beachten?«
Meine Hand schnellt nach oben, aber jemand hinter mir ist schneller. »Dokumentation, Schulungen, Beachten der Vorschriften«, leiert derjenige herunter.
Meine Hand bleibt oben, Professor Sussmann nickt in meine Richtung.
»Im Endeffekt ist es egal, welche Art von Management betrieben wird, denn diese Faktoren gehören immer dazu«, erläutere ich. »Dabei kann der Umweltaspekt zunächst ausgeklammert werden.«
»Und wenn wir nun konkret die Umwelt in den Fokus stellen wollen? Welche Schritte kommen dann hinzu?«
»Wir brauchen Umweltziele«, erwidere ich wie aus der Pistole geschossen und ernte damit ein zufriedenes Nicken meines Professors. »Aus denen resultiert ein konkretes Umweltprogramm. Dann erst kommen die Managementsysteme zum Einsatz, und dann muss eine Rückprüfung erfolgen.«
»Ganz recht.« Mr Sussmann öffnet auf seinem Tablet das nächste Schaubild, das hinter ihm auf der weißen Wand erscheint. Über die Dropbox der Veranstaltung ziehe ich es mir auf mein Tablet. Eine Aufstellung von Umweltprogrammen am Beispiel einiger Firmen, mit denen die LBU zusammenarbeitet. Einige besonders detailliert und ausgefeilt, andere offenbar noch ganz am Anfang ihrer Planungen.
»Für Ihre nächste Hausarbeit möchte ich, dass Sie sich diese Programme ansehen, sie auf Effizienz, Auswertbarkeit und Nutzen prüfen und Ideen sammeln, wie die Programme zu optimieren sind.« Ein Stöhnen geht durch die Reihen. Das klingt nach viel Arbeit, aber in meinen Ohren auch spannend. »Keine Sorge«, beschwichtigt Mr Sussmann. »Sie haben natürlich genug Zeit. Stichtag ist Ende März.«
Ich scrolle zu meiner To-do-Liste und setze es auf Punkt fünf, mit dem Brainstorming zu beginnen. Direkt unter die wichtigste Aufgabe des Tages, die ich meinem Stipendium bei Red zu verdanken habe: meinem Interview mit Forest.Gardening, das ich heute Nachmittag zusammen mit Corey führen werde. Forest.Gardening ist ein Gartenmagazin, das über den Forschungsschwerpunkt der LBU sprechen möchte: die Auswirkungen des Tourismus auf den Modoc National Forest. Die LBU betreibt hierzu seit Jahren eine Studie, zu deren Zweck regelmäßig Erd- und Wasserproben genommen und analysiert werden.
Mr Sussmann beendet die Vorlesung, und die Stimmen um mich herum werden lauter. Ich packe meine Sachen, verlasse den Vorlesungssaal und passiere die pflanzenbehangenen Flure, um das Gebäude zu wechseln. Der Campus ist weitläufig und umfasst vier Hauptgebäude, die als Wohnheime und Vorlesungstrakte fungieren. Dazwischen laden Holztische mit Aussicht auf Kiefernfamilien zum Verweilen ein. Der Modoc National Forest ragt hinter den Gebäuden in den Himmel auf, dunkelgrün und wunderschön. Eine tägliche Erinnerung daran, dass sich Umweltschutz lohnt.
Ich steuere auf das Gebäude B zu, in dem sich die Mensa befindet. Dahinter, etwa fünf Minuten Fußweg entfernt, liegen zwei der drei Forschungslabore sowie die Straße, die nach Lullaby und damit zum Ortskern führt. Wobei es wirklich ein kleiner Kern ist. Ein paar Geschäfte, ein Diner, ein Rathaus samt Stadtarchiv. Das war’s.
»Hey, Lou!« Ein paar Leute aus dem Festkomitee sitzen an einem der Holztische und winken mir zu. Ich winke zurück, weiche dabei einigen anderen Leuten aus. Es ist viel los auf dem Campus, alle vierhundert Studierenden der LBU scheinen auf den Beinen zu sein. Es herrscht ein Trubel, den wir in unserem etwas abgelegeneren Wohnhaus von Red oft gar nicht so wahrnehmen.
