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Florian zog den Autoschlüssel ab und inspizierte das Armaturenbrett und die Ablagefächer. Alles klar, er hatte nichts zurückgelassen. Er warf die Tür des Lieferwagens hinter sich zu und trat hinter den Wagen. Matthias hob die beiden Fahrräder aus dem Laderaum. Natürlich hatten sie nicht die Autobahn benützt, waren den Videokameras und der Mautstation vor dem Bosrucktunnel auf Nebenstraßen ausgewichen. Matthias inspizierte die Fahrräder, während sich Florian sorgsam umsah. Niemand beobachtete sie hier auf diesem entlegenen Abstellplatz für Nutzfahrzeuge. Florian wechselte das Autokennzeichen. Sie hatten sich in den letzten Monaten ein kleines, aber nützliches Sortiment an Autonummern beschafft. Die beiden Männer schulterten ihre leichten Rucksäcke, das primäre Gepäck befand sich in den Satteltaschen. Sie reisten mit leichtem Gepäck, an Kleidung brauchten sie nur eine einzige Ersatzgarnitur, um die vom Schweiß oder vom Regen durchnässte Kleidung zu tauschen. Ansonsten hatten sie ein kleines Zelt, wasserdichte Schlafsäcke und warme Überkleidung für frostige Nächte bei sich. Und eine eiserne Essensration. Wasser gab es in den steirischen und slowenischen Bergen in Hülle und Fülle, und Nahrung konnte man hierzulande leicht stehlen. Die beiden konnten derart ausgerüstet viele Wochen im Wald überleben, und selbst die herannahende kalte Jahreszeit übte keinerlei Schrecken auf sie aus. Die Wohlstandswappler würden es niemals mit ihnen aufnehmen können. Eine dekadente Brut, Zentralheizungsmemmen, Schwächlinge und Heulsusen, das waren ihre Zeitgenossen, aber dauernd Schnitzel fressen, das konnten sie.

Florian versperrte den Wagen und musterte seinen Kumpel. Er sah in seinem dunkelgrünen Fahrraddress richtig gut aus, ernste Miene, breite Schultern, Oberschenkel wie Baumstämme, er würde die nächsten vier Stunden ohne Pause in die Pedale treten können. Endlich ein Kerl, spukte es Florian durch den Kopf, auf den er im Gelände nicht warten musste, der sein vorgelegtes Tempo tagelang halten konnte. Impulsiv trat Florian an Matthias heran und packte ihn am Kragen.

„Küss mich, du verrückter Kerl!“

Ein mehr als keckes Lächeln legte sich in Matthias’ Miene, dann umarmte er Florian und die beiden jungen Männer tauschten einen langen und leidenschaftlichen Kuss aus.

Wenig später war von ihnen nichts mehr zu hören und nichts mehr zu sehen.