Chantal und Albrecht Kammerhofer saßen am Esstisch und tranken Tee aus aufgebrühtem Dost, Frauenmantel und Schafgarbe. Chantals Lieblingstee. Den Dost hatte sie im Garten heimisch gemacht, Frauenmantel und Schafgarbe wuchsen auf der Wiese. Auf dem Tisch stapelte sich das Geschirr, die Kinder waren nach dem Mittagessen verschwunden, Robert hatte sich auf seinen Drahtesel geschwungen und war zu einem seiner neuen Freunde gefahren, Claire hatte sich in das Mädchenzimmer zurückgezogen, um dort in aller Ruhe SMS-Nachrichten in ihr Handy tippen zu können, Albert und Sofie spielten mit Aznavour im Garten. Diesmal hatte Chantal gekocht, Krautrouladen mit Salzkartoffeln, Albrecht hatte den Sonntagvormittag für einige anstehende Arbeiten im Haus genutzt. Er schaute auf die Uhr über der Tür.
„In zehn Minuten.“
Chantal nahm einen guten Schluck. Albrecht schickte sich an, das Geschirr vom Tisch zu räumen.
„Lass nur, ich mache das Geschirr danach. Bleib lieber noch ein paar Minuten bei mir sitzen.“
Albrecht ließ sich wieder auf den Stuhl nieder und griff zur Teetasse.
„Gibt es etwas zu besprechen?“, fragte er.
„Wie geht es weiter?“, fragte sie mit einem Blick auf die aufgeschlagene Zeitung und das Porträtfoto von Herbert Felder.
„Du meinst mit dem Steyrtalerhof?“
„Wird das Restaurant schließen?“
Albrecht zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung, aber ich glaube das nicht. Der Besitzer ist tot, aber er hat Erben. Ich weiß keinen Grund, weswegen Wendelin das Lokal nicht weiterführen soll. Der Laden läuft, schreibt Gewinne. Warum sollte ein einträgliches Restaurant geschlossen werden?“
„Man weiß ja nie. Vielleicht werden einige Mitarbeiter gekündigt.“
„Möglich. Glaubst du, dass es mit dem Gasthaus in Nussbach etwas wird?“
„Die Lage ist sehr schön, das Gebäude ist innen und außen gut in Schuss, die Küche allerdings ist nicht mehr die neueste und insgesamt unpraktisch eingerichtet.“
„Der Preis ist nicht ohne.“
„Wenn wir es kaufen, ist unser gesamtes Geld weg. Wir würden für die erste Zeit einen Kredit brauchen.“
Albrecht winkte entschieden ab.
„Nur keinen Kredit! Ich mache mich nicht zum Sklaven der Geldeintreiber.“
„Dann müssen wir weitersuchen.“
Albrecht nickte sinnierend.
„Wir werden schon etwas finden, da bin ich mir sicher.“ „Mir geht diese Polizistin nicht aus dem Kopf.“
Albrecht warf seine Stirn in Falten.
„Wie das?“
„Es war die Art, wie du sie angesehen hast, Albrecht. Sie ist eine attraktive Frau.“
Albrecht hob abwehrend die Hände.
„Na ja, eine Schönheitskönigin ist sie nicht, aber sie riecht gut.“
„Ich bin auch keine Schönheitskönigin.“
Albrecht lachte schallend.
„Oh doch, Madame, du bist die Allerschönste, meine Königin!“
Chantal lächelte ihrem Mann zu.
„Merci. Das wollte ich hören. Nein, im Ernst jetzt, dieser Mord beunruhigt mich. Der Mann war unser Nachbar, er war dein Chef, du hast ihn in der Nacht noch gesehen. Irgendetwas braut sich da zusammen.“
Albrecht stellte die Teetasse ab und erhob sich.
„Ma chérie, mir ist zwar bewusst, dass du in direkter Linie von einem gallischen Druiden abstammst, wie sonst würden die Kräuter im Garten unter deinen Händen wie verrückt sprießen und gedeihen, und ich weiß auch, dass du im Zug der Vögel die Zukunft deuten kannst, dass deine Tees magische Kräfte verleihen und man deine Suppen nur als Zaubertränke bezeichnen kann, aber ich kann dir versichern, dass sich nichts über uns zusammenbraut, sondern nur über dem Mörder. Und da weder du noch ich diesen unsympathischen Geldsack um die Ecke gebracht haben, haben wir nichts zu befürchten. Außerdem muss ich jetzt zur Arbeit.“
Chantal Kammerhofer schaute zum Fenster hinaus.
„Albrecht, du bist und bleibst ein Kindskopf. Und mir wäre lieber, du würdest das Motorrad verkaufen und dir einen kleinen Wagen nehmen. Du wärst beinahe überfahren worden.“
„Für die paar Kilometer ist ein Auto zu teuer. Am liebsten würde ich ja mit dem Fahrrad fahren, aber spätnachts im Winter ist das schwierig. Das Fahrrad würde sich in jedem Fall gut auf der Waage machen.“
Chantal zwinkerte ihrem Mann zu.
„Das ist nicht nötig. Ich mag dich, so wie du bist. Und wenn du ein paar Kilo zu viel hast, darf ich auch ein paar zu viel haben. Da muss ich mich nicht mit Frauen wie dieser Kriminalpolizistin messen.“
Albrecht trat auf Chantal zu, umarmte sie und drückte ihr einen Kuss auf den Hals.
„Was hast du nur mit dieser Frau immer wieder? Ich habe kein Auge auf sie geworfen! Glaub mir!“
„Du hast sie mit dem Messer bedroht, Albrecht. Du hast schon einmal eine Frau mit einem Messer bedroht, nämlich mich. Und jetzt haben wir vier Kinder.“