Die Geschäfte gingen nicht schlecht, aber nicht gut genug in einer Stadt, in der immer bessere Geschäfte benötigt wurden, um damit zu überleben. Immer mehr Leute hatten steigende Mieten am Hals, die immer mehr von ihren Mäusen vernichteten, und deshalb gingen für viele die Geschäfte schlechter, deren Geschäft zu klein war, um ein paar kleinere Geschäfte aufzufressen und sich durch die Vergrößerung und mehr Kunden, die genug Mäuse mitbrachten, Luft zu verschaffen. Die Mietpreise in der Hauptstadt der Bewegung standen an der Spitze Deutschlands, und diese Spitze arbeitete sich nach oben weiter, und jedes Jahr gab es eine neue Menge von Leuten, die genau deswegen dorthin wollten, um an dieser Spitze dabei zu sein und weil ihnen dort immer weniger arme Schweine auf die Nerven gingen, die sie fragten, ob sie vielleicht mal ’ne leere Flasche erübrigen konnten – kannte man doch, heute war es eine leere Flasche und morgen eine volle Pistole.
Es war eine einfache Rechnung, allerdings mit höchst komplizierten Einzelposten und Zahlungsmodalitäten.
Eine Ausschaltung dieser komplizierten Begleiterscheinungen (aber das war nur so eine These) ließe sich durch Reservierung (oder Gründung) von Städten erreichen, in denen sich nur noch arme Schweine aufhalten durften, denen die Einreise in andere Städte verboten war. Aber das war nur so eine Zukunftsmusik. Deren erste Töne man jedoch schon hören konnte, wenn es irgendwann nach der Geisterstunde an manchen Orten etwas ruhiger wurde.
»Ich habe nicht den Eindruck, dass das Problem ernsthaft angegriffen wird«, sagte Landmann, »und auch nicht, dass genug Leute gegen diesen beschissenen Zustand mit Mitteln vorgehen, die Veränderungen erzwingen. Diejenigen, die schuld an dieser Misere sind, müssen stärker angegangen werden, sonst wird sich nichts bewegen. Sie haben genug Kohlen, die sie glauben lassen, es wäre in Ordnung, so wie es läuft. Du weißt, was du jetzt sagen musst.«
Erst als sie in die Stadt reinfuhren und im Stau einsanken und steckenblieben, hatten sie angefangen, sich zu unterhalten, weil Landmann das Gesäusel des Nachrichtensenders satt hatte. Vorher hatte sich Fallner mit seiner schlechten Laune ausgeschwiegen, er war sauer auf sich selbst, er hätte seine Abholung verweigern müssen. Gute Nachrichten hin oder her, in dem Fall waren gute Nachrichten schlechte Nachrichten.
»Enttäusch mich nicht, du weißt genau, was du jetzt sagen musst. Du kannst jetzt fick dich sagen, aber ich habe nur einen Befehl ausgeführt, Bruder, ich wollte dir nicht den Abend mit deiner Working-Class-Bikini-Braut verderben, ja, ich bin ein schlechter Mensch, aber so schlecht bin ich nicht.«
»Die Lobby der jüdischen Immobilien-Haie ist schuld«, sagte Fallner.
