Er war mit einem diffusen Gefühl von Angst aufgewacht, ein Betonblock auf der Brust, eine Monsterratte im Herz, ein stinkender Schweineschädel auf dem Schwanz, er kam sich vor wie gelähmt, ausgesaugt, ausgeblutet, abgehängt, ausgemustert und war unfähig aufzustehen, rauszugehen, irgendwohin, irgendwas zu tun, es zu ignorieren, dagegen anzukämpfen, gegen was eigentlich, Angst wovor eigentlich, Angst davor herauszufinden, wovor er Angst hatte?
Er war kein Mann, der mit Angst durchs Leben ging oder leicht von ihr angefallen wurde, er schenkte dem Gefühl nicht sofort Beachtung, wenn es sich einstellte (außer wenn es ihn bei einem Einsatz packte, dann musste es sofort beachtet und klar eingeschätzt werden), aber es war anders, wenn es einen im Bett angriff, den Schlafenden in der Nacht, und wenn er es morgens bemerkte, war seine Kraft abgesaugt.
Er war den ganzen Tag kein halber Mensch.
Er kannte diese Verfassung, sie meldete sich seit Jahren immer wieder. Seit seiner Kindheit. Und sie hatte sich später, in den Polizeijahren, verändert, ohne sich zu verflüchtigen. Das Korsett der strengen Dienstzeiten, strengen Regeln und einer gewissen ständigen Anspannung war eine Hilfe, so wie körperliche Erschöpfung eine Hilfe war. Aber keine Ausheilung. Es war kein Dauerzustand, sondern ein Überfallkommando. Das sich nie ankündigte. Oder er war nie aufmerksam genug. Es dauerte nie lange, manchmal nur ein paar Stunden, schien aber seit einigen Jahren immer stärker zu werden, er wusste nicht genau, seit wann.
Die Attacken hatten sich verstärkt, noch bevor er den Jungen erschossen hatte, Marouf, diesen jugendlichen libanesischen Dealer und Schläger, in Notwehr. Der seine Waffe ziehen wollte (die sie dann monatelang nicht finden konnten, weil sie Fallners Partner beseitigt hatte) und der ihn dann monatelang in seinen Träumen heimgesucht hatte, ihn jetzt aber nur noch selten besuchte, weil er auf einem anderen Planeten neue Drogen gefunden hatte, die er verkaufen konnte, auch dort gab es Abnehmer, ein zeitraubendes Geschäft. In seinen Träumen hatte der Dealer, der für Fallner ein Killer war wie alle Dealer von harten Drogen, behauptet, er habe sein Leben ändern und ein guter Junge werden wollen, ganz genau zu dem Zeitpunkt, als Fallner ihm in die Quere kam und also verhinderte, dass ein neuer guter Mensch die Welt besser machte, und damit war der Bulle schuld am miesen Zustand der Welt (dieses Zeug, das besonders Jugendliche erzählten, wenn ihnen klar wurde, dass sie an der Wand standen und Mutti sie nicht abholen konnte). In den Träumen konnte man eben viel behaupten und vollbringen – du kannst fliegen, und alle jubeln dir zu, weil du jetzt so ein guter Mensch bist, dass dir sogar die Heilige Jungfrau zur Belohnung einen blasen möchte.
Aber der von Fallner erledigte Dealer (den er später mit mehr Verständnis betrachten konnte) hatte mit dieser Angst jetzt nichts zu tun, er hatte in dieser Nacht nicht von ihm geträumt. Etwas anderes war die Ursache, er wusste es: Er war eben nicht mehr der alte – aber wer war das schon? Außer diesen Idioten, die nie irgendwas glauben wollten, nicht mal, dass im Erdinneren keine Fabrik für Roboter mit menschenidentischer Gestalt war.
Und half es einem vielleicht, wenn man wusste, dass auch die anderen nicht mehr die alten waren?
Es war schon eine beachtliche Leistung, dass er es schaffte, dem Mädchen einen guten Rat zu geben, als sie zur Schule ging und zu ihm ins Zimmer kam, weil er nicht wie üblich Kaffee machte und sie verabschiedete.
»Pass mal auf«, sagte er, »falls du diesem Jungen, der dich nicht in Ruhe lässt, eine verpassen musst, dann achte darauf, dass du ihn nicht gleich krankenhausreif schlägst, und auch, dass du dabei keine Spuren hinterlässt, also wenn’s geht, nicht auf die Nase, weißt du, was ich meine?«
»Was ist mit dir«, sagte sie, »bist du krank?«
»Nur ein bisschen – hast du mich verstanden?«
»Ja, aber auch nur ein bisschen.«
Es war schon ein Sieg, dass er es später schaffte, sich aus dem Bett zu hieven, als ihm eine Platte im Schrank in seiner Arbeitskammer einfiel, die im Titel die Angst hatte, um nachzusehen, um welche Art von Angst es dabei ging, er hatte es vergessen. Er konnte sich jedoch erinnern, wie er an die Angstplatte gekommen war. Sie war ihm von Leuten überreicht worden, die Angst vor ihm hatten.
Sie hatten sie im Visier, als sie in der Nähe des Schlachthofs um zwei Uhr morgens an ihrem Auto standen, zwei Frauen und zwei Männer. Sie stiegen nicht schnell genug ein. Fallners Partner saß am Steuer, bremste ab, schaltete das Licht aus, und sie dachten beide sofort an Drogen, ohne ein Wort auszusprechen. Sie warteten ab, und wenn die vier zügig eingestiegen und abgefahren wären, hätten sie sie nicht kontrolliert, denn sie waren keine übereifrigen Bullen und hatten nicht den Eindruck, es mit einer gefährlichen Situation oder mit gefährlichen Typen zu tun zu haben. Sie rollten auf sie zu, während sie langsam und sich lebhaft unterhaltend Türen öffneten und den Einstieg vorbereiteten, als wäre es ein schwieriges Unternehmen, das man nur mit äußerster Konzentration schaffte.
Sie krochen an sie heran und hielten neben ihnen, als sie alle in ihrer Kiste saßen und die Türen geschlossen hatten. Dem Fahrer fiel jetzt auf, dass er blockiert wurde, die Parklücke nicht verlassen konnte, und er sagte was zu den anderen Insassen, während er zu ihnen rübersah und mit der Hand eine Was-soll-das-fahrnse-mal-weiter-Bewegung machte.
Fallner stieg aus und hielt seinen Ausweis an die Scheibe, die der Fahrer sofort runterkurbelte (es war vor fast zwanzig Jahren und es gab noch Autos, die mit viel Handarbeit gefahren wurden), und sein erster Eindruck war, dass es sich um junge Leute handelte, die Bullen nicht leiden konnten. Der Fahrer grinste und nannte ihn mit eher freundlichem Tonfall Herr Wachtmeister, und er hatte das Glück, dass Fallner keiner von den Bullen war, die allein schon deshalb rot sahen und diese Freaks auseinandernehmen wollten, selbst wenn sie nicht alle gekichert und nach Marihuana gerochen hätten.
Er sah sich die Papiere an, während die Bande sich bemühte, das Gekicher unter Kontrolle zu bekommen, was es natürlich verstärkte. Dann sah er zu seinem Partner, und als der den Kopf schüttelte, sagte er, sie sollten alle aussteigen. Als sie draußen waren, kicherte niemand mehr, jetzt waren sie sich sicher, dass es eine Menge Ärger geben würde, ein Gefühl, das schnell ernüchterte, falls man nicht schon vollkommen abgeschossen war.
Fallner ließ sie ein paar lange Sekunden hängen und sagte: »Es läuft folgendermaßen ab, meine Damen und Herren, mein Partner und ich sind gelangweilt von diesem ewigen Kleinscheiß, wir sind nicht zur Polizei gegangen, um unsere Zeit mit Leuten zu verschwenden, die mal einen rauchen. Sie sperren das Auto ab und gehen zu Fuß nach Hause und Sie werden nie wieder bekifft rumkurven und nie wieder zu einem Kommissar Wachtmeister sagen, ist das klar? Oder wollt ihr lieber ’nen verdammten Anwalt anrufen?«
Es war so, wie er’s ihnen erklärte, und der Anblick ihrer Köpfe, die sich synchron auf und ab bewegten, war es wert. Als der Fahrer zum Kofferraum ging, trat Fallner einen Schritt zurück und hatte die Hand an seiner Waffe und das hochschießende Gefühl, sich getäuscht zu haben (und an einem schlechten Tag hätte viel passieren können), aber die Hand des Fahrers kam nur mit einer Schallplatte raus, die er ihm hinhielt, im nächsten Moment geschockt, weil er Fallners Hand an der Waffe sah.
»Wir sind doch nur eine Band«, sagte er.
Was heißt da nur, dachte Fallner, auch der Extrempsychopath Charles Manson hätte behaupten können, er und seine Killerfamily wären nur eine Band, die sich Sharon Tate als Backgroundsängerin wünschte und auf die Idee kam, man würde doch wohl mal anfragen dürfen.
»Was seid ihr denn für ’ne Band?«
»Wia ham heute die neue Platte, deshalb ham wia bisschen gefeiert«, sagte die Frau mit den dunkelgrünen Haaren, die neben ihm stand und keine Angst vor ihm hatte, sondern ihn anlächelte, als hätte sie ihn um Hilfe gerufen und jetzt wäre er endlich gekommen, um sie zu beschützen.
»Dafür hab ich vollstes Verständnis«, sagte er, »aber das war keine Antwort auf meine Frage.«
Sie war nicht so bekifft, dass sie ihn nicht verstanden hätte und sagte: »Irgendwie so die Richtung Punkrock and Roll, aber ziemlich weiblich und nicht so brutal.« Sie kicherte und berührte ihn mit der Schulter.
Fallner nahm das Album und hielt es so, dass es von einer Straßenlampe erhellt wurde. Angst vor … Fred Is Dead stand in großen Lettern auf der Vorderseite, und diese Frau sagte, sie wären die Band Fred Is Dead und Angst vor der Titel, also im Sinne von Angst vor Atomkrieg zum Beispiel, sagte sie, und er sah immer noch Misstrauen in ihren Augen, und natürlich lag sie richtig damit, denn Bullen durfte man einfach nie ganz trauen, falls man noch einen Rest Verstand im Rausch hatte, und wenn einer von ihnen jetzt eine dumme Bemerkung machte, konnte sich das Ding auf der Straße in tiefster Nacht in einer Sekunde drehen, und er würde sie alle einkassieren und einbuchten und dann vielleicht mit ihr das anstellen, wozu er Lust hatte, gereizt von dunkelgrünen Haaren, sie anzufassen zum Beispiel, abklopfen und abtasten und sie am helleren Ende einer schwarzen Nacht bitten, die Beine auseinander zu machen – na dann sollten sie in Zukunft vielleicht etwas mehr Angst vor Polizeikontrollen haben, sagte er, und fragte sich jetzt, allein im Bett, was wohl aus ihnen geworden war, wo sie heute alle sicher über vierzig waren, Lehrerinnen, Informatiker, Müllmänner, Krankenschwestern, Klosterbrüder, Nutten, Zuhälter, Junkies, Gestalttherapeuten, Ärzte, Hausfrauen, Schlosser, Bundestagsabgeordnete oder Geldeintreiber, Killer und Konfliktforscher, Frauenbeauftragte, Verräter, Feinde, Frisöre, Theatermusikerinnen, Arschkartendesigner, wenn nicht sogar transsexuelle Stripteasetänzer oder Wiesnwirtinnen, meine Herren, wo waren sie abgeblieben, und erinnerte sich die Frau daran, dass sie seine Lust gespürt hatte, sie anzufassen, wenn sie einen Polizisten sah? Oder konnte sie keine Polizisten mehr erkennen, weil sie unter der Erde lag – vergessen, verrottet und verdammt.
Er hatte den Eindruck, dass es ihm besser ging. Die Platte mit ihren um sie herum fliegenden Erinnerungen hatte ihn abgelenkt. Er drehte sie um. Die Rückseite war vollständig mit Worten bedruckt, es war die Versammlung ihrer Ängste. Sie hatten Angst vor ABC-Schützen ABC-Waffen Abdeckereien Abfuhr Abgaben Abgasen Abklatsch Abschied Abszessen Achtstundentagen Administration Agonie (da war er sich nicht sicher und schaltete sein Gerät ein, ignorierte die Nachrichten, er hatte auf eine verstärkte Form von Langeweile getippt, also etwa das, was er hatte, und er war nah dran, Agonie nannte man die Gesamtheit der vor dem Eintritt des klinischen Todes auftretenden typischen Erscheinungen) Akkusativ Akribie Allergien Albdrücken Altersstarrsinn Ammenmärchen Ampeln Apathie Arbeitsmoral Armleuchtern Ausschabung Ausweiskontrollen (sie hatten es so gewollt) Auswurf Bahnkreuzungen Banausen Beschiss Bespitzelung Bindegewebserschlaffung Blamagen Borkenkäfern Bunsenbrennern Bügelbrettern Cellophan Cha-Cha-Cha Cholerikern Cliquenwirtschaft Deformation Dickleibigkeit Disqualifikation Disziplin Drängelei 3-D-Filmen Dreizimmer-Wohnungen (er wusste genau, was sie meinten) Dresche Drill Durchschnitt Einbahnstraßen Einbildung Einerlei Einsamkeit Eisbein Enthaarung Ergrauung Fabulanten (sie hatten auch ein Lexikon benutzt, das war klar) Fachsimpeleien Fahrbahnüberquerung Fahrkartenkontrollen Fehlinterpretation Feuerwerkskörpern Foxterriern Gemenge Genickstarre Gesetztheit Gespenstern Gewitter Hallenbädern Handlungsunfähigkeit (sehr witzig, und ihm wurde bewusst, dass er inzwischen keine zeitliche Orientierung mehr hatte) Heldentum Heiserkeit Herbstnebel Herzensbrechern Herzleiden Hi-Fi Himmelsstürmern Hochdruckgebieten Horrorfilmen Humanoiden Hundewetter Hunger Hygiene Hypochondern Hysterie Idealisten Ideenlosigkeit Ideologen Idioten Idolen Imperativen Indolenz (gleichgültig sein, auch schmerzunempfindlich) Isolation Jähzorn Jodtinktur Kakerlaken Kater Keuchhusten Klärschlamm Klassenzimmern Kleinschreibung Klondike Kneipp Kohlrabenschwarz Kollaps Konfetti Laternenpfählen Laufmaschen Lava Leber Lebkuchenherzen Leithammeln Logik Lockrufen Maden Märchen Marotten Mastdarmverschluss Megapearls (was mit vielen Perlen?) Mehltau Meteoriteneinschlägen Mikrowellen Mitessern Mitspracherecht Moränen Mutation Nachwehen Napalm Nordischer Kombination Not Odem Onkeln Orakeln Orientteppichen Pantoffeln Pantomime Pappenheimern Paradentose (er prüfte sofort nach, ob es sich um die Angst vor lauten Paraden handelte, es war ein veralteter Ausdruck für Parodontose) PH-Werten Platzhaltern Plomben Pollen Quadranten Quaddeln Quintessenz Radwegen Rauschgold Rebläusen Rechtswegen Referaten Robben Rostbratwürsten Ruhigstellung Sackratten Schaumbädern Schachtelhalmen Schmollecken Schmorbraten Sentiment Skunks Somnambulismus Sonnenbrand Storno Stricknadeln Storchenbiss Tausendfüßlern Testamentvollstreckern (sie hatten Angst vor Terror vergessen!) Thermoplaste Tiefenwirkung Tingeltangel Topfschlagen Touristenklasse Transpiration Übelkeit Überbein Umzügen Ventilatoren Verfettung Verfilzung Volldampf Vororten Wassersport Weichzeichnern Wespen Windbeuteln Wolkenkuckucksheim Wortfeld Windeldermatitis X-Beinen Yoga Yoghurt Zahnschmerzen Zauderei Zeichenblöcken Zeitzündern Zeltlagern Zerknall Zervelatwurst und in der letzten Ecke rechts unten stand der Ziegenpeter, und er fragte sich, ob es diesen Vögeln in diesen fast zwanzig Jahren gelungen war, einige dieser Ängste abzubauen oder abzulegen und welche dazugekommen waren, und auch, welche er selbst hatte, die sie nicht nannten, Tod, Sterben und Krebs fielen ihm sofort ein, außerdem Paranoia, Keuchhusten, Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Bomben und Paketbomben und Bombenstimmung und Bombenalarm und Splitterbomben, Auslandseinsatz, Bombenterror, Fehleinschätzung, Schusswaffen und Schussverletzung, Vagina Dentata (und gab es by the way einen Ausdruck für die Angst, dass man bei einem Blowjob gebissen wurde, wie es ihm einmal passiert war, ohne verletzt zu werden, jedoch mit durchgreifendem Schockeffekt, also traumatisiert?), Fußpilz und Pilzvergiftung, Penisneid, Beichtstühlen und -vätern, Stuhlgang und Notausgängen und Gangstern natürlich, echten Gangstern, die am Ende eines dunklen Gangs ruhig abwarten, um dich abzuknallen. Außerdem fehlte die unheimlichste von allen Ängsten, das Perpetuum Mobile unter den Ängsten, die Angst vor der Angst.
Er suchte die Liste nach den Lücken ab – und dann hatte er es: Er hatte Angst vor Labyrinth. Er befand sich in einem Labyrinth und hatte keine Ahnung, wie er wieder rauskommen sollte. Es war kein normales, sondern ein Labyrinth, in dem man sich leicht eine Kugel einfangen konnte. Von weit oben sah es aus wie ein Friedhof. Kein Kinderspiel.
Als er am frühen Abend wieder aufwachte, lag Jaqueline neben ihm und hatte ein Bein über seine Beine gelegt. Sie las in seinem Notizbuch seine Notizen. Sie forderte, alles über das Labyrinth zu erfahren, und fiel nicht darauf herein, dass es sich dabei nur um ein Bild handelte, mit dem er seinen Zustand zu beschreiben versuchte. Und als sie nicht lockerließ, erzählte er ihr alles, was sie über die Sache und den Mann wussten, für dessen Ergreifung angeblich irgendein fuckin system zwei Millionen bezahlen würde, und alles, was ihnen bisher durch den Kopf gegangen war, welchen Verdacht sie hatten, was sie vermuteten, was aus dem dichten Nebel möglicherweise auf sie zukam, eine Ziege, ein Wolf oder ein menschenleerer Panzer.
Ihr Kommentar überraschte ihn nicht. »Ach, du Scheiße«, sagte sie, »ihr seid doch nicht mehr ganz dicht.«
Er hielt die Klappe. Als würde ihm ihre Bemerkung zu denken geben.
»Du erwartest doch nicht, dass ich euch bei diesem … mir fällt überhaupt kein passender Ausdruck dafür ein … irgendwie behilflich bin.«
»Natürlich nicht. Habe ich was gesagt?«
»Aber ich hab’s genau gehört.«
Ihre Behandlung hatte nicht nur eine schnelle medizinische, heilende Wirkung, obwohl er zuerst verkrampft war, weil er sich daran erinnerte, wie sie ihn einmal dabei gebissen hatte. Er erzählte es ihr, als ihr auffiel, dass er sich nicht gehen ließ, sondern auf etwas weniger Erfreuliches zu warten schien.
»Oh«, sagte sie.
Konnte sich ebenfalls noch erinnern. Aber sie hatte ihn nicht mit einem Hintergedanken gebissen oder aufgrund einer neu entwickelten Neigung, sondern ungeplant, eine reflexhafte Reaktion.
Wie Fallner jetzt nicht verhindern konnte, dass es die grünschwarzen Haare einer unbekannten Frau waren, die sich vor ihm auf und ab bewegten. Ehe sich Jaqueline danach auf ihn setzte und ihm die Zunge in den Mund schob.
Sie hatte ihn damit nicht nur aus seinem Anfall rausgeholt, sondern ihn auch davor bewahrt, ihr noch mehr zu erzählen. Er war so schwach gewesen, dass er ausgepackt und ihr den Inhalt dieses Briefs gestanden hätte – nein, er hätte ihr gestanden, dass er interessiert war – fuck, ohne es zu wollen, war er daran interessiert, jemanden für Zweihunderttausend umzulegen – klar, er würde zuerst sorgfältig überprüfen, dass dieser Typ es mehr als verdient hatte, wie da jemand behauptete – ja, sie machte immer noch weiter und wollte nicht von ihm absteigen – nein, es machte nichts, dass er mit dem Kopf ganz woanders war – verdammt, es waren wieder diese grünschwarzen Haare, die ihm dann ins Gesicht schlugen, bevor er Jaquelines Atem im Ohr hatte wie einen Tornado, der sie ans Ende der Welt schleudern würde, wo niemand mehr Angst vor der Angst haben musste.
»Du wolltest noch irgendwas sagen«, sagte sie, als sie neben ihm lag und sich etwas abgeregt hatte.
»Ja«, sagte er, »du könntest mal jemanden fragen, ob irgendwas im Busch ist, natürlich nur, falls du eine gute Gelegenheit hast, jemanden zu fragen, ohne dass sich dann jemand allzu viel fragen würde.«
Er bekam eine Antwort, mit der er nicht gerechnet hatte.
»Ich glaube, ich liebe dich trotzdem«, sagte sie, »jedenfalls im Moment.«