Ich habe ja nichts gegen Kinder, aber …

Viele Hundert, Tausend oder Millionen Kinder, so genau weiß das keiner, werden gefangen gehalten. In Höhlen. Um ihnen mit einer Zitronenpresse Adrenochrom aus der Zirbeldrüse zu quetschen, damit Hillary Clinton das Zeug trinken kann. Weil sie dadurch jung und frisch bleibt.

Vielleicht fragen Sie sich gerade, ob ich Pilze gegessen habe. Wenn Sie sich das nicht fragen, kennen Sie die erwähnte Verschwörungstheorie bereits. Sie stammt von erwachsenen Menschen, die im 21. Jahrhundert mit einem großen Q um den Hals auf Demos rumlaufen und Unwissende rätseln lassen, ob der Quelle-Versand wieder da ist und ziemlich bizarre Werbung macht.

Die Frage, die sich mir bezüglich dieser Höhlenkinderstory stellt, ist: Wie soll das eigentlich gehen?

Wenn frischgezapftes Adrenochrom jung, fit und erfolgreich macht, wieso wirkt es dann bei Hillary Clinton ziemlich offensichtlich nicht? Und in welchen Höhlen stecken diese vielen Milliarden Kinder eigentlich fest? In den Höhlen in der Eifel, in die man nicht reindarf, weil da drin angeblich schutzbedürftige Fledermäuse schlafen? Und warum haben die vielen Milliarden Eltern dieser verschleppten Kinder keine Vermisstenanzeigen aufgegeben? Vielleicht, weil sie jetzt endlich frei sind und das auch bleiben wollen?

Denn eine weitere große Frage, die sich mir stellt, ist vielleicht die wichtigste von allen. Und ich stelle sie als Vater von zwei Kindern. Hier kommt sie: Seit wann geben einem Kinder Energie?

Ich habe ja nichts gegen Kinder, aber …

… diese süßen kleinen Wesen, die bei einem zu Hause wohnen, weil der Staat ihnen das Recht dazu gibt, als Quittung dafür, dass man sie in einem Akt blinder Begierde zeugte – sie sind immer so laut! Sie sind bewaffnet mit hohen, niedlichen Kinderstimmen! Sie machen bei jeder Gelegenheit von diesen langgezogenen Lauten Gebrauch, die so ähnlich nur ein feuchter Keilriemen bei untertourigem Fahren an einem verregneten Tag erzeugen kann!

Ich habe nichts gegen Kinder, aber in der alten Zeit hat man ihre Betriebsgeräusche tagsüber nie vernommen. Weil die Kinder, als es das Coronavirus noch nicht gab, in der Kita waren, wie es sich gehörte. Oder in der Schule. Und ganz früher beim Bauern auf dem Feld. Oder in der Bleimine. Und noch ganz früher, vor vielen hundert Jahren, sind sie in den Wald gegangen. Um der dort lebenden armen alten Warzenhexe in der Kuchenhaus-Selbstisolation etwas Warmes zu bringen: sich.

Wie auch immer. Als alles noch normal war, vor Corona, waren die Kinder tagsüber schön ruhig. Denn sie waren nicht da. Und darum hatte man sie lieb. Man schaute sich auf dem Handy ihre Fotos an und streichelte die Fotos, und dann waren auch die Fotos nicht mehr da. Und auch deswegen hat man sich wirklich und ehrlich und extrem darauf gefreut, die Kinder am Nachmittag wiederzusehen. Weil man nicht den ganzen Tag lang ihre süßen, aber wirklich hohen Kinderstimmchen hören musste.

Eine seit Stunden um Aufmerksamkeit buhlende, erregt hohe Kinderstimme klingt nach kurzer Zeit wie eine in den Schraubstock eingespannte Katze, der siebenundsiebzig sadistische Singvögel ganz langsam jedes einzelne Katzenhaar ihres Katzenfells auspicken. Um sich für den jahrelangen Massenmord an der weitläufigen Vogelverwandtschaft zu rächen. Da miaut die Katze aber! Wie ein Kind, das ein Problem hat.

Hohe Kinderstimmen hat die Natur so designt. Man soll nämlich immer springen. Denn es könnte ja was passiert sein. Mit »was passiert sein« meine ich keine unvorhergesehene Lappalie, beispielsweise den vom fetten Outdoor-Rucksack der fahrradfahrenden Mutter um exakt neunzig Grad zur Seite gedrückten Kinderkopf einer in den Fahrradkindersitz justierten Johanna.

Ich meine auch nicht das Jaulen des kleinen Jasper, der sich verzweifelt mit den Fingernägeln die Zunge aufkratzt, weil sein naiver Vater unbedingt ein Ottolenghie-Gericht mit viel schwarzem Knoblauch zubereiten musste und Jasper als Ersten kosten ließ. Und dann kotzen ließ.

Diese berechtigten Schreie, dieses gut begründete Wimmern meine ich nicht. Diese Art des Wimmers geht nämlich schnell wieder weg. Worauf ich hinauswill, ist das ausdauernde Hochfrequenz-Jaulen, zu dem nur ans Krankenlager bestellte Klageweiber und extrem gelangweilte Kinder fähig sind.

Wenn ein Sturzkampfbomber der deutschen Luftwaffe damals im Luftraum über Polen in den Sturzflug ging, stieß er dank seines sehr schnell im Fahrtwind rotierenden Minipropellers, der sogenannten »Jericho-Trompete«, ein nervenzerfetzendes Jaulen aus. Das war ein wichtiger Teil der deutschen psychologischen Kriegsführung im Zweiten Weltkrieg.

Und das Vorbild dafür waren Kinder.

Kinder, die »Ich will was essen!« jammern. Eine halbe Stunde nach dem Abendbrot. Oder »Ich will was trinken!«. Und Kinder, die KEINEN Hunger und KEINEN Durst haben, aber ganz dringend müssen. Und der Druck aus der Blase oder aus dem Darm drückt die Körperwände des simpel konstruierten Kinderkörpers dergestalt auseinander, dass die Stimmbänder oben im Hals in die Länge gezogen werden. Wie das Mundstück eines Luftballons, das man auseinanderzieht, um die ausströmende Luft schön schrill quietschen zu lassen.

Oder: Man will dem Kind mal was Gesundes zu essen geben, aber das Kind plärrt: »Ich wollte einen Döner ohne Zwiebeln!!!«, während seine Finger im bestellten Döner ohne Zwiebeln rumstochern und anklagend auf so weißes Zeugs dadrin zeigen.

Weil das allerdings – wie bestellt – ein Döner ohne Zwiebeln ist, wird die Klage des Kindes abgewiesen mit den Worten: »Das sind Fingernägel vom Dönermann. Oder Weißkohl. Beides hat Vitamin C und schmeckt nach nichts.«

Doch das Kind ist fest davon überzeugt, dass das dicke, fette Zwiebelspäne sind, die das Kind essen soll, weil seine Eltern es hassen. Und sowieso ist alles so unfair!

Kinder plärren auch gerne mal rum, wenn sie mit dem Kopf in einem Brückengeländer feststecken. Weil die kleinen Forscher wissen wollten, ob der Kopf da durchpasst. Und dann stecken sie fest, und man muss sie retten. Und man fragt sich: Warum eigentlich? Hier und jetzt könnte mein neues Leben beginnen. Schnell weglaufen und in Wuppertal eine Herrenboutique eröffnen!

Was man dann aber doch nicht tut. Denn man ist ja doof, also verantwortungsvoll. Man guckt in der Hosentasche, ob man was dabeihat, ein Stück Butter oder Maschinenöl, womit man den Kinderkopf dick einreiben und dann da rausziehen kann. Sonst würde einem ja was fehlen, nämlich dieses Kind, dem dieses Pfeifen aus dem Kopf kommt, wie es sicherlich eine heißgelaufene Nähmaschine ausstößt, während sie mit Nadeln um sich schießt, die einem präzise die Trommelfelle zerschießen!

Damit die Kinder gerettet werden, hat ihnen die Natur diese Sirenen verpasst.

Mit einer Sirene verhält es sich aber folgendermaßen: Sie sollte umsichtig und möglichst selten eingesetzt werden, damit man auf sie reagiert. So dass man sich erschreckt, zusammenzuckt, aufspringt und zu ihr hinläuft, wenn sie jault, um sie auszuschalten. Wird eine Sirene zu häufig eingesetzt, stumpft man jedoch ab und ignoriert sie. Wird sie dann trotzdem immer weiter eingesetzt, entzünden sich schon bald die Gehörgänge. Diese Entzündung streut schnell auf die Nervenstränge.

Kinderstimmen werden nicht ohne Grund oft in Horrorfilmen eingesetzt. Und letztlich macht einen das nicht selten grundlose, völlig überzogene und rotzdämliche Kindergeschreie so porös, dass man laut Lieder von Udo Jürgens abspielen muss, um die kreischende Brut nicht mit einer groben Holzlatte zu erschlagen. »Immer wieder geht die Sonne auf« ist ein unfassbar deeskalierender Song. Glaubt mir. Ich weiß es. Ohne dieses Lied hätte man das Mietshaus, in dem ich wohne, schon abreißen müssen. Weil eine bestimmte Wohnung darin aufgrund familiärer Umstände unrenovierbar geworden wäre und die Statik des kompletten Altbaus ihre Funktionsweise eingebüßt hätte.

Wir schreiben Woche sechs und Tag drei oder vier oder sieben der freiwilligen Corona-Selbstisolation. Im Frühling des Jahres 2020 – die Älteren werden sich erinnern.

Du hast das Zählen aufgegeben, denn jeder Tag ist gleich. Das weißt du schon, bevor du morgens wach wirst. Auch heute wird wieder nichts Überraschendes passieren, was deinem Alltag Würze verleihen könnte. Jede Hoffnung auf eine Besserung der Lage wird durch die Nachrichten verlässlich zunichtegemacht. Es gibt eigentlich keinen Grund mehr, morgens aufzustehen.

Wären da nicht diese hohen Kinderstimmen. Sie waren gestern da und vorgestern und sie werden morgen da sein und übermorgen. Und du willst sie einfach nur noch zum Schweigen bringen. Egal wie. Du weißt jedoch, dass dich jede deiner dafür erdachten Methoden in die Sicherheitsverwahrung brächte.

Dort hättest du zwar endlich deine Ruhe. Aber willst du wirklich ein Vierteljahrhundert in Gesellschaft von entmenschten Schwerverbrechern verbringen, mit denen du nicht mal ein Bier trinken würdest, wenn sie dir eine entsicherte Wumme an die Schläfe halten?

Also legt man, um den Kindern das Leben zu retten, wieder mal Udo Jürgens auf. »Und immer immer wieder geht die Sonne auf.« Augenblicklich bricht man zusammen. Man ist ein Klumpen heulender Nervenmatsch, der sich zuckend in einer dampfenden Pfütze aus Tränen wälzt.

Kann man diese hohen Kinderstimmen im Fall einer freiwilligen Selbstisolation oder zumindest im Familienurlaub oder bei einem Kindergeburtstag nicht runterdimmen? Gibt es nicht irgendwo auf der Welt ein Mittel zu kaufen, das ein Antagonist zu Helium ist? Ein Gas, das kleine zweibeinige Feuermelder in angenehm brummende Bassbärchen verwandelt, die mit einer Stimmlage irgendwo zwischen Torsten Sträter und untertourigem Diesel ganz langsam und mit absoluter Ruhe beiläufig erwähnen, dass sie eventuell gerade von einer Biene ins Auge gestochen wurden? Und ob Mama oder Papa da vielleicht mal nachgucken könnten, ob die Biene noch am Auge dranhängt, denn die hat ja Widerhaken im Stachel. Das muss aber nicht sofort sein. Geht auch morgen oder nächste Woche.

Ich meine, wenn das Kind in der Lage wäre, sein Verlangen so entspannt auszudrücken, dann würde man doch SOFORT reagieren! Und zwar PANISCH SCHREIEND!

Aber mit diesen hohen Kinderstimmchen geht es auf Dauer nicht gut. Und dann rennen die Kleinen einem auch immer hinterher! Mit ihren kleinen, flinken Flitzebeinchen. Jeder persönliche Moment, jeder kleine Tagtraum, jeder Anflug einer Idee, ja, jedes Denken an NICHTS wird im Trommelfeuer ihrer ADHS-induzierten Silbenartillerie an Ort und Stelle hingerichtet. Und sie reden so schnell. Und sie reden so laut. Und sie müssen einem immer irgendwas erzählen, das totaaaal wichtig ist!

Und wenn man ihnen sagt, dass man gerade mal nicht zuhören kann, weil man sich konzentrieren muss, dann plärren sie erst recht los. Und schon hat man ein schlechtes Gewissen. Und SIE haben gewonnen!

Aber das Allerschlimmste ist: Man wird bald genau wie sie. Laut, schrill, unkonzentriert, aufgekratzt. Und wenn mal nichts passiert, guckt man nach, ob gerade was passiert sein könnte, und ob man irgendwem bei irgendwas helfen kann.

Oh, wie schön wäre es, wenn jedes Familienmitglied eine tiefe Brummbärstimme hätte, wie sie nur Menschen erzeugen können, die sich nach einem bekömmlichen Essen satt und zufrieden den Bauch streicheln? Wäre das nicht friedlich? Keiner hätte mehr Lust, einem anderen Familienmitglied die Gurgel rauszureißen. Man hätte Lust, Liebe zu machen. Alle Verspannungen würden sich lösen, niemand hätte einen harten Rücken. Jedes Familienmitglied wäre sympathisch, jeder Tag wäre ein Wannenbad in geschmolzener Butter. Und man hätte, wäre man YouTuber mit so einer Stimme, bei jedem Stream drei Millionen Zuschauer, weil man einfach nur: ganz tief brummt. Denn das hören alle gern. Stundenlang kann man das ertragen.

Im Gegensatz zu hohen, süßen und lauten Kinderstimmchen.

Halten wir fest: Kinder machen taub. Sie machen einen außerdem schwach, alt und dement. Sie saugen dir das Blut aus dem Kopf, während sie stundenlang im Akkord fragen: »Darf ich fernsehen? Darf ich fernsehen? Darf ich fernsehen? Darf ich fernsehen?« und mit der Antwort: »Nein! Nein! Nein! Nein!« überhaupt nichts anfangen können. Weil sie von einem anderen Planeten kommen, unsere Sprache nicht sprechen und das Konzept »Widerspruch« nicht schnallen. Sie wollen recht bekommen, die kleinen Wutbürger, die ihren Stuhlgang nicht unter Kontrolle haben.

Am Ende hat man graue Haare, grauen Star und sauren Atem wegen der Magengeschwüre. Man ist von Udo Jürgens auf die Amigos umgestiegen. Die bringen zuverlässig jedes Jahr ein neues Album raus, das exakt wie das Album davor klingt. So dass der Hörer gar nicht merkt, dass ein weiteres Jahr sinnlos vergeigt und unwiederbringlich vergangen ist. Diese sedierende Musik ist genau das Richtige, um sabbernd und hospitalisiert auf den Tod zu warten.

Der kommt aber nicht. Es ist ihm zu laut. Wegen der Kinder.

Wenn Sie also Ihre Libido nicht unter Kontrolle haben und wenn Sie ungefähr zehn Jahre lang oder länger gerne von einem heulenden Sturzkampfbomber angegriffen werden wollen, hinter dem Sie auch noch herrennen müssen, weil er seit fünfundzwanzig Minuten endlich mal Zähne putzen soll, dann benutzen Sie beim hastig durchgeführten Geschlechtsverkehr kein Kondom. Es sei denn, Sie haben ein Mittel erfunden, das aus schönen, hohen Kinderstimmen ein noch schöneres tiefes Brummen emulgieren kann. Eine Salbe für die Ohren, die stärker aushärtet als Fensterkitt. Damit nichts, nichts, absolut nichts mehr reinkommt.

Außer diesem tiefen, schönen Brummen.

Wenn Sie so etwas erfinden würden, hätten unzählige Eltern auf diesem Planeten Sie noch lieber als ihre eigenen Kinder.