»Genauso ist es. Du sprichst einen Skandal an, über den endlich wieder immer mehr Deutsche nicht schweigen wollen. Obwohl es selbst nach so vielen Jahren und unzählbaren Wiedergutmachungen immer noch ein Tabu ist. Wie allgemein bekannt, sitzen Tausende Deutsche in Haftanstalten, nur weil sie der Meinung waren, das würden sie wohl noch mal sagen dürfen.«
»Oder vielleicht besser jüdische Immobilien-Mogule, das klingt etwas sachlicher und eigentlich noch gefährlicher.«
»Sehr gut, Fallner, du bist mein Mann. Der Juden-Mogul ist rücksichtslos, während der arme deutsche Hausbesitzer aufgrund der unbarmherzig steigenden Preise gezwungen ist, die meisten seiner Zimmer an muslimische Asylanten zu vermieten, die ihm dafür keine Dankbarkeit erweisen, sondern ihm in naher Zukunft die Haare vom Kopf fressen, sein ganzes Land umvolken, seine verbliebenen Landsleute versklaven und seine Töchter ficken werden.«
»Töchter und Söhne, möchte ich behaupten. Gewisse westliche Unsitten haben sich in allen Kulturkreisen ausgebreitet.«
»Du meinst, sie haben von den christlichen Kirchenherren so viel übernommen, dass es letztlich ihre Moral zerstören wird?«
»Ich meine Folgendes: Selbst für einen ungläubigen Juden hast du verdammt wenig Angst vor Muslimen, Landmann, weißt du das?«
»Woher willst du wissen, dass ich ungläubig bin?«
»Du holst mich am Sabbat mit dem Auto ab.«
»Hätte ich dich hundert Kilometer mit dem Fahrrad abholen sollen? Ich bin nicht wahnsinnig. Und ich bin nicht gläubig. Und selbst wenn ich’s wäre, es ist ein Notfall, Bruder, und vor allem geht es um Geld, verstehst du? Außerdem liegt die Schuld bei dir, weil du dein verdammtes Telefon ausgeschaltet hast, und an diese Festnetznummern ist niemand rangegangen. Weißt du, was ich glaube? Du bist in deinem Unterbewusstsein ein paranoider Judenhasser. Du hast dich in deinem debilen Dorf deiner Jugend verkrochen, weil du Angst vor Umvolkung hast. Du denkst, dass du dort sicher bist. Du willst dich dort mit dieser durchgeknallten Holzhackerbraut niederlassen und eine germanische Sekte gründen.«
»Es ist kein Notfall«, sagte Fallner.
»Dein Bruder, welcher nur mein Chef ist, hat gesagt, ich soll seinen Bruder ranschaffen und zwar jetzt sofort, das ist für mich ein Notfall.«
»Ich möchte dich mal was fragen.«
»Es wird wieder Unsinn sein, ich werde dir nicht antworten.«
»Es ist kein Unsinn, ich habe es in anerkannten Fachwerken nachgelesen – warum hat dein Volk unseren Gottessohn Jesus ermordet?«
Landmann schlug auf das Lenkrad ein und dann auf die Hupe: »Dieser Witz hat einen so langen Bart, dass er weit über meinen Schwanz runtergeht. Ich soll mich totlachen, ist das dein Plan? Ein Mord, der als Herzinfarkt durchgeht?«
»Das ist keine Antwort, und es ist kein Notfall.«
Andere Autos fingen jetzt auch zu hupen an. Sie schienen für ewig hier festzustecken. Das war ein echter Notfall – und wenn einer der Eingesperrten austickte und einen Wutanfall bekam und auf seine Frau losging, sollte sie lieber beten als auf Fahrzeuge mit Blaulicht hoffen. Falls er ihr mit einer Flasche, die er für den Notfall immer im Auto hatte, den Schädel einschlug, konnte sie sich auch das Beten sparen.
Der elf Jahre alte Renault Mégane, von dem Landmann behauptete, er sei unauffällig, fuhr ganz langsam in den Hinterhof. Es gab nur etwa ein Dutzend Parkplätze, auf denen ausschließlich Fahrzeuge standen, von denen ein Reifen mehr kostete als der ganze Renault in diesem Zustand. Andere Mieter durften reinfahren, aber nicht parken. Die Rückseite von Aymen’s Imbiss & Delikatessen war hell beleuchtet; der irakische Besitzer hantierte mit Kisten.
Sie blieben am Hinterausgang des Ladens stehen, wo Jorgos Stathakos und der Boxer Muhammad, der nicht im Meer ertrunken war, mit den SIS-Angestellten Koll und Becker redeten, die sich (wie Fallner und Landmann) natürlich nicht als Security-Spezialisten im Sondereinsatz vorgestellt hatten. Von den neuen Untermietern des kleinen Nebenraums wurden keine Nachweise verlangt. Die persönlichen Beziehungen waren ausreichend.
Der Grieche musste einen Raum seines Geschäfts vermieten, weil er ihn nicht mehr bezahlen konnte, und sie hatten den Raum mit guter Aussicht auf ihr Ziel angemietet, während Fallner mit Nadine im Zug nach Nirgendwo gesessen hatte. Landmann hatte das Nebenraum-zu-Vermieten-Schild gesehen und sofort zugeschlagen (»Wenn du mehr Glück als Verstand hast, denk nicht darüber nach«).
Sie stiegen aus und schüttelten freundlich Hände und versuchten, keinen Fehler zu machen. Sie durften nicht den Eindruck erwecken, dass sie etwas zu besprechen hatten, das niemand hören durfte.