Ich erreiche die Mensa. Auch hier finden sich mehrere Holztische und Hunderte von Pflanzen, sodass der Raum gemütlicher ist als jede andere Mensa, die ich bisher betreten habe. An der Essensausgabe hole ich mir eine Tomatensuppe mit Croutons und lasse mich an einem der Tische an der Fensterfront nieder, die eine Aussicht auf den Forest bietet.
Während ich meine Suppe löffle, gehe ich meine Notizen aus Umweltmanagement durch und versehe sie mit Farben, Pfeilen und Ausrufezeichen. Eine befriedigende Arbeit, in der ich vollkommen aufgehe, bis irgendwo in der Nähe der Name Maggie Ganes fällt. Die Leute hier kennen seit der Wintergala kein anderes Thema mehr. Was schon lachhaft ist, immerhin habe ich in den eineinhalb Jahren, in denen ich nun bereits an der Lullaby University bin, vorher nie ihren Namen gehört. Weder hinter vorgehaltener Hand noch offiziell von anderen Professoren oder Studierenden. Wie ich mittlerweile weiß, hat sie vor zwei Jahren die LBU verlassen. Von den vier Jahrgängen hier an der Uni kann sie also höchstens die Hälfte überhaupt gekannt haben, zumal sie hauptsächlich für das Stipendienprogramm zuständig war und somit für die meisten hier unwichtig. Immerhin haben nur rund fünfzehn Prozent der vierhundert Studierenden ein Teil- oder Vollstipendium. Die Leute sollten sich also wirklich dringend andere Gesprächsthemen suchen. Die anstehenden Midterms zum Beispiel. Meinetwegen auch das kalifornische Wetter. Ganz egal, was.
»Lou!« Meine Freundin Reese winkt zu mir herüber und lenkt mich zum Glück ab. In der Hand trägt sie ein Tablett mit Obstsalat, Kaffee und einem Schokoriegel. Ihre dunklen Braids schwingen bei jedem Schritt mit, den sie auf mich zugeht.
»Du bist spät dran«, begrüße ich sie, als sich Reese auf den Stuhl mir gegenüber fallen lässt.
Reese zieht eine Grimasse. »Professor Wesley hat wieder einmal überzogen.« Das überrascht mich nicht. Mr Wesley ist der älteste Professor der Uni, quasi ein Relikt aus der Steinzeit, und er lässt sich nicht gerne vorschreiben, wie lange seine Vorlesungen zu dauern haben, und überzieht ständig, weil er langsam und einschläfernd referiert. Ich bin froh, dass ich meine Pflichtfächer bei ihm schon hinter mich gebracht habe.
»Was steht heute bei dir an? Arbeit?«, fragt Reese und deutet auf mein Tablet mit den Notizen. Ihre Finger trommeln gegen die Schale ihres Obstsalats. Am Anfang hat es mich irritiert, aber inzwischen bin ich es gewöhnt, dass Reese ständig in Bewegung ist.
»Bin gerade fertig geworden. Ich dachte, ich nutze die Zeit, um mal wieder ein bisschen an meinen Entwürfen zu feilen. Das kommt in letzter Zeit zu kurz.«
»Dein Modelabel wächst ja nicht von allein«, meint sie und wirft sich schwungvoll eine Traube in den Mund. Dann schnappt sie sich ihre Kopfhörer und setzt sie auf. Ich hingegen schließe meine Notizen und öffne den Entwurf eines Wintermantels: Rot, A-Linie, mit Stehkragen. Mir gefällt die Taillierung nicht, daran muss ich noch arbeiten. Aus Reese’ Kopfhörern dringt leise Rockmusik, und ihre Lippen formen lautlos Texte zwischen den Essenspausen. Dabei tänzeln ihre Finger in der Luft, als würde sie selbst Gitarre spielen, auch wenn sie mir erst neulich verraten hat, dass sie in Sachen Musikinstrumente keinerlei Erfahrungen vorweisen kann. Ich lasse mich von den leisen Melodien und ihrer Energie mitziehen, versuche, mit präzisen Strichen meinen Entwurf zu verbessern und die Passform des Mantels etwas figurbetonter zu gestalten. Immer wieder sehe ich auf, dann treffen sich Reese’ und mein Blick, und wir grinsen uns an.
