Kapitel 6

 

»Joan-Maries Stern«, sagte Spock und beugte sich vor, so dass das Licht der Bildschirme der wissenschaftlichen Station auf sein Gesicht fiel. »Allgemeine Kartographienummer Eins Strich eins-eins-zwei-drei Strich fünf-drei-sieben. Spektralklassifikation F0, gelbweiß, Durchmesser eins Komma sieben-zwei mal zehn hoch sechs Kilometer, Masse eins Komma neun-zwei Sol, Helligkeit neun Komma acht-null Sol. Oberflächentemperatur siebentausendfünfhundert Grad Celsius.«

Er richtete sich auf und betrachtete das Bild des Sterns, das auf dem Hauptschirm loderte. »Es ist ziemlich ungewöhnlich, dass eine so heiße Sonne bewohnbare Planeten hat, Captain.«

»Ich habe den Eindruck, Mr. Spock, dass wir auf dieser Mission überhaupt nur sehr wenig begegnen, das gewöhnlich ist. Mr. Sulu, gehen Sie auf halbe Impulskraft.«

Die Tür des Turbolifts öffnete sich zischend. Moriah Wayne trat auf die Brücke. Sie war heute in ernstes Blau und Schwarz gekleidet.

Sie erwiderte Kirks Gruß mit einem höflichen Nicken. Er hielt angestrengt nach mehr als Höflichkeit in den glasgrünen Augen Ausschau, doch falls es vorhanden war, entging es ihm. Sie war ihm in den letzten paar Tagen konsequent ausgewichen.

Er zuckte mit den Achseln. Er hatte mehr als genug zu tun gehabt, mit Scott die Umbauten der Enterprise überwacht, die Techniker beaufsichtigt, die weiterhin auf seinem Schiff arbeiteten. Mehr noch, er hatte sich bis an den Rand der Erschöpfung getrieben. Er hatte im Augenblick wichtigere Dinge im Kopf als ein zweideutiges Treffen mit Moriah Wayne.

»Der Stern verfügt über eine Oortsche Wolke aus Kometen und sieben Planeten«, fuhr der Wissenschaftsoffizier fort. »Die beiden äußeren sind Gasriesen. Unser Ziel ist der fünfte Planet, vom Primärstern aus.«

»Mr. Sulu«, sagte Kirk, »können Sie uns Okeanos zeigen?«

»Aye, Sir.« Er betätigte ein paar Schalter auf seiner Konsole. Eine wolkenverhangene Scheibe dehnte sich auf dem Bildschirm aus, bis sie ihn vollständig bedeckte.

An der Navigatorstation stieß Chekov einen leisen Pfiff aus. »Sehen Sie sich dieses Sturmsystem in der nördlichen Hemisphäre an!«

»Eigentlich, Mr. Chekov, unterscheidet es sich kaum von dem Sturmsystem, das in der südlichen Hemisphäre zu sehen ist«, sagte Spock.

Er nahm seinen Bericht wieder auf. »Okeanos umkreist den Mutterstern in einer Entfernung von drei Komma eins-drei astronomischen Einheiten, innerhalb eines Zeitraums von drei Komma neun-neun-sechs Standardjahren …«

Die Tür des Turbolifts öffnete sich erneut, und diesmal trat Dr. McCoy heraus. »Das ist also unser Ziel«, sagte er und betrachtete den Bildschirm. »Hoffentlich habe ich Spocks Vorlesung nicht verpasst. Einen klassischeren Fall von Numerolalie werde ich wohl nicht mehr zu sehen bekommen.«

»Diese zwanghafte Besessenheit von Zahlen, auf die Ihr sperriger Neologismus sich wohl bezieht, ist kein von der Psychiaterkammer der Föderation anerkanntes Syndrom, Doktor.«

»Das wird es aber sein, Spock, sobald ich meinen Artikel über Sie veröffentlicht habe.« Er deutete auf den Bildschirm. »Machen Sie weiter, machen Sie weiter. Die Wissenschaft wartet.«

»Der Planet hat einen Durchmesser von zwölftausendsiebenhundertfünfundsiebzig Kilometern und eine Schwerkraft von eins Komma zwei g. Seine Rotationsperiode beträgt fünfundfünfzigtausendneunhundertundfünf Sekunden. Stellt Sie das zufrieden, Doktor?«

Sulu pfiff leise. »Fünfzehneinhalb Stunden.«

»Fünfzehn Stunden, einunddreißig Minuten und fünfundvierzig Sekunden«, sagte Spock.

»Ist er nicht wunderschön?«, sagte McCoy.

»Man ist ja kaum im Bett, dann muss man schon wieder aufstehen«, sagte Sulu.

»Ich glaube, die Qualität des Tageslichts gleicht wieder aus, was an Quantität fehlt«, sagte Kirk trocken.

»In der Tat, Captain«, stimmte Spock ihm zu. »Während Okeanos fast genau die gleiche Bestrahlungsdosis abbekommt wie die Erde, besteht ein viel höherer Prozentsatz davon aus ultraviolettem Licht.«

»Wir dürfen nicht vergessen, Sonnenschutzmittel aufzutragen«, sagte Kirk.

»Die Atmosphäre besteht zu achtundsiebzig Prozent aus Stickstoff, zu zwanzig Prozent aus Sauerstoff und zu zwei Prozent aus Argon, dazu Spuren von Kohlendioxid und Wasser. Schwefelverbindungen finden sich in Konzentrationen von lästig bis gefährlich, je nachdem, ob in der Nähe vulkanischen Aktivitäten auftreten.«

»Zwanzig Prozent Sauerstoff sind für einen Menschen ziemlich wenig«, sagte McCoy zweifelnd.

»Eine größere atmosphärische Dichte als die der Erde bringt den Sauerstoffgehalt in einen Bereich, der für Menschen behaglich ist.«

»Ich habe nicht den Eindruck, dass man im Zusammenhang mit diesem Planeten überhaupt von behaglich sprechen kann, Spock.«

»Leider nicht, Doktor. Doch ich gehe davon aus, dass ich das Klima überaus angenehm finden werde. Die durchschnittliche Tagestemperatur beträgt auf dreißig Grad Breite dreihundertundelf Grad.«

Wayne hatte gespannt auf den Bildschirm geschaut. Dieser Wert riss sie aus ihrer Träumerei. »Dreihundert Grad? Mein Gott, das ist ja fast so heiß wie auf der Venus. Wie kann es da flüssiges Wasser geben?«

»Mr. Spock benutzt die absolute Skala«, sagte Kirk mit einem Blick auf seinen Wissenschaftsoffizier. »Er meint achtunddreißig Grad Celsius.«

»Was noch immer ziemlich warm ist«, sagte McCoy. »Das erinnert mich an eine Geschichte von zu Hause. Ein Gentleman aus dem Süden hat einmal gesagt, würde er zufällig in den Besitz von Texas und der Hölle gelangen, würde er Texas vermieten und in der Hölle wohnen.« Er zeigte auf den Bildschirm. »Offensichtlich hat er nie von dieser Welt gehört.«

»Offensichtlich, Doktor, da dieses Zitat aus der Zeit vor dem ersten irdischen Raumflug stammt.«

Wayne machte eine gereizte Geste. »Ihre Zahlen sind einfach nur das – Zahlen. Das ist ein wunderschöner Planet, Mr. Spock.«

»Aber möglicherweise auch ein lebensgefährlicher.«

»Alle Planeten sind potentiell lebensgefährlich, Spock«, sagte Kirk. »Wenn unsere Reisen uns eins gelehrt haben, dann das.«

Kommissarin Wayne verschränkte die Arme unter der Brust. »Wie maskulin … das Unbekannte direkt als Bedrohung anzusehen.«

»Ich bitte um Verzeihung, Kommissarin«, sagte Lieutenant Uhura, »aber auf der Enterprise haben wir herausgefunden, dass das Unbekannte sehr oft eine Bedrohung ist

Die Kommissarin warf ihr einen wütenden Blick zu. Uhura zuckte nicht mal zusammen.

»Captain …«

»Was gibt es, Mr. Sulu?«

Der Steuermann runzelte die Stirn. »Ich bin mir nicht sicher, Sir. Das Magnetfeld des Planeten ist extrem stark, und der Fluss ist unglaublich. Deshalb geben mir die Sensoren ungewöhnliche Daten, aber ich erfasse etwas – da unten

Er stach mit dem Finger auf einen Knopf seiner Konsole, wie ein Entomologe ein seltenes Insekt aufspießen würde. Ein kleines Icon erschien in der unteren linken Ecke der Planetenscheibe. »Ein Schiff befindet sich im Orbit um Okeanos, Captain.«

»Schilde hoch, Mr. Sulu. Gehen Sie auf volle Impulskraft.« Kirk beugte sich unbewusst vor. »Können Sie es auf den Schirm bringen?«

»Aye, Captain. Ich gehe auf volle Vergrößerung … jetzt.«

Das Schiff erinnerte mit seinen geschwungenen Flügeln und dem langen, schlanken Hals an einen finsteren Vogel. Kommissarin Wayne hielt den Atem an.

»Ein klingonischer Kampfkreuzer«, sagte Fähnrich Chekov staunend.

»Er ist prachtvoll«, sagte Kommissarin Wayne. Sie hielt die Fingerspitzen ihrer rechten Hand gegen die Kerbe ihres Schlüsselbeins gedrückt, als berührte sie ein unsichtbares Amulett.

»Das hat uns gerade noch gefehlt«, sagte Kirk. Die Situation erheiterte ihn fast. Das Schicksal machte es ihm nie leicht, so viel stand fest.

»Captain, das Schiff sendet einen standardmäßigen klingonischen Erkennungscode«, sagte Uhura. Kirk räusperte sich dumpf.

»Was haben sie hier zu suchen?«, fragte Wayne.

»Nichts Gutes zweifellos«, sagte Kirk. »Öffnen Sie bitte die Grußfrequenzen, Lieutenant.«

»Aye-aye, Sir. Grußfrequenzen geöffnet.«

»Hier ist Captain James Kirk von der U.S.S. Enterprise. Ich rufe das klingonische Schiff im Orbit um den fünften Planeten dieses Systems. Bitte identifizieren Sie sich.«

Aus den Lautsprechern auf der Brücke erklangen einige geschnaubte Silben, die sich wie das Gurgeln eines Löwen anhörten. »… taj may'Duj tlhIngan wo' …«

Der Translator setzte ein. »… Imperialer klingonischer Kampfkreuzer Dolch. Verlassen Sie sofort das System, oder wir werden Sie vernichten!«

»Es ist immer schön, wenn man so freundlich begrüßt wird«, sagte Kirk.

»Sie senden kein Bild, Captain«, sagte Uhura. »Nein, warten Sie … jetzt bekomme ich etwas.«

Wayne war vorgetreten. »Ich bin Föderationskommissarin Moriah Wayne«, sagte sie. »Ich verlange zu wissen …«

Ein Gesicht erschien auf dem Bildschirm. Es war auf finstere Weise stattlich, trotz des Knochenwulstes, der über den Schädel verlief und schweres, schwarzes Haar scheitelte, das auf breite Schultern hinabhing. Ein langes, fast hageres Gesicht mit einem schwarzen Schnurrbart, der zu beiden Seiten eines volllippigen Mundes und eines schmalen, vorspringenden Kinns hinabfiel. Eine bleiche Narbe verlief von der hohen Stirn über das rechte Auge und hatte sich tief in die Wange gegraben. Das Auge selbst war mit einer schwarzen Klappe bedeckt.

Das unverletzte Auge glich den Verlust seines Gegenstücks mehr als nur aus. Es leuchtete so heiß und schwarz wie der Kern einer Sonne. Energie und ein gefährliches Charisma schienen von ihm auszugehen wie harte Strahlung.

»… zu wissen …« Moriah Wayne stand mit offenem Mund da und breitete hilflos die Hände aus. »… was Sie hier machen.«

»Wir gewähren den Einheimischen dieser Welt, die ungerechterweise von Angehörigen Ihrer Spezies unterdrückt werden, brüderliche Hilfe.«

»Auf diesem Gebiet sind die Klingonen die besten Experten in der Galaxis«, murmelte McCoy leise.

Offensichtlich hatte der Klingone ihn nicht gehört, denn er drehte das Gesicht. »Ah, Captain Kirk! Willkommen! Sie bereiten uns mit Ihrer Anwesenheit Ehre.« Der Sprecher lehnte sich in seinem Kommandosessel zurück, über dem das zottige schwarze und purpurne Fell irgendeines Tiers lag. Die Bewegung ermöglichte den Beobachtern auf der Brücke der Enterprise, mehr von ihm zu sehen. Er trug die übliche klingonische Weste aus einem silbernen Netzgewebe und darüber die goldene Rangschärpe. »Wie ich sehe, Captain, waren die Jahre zu Ihnen freundlicher, als sie es normalerweise zu Angehörigen Ihrer Spezies sind.«

Kirk versuchte, ihn nicht offen anzustarren. Es entsprach den Sitten der Klingonen nicht, einen so überschwänglichen Gruß auszusprechen. Hier hatte er es mit einem exaltierten Angehörigen dieser Spezies zu tun.

Eine Hand in einem schwarzen Stulpenhandschuh fiel auf den Griff eines seltsamen Messers mit mehreren Klingen, das an der Hüfte des Klingonen hing. »Viel Zeit ist vergangen, seitdem wir uns das letzte Mal persönlich begegnet sind, Kirk. Ich bin Kain, nun Captain Ersten Ranges und befehlshabender Offizier der imperialen klingonischen Beratereinheit dieser unglücklichen Welt.«

Kirk setzte sich in seinem Sessel zurück, als hätte der andere durch den Bildschirm gegriffen und ihn gegen das Brustbein geschlagen. Kain! Die Jahre, die schreckliche Narbe … wenn er daran vorbeischaute, glaubte er, den jungen Junior-Lieutenant zu erkennen, glattgesichtig für einen Klingonen und versessen darauf, sich zu beweisen, der bei der Begrüßung in der Ehrenformation misstrauisch hinter den Schultern seines Vaters vorgelugt hatte.

»Die Friedenskonferenz auf Axanar«, sagte Kirk. »Es ist schon lange her, Captain.«

»Unsere Wege haben sich seitdem gekreuzt«, sagte der Klingone.

»Ach ja?«

»In der Tat. Ich war bei Endikon Senior-Lieutenant auf der Faust der Vergeltung, Captain. Ich habe eine gewisse Landegruppe befehligt.«

Kirk glotzte ihn an. »Sie waren das?« Ich darf nicht lachen. Ausgerechnet jetzt darf ich keine Miene verziehen.

Kain nickte. »Wir Klingonen sind der Ansicht, dass dritte Begegnungen schicksalhaft verlaufen, Captain.«

»Ist das Ihr Schiff im Orbit?«, fragte Wayne.

»Das ist es, Kommissarin. Doch ich befinde mich nicht an Bord. Ich spreche aus unserer Station auf Heimgrund zu Ihnen, der größten Insel des Susuru-Archipels.«

Er glättete mit dem Daumen eine Seite seines Schnurrbarts. »Vielleicht wären Sie jetzt so freundlich, mir zu verraten, was Sie hier zu suchen haben.«

»Wir befinden uns aufgrund einer Nachricht der Susuru hier«, sagte Wayne. »Sie werden von menschlichen Eindringlingen schikaniert.«

»Behaupten sie«, fügte Kirk hinzu.

»Sie haben die Lage bewundernswert zusammengefasst, Kommissarin. Doch ich gestehe, dass ich verwirrt bin. Die Großzügigkeit der Klingonen ist allgemein bekannt.«

»Das stimmt«, sagte Kirk. Ähnliches galt für die Gnade der Klingonen – sie war nicht vorhanden.

»Wir sind gekommen, um ihnen mit starken Händen und starken Herzen zu helfen. Warum sollten sie dann noch« – es gelang ihm tatsächlich, den Großteil seiner Verachtung aus der Stimme zu halten – »Erdlinge rufen?«

Kirk nagte kurz an seinen Lippen. »Ihre Nachricht an die Föderation lautete: ›Es sind eure Leute. Kommt und holt sie.‹«

Kain lachte. Es war ein herzhaftes, tiefes Lachen und erinnerte Kirk an Schälmesser und weißglühende Schüreisen.

»Also setzen sie uns nicht herab. Das ist gut.« Der Klingone lächelte. Seine Zähne waren sehr weiß. »Ich muss sagen, Captain, Ihre Ankunft beruhigt mich sehr.«

»Ach ja?«

Kain nickte ernst. »Die Lage hier ist überaus explosiv – täglich kommt es zu Scharmützeln und Schlimmerem.« Er beugte sich vor. »Mit Ihrer tatkräftigen Hilfe werden wir bestimmt eine friedliche Lösung für die Probleme dieser Welt finden.«

»Das werden wir zweifellos«, sagte Kirk, »so oder so. Erster Captain, es ist mir eine Ehre, mit Ihnen zu sprechen, aber ich muss mich kurz fassen. Ich habe noch mit anderen Leuten zu reden.«

Kain nickte. »Ich erwarte Ihre Nachricht, Captain. Und die Ihrer sehr fähigen Kommissarin.«

Der Bildschirm erlosch. »Woher weiß er denn, dass sie fähig ist?«, fragte Dr. McCoy.

Wayne starrte den nun leeren Bildschirm an, als würde sie dort noch etwas sehen. »Was für ein außergewöhnlicher Mann«, sagte sie leise.

»Das ist er«, sagte Kirk.

Die Kommissarin strahlte. »Wenn er mit uns zusammenarbeitet, werden wir die Situation bestimmt in ein paar Tagen geklärt haben.«

Kirk atmete tief ein. »Kommissarin«, sagte er. »Das hoffe ich wirklich. Lieutenant Uhura, versuchen Sie, einen Kanal zu den Susuru zu öffnen.«