Wie viele der in Germanistan Gestrandeten waren der Grieche und der Boxer misstrauisch gegenüber jeder Art von Sicherheitskräften. Besser also, wenn sie den neuen Untermietern abkauften, dass sie einfach nur Großstädter mit genügend Geld waren, die aus Langeweile mal ein kleines Geschäft eröffnen wollten. Irgendwas mit Computer und Consulting. Nichts Auffälliges. Sie hatten eine gute Chance, damit durchzukommen: Der Grieche wusste, dass Fallner ein Ex-Bulle war, deshalb würde er den Gedanken für absurd halten, dass er jetzt eine ganze Bande von Ersatzpolizisten im Haus hatte – der Rollstuhlfahrer war unverdächtig (wie alle Behinderten), die Frau war viel zu nett und der Mann mit dem komischen Hut war einer dieser gemütvollen Dicken, die vom Leben nicht mehr wollten als gepflegt abhängen. Falls er es irgendwann nicht mehr kaufte, würde Fallner ihn davon überzeugen, dass sie der beste Schutz waren, den er bekommen konnte und für den er nicht bezahlen, sondern nur kassieren musste. Falls ihm die Sache dennoch nicht gefiel, würde er ihm die Wahrheit sagen: Sie waren schlimmer als die Polizei, mit der er nichts zu tun haben wollte, und er sollte sich besser nicht mit ihnen anlegen.
»Is nickt einfach«, sagte der Boxer, der Angst vor dem Meer hatte.
»Das geht schon«, sagte der Rollstuhlfahrer, »wir gehen es langsam an und bauen dann auf, ich glaube, das wird was, ich habe echt ein gutes Gefühl. Natürlich muss ich meinen IT-Job weitermachen, das ist klar, das müssen wir alle. Aber heute ist es besser, wenn du mehrere Jobs machen kannst, du musst flexibel sein, du weißt nicht, wie’s morgen aussieht.«
»Bin ich flexibel«, sagte der Boxer, »kann putzen Fenster, abba vielleicht geht bissen schneller, Herr Asylant!«
»So ist es, Hauptsache schnell, billig und ordentlich.«
»Mir ist es jedenfalls lieber, du bist mit deinen Freunden in meinem Laden dabei, als irgendwelche Arschlöcher, die mir auf die Nerven gehen«, sagte Stathakos zu Fallner. »Das ist ja für die meisten Deutschen kein Problem.«
»Wir werden dir nicht auf die Nerven gehen, das kann ich dir versprechen, du wirst gar nicht bemerken, dass wir hier sind«, sagte Fallner.
»Wie soll euer Laden denn heißen?«
»Vielleicht Bin Laden«, sagte die Frau. Fast alle lachten. »Aber ich glaube, uns wird schon noch was Besseres einfallen.« Fast alle lachten.
»Bin Laden ni gut«, sagte der Boxer.
»Deshalb hat Allah ihn verladen.«
»Der Verladen. Fände ich gut.«
»Sehr gut, du bist ein Genie! Aus- und Verladen verboten! Eltern haften für ihre Kinder!«
Aus der aufsteigenden Partystimmung kam der Vorschlag von Nico, in diesem Laden dort drüben, der noch geöffnet hatte, Bier und Chips zu kaufen, um den Deal zu feiern, es war noch früh am Tag.
Fallner gefiel der Vorschlag nicht, und er sah, dass Landmann seiner Meinung war; wenn sie Pech hatten, ergab sich dort drüben eine Situation, auf die sie nicht vorbereitet waren. (Wenn du unerwartet etwas Glück bekommen hast, steht das Pech an der nächsten Ecke, vergiss das niemals.) Ihre beiden jüngeren Kollegen dachten nicht zuerst an den schlimmsten Fall, sie waren zu jung, sie hatten ihre Hoffnungen noch nicht verschlissen.
Was würde passieren, wenn sie plötzlich dem Zwei-Millionen-Mann gegenüberstanden? Sie wussten nicht, wo er war oder wann er ankommen würde, also konnte er auch hier sein.
»Wir hatten alle einen harten Tag«, sagte Landmann, »vielleicht verschieben wir das besser. Wir werden hier noch einige Partys feiern, darauf könnt ihr euch verlassen.«
Sie hatten alle gegen sich. Und ihre jungen Kollegen verstanden nichts von stummer Kommunikation. Diese ahnungslose Generation, die alles schriftlich auf dem Handy haben musste, um ein paar Gehirnzellen zu aktivieren. Sie würden zuerst sie und in ein paar Jahren den Rest der Welt in den Abgrund reiten mit einem Lächeln auf den von der Sonne abgebrannten Lippen.
Der Mann aus dem Irak, von dem Fallner nicht wusste, mit wem er telefoniert hatte, als er als Rollator-Mann getarnt im Geschäft war, beobachtete misstrauisch die Karawane, die auf ihn zukam. Obwohl er den vorangehenden Griechen natürlich kannte und der schon frühzeitig winkte und den Großeinkauf so laut ankündigte, dass es bis zu allen Stockwerken hinauf hallte. Er war mit seiner Familie und all seinen Verwandten auf allen Kontinenten zur Party eingeladen, ehe er verstand, dass es fünfzig Meter weiter eine Party im Hinterhof geben sollte, keine große Sache, Mann, aber es musste sein zur Feier der neuen Nachbarn, das geboten die Gesetze der Gastfreundschaft.
»Ich liebe die Griechen«, sagte Theresa.
»Wenn alle Germanen so denken würden wie du, wären wir fast dreihundert Milliarden reicher«, sagte Jorgos.
»Don’t mention the war!, sagt der Engländer.«
»Wir denken nicht wie Engländer, wir denken wie Leute, die mehr als nur ausgebeutet und unterdrückt wurden.«
»Das besprechen wir auf der Party, mein Süßer, damit Stimmung aufkommt.«
»Fuck you.«
»Das weiß ich noch nicht.«
Die Frau von Aymen’s Imbiss tauchte auf, die den Rollator-Fallner so freundlich behandelt hatte, und lächelte alle an, noch ehe sie von den Partyplänen informiert wurde. Und in dem Moment hatte Fallner den Gedanken, dass sie ihn an seinem Geruch erkennen könnte (man machte immer Fehler, wer sein Zimmer verließ, begab sich in eine mehr oder weniger lange Kette von Fehlern). Aber sie kümmerte sich sofort um den Rollstuhlfahrer, den man mit seinem Gefährt irgendwie in den Laden reinbekommen musste. Nicos Freude, dass man ihn nicht draußen sitzen ließ, weil die Gefahr bestand, dass er einen Stapel Dosen streifte, war echt. Und in dem Moment hatte Fallner den Gedanken, dass es gut wäre, wenn sie ihre Kontaktleute zur Party bewegen könnten, um vielleicht ihre Zungen zu lockern (und dass er wahrscheinlich der letzte ihrer Truppe war, der auf die Idee kam; weil er zu viel an Nadine dachte, an Kreissägen und dunkle Schuppen).
Kurz vor Ladenschluss war es erstaunlich leer, nur noch eine Kundschaft, eine unscheinbare junge Frau mit einem Bündel Grünzeug in der Hand und, so wirkte sie, mit der Frage auf der Seele, was man sonst mit seinem einsamen Leben anstellen sollte; und die beiden Teenager des Hauses standen in der Tür zur Küche und waren gespannt, was der Auflauf mit dem Griechen zu bedeuten hatte. Beide hielten ihre Mobilgeräte in der Hand, um Mutter Facebook sofort mit brandheißen Neuigkeiten zu beliefern. Ob sich in der Küche jemand aufhielt, war nicht zu erkennen.
Theresa und Rollstuhl-Nico beschäftigten die freundliche Geschäftsfrau, damit Fallner und Landmann sich umsehen konnten, während sie fachmännisch das Weinangebot überprüften (mit dem sich Männer natürlich auskannten), während der Grieche engagiert (als würde er zu SIS gehören) mit seinem irakischen Nachbarn diskutierte. Dann schwärmten sie aus: Fallner fing scheinbar an, hektisch zu telefonieren und ging die Gänge auf und ab, Landmann ging mit einer Flasche zum Chef, um ihn mit Fachfragen zu beschäftigen, Theresa ging mit verschiedenen Tüten Chips zu den Teenagern, um sich beraten zu lassen und dabei einen Blick in die Küche zu werfen, während Nico die Chefin mit Rollstuhltechnik fesselte, die deshalb die unscheinbare junge Frau mit dem Grünzeug nicht beachtete, die bezahlen und vor allem niemals und nirgendwo auffallen wollte.
Diesmal funktionierte die stumme Kommunikation, und nach wenigen Minuten waren alle zum Abmarsch bereit. Sie waren nicht die Verhörspezialisten der Ausländer- oder Lebensmittelkontrolle, sondern scharf auf ihre Party. Hatten es aber nicht geschafft, dass die Teenager ihre Eltern überreden konnten, mit ihnen zu feiern.
Der Boxer, der das Meer hasste, hatte inzwischen eigenmächtig gehandelt und einen Grill und Stühle vor die Hintertür gestellt, und Landmann ging zurück, um ein Paket Würste zu kaufen.
»Plötzlich waren alle weg«, berichtete er, »außer die Frau und die Puppe mit dem Grünzeug«.
»Deine Puppe mit dem Grünzeug ist ein armes Hascherl«, sagte Theresa. »Wahrscheinlich hat sie sich immer noch nicht getraut zu fragen, ob sie mal bezahlen kann.«
»Ich glaube nicht, hatta Mann Haschisch«, sagte der Boxer.
»Das hat nichts mit Haschisch zu tun«, sagte sie, »das ist bayerischer Slang, ein Hascherl ist eine ganz stille Frau, sie ist ganz sch-sch-sch-vorsichtig. Ich weiß nicht, woher der bescheuerte Ausdruck kommt.«
»Ich auch nicht, aber ich hab sie fotografiert«, sagte Nico. Und als ihn alle (aus unterschiedlichen Gründen) ansahen: »Ich fand sie süß – hey, was ist los, ist das vielleicht ein Verbrechen?«
»Kommt drauf an, was du mit den Fotos machst«, sagte Theresa.
»Ich werde die Schlampe so lange stalken, bis sie mich zum Traualtar fährt.«
Der Grill rauchte wie die Hölle, und sie aßen und tranken und diskutierten über Kriegsschulden und neue Nazis und Grilltechnik und Klimakatastrophen und Football und die Sind-alle-Boxer-kriminell-Frage und Integration und ungleiche Bezahlung von Frauen und Mietpreise und Anarchismus und Rembetiko und Stöckelschuhe und Miles Davis’ letzte Aufnahmen, und es war noch nicht mal zehn Uhr, als zwei uniformierte Polizisten neben ihnen standen.
»Wir müssen die Party leider beenden«, sagte der eine, »es gibt einige Beschwerden aufgrund von Rauchentwicklung und Lautstärke.«
»Deutschland«, sagte der Grieche, »ich möchte jetzt wirklich nicht –«
»Die gibt es doch immer«, sagte Fallner, ehe er weiterreden konnte.
»Geben Sie uns die Namen, und wir entschuldigen uns«, sagte Theresa.
Alle lachten. Auch Fallner. Obwohl er den zweiten Uniformierten erkannte, es war der Mann von Mitte dreißig mit rot-braunen Haaren und auffallend dicken Koteletten, der bei seinem verdeckten Besuch in Aymen’s Imbiss am nächsten Tisch gesessen hatte.
»Wir finden diese Beschwerden auch nicht lustig«, sagte der Polizist, der für’s Reden zuständig war, während sich der andere umsah und dann den leeren erleuchteten Raum betrat.
»Was passiert damit?«, fragte er.
»Das gehört eigentlich zum Laden vorne«, sagte Nico Koll, »haben wir jetzt gemietet, wird ein kleines Büro für IT-Consulting.«
»IT-Consulting. Interessant.«
»Wir feiern unseren Einstand, ich dachte, bis elf Uhr darf man das draußen tun, hat sich das geändert?«, sagte Theresa.
»Das ist ortsabhängig«, sagte der Polizeisprecher. »Wir müssen den Beschwerden nachgehen, daran hat sich nichts geändert.«
»Abba beschwerden zuerst der Ausweise, bitte«, sagte der Boxer, dem das Meer gestohlen bleiben konnte.
Fast alle lachten.
»Das ist eine gute Idee«, sagte der Polizist mit den Koteletten. »Gib uns mal deinen Ausweis. Und alle Papiere, die du hast. In welcher Unterkunft wohnst du?«
»Er wohnt bei –«
»Sie hab ich nicht gefragt.«