Ester war ganz erschöpft, weil ihr nicht mehr viel Zeit für die Vorbereitung der Hochzeit blieb. Es musste noch die Gästeliste gemacht, die Menüfolge festgelegt und die Hochzeitszeremonie geplant werden.
Felicita hätte die Hochzeit am liebsten geheim gehalten, aber Ester fand, dass die Heirat ihrer Tochter mit einem Sisternes der ganzen Welt verkündet werden musste, schließlich war es das Schönste, was ihrer Familie je widerfahren war. Donna Dolores hatte beschlossen, dass das Fest im Haus der Braut stattfinden sollte, daher wollte Ester ihm unbedingt einen neuen Anstrich verleihen; sie wollte die Stuhlpolster neu beziehen und rasch noch ein paar Blumenbeete anlegen, und zwar so, dass dennoch genügend Platz für die Tische blieb. All das musste schnell geschehen, bevor der erste Herbstregen alles ruinieren würde.
Die Tanten hatten bereits begonnen, Modelle für das Brautkleid und den Schmuck für die berühmte Kalesche der Familie des Bräutigams zu entwerfen. Und die Onkel mästeten die Tiere, die für das Hochzeitsessen geschlachtet werden sollten.
Ester hatte schon an alle Einladungskarten verteilt, auf die sie neben den Namen Felicita und Pietro Maria das Familienwappen der Sisternes hatte drucken lassen, sogar die Schäfer, die weit entfernt in den Bergen ihre Herden weideten, und die Bauern in den Tälern hatten Einladungen bekommen.
Die gehässigeren unter den Dorfbewohnern rümpften die Nase und meinten, es sei offensichtlich, dass Donna Dolores mit einer Familie aus dem gemeinen Volk nichts zu tun haben wolle. Schließlich stelle sie weder ihr großes Haus für die Feier zur Verfügung, noch habe sie je ihre zukünftige Schwiegertochter zu ihrem berühmten Fünfuhrtee eingeladen oder zu einer Spazierfahrt in ihrer berühmten Kalesche.
Aber Ester antwortete nur, dass es unter dem sardischen Adel noch nie Sitte gewesen sei, Festmahle zu geben. In Cagliari habe es nie ein höfisches Leben gegeben und auch nie den Brauch, sich gegenseitig zu einem ungezwungenen Mittagessen einzuladen. Dafür verfüge Donna Dolores Sisternes ganz bestimmt über vollendete Umgangsformen und beherrsche die Etikette aus dem Effeff, und wenn sie beschlossen habe, dass die Hochzeitsfeier im Haus der Braut stattfinden solle, auch wenn es sehr viel bescheidener war als das des Bräutigams, dann habe das bestimmt seine Richtigkeit.
Das Brautkleid, das die Tanten ihr als Entwurf präsentiert hatten, gefiel Felicita nicht. Sie sei zu dick für die vielen Volants. Sie würde viel lieber ein sackartiges Kleid tragen. Eine Art Brautsack, meinte sie zu ihrer Mutter.
»Hör auf, ich bitte dich, bleib mir bloß mit deinem Brautsack weg.«
»Wieso, wäre ein normales Kleid, das ich auch später noch tragen könnte, nicht besser?«
»Wann begreifst du endlich, dass du reich sein wirst und dir dann so viele normale Kleider kaufen kannst, wie du willst? Du wirst dein Brautkleid nach der Hochzeit also gar nicht mehr tragen müssen.«
»Wenn du meinst.«
»Ich sehe schon, du bist wieder mal nicht zufrieden … Dein Vater und du, ihr freut euch über Nebensächlichkeiten, während euch alles Wichtige kaltlässt. Bist du dir eigentlich darüber im Klaren, dass du mit der Verbindung, die du eingehen wirst, in eine ganz andere Schicht aufsteigst? Und hör um Himmels willen damit auf, deine kommunistische Gesinnung an die große Glocke zu hängen. Begreifst du nicht, wie unangebracht das für eine zukünftige Adelige ist?«