Es war eine Villa inmitten von viel Grün, eines dieser seltenen prunkvollen Anwesen in der Stadt.
Majestätisch und doch anmutig stand sie da, und um sie zu erreichen, musste man ziemlich weit über Kieswege gehen, die von Palmen und Blumenrabatten gesäumt waren.
Die Terrasse im oberen Stockwerk wurde auf der einen Seite von einem kleinen Turm und auf der anderen von einer halbkreisförmigen Kolonnade begrenzt. Beim Anblick der Fassade blieb einem der Mund offen stehen. Schade nur, dass sie so vernachlässigt worden war.
Die Natur hatte auf traurige Weise die Oberhand gewonnen, die verdorrten, schwärzlichen Pflanzen hatten keine Blüten, und der Rasen zu beiden Seiten der Zufahrt war eine Steppe.
Nach der Eingangstreppe und dem Vestibül folgte eine Reihe durch bogenförmige Durchgänge verbundener Salons. In jedem hing ein Kristalllüster an der Decke, die Diwane und Sessel waren mit Samt bezogen, Spiegel und Kamine nahmen ganze Wände ein, auf den Tischen lagen Spitzendecken, an den bodentiefen Fenstern Brokatvorhänge.
Eine riesige Treppe mit einer Balustrade aus schmiedeeisernen Ranken führte in das obere Stockwerk, und in die Mauern waren Buntglasfenster eingelassen wie in einer gotischen Kirche. Eine Villa für eine riesige Familie.
Für eine mindestens zwanzigköpfige Familie hatte der Architekt das Haus entworfen; sie alle hätten darin wohnen können, ohne sich je über den Weg zu laufen. Jeder hätte sein eigenes Arbeitszimmer gehabt, einen kleinen Salon und ein Schlafzimmer mit barockem Toilettentisch, auf denen noch die silbernen Utensilien lagen – Kamm, Bürste, Puderquaste, delikate mundgeblasene Parfümflakons.
Und schließlich der kleine Turm, aus dessen Fenstern man auf die Baumwipfel hinabblickte, alles so bemessen, dass eine zahlreiche Nachkommenschaft aus lauter kleinen Prinzen und Prinzessinnen hier bequem hätte wohnen können.
»Und sie hat keine Kinder bekommen«, beendete Felicita laut ihren Gedankengang.
»Deswegen hat sie mich damals ihrer armen Schwester abgekauft, die eine Tochter hatte, aber anscheinend ebenso gut auf sie verzichten konnte. In diesem Haus überkommt mich eine unsägliche Traurigkeit«, sagte Marianna.
»Dann schlag doch das Erbe aus. Du hast ja sowieso nicht damit gerechnet, dass deine Tante das Testament ändern würde. Schenk es doch armen alten Menschen, damit sie hier wohnen können.«
»Sag mal, meinst du das ernst?«
»Wenn ich ein Erbe bekäme, das mich runterzieht, würde ich darauf verzichten, da müsste ich gar nicht lange überlegen.«
»Das hier ist mein Haus.«
»Aber gefällt es dir wenigstens?«
»Wie sollte es mir nicht gefallen?«
»Aber du erfindest immer irgendwelche Ausreden, damit du nicht herkommen musst.«
»Es ist schmutzig, der Park voller Unkraut, das Wasser im Springbrunnen ist faulig und stinkt. Die Mauern sind voller feuchter Flecken. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, deswegen komme ich so ungern her.«
»Was den Park betrifft, kannst du Sisternes fragen, ob er dir hilft. Wer würde sich besser eignen als er, wenn es darum geht, einen Garten herzurichten?«
»Nein. Du hast recht. Ich vermache es den bedürftigen Alten und bleibe in der Marina wohnen, hänge weiter die Wäsche auf unserer elenden Terrasse auf, während ich mit dir darüber plaudere, wie man am besten Geld sparen kann. Es ist widerlich, in Armut zu leben, aber im Grunde ist es genauso widerlich, als Reicher zu leben.«
»Es wäre eine unglaublich gütige Geste, es den armen Alten zu schenken. Verzeih deiner Tante, Gott hab sie selig, und sag ihr nein, danke.«
»Ihr verzeihen? Das ist ganz klar ihre letzte bösartige Geste, um es mir heimzuzahlen. Damit ich es bereue, weil ich sie verlassen habe. Ich, die ich ihr ein und alles war, ihr Lebenssinn. Und trotzdem würde ich sie wieder verlassen, wenn sie noch leben würde. Im Übrigen habe ich nicht die Absicht, irgendeinem alten Menschen etwas zu vermachen.«
»Also ich finde, du solltest endlich loslassen. Irgendwann muss man sagen, es reicht jetzt, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen, verzeihen und nach vorn blicken. So hat es Mandela in Südafrika gehalten gegenüber den weißen Rassisten und Togliatti nach dem Krieg gegenüber den Faschisten – könntest du es nicht auch tun, wo du sehr viel weniger Grund hast, nachtragend zu sein?«
Sie traten an eines der Fenster des Türmchens und blickten auf den Garten, und Felicita begann zu singen: ›You better find somebody to love! You better find somebody to love!‹
»Was singst du da?«
»Jemanden zum Lieben von Jefferson Airplane. Also, wenn du es ablehnst, es den Alten zu schenken, musst du unbedingt Sisternes bitten, dir mit dem Garten zu helfen.«
»Warum bist du eigentlich so versessen darauf, mich mit Pietro Maria zusammenzubringen?«
»Na ja, er hat schon so viele Frauen gehabt und keine von ihnen geheiratet.«
»Aber ist er nicht seit jeher dein Verlobter? Was habe ich da zu suchen?«
»Ich habe mehr als zwanzig Jahre versucht, sein Herz zu erobern. Jetzt bin ich es leid.«
»Und der Mann vom Poetto? Willst du ihn mir nicht mehr vorstellen? Ach was, das habe ich nur so dahingesagt. Dieses verflixte Erbe sorgt dafür, dass sich alles falsch anfühlt. Ich meine nicht die Möglichkeit, dass sich Pietro Maria für mich interessieren könnte, sondern überhaupt irgendein Mann. Ich würde dann sofort denken: Warum ist es nicht vorher passiert, in all den Jahren, als ich noch arm war?«
»So denken nur die Armen. Die Reichen kennen solche Gedanken nicht. Gingen den Reichen solche Sachen durch den Kopf, würden sie sich sofort von ihren Reichtümern befreien, weil niemand nur wegen seines Geldes geliebt werden möchte.«
»Weißt du was? Ich gehe zum Rathaus oder zur Provinzverwaltung oder Regionalverwaltung, wohin auch immer man sich in einem solchen Fall wendet, und schenke ihnen die Villa. Dann sollen sie ein schönes Altersheim daraus machen und Schluss, aus, Amen.«
»Das nennt sich wahre Güte.«
»Die unlogische Güte von Schwachköpfen.«