Als sich Hazel mit Reese angefreundet hat, hätte ich nicht gedacht, in ihr ebenso eine gute Freundin zu finden. Die erste Zeit haben wir kaum miteinander geredet. Erst als Reese herausgefunden hat, dass ich nähe, und ich ihr ein Sweatshirt angefertigt habe, haben wir uns ein paarmal allein getroffen, und sie hat mich mit ihrer Energie für sich eingenommen. Ihr loses Mundwerk bei gleichzeitiger Ernsthaftigkeit, dass sie ständig in Bewegung ist und ich bei ihr das Gefühl habe, mein Ding machen zu können, ohne allein zu sein – all das beflügelt mich. So wie jetzt. Als wir vor ein paar Wochen ausgemacht haben, von nun an mittwochs zusammen zu essen, weil Hazel dann mit Lewis im Forschungslabor ist und sie sonst allein in der Mensa säße, war ich sofort dafür und habe es bisher nicht bereut. Zumal meine Mittagspausen früher oft nur der Arbeit dienten, wenn Jasper mich nicht gerade überredet hat, mit ihm zu essen. Das war vor den Gerüchten, als er die Mensa noch nicht gemieden hat. Meistens saß er dann lässig-locker neben mir und sah mir amüsiert dabei zu, wie ich arbeitete und dabei mein Essen herunterschlang, anstatt es zu genießen. Wie oft hat er mich aufgezogen, weil ich jede meiner Notizen noch mal neu schreibe und verschönere, und dabei grinsend sein Sandwich verzehrt? Ich hätte nie gedacht, dass mir seine Kommentare einmal so fehlen würden. Wobei die entspannten Pausen mit Reese auch nicht zu verachten sind.
Als ich meinen Entwurf speichere und Reese ihre Kopfhörer absetzt, haben wir noch ein paar Minuten, ehe wir zu den nächsten Terminen müssen. Ich leere mein Wasser, Reese streckt sich halbherzig. Obwohl sie so viel Power hat, entdecke ich in ihrem Gesicht eine gewisse Erschöpfung.
»Musst du nachher noch ins Diner?«, erkundige ich mich.
»Leider ja. Momentan schiebe ich fast jeden Nachmittag Schicht.«
»Wird das nicht zu viel neben den ganzen Vorlesungen?«
»Das sagt die Richtige. Du bist doch die Königin der Extra-Arbeit«, zieht sie mich auf, seufzt dann jedoch resigniert. »Aber ja, ehrlich gesagt ist es schon etwas viel. Doch so langsam ist mein Erspartes aufgebraucht.«
»Verstehe«, erwidere ich zähneknirschend. Im Gegensatz zu mir hat Reese kein Stipendium und muss sich das Unileben selbst finanzieren, zumal ihre Mom selbst kaum über die Runden kommt und nichts beisteuern kann. Es ist eine ziemliche Zwickmühle, denn die LBU ist teuer und verlangt viel … aber das zu leisten, wenn man immerzu arbeitet, ist hart. Vor allem im ersten Jahr, wenn man sich noch einfinden muss.
Reese trinkt ihren Kaffee aus. Ihre Finger streichen eine Spur zu nachdenklich über den Rand der Tasse. »Ich dachte, mein Cousin könnte mir mit alten Büchern aushelfen«, sagt sie. Shawn, der selbst auch im Diner arbeitet, ist in Jaspers Jahrgang und somit im dritten Jahr der Uni. Reese’ Mundwinkel zuckt verärgert. »Aber er hat sie schon verkauft. Er hat nicht mal dran gedacht, sie mir zu überlassen.«
»Oh. So ein Mist.«
Reese nickt betrübt. Gerade die Fachliteratur ist unfassbar teuer. Im Stadtarchiv, das gleichzeitig auch die Bibliothek der Uni ist, liegen immer wieder Bücher aus, doch sie sind schnell vergriffen, weil es den meisten Studierenden ohne Stipendium so geht wie Reese.
»Ich kann mal gucken, ob ich noch Bücher von deiner Liste habe.« Als Stipendiatin bekomme ich die Bücher gestellt. Da ich jedoch Umweltmanagement und Reese Umweltwissenschaften studiert, werde ich nicht ihre gesamte Bücherliste abdecken können.
»Wirklich? Das wäre klasse.«
»Klar, mache ich gleich heute.« Ich nehme mein Tablet und ergänze den Punkt auf meiner To-do-Liste. »Ansonsten planen wir auch gerade die Tauschbörse«, fällt mir ein. Ich stecke bereits seit zwei Monaten in der Vorbereitung. Mir schwebt ein Konzept vor wie ein Trödelmarkt, nur dass nichts dort Geld kostet, sondern einfach unter den Studierenden ein neues Zuhause findet. »Da werden sicher auch Bücher angeboten.«
»Das wäre super. Ich habe nämlich langsam keinen Bock mehr darauf, jeden Penny einzeln umzudrehen und Wade ständig nach mehr Extraschichten zu fragen. Er ist ein toller Chef, aber ich fürchte, irgendwann wird er genervt von mir sein.«
»Das kann ich mir bei Wade wirklich nicht vorstellen.« Der Inhaber vom Hopes’ Inn, dem Diner der Stadt, ist so ziemlich der coolste Einwohner von Lullaby. Er ist erst Anfang dreißig und der beste Koch, den ich kenne. Allein das imponiert mir.
Wir beginnen, unsere Sachen einzupacken. Auch wenn mir oft schwerfällt, einen Gang runterzuschalten, die Mittagspausen sind mir dennoch manchmal zu kurz. Es ist so ziemlich die einzige Auszeit des Tages, die ich mittlerweile wirklich genießen kann. Vielleicht auch, weil ich währenddessen zwar dazu neige, kleine Aufgaben abzuarbeiten, diese aber im Vergleich zu den anderen Verpflichtungen des Tages erfrischend und kurzweilig sind. Es ist kein Leerlauf, nur eine kleine Unterbrechung und ein Moment der Ruhe.
»Kommst du mich nachher im Diner besuchen?«, fragt Reese. »Das würde meine Schicht echt aufwerten.«
»Geht nicht. Ich muss zum Tutorenprogramm. Und dann muss ich doch noch zu diesem Interview mit Corey.«
»Stimmt. Die Garten-Fuzzis. Ganz vergessen.«
Wir tragen unsere Tabletts zum Abstellwagen. »Und morgen haben wir diesen geheimnisvollen Termin mit Mr Peterson«, sage ich. Seit er vor drei Tagen um dieses Treffen gebeten hat, frage ich mich, was wohl dahintersteckt. Der Dekan sagt sonst immer direkt, welches Anliegen er hat.
»Hat er euch immer noch nicht gesagt, wieso er euch sprechen will?«, fragt Reese, während wir einigen Leuten ausweichen, um die Mensa zu verlassen.
»Nein, aber wenn er gleich alle von Red zu sich ruft, muss es etwas Wichtiges sein.«
Die Mittagspause der meisten anderen ist noch im vollen Gange. Die Holztische auf dem Außengelände sind jedenfalls noch prall gefüllt mit Kaffee, Cola, Sandwiches und Suppen. In der Ferne entdecke ich Jasper, wie er mit eingezogenen Schultern und gesenktem Kopf das Unigelände überquert.
Reese folgt meinem Blick. »Meinst du, Mr Peterson will noch mal über die Wintergala sprechen?«
»Keine Ahnung«, antworte ich wahrheitsgemäß. So einen Vorfall wie auf der Wintergala gab es vorher noch nie, wer weiß also, wie sauer der Dekan deswegen noch ist. Aber die Strafarbeiten, die Jasper und Lewis von ihm aufgebrummt bekommen haben, haben sie abgesessen und alles getan, was er zur Widergutmachung verlangt hat. Jasper hat eine öffentliche Entschuldigung geschrieben, die beiden Brüder haben sich zur monatlichen Säuberungsaktion im Forest verpflichtet. Eigentlich sollte es reichen, um den Frieden wiederherzustellen.
»Was ist, wenn ihm die bisherigen Strafen nicht reichen, weil der Eklat auf der Gala doch größere Konsequenzen nach sich gezogen hat?«, fragt Reese, die offenbar ähnlichen Gedanken nachgeht wie ich.
Ich runzle die Stirn. »Zum Beispiel?«
Jasper betritt das Gebäude C, wobei ihm jede Menge Augenpaare folgen. Meins auch.
»Vielleicht sind Unternehmen von der Zusammenarbeit zurückgetreten? Oder haben Jaspers Rauswurf aus dem Stipendienprogramm gefordert? Ich weiß, dass ihr viel getan habt, um diesen Spendenabend noch zu retten, aber so viele wichtige Menschen haben die Prügelei mitbekommen. Wenn ich mir allein ansehe, was das Ganze hier auf dem Campus ausgelöst hat …« Reese schaut wütend zu einer Gruppe Studentinnen, die Jasper nachblicken und offenkundig über ihn herziehen. Wir hatten alle gehofft, dass dieses Gerede nur von kurzer Dauer wäre und nach den Winterferien wieder in Vergessenheit geraten würde, aber es hält sich leider noch immer hartnäckig. Vielleicht, weil an der LBU sonst nie wirklich etwas passiert. Lullaby ist die pure Idylle, hier schlägt eigentlich nie jemand über die Stränge.
»Ich hoffe, es geht bei dem Treffen mit Mr Peterson nicht darum. Wir können diesen Stress gerade alle nicht gebrauchen. Am wenigsten Jasper.«
Und ich ehrlicherweise auch nicht. Die letzten Monate waren für mich ein einziger Kampf, an mir, meiner Schlaflosigkeit und meinem ständigen Gedankenkarussell zu arbeiten – mäßig erfolgreich, wie ich feststellen muss. Jaspers Leid zu sehen, mich um ihn und seine Verfassung zu sorgen, macht die Sache nicht gerade leichter. Im Gegenteil, es erschöpft mich zusätzlich.
»Sagst du mir Bescheid, wenn ihr das Gespräch hattet?«
»Klar. Ich schick dir eine Sprachnachricht, sobald wir aus dem Büro kommen.«
»Dann wünsche ich dir viel Erfolg beim Interview nachher. Falls du doch schneller fertig bist und Lust auf eine Cola hast: Du weißt ja, wo du mich findest.«
»Hinter der Theke vom Hopes’ Inn. Dunkelrote Schürze, ein freudestrahlendes Lächeln auf den Lippen?«
»Mach dunkle Augenringe und ein erschöpftes Seufzen draus, das trifft die Realität leider eher.«
»Mal gucken, ob ich’s nachher noch einrichten kann«, sage ich, auch wenn diese Interviews für Red oft so zeitaufwendig und anstrengend sind, dass ich danach meistens erst mal meine sozialen Batterien wieder aufladen muss. Was in einer WG mit drei anderen Menschen ohnehin kaum möglich ist, wenn man nicht gerade nachts die Küche unsicher macht.
Wir verabschieden uns. Reese setzt wieder ihre Kopfhörer auf und tänzelt in Richtung Forschungslabor eins, wo Hazel und sie gleich ihren Kurs in Umweltbiologie haben. Ich hingegen setze mich an einen der Holztische vor Gebäude A, um auf meine Schützlinge aus dem Tutorenprogramm zu warten. Einer nach dem anderen wird kommen, die Köpfe voller Fragen und Unsicherheiten, die mich zumindest für den Moment von meinen eigenen Problemen ablenken. Oder von dem Getuschel über Jasper, das, wenn ich richtig höre, noch immer anhält, auch wenn er seit rund zehn Minuten nicht mehr im Blickfeld der Leute ist. Verdammte Gerüchteküche.