Ich bestellte sie über das Internet, und sie wurden in zwei Kartons in braunem Packpapier geliefert. Vier grobe braune Schalen mit abgeschnittenen hinteren und oberen Enden, fest auf rechtwinklige Sperrholzplatten montiert. Sie bestehen aus einer Mischung aus Beton und Holzfasern, und aus jeder ist vorn ein Loch herausgeschnitten worden. