Tief in mir drin steckt etwas ausgesprochen Revierverteidigendes. Nichts treibt mich so sehr in die Defensive und einiges andere wie ein Besuch meines Vermieters. Und so putzte ich mich beziehungsweise das Haus fast die gesamte Nacht hindurch in Rage. Zwischenzeitlich zog ich sogar in Erwägung, das verdammte Gebäude bis auf die Grundmauern niederzubrennen — ein probates Mittel, so schien mir, um Beschwerden über Kaffeeringe auf dem Esstisch vorzubeugen.
Gegen elf hat sich die Lage etwas beruhigt. Ich sitze im oberen Stock an meinem Schreibtisch und korrigiere Essays. Die Luft ist mild, das Fenster offen, dahinter: kühles Grau. Ein roter Ford fährt vor, ein Mann und eine Frau steigen aus. Die zukünftigen Mieter haben einen achtjährigen Sohn; er ist Autist, hat mein Vermieter mir erzählt. Der Sohn ist nirgends zu sehen. Allerdings haben wir es hier mit Eltern zu tun: Sie bewegen sich mit der beinahe unmerklichen zurückhaltenden Art, die aus der Fürsorge geboren wird, also muss sich der Junge auf dem Rücksitz befinden. Bingo. Und während er aus dem Wagen klettert, zieht sich mein Herz zusammen und fliegt ihm zu — nicht weil er einen Pulli mit roten und orangefarbenen Streifen trägt, sondern weil er mit jeder Hand einen Spielzeugseelöwen umklammert.
Unten unterhalten sich die Erwachsenen. Währenddessen drückt sich der Junge im Halbdunkel des Flurs herum, absolut gelangweilt. Ich sehe auf seine Hände hinab. Jeder der Seelöwen hat an der Nase Stellen, an denen die Farbe abgeblättert ist, wahrscheinlich Stellen, an denen die beiden Tiere Kontakt miteinander hatten oder mit etwas anderem Hartem. Ich frage den Jungen, ob er meinen Papagei sehen will. Er hebt die Augenbrauen und wartet. Ein kurzes, wortloses Okay von seinen Eltern, und schon steigen wir die Treppe hinauf. Er zählt bei jeder Stufe laut mit. Dann bleiben wir vor dem Käfig stehen. Vogel und Junge starren einander an.
Es ist Liebe auf den ersten Blick. Der Vogel liebt den Jungen, weil dieser voller freudigem, offensichtlichem Erstaunen ist. Und der Junge liebt den Vogel. Punkt. Der Vogel zuckt mit dem Kopf, mit seiner typischen wangenaufgeplusterten, kleinen, koketten Bewegung, die der Junge erwidert. Kurz darauf schaukeln beide, Vogel und Junge, zur Seite, nach hinten, nach vorn, tanzen einander an, obwohl der Junge seinen Griff bei den Plastikseelöwen verlagern muss, um sich beide Ohren mit den Händen zuzuhalten: Der Vogel ist so begeistert, dass er aus voller Lunge kreischt.
»Er ist laut!«, ruft der Junge.
»Ja, weil er glücklich ist«, entgegne ich. »Er mag es, mit dir zu tanzen.«
Und wenige Augenblicke später sage ich ihm, dass ich seine Seelöwen mag. Sehr.
Er runzelt die Stirn, als nähme er die Verantwortung auf sich, mich als eine der Auserwählten anzuerkennen.
»Viele Leute denken, das sind …« — er macht eine verächtliche Pause — »Robben.«
»Und dabei sind es eindeutig Seelöwen!«, sage ich.
»Genau.«
Wir aalen uns in der Wichtigkeit akkurater Klassifizierung.
Seine Eltern kommen herein. Sie haben beschlossen, dass das Haus für sie und ihren Sohn zu klein ist. So viel zu meiner Woche des Putzfegefeuers.
Die Mutter des Jungen sieht besorgt aus. »Komm, Antek! Wir gehen jetzt.«
Und plötzlich kommt es zu einem der schönsten Augenblicke der Interaktion zwischen Mensch und Tier, die ich je erlebt habe. Mit großem Ernst nickt Antek dem Papagei zu, worauf dieser mit einer tiefen, höflichen Verbeugung reagiert.
Eine Minute später höre ich, wie sich die Haustür öffnet, und kurz bevor sie über die Schwelle treten, ertönt ein klickendes Geräusch, vermutlich das Aufeinandertreffen der beiden Seelöwennasen. Dann macht Antek eine Ankündigung. »Das Zimmer mit dem Papagei wird mein Zimmer, wenn wir hier wohnen.« So traurige Worte mit solcher Entschiedenheit gesprochen.