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Susanne Ebner griff zu ihrem Handy. Eine unbekannte Nummer.

„Hallo.“

„Guten Tag, Frau Ebner, hier spricht Christina Kayserling von der Kriminalpolizei Steyr.“

Susanne stellte die Einkaufstasche ab.

„Guten Tag.“

„Frau Ebner, lenken Sie gerade ein Auto oder erwische ich Sie in einer sehr unpassenden Situation?“

„Äh, nein, ich komme gerade aus dem Supermarkt und stehe jetzt auf dem Gehsteig.“

„Sehr gut. Also, Frau Ebner, haben Sie seit unserem Treffen heute Vormittag etwas von Benjamin Felder gehört?“

„Nein.“

„Haben Sie eine Ahnung, wo ich ihn finden kann?“

Susanne schaute zwar auf dem Trottoir stehend um sich, nahm aber nichts von dem wahr, was sie sah, sondern war einzig auf den drängenden Tonfall der Polizistin in der Leitung konzentriert.

„Na ja, wenn er nicht in der Wohnung seiner Mutter ist, dann weiß ich es nicht.“

„Frau Ebner, ich sitze zwar jetzt in meinem Büro in Steyr, aber Kollegen in Linz haben diese Wohnung geöffnet und keinerlei Anhaltspunkte für seinen Verbleib gefunden.“

„Was soll das heißen?“, fragte Susanne beunruhigt. „Fahnden Sie nach ihm?“

„Um ehrlich zu sein, ja.“

„Das verstehe ich nicht.“

„Frau Ebner, wo könnte er sich aufhalten? Haben Sie früher ein Lokal gehabt, in das Sie regelmäßig gegangen sind oder das er immer wieder besucht hat? Haben Sie öfter Ausflüge in eine bestimmte Gegend gemacht?“

„Wir waren heuer dreimal in Freistadt zum Wandern und Radfahren. Gasthof zur Post, dort haben wir übernachtet. Und sonst, wir haben eigentlich kein echtes Stammlokal gehabt, sondern waren mal da, mal dort.“

„Könnte er bei einem Bekannten sein?“

„Vielleicht. Fragen Sie mal den Harry. Harald Gröbelbauer, ein Studienkollege vom Benni. Die beiden sind öfter auf ein Bier gegangen.“

„Haben Sie vielleicht die Telefonnummer des Mannes.“

„Ja. Ich kann sie Ihnen per SMS schicken.“

„Das wäre sehr hilfreich.

„Verdächtigen Sie jetzt den Benni?“, fragte Susanne ungläubig.

„Frau Ebner, erinnern Sie sich bitte an den Freitagabend. Sie haben erzählt, Sie hätten vor dem Schlafengehen ein Bier getrunken. Ist Ihnen da irgendetwas aufgefallen?“

„Nein. Gar nichts.“

„Und am nächsten Morgen beim Aufwachen?“

„Auch nichts.“

„Waren Sie am Morgen auffällig müde?“

„Müde? Ich verstehe Ihre Fragen nicht. Aber jetzt, wo Sie mich fragen, fällt mir ein, dass ich mich schon so gefühlt habe, als ob ich am Vorabend nicht ein Bier, sondern drei oder vier getrunken hätte. Irgendwie verkatert. Der Kater war aber nach dem Frühstück wieder weg.“

„Frau Ebner, bitte verstehen Sie, dass ich Ihnen am Telefon nicht zu viel von einer laufenden Polizeiaktion sagen kann.“

„Glauben Sie, dass mir der Benni Drogen verabreicht hat?“, rief Susanne fassungslos in das Telefon.

„Frau Ebner, ich bitte Sie Ruhe zu bewahren. Bei uns laufen derzeit viele Räder auf Hochtouren und wir werden die offenen Fragen hoffentlich bald klären. Und ja, Frau Ebner, es besteht die Möglichkeit, dass er Ihnen Drogen verabreicht hat. Die Linzer Kollegen haben in seinem Gepäck eine angebrochene Packung von Schlaftabletten gefunden.“

„Ich … ich … ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“

„Frau Ebner, wenn Sie Hilfe brauchen, wenden Sie sich bitte an die nächste Polizeidienststelle.“

„Es geht schon. Ich bin nur so verwirrt.“

„Das ist nur verständlich. Soll ich einen Streifenwagen zu Ihnen schicken?“

„Nein. Geht schon, komme schon klar. Ich fange nur an zu begreifen, was das alles heißen soll.“

„Frau Ebner, danke für die Auskünfte. Und schicken Sie mir bitte gleich nach dem Telefonat die Nummer des Studienkollegen. Auf Wiederhören.“

„Auf Wiederhören.“

Christina knallte ihr Mobiltelefon auf den Tisch. Sie hasste es, solche Gespräche über Telefon führen zu müssen. Man wusste nie, wie die Menschen nach Trennung der Leitung reagieren würden. Nur wenig später meldete ein akustisches Signal den Eingang einer SMS-Nachricht.