Olaf Kern hockte im Beet und behielt die Villa im Blick. Ein schönes Haus, wie er fand. Es erinnerte ihn an die Kanzlervilla in Bonn, über die Adenauer gesagt haben soll, der Architekt hätte zehn Jahre verdient. Ihm persönlich gefiel diese spartanische Bauart. Leider war der nette Kasten für einen Beamten wie ihn in Besoldungsgruppe A10 mit nicht mal viertausend Euro brutto unerreichbar. Selbst wenn es ihm gelänge, den berüchtigten Mörder zu stellen, würde er keinen Cent mehr verdienen. Wohingegen Politiker selbst dann noch ordentlich Kohle bekamen, wenn sie während ihrer Amtszeit nur Bockmist gebaut hatten und keinen Finger mehr krümmten. Das Leben war nun mal ungerecht. Doch wie Kennedy sagte: nicht immer zu deinen Ungunsten. Er musste nur was draus machen. Vielleicht ein Buch über die heutigen Erlebnisse schreiben?
Ein Zischen riss ihn aus seinen Gedanken. Fast im selben Moment spürte er etwas im Schritt. Er unterdrückte einen Aufschrei, sprang zur Seite und stellte mit Erleichterung fest, dass bloß das automatische Bewässerungssystem angegangen war. Als er merkte, dass ihm dieses einen feuchten Fleck auf die Hose gezaubert hatte, fluchte er leise. So konnte er sich kaum den Kollegen zeigen. Die würden glatt denken, er hätte sich eingenässt. Ästen und Zweigen ausweichend, folgte er dem meterhohen Zaun, bis er außer Reichweite der Sprinkler war. Blöderweise konnte er von hier aus die Villa nicht sehen, da ihm Büsche die Sicht versperrten. Daher ging er weiter, bis er den Pavillon sah, dessen Größe ihn schon bei seiner Google-Maps-Suche beeindruckt hatte. Als er die Rückseite erreichte, verbarg er sich hinter einer der Wände. Vorsichtig spähte er ums Eck. Perfekt! Von hier aus hatte er alles im Blick. Die Villa lag da wie der schlafende Argus, sämtliche Augen bis auf jenes im Obergeschoss geschlossen. Kern fragte sich, ob mit Eintreffen der Kollegen hier gleich die Hölle losbrechen würde, oder ob sie einen ihrer lautlosen Zugriffe brächten.
Er versuchte, einen Blick in den Pavillon zu werfen, konnte aber nichts erkennen. Also schirmte er die Augen gegen das Mondlicht ab, wobei seine Hand gegen die Scheibe stieß. Das Fenster öffnete sich einen Spalt. Kern schob es weiter auf, dann eine halb vorgezogene Gardine beiseite, woraufhin er die Umrisse einiger Möbel und Gartengeräte ausmachte. Einen Rasenmäher, eine Heckenschere, Spaten, Harke, Rechen und vor der Tür ein paar Kunststoffkübel. Direkt vor dem Fenster stand ein Tisch, auf dem ein Seitenschneider lag. Es roch wie in einer Garage, nach Gummi, Motorenöl und Benzin. Offenbar diente dieses Domizil nur als Abstellkammer, was Kern bedauerlich fand. Da er nichts von Interesse sah, kauerte er sich wieder hinter die Ecke und richtete den Blick auf das Haus.
Da sah er lautlose Schatten vor der Fassade vorbeihuschen.