Die Luft in dem dunklen Transporter war stickig und die Scheiben beschlagen. Ritter nahm an, dass sich beides in den Minuten entwickelt hatte, nachdem die Person auf dem Monitor aus dem Wagen gestiegen und im Hangar verschwunden war. Den Startschuss für die Einsatzkräfte vorzurücken, hatte er dennoch erst erteilt, als ein zweites Fahrzeug auf dem Bildschirm erschienen war.
»Mach doch mal das Fenster auf«, bat er den Fahrer, während sein Blick von Monitor 1, welcher die per Knopfdruck umschaltbaren Bilder der Body-Cams seiner Mannschaft zeigte, zu Bildschirm Nummer 2 mit den Aufnahmen der Wärmebildkamera glitt. Bei dem Auto, das über einen Feldweg herangebraust kam, schien es sich um einen Sportwagen zu handeln, was ungünstig wäre, falls es eine Verfolgungsjagd gäbe. Andererseits waren sie heute unglaublich mannstark, da man fast alle verfügbaren Kräfte rekrutiert hatte. In sämtlichen Richtungen standen mehr als drei Dutzend ziviler Einsatzfahrzeuge bereit, um Dorn den Weg abzuschneiden, falls er mit dem Auto zu flüchten versuchte. Zwei Polizeihubschrauber, die binnen Minuten vor Ort sein könnten, warteten auf ihren Abruf. Zudem gab es in vorderster Front die Formation aus Fußsoldaten, die sich in diesem Moment dem Gelände näherten.
Ritter selbst hatte sich entschieden, im Einsatzfahrzeug zu bleiben, um dem Drohnenpiloten über die Schulter zu schauen. Von hier aus konnte er die Geschehnisse aus der Vogelperspektive verfolgen und die Einsatzkräfte optimal dirigieren.
»Das zweite Fahrzeug passiert gleich die Grundstücksgrenze«, sprach er in ein Funkgerät, woraufhin am Bildschirmrand weiße Punkte auftauchten, die seinen Jungs entsprachen. Nach und nach kamen weitere hinzu und formten einen windschiefen Kreis. Ritter wusste, dass auf seine Leute Verlass war. Bei den MEKlern konnte er nur hoffen, dass sie einen guten Job machen würden. Doch bisher lief alles wie am Schnürchen. Vor allem – und das war das Wichtigste – schien der Fahrer des Sportwagens bis jetzt nichts von dem Aufgebot bemerkt zu haben, das sich im Schutz der Dunkelheit verbarg, da er sich mit konstanter Geschwindigkeit seinem Ziel näherte.
Da tauchte wieder die Silhouette auf, die sich nun aber zügig vom Hangar fortbewegte. Ritter, der dahinter den unfreiwilligen Lockvogel Marek vermutete, führte das Funkgerät an die Lippen. »Die unbekannte Person, womöglich der Blogger, verlässt das Gebäude.«
»Hier Jason vom MEK«, kam es zurück. »Habe Sichtkontakt. Er bleibt stehen.«
Ritter sah, dass nun auch das herannahende Fahrzeug anhielt. Wieder hob er das Funkgerät an die Lippen. »Zielperson parkt den Wagen. Können Sie mehr erkennen?«
»Scheint eine Einzelperson zu sein. Sonst niemand im Fahrzeug zu sehen.«
Ein weiterer Leuchtpunkt wurde sichtbar. »Verdächtiger steigt aus«, berichtete Ritter.
Da die Kollegen vom MEK keine Body-Cams trugen, deren Bilder Ritter hätte abrufen können, bat er Heus, mit der Wärmebildkamera heranzuzoomen.
Es folgte ein gedehnter Moment der Stille, während die Kamera den leuchtenden Körper heranholte, der vor dem Wagen verharrte. Ritter musste an ein Tier denken, das die Nase hob und schnupperte, um die Witterung aufzunehmen. Plötzlich überkam ihn die irrationale Angst, Dorn könnte tatsächlich über eine Art sechsten Sinn verfügen und ihre Falle riechen.
In diesem Moment fiel der Monitor aus.
Heus entfuhr ein harmloses »Ups«.
»Was ist los?«, fragte Ritter gereizt.
»Keine Ahnung.« Heus drückte hilflos einige Knöpfe auf der Fernbedienung.
»Das kann doch nicht wahr sein!«, blaffte Ritter. Er sprach ins Funkgerät: »Wir haben hier einen Kameraausfall an der Drohne. Was sehen Sie unten am Boden?«
»Die Personen stehen sich gegenüber«, kam es zurück. »Keiner der beiden rührt sich. Sie scheinen sich zu unterhalten.«
Ritter, den Blick auf den schwarzen Bildschirm gerichtet, folgte einem Impuls und befahl den Zugriff. Dann schickte er ein Stoßgebet zum Himmel, dass es Dorn nicht gelingen würde, den Blogger als Geisel zu nehmen, und stellte sich vor, wie sich der Kreis aus Leuchtpunkten enger zog und die beiden Personen umringte.