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Sisternes kam Felicita und seinen Sohn regelmäßig besuchen. Aber an allem hatte er etwas auszusetzen und schüttelte immerzu den Kopf. Seine Besuche wurden nur seltener, wenn wieder einmal seine Hochzeit bevorstand und er die Zimmer für seine neue, richtige Familie im Haus seiner Mutter vorbereiten musste. Aber aus dieser zukünftigen Familie wurde nie etwas. Zum Schluss kehrte er immer wieder zu ihnen zurück, stellte Felicita mit Genugtuung fest.

Wenn er sie nicht zu Hause antraf, klingelte Pietro Maria bei Marianna, um sich bei ihr die Wartezeit zu vertreiben. Wenn Felicita dann zurückkam und sie den vor Kippen überquellenden Aschenbecher sah, wusste sie, dass sie sich ziemlich lange unterhalten hatten.

Die beiden waren bei allem immer einer Meinung, und dass Mutter und Kind eine so vernünftige Nachbarin hatten, beruhigte Sisternes.

Einmal fragte Felicita ihn, ob er Marianna schon mal als Geliebte in Betracht gezogen habe. Er erwiderte, dass er sie hässlich finde, mit ihrem mageren Körper, den weißen Haaren und den dicken Brillengläsern.

»Außerdem tut sie nie etwas Gutes«, schloss er.

»Doch, uns gegenüber schon.«

»Sie könnte dir die Miete ein bisschen nachlassen.«

»Aber sie mag uns.«

»Und was bringt dir das?«

»Sie mag uns, und das genügt mir.«

Aber wenn er wieder einmal zu Besuch im ersten Stock gewesen war, versäumte er es nie, sich von Marianna zu verabschieden. Wenn er die Treppe hinunterging, ließ Felicita die Wohnungstür angelehnt und hörte, wie er zu ihr sagte: »Gut, ich mach mich dann auf den Weg. Danke für alles.« Und es schien ihr, als wollte er noch etwas hinzufügen, was er jedoch nie tat.

Seit ihr klar geworden war, dass Marianna und Sisternes füreinander geschaffen waren, war Felicita eifersüchtig. Aber nach und nach redete sie sich ein, auch wenn sie sich für diesen Gedanken schämte, dass sich Sisternes bestimmt in Marianna verliebt hätte, wenn sie keine Versagerin gewesen wäre, die man ums Erbe gebracht hatte und die genau wie sie selbst in einem Haus wohnte, wo es nach Kohl, Frittiertem und Abwasser stank.