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Marianna saß auf zwei Koffern voller Kleider, denn natürlich würde sie nicht ihre hässlichen Möbel mitnehmen; sie starrte eine Wand an und seufzte.

»Weißt du, ich habe mir was anderes vom Leben erträumt, meine liebe Felicita. Alle träumen wir davon, geliebt zu werden, und zwar nicht wegen irgendetwas, sondern allein um unseretwillen. Meinst du, ich habe nicht gemerkt, dass Pietro Maria seinen Traum gefunden hat und dass ich das für ihn nicht bin?«

»Aber er begehrt dich. Du hast doch gesagt, er begehrt dich, jetzt, wo du attraktiver bist.«

»Arme Felicita. Glaubst du wirklich, die Seidendessous und die neue Frisur und ein paar Kilo mehr hätten das Wunder bewirkt? Ach was, er bekommt nur eine Erektion, wenn wir in der Villa sind. Hier oder woanders ist überhaupt nicht daran zu denken. Nein, es ist die Villa, die seine Begierde weckt. Erinnerst du dich, wie wir uns vor zwanzig Jahren zum ersten Mal unterhalten haben, als du bei mir geklingelt hast, um das Apartment anzuschauen? Damals habe ich dir den wahren Grund für meine Liebe zu Leopardi verschwiegen. Kurz und gut, ich war wie Leopardi und auch ich hatte es noch nie getan.«

»Was noch nie getan?«

»Sex. Ich habe bis vor Kurzem noch nie Sex gehabt. Ich war buchstäblich eine alte Jungfer.«

»Oh, du Arme. Und, hat Sisternes es gemerkt?«

»Warum hätte er es merken sollen?«

»Na ja, wegen des Blutes. Du warst doch Jungfrau.«

»Da waren nur ein paar Tröpfchen in meinem Slip, aber die habe nur ich gesehen. Weißt du, was ich gerade beschlossen habe? Dass ich die Villa doch den armen Alten vermache, samt biodynamischem Gemüsegarten, den hundertjährigen Bäumen und den von diesen afrikanischen Parasiten befreiten Palmen. Und dann schauen wir mal, ob mich Pietro Maria noch begehrt. Hahaha!«

»Aber hat es dir denn wenigstens gefallen?«

»Was?«

»Na ja, der Sex.«

»Und wie. Auch wenn es gekaufter Sex war.«

»Hör mal zu, Marianna, da niemand je das gelobte Land findet, wäre es da nicht besser, einfach unterwegs anzuhalten, sobald man an einem Ort angelangt ist, wo es einem gut geht? Manchmal muss ich an den Großvater der armen Judith denken, an die Juden, an Israel. Wäre für sie nicht irgendein anderer Ort auf der Welt besser gewesen, wo man sie akzeptiert und nicht gehasst hätte? Australien zum Beispiel hat die Juden willkommen geheißen. Wie viel besser wäre es ihnen in Australien ergangen! Aber um auf uns zurückzukommen, so glaube ich, dass wir alles in allem getrost bleiben können, wo wir sind, und dass wir hier unsere strapaziöse Reise beenden können.«

»›Die Reise geht hier zu Ende: in den kleinlichen Sorgen, von denen die Seele zerteilt wird, die keinen Schrei mehr zu tun weiß.‹«

»Ach, hör doch auf!«

»Ich mag Montales Gedichte, wegen der ›göttlichen Gleichgültigkeit‹. Wen ich dagegen nicht ausstehen kann, ist Manzoni, ihn und seine ›göttliche Vorsehung‹ …«