An Politkabarettisten wird gern mal die Aufforderung herangetragen, Kanzler zu werden. Dann würde es nämlich anders laufen. Dann würde alles gut werden, nämlich so gut, wie es der Kabarettist gerade drei Stunden auf der Bühne erzählt hat.
Ich glaube aber nicht, dass irgendein Politkabarettist Lust hat, sich den Politikbetrieb anzutun. Dann müsste er (oder sie) stundenlang im Plenarsaal rumlungern. Man müsste Reden hören, die man nicht versteht. Und man müsste, wenn man beim fraktionsinternen Streichholzziehen verliert, selber eine Rede halten. Zu einem Thema, von dem man keine Ahnung hat. Und dann verhaspelt man sich, weil man beim Mittagessen in der Bundestagskantine eine Weißweinschorle zu viel auf Ex getrunken hat, und zack, sendet das die »heute-show«. Das kann doch keiner wollen.
Außerdem muss man sich nicht nur mit den Nattern aus der eigenen Fraktion rumärgern, sondern auch mit den Wendehälsen vom ehemaligen Koalitionspartner, die jetzt in der Opposition sitzen und alle Redebeiträge, die sie früher abgenickt und mitgetragen hätten, torpedieren – nur weil die nicht von ihnen kommen.
Und dann, auf dem Weg zum Auto, muss man durchs Foyer, wo Armeen von Lobbyisten darauf lauern, die Restbestände an Würde im Abgeordnetenkörper mit viel Geld weichzukochen und durchzufermentieren. So lange, bis sich die Handflächen des Volksvertreters willenlos nach oben drehen, um die richtig großen Scheine abzugreifen.
Dennoch sind international schon einige Leute aus der Welt der Unterhaltung in die Politik gerutscht, siehe Ukraine, Island und USA. Mich hat bisher noch niemand gefragt. Doch für den Fall der Fälle habe ich prophylaktisch schon mal ein Wahlprogramm geschrieben. Ich wäre bereit, dieses auf jedem kleinen Marktplatz des Landes vorzutragen. Von dicken Eisenzäunen vor den Eingeborenen geschützt und in gehörigem Abstand natürlich, damit mich ihre Fackeln und Forken nicht treffen, würde ich in einer feurigen Rede postulieren, was ich mit dem Volk vorhabe.
Dabei wäre ich guter Dinge. Weil ich wüsste: Ich darf hier wieder weg. Und die da vor mir müssen dableiben.
So, die Einleitung war lang genug, jetzt geht’s ans Eingemachte. Meine Damen und Herren, liebe Wählerinnen und Wähler, packen wir’s an:
Hallo ihr. Bald gibt’s hier wieder ’ne Demokratiesimulation, genannt Wahl. Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Wenn es nach mir ginge, würde danach alles anders werden, denn dann müssten alle ran!
Warum ginge, warum würde, warum müsste?
Nennt mich König Konjunktiv, denn ich will ja nicht gewählt werden. Schon gar nicht von euch. Ich kenne euch nicht, und ich will auch nichts mit euch zu tun haben. Damit ihr mich nicht wählt, hier mein Wahlprogramm:
Wirtschaft: Volle Kraft voraus für die Digitalisierung. Ich bin für gläserne Bürger, bargeldloses Zahlen und papierlose Toiletten mit WLAN und Kamera, die dem Kühlschrank melden: Download abgeschlossen.
Thema Arbeitsmarkt: Freunde, es gibt nicht mehr wirklich viel zu tun. Die Rasenmäherroboter mähen den Rasen, Sanifair-Toiletten machen sich selber sauber und Alexa bestellt im Internet Schuhe für Siri. Denn Menschen brauchen ja keine Schuhe mehr. Weil sie E-Scooter und Segway fahren. Wofür nervt uns die Evolution noch mit Beinen? An Beinen wachsen Fußnägel. Das ist widerlich. Keiner braucht das.
Wir lernen: Vollbeschäftigung ist ein Märchen. Jedoch: Digitalisierung und Automatisierung machen bald was? Richtig: Noch mehr Arbeitslose.
Dann ist Ende im Gelände, Schicht im Schacht, Finger im Po, Mexiko!
Ich sag’s nur, falls einer fragt. Weil aber niemand das Wort arbeitslos mag, werde ich das Wort abschaffen und durch »glücklich« ersetzen. Das macht die Nachrichten erträglicher. Wie klingt das hier: »Die Zahl der Glücklichen ist auf einem neuen Höchststand«? Klingt doch supi!
Und niemand muss Angst vor Armut haben, denn Geld gibt’s weiterhin. Ich führe nämlich irgendwann das bedingungslose Grundeinkommen ein. Sechstausend Euro monatlich. Jeder kriegt exakt dasselbe. Ohne zu arbeiten. Als Gegenleistung muss jeder nur von acht bis achtzehn Uhr zu Hause bleiben und ist endlich auch mal da, wenn die DHL-Drohne klingelt. Wie ich das finanzieren will? Mit einer Maut auf Rolltreppe fahren, Laufband fahren und Fahrstuhl fahren. Nur für Leute mit Rollator, Rollstuhl und Kinderwagen isses umsonst. Der Rest, also alles, was zwei gesunde Beine hat, nimmt die Treppe. Damit ihr faulen Säcke euch mal wieder bewegt. Ihr seid alle zu fett. Ich darf das sagen, ich will ja nicht gewählt werden.
Folgende Steuervergünstigungen werden gestrichen: alle. Damit finanziere ich das bedingungslose Grundeinkommen. Pendlerpauschale gibt’s nur noch für Standuhren.
Thema Sozialgefälle: Solange es noch Hartz IV gibt, muss jeder Porsche-Cayenne-Fahrer die Patenschaft für vier Hartz-IV-Empfänger übernehmen. Die muss er mehrmals wöchentlich zum Pfandflaschensammeln chauffieren. Damit er weiß, warum er so einen Monstertruck fährt. Und wo ich schon mal dabei bin: Autos sind rollende Konservendosen. Was ist drin? Gammelfleisch mit Hackfresse. Und davon viel zu wenig. In so ziemlich jedem Fünfsitzer sind vier Sitzplätze frei. Bei Lebensmitteln nennt man das Mogelpackung. Aber wenn die Mogelpackung aus drei Tonnen Stahl besteht, isses in Ordnung? Ich sage: Schluss damit!
Ich führe die Pflicht zur Fahrgemeinschaft ein. Wer dennoch allein im Auto erwischt wird, kriegt die leere Karre bis unters Dach mit Zalando-Paketen vollgestopft, die er ausliefern muss!
Ich denke auch an eine Generalmaut. Maut für alles, was einen Seitenstreifen hat. Auch Adidas-Hosen. Und Zahnpasta. Damit finanziere ich das bedingungslose Grundeinkommen. Falls einer fragt, ob man Geld zurückkriegt, wenn man rückwärtsfährt: NEIN!
Auch die Dreckschleuder namens Militär wird umweltfreundlich. Weil Kampfflugzeuge, Panzer, Kriegsschiffe und so weiter viel mehr Schmutz in die Luft blasen als alle Kreuzfahrtschiffe und Kohlekraftwerke zusammen, wird die Bundeswehr auf Elektroantrieb umgestellt. Es gibt nichts Friedlicheres als einen sechzig Tonnen schweren Elektro-Leopard 2, der alle fünf Meter für dreißig Stunden an die Steckdose muss.
Bildung und Kultur: Nach meiner Machtergreifung gibt es im Unterricht nur noch ein Fach: Udo Jürgens. Da ist alles drin: Musik, Deutsch und Sexualkunde.
Freunde des Abendlandes! Jeder Einwohner unserer leitkulturfixierten Nation muss aus dem Kopf achtzig deutsche Volkslieder auswendig draufhaben. Es wird Verkehrskontrollen geben zum spontanen Abfragen und Vorsingen mit vorgehaltener Waffe. Wer da nicht aus dem Stand alle sieben Strophen von »Der Mond ist aufgegangen« oder »Joana« intonieren kann, verliert umgehend sämtliche Bürgerrechte und wird noch am selben Tag nach Chemnitz abgeschoben. Damit im Restland die Mischung wieder stimmt und in Chemnitz nicht mehr so viel leersteht.
Ernährung und Gesundheit: Drei Schnitzel pro Tag braucht keiner. Die Kühe pupsen uns den Planeten heiß und die Schweine scheißen uns ins Trinkwasser. Alles voller Nitrat. Im Bad wachsen schon sprechende Maiskolben aus dem Zahnputzbecher. Parallel dazu laufen draußen immer mehr Arthrose-Monster mit hochrotem Pumpekopf durch die Gegend. Vor denen bleibt man stehen, weil man denkt, die Ampel ist rot. Vierzig Jahre Schweinefleisch, herzlichen Glückwunsch!
Mit mir wird’s gesunde Ernährung geben. Wer nicht dreimal täglich mit seiner E-Zigarette einen grünen Smoothie raucht, kriegt nur noch Termine beim Tierarzt. Bäm!
Politik: Ich führe die direkte Demokratie ein. Das wollt ihr, das kriegt ihr, dann habt ihr’s! Das heißt, jeder bekommt wöchentlich einen fetten Stapel Unterlagen nach Hause, die er durcharbeiten muss. Damit er die Fakten zum Volksentscheid kennt. Und dann heißt es abends nicht mehr Netflix gucken oder »In aller Freundschaft« oder »Game of Thrones« – das ist wie »In aller Freundschaft«, nur ohne Freundschaft. Dann heißt es abends Akten fressen. Freibadsanierung, Pflegeversicherungsverbesserungsgesetz, Abwassersammelgrubenverordnung. Jeder Scheiß wird vom Volk entschieden.
Jeden Freitag ist Volksabstimmung. Und draußen an jedem Haus hängt ein großer Bildschirm, der anzeigt, wer wofür oder wogegen gestimmt hat. Damit das alle wissen. Man kriegt dann öfter mal Besuch. Von denen mit der anderen Meinung.
Trotzdem gibt’s noch Wahlen. Aber: Leider viel zu oft schon musste die Mehrheit unter dem leiden, was ihr die Nichtwähler-Dödel durchs Nichtwählen eingebrockt haben. Schluss damit. Wer zukünftig nicht wählen geht, dem wird auf dem Handy das Datenvolumen gedrosselt. Nur noch zwei MB im Monat. Das reicht für einen halben Song auf Spotify und ein Selfie in Schwarzweiß auf Insta. Das ist die Sprache, die sogar Nichtwähler verstehen.
Am Ende noch Folgendes: Mit mir gibt’s das Menschenrecht auf schlechte Laune. Jeder darf rund um die Uhr angepisst sein. Lächeln muss man nur noch in Ausnahmefällen. Jeder darf so gucken wie im Ausweis.
Also: Merken Sie sich mein Gesicht. Und bitte wählen Sie mich nicht. Und wenn doch, mache ich Sie nach der Wahl mit meinen weiterführenden Vorstellungen bekannt, die da wären: Solizuschlag fürs Saarland, Tempolimit für Goldfische und noch mehr Generalüberwachung durch Kameras jetzt auch am Staubsauger-Roboter und im Thermomix. Und natürlich wie bisher durch Payback-Punkte sammeln, Cookies im Internet und schöne kostenlose Smartphone-Apps.
Denn wie sagte schon meine Großmutter: Umsonst ist nur der Käse in der Mausefalle.
Danke.