SONNTAG

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Der Rosskogelhof lag in ausreichender Entfernung zu allen anderen Gehöften, so dass kein Nachbar daran Anstoß nehmen konnte, wenn sonntagmorgens Männer auf dem Scheunendach mit dem Hammer arbeiteten. Das Schlagen der Zimmererhämmer war weithin zu hören, wer den Klangkörper einmal bewusst gehört hatte, würde egal aus welcher Entfernung auf hölzernen Dachstühlen arbeitende Männer am Geräusch erkennen, der Klang fallenden Eisens auf Pfetten, Sparren und Latten war unverwechselbar. Florian war in seinem Element, die Arbeit mit Holz war ihm ein Vergnügen, er brachte die Holzteile in die richtige Form, sägte, hobelte, und gemeinsam mit Matthias passte er die neuen Sparren in den Dachstuhl. Florian schaute zum Himmel hoch.

„Das Wetter hält!“, rief er Matthias zu. „Am Nachmittag legen wir die ersten Ziegel auf. Morgen den Rest.“

Matthias nickte, stemmte den vorbereiteten Sparren und schob. Florian stand am Dach, nahm den Sparren entgegen und zog ihn hoch. Ein zweiter Sparren folgte. Schweiß, kühle Herbstluft und die Sonne auf dem Weg in den Tag. Sie kamen gut voran. Florian trieb die langen Nägel mit kräftigen Schlägen in das Holz, diese Sparren sollten immerhin einhundert Jahre an ihrem Platz bleiben.

Matthias klopfte sich die Sägespäne aus der Kleidung und ging in das Haus. Er stieg aus den schmutzigen Schuhen und stapfte in Socken zum Badezimmer. Ein kleiner Schnitt an der linken Hand musste verarztet werden, im Badezimmer hing der Verbandsschrank. Er trat in das Badezimmer und entdeckte Roswitha, die sich eben über die Badewanne beugte und diese schrubbte. Er starrte ihr Gesäß an, ihre Beine, unwillkürlich trat er an sie heran und legte seine Hände auf ihren Hintern. Ein junger, kräftiger Frauenkörper, ein wunderbar runder Hintern, Roswitha war eine anziehende Frau.

„Seid ihr schon fertig?“, fragte Roswitha und richtete sich auf. „Oder was ist los?“

„Hab eine kleine Wunde. Nichts Schlimmes, will nur ein Pflaster draufgeben.“

Roswitha griff nach seiner linken Hand.

„Ein Kratzer, aber die Wunde ist offen. Da sollte nicht zu viel Dreck reinkommen. Komm her, ich mach das.“

Sie führte den großen Mann zum Waschbecken, öffnete den Schrank, nahm Desinfektionsmittel und Pflaster zur Hand.

„Wann kommst du wieder einmal zu mir?“, fragte Matthias und richtete seinen Blick in ihr Dekolletee.

Roswitha erhob nur kurz ihren Blick von der Wunde und schaute Matthias in die Augen. Ein aufwühlender Blick, Matthias spürte dessen Wirkung unmittelbar.

„Ihr zwei seid in letzter Zeit oft unterwegs gewesen. Da bleibt nicht so viel Zeit. Außerdem habe ich jede Menge Arbeit.“

Sie klebte das Pflaster auf die Wunde.

„Zum Flo gehst du oft.“

„Es ist eher der Flo, der zu mir kommt.“

„Ich will mit dir zusammen sein.“

„Du bist ja jetzt mit mir zusammen.“

Matthias umfasste Roswitha und drückte sie an sich, tauchte forschend seine Nase in ihr Haar.

„Du weißt schon, was ich meine.“

Er fasste ihren Hintern, massierte ihn. Roswitha dirigierte ihre rechte Hand in seinen Schritt. Ein Geräusch ließ sie aufschrecken, ein Geräusch bei der Badezimmertür. Die beiden ließen voneinander und starrten in die unsteten Augen und auf das zerzauste Haar einer Frau, die nicht so alt war, wie sie aussah.

„Wo ist denn meine Brille? Rosi, hast du meine Brille gesehen?“

Ihre Mutter war zu einem Gespenst geworden, dachte Roswitha, ein lautlos durch das Haus spukender Geist, neugierig, spähend, lauschend. Überrascht sah sie Matthias an, eine wirklich wenig überzeugend gespielte Überraschung.

„Habe gedacht, du bist bei der Arbeit“, sagte Annemarie Gerstenbauer.

„Kleine Wunde“, gab Matthias lapidar zurück, zeigte das Pflaster auf seiner Hand und verließ mit eiligen Schritten das Haus.

Annemarie Gerstenbauer verfolgte seinen Weg, beobachtete durch das Fenster, wie er auf das Scheunendach stieg. Roswitha drängte sich an ihrer Mutter vorbei.

„Du lässt dir hoffentlich kein Kind von den Knechten andrehen. Gleich zwei so saftige Burschen.“

Roswitha wandte sich ihrer Mutter zu und stemmte die Hände in die Hüften.

„Mama, ich lebe mein eigenes Leben! Und ich brauche jede Hand, die am Hof anpacken kann!“

„Ich habe eh gesehen, wo er mit seiner Hand angepackt hat. Und du mit deiner.“

Roswitha verbarg ihre Wut nicht, sie trat auf ihre Mutter zu und tippte mit dem Zeigefinger auf deren Schulter.

„Ich bin erwachsen seit ich vierzehn bin und ich habe mein Leben in den letzten zwölf Jahren ganz gut hingekriegt, im Gegensatz zu dir. Und ich will nicht, dass du mir und dem Flo und dem Hias nachspionierst. Ist das klar?“

Annemarie Gerstenbauers Hände begannen zu zittern.

„Nicht bös sein, Rosi, ich habe es nicht bös gemeint, nicht bös sein. Ich will ja nur das Beste für meine kleine Liebe, du bist doch mein einziges Kind. Ich will nicht, dass dein Leben auch kaputt geht, ich muss doch aufpassen auf dich, Rosi.“

Die Tochter umarmte ihre Mutter und führte sie dann in die Stube.

„Schau, auf dem Kachelofen liegt deine Brille.“