„Hallo, ich bin zuhause!“
Christina schlüpfte aus ihrer Jacke. Regen hatte eingesetzt, so war sie die Steyrtalbundesstraße in nur gemächlichem Tempo entlanggefahren. Wilhelm und sie hatten per Telefon vereinbart, im Haus in Molln zu übernachten. Wilhelm war tagsüber zu einer Besprechung in Graz gewesen und hatte sich auf dem Rückweg die dreißig Kilometer von Molln nach Steyr sparen wollen, und Christina war der Gedanke, den Abend in aller Stille im Landhaus ausklingen zu lassen, sofort angenehm gewesen. Wilhelm kam aus dem Keller.
„Hallo, mein Schatz“, sagte er und hauchte ihr ein Begrüßungsküsschen auf die Lippen.
„Warst du im Heizraum?“
„Ja. Kühl ist es geworden. Der Herbst ist da.“
Wochentags waren die beiden selten in ihrem Haus, da lief das Heizungssystem auf Sparflamme.
„Bist du gerade erst gekommen?“, fragte Christina und tauschte ihre Schuhe gegen die warmen Hüttenpantoffeln.
„Vor fünf Minuten.“
Christina blickte auf die Uhr. Es war sieben Uhr abends.
„Ich koche schnell etwas!“, rief Christina auf dem Weg in die Küche, entdeckte aber auf dem Wohnzimmertisch ein Paket. „Ah, du hast unterwegs eingekauft?“
Wilhelm kam aus dem Schlafzimmer, er hatte seinen Anzug abgelegt, war in eine bequeme Freizeithose gestiegen und hatte eine Strickweste übergezogen.
„War kurz beim Wirt drüben und habe ein Fresspaket abgeholt. Schnitzel, Reis und Erdäpfelsalat. Schnelle Küche heute. Mittlerweile sind die dort wirklich auf zack, ein Anruf genügt und zeitgerecht steht das Fresspaket bereit. Rein, bezahlen und wieder raus. Hat tadellos funktioniert.“
Christina holte Teller und Besteck, Wilhelm füllte den Krug mit Wasser und nahm zwei Gläser aus dem Schrank.
„Wie war es in Graz?“
Wilhelm pfiff durch die Zähne.
„Schwierig, sehr schwierig. Die Grazer machen jetzt ziemlich Druck. Und du? Wie war es bei dir?“
Christina verdrehte die Augen.
„Schwierig, sehr schwierig.“
Wilhelm lachte und umarmte seine Frau.
„Das sind ja optimale Voraussetzungen für einen entspannenden Leseabend auf dem Sofa. Dazu eine Kanne Tee.“
Christina blickte zum Bücherregal, dort lagen ihr Handapparat, ein Buch über Kräutermedizin, ein Buch über die Geschichte der Indianer Nordamerikas, ein wunderbar kitschiger historischer Roman und ein hochkomplexer Roman eines derzeit in den Medien gefeierten jungen Literaten. Sie würde nach dem Essen die Wahl treffen. Das Ehepaar Kayserling setzte sich zu Tisch.
„Für mich bitte kein Schnitzel. Ich esse Reis und Erdäpfelsalat.“
Wilhelm hob den Blick und legte dann das aufgespießte Schnitzel auf seinen Teller.
„So viel Reis ist nicht da. Wirst du da auch satt?“
„Wenn nicht, mache ich mir später ein Butterbrot.“
„Warst du wieder im Lager der Bernsteiner Fleischwaren AG? Ist dir deswegen der Appetit auf ein Schnitzel vergangen?“
Christina schaufelte dampfenden Reis aus dem Kunststoffgefäß auf ihren Teller.
„Ich habe eine Stunde lang Videos von Massenställen und Schlachthöfen gesehen. Ich bleibe heute bei Reis und Erdäpfelsalat.“
Wilhelm hielt kurz inne.
„Stört es dich, wenn ich Schnitzel esse?“
„Nein, nein, mach nur. Ich bin jetzt nicht zur Vegetarierin geworden, es ist nur so, dass ich dafür bin, Fleisch in Zukunft am Bachleithenhof oder anderen Biohöfen zu kaufen.“
„Es tut mir leid, ich dachte, heute wäre schnelle Küche angesagt.“
Christina winkte mit vollem Mund ab.
„Themenwechsel bitte! Mittags hat mich Tante Luise angerufen. Sie fragt, wann wir sie wieder einmal besuchen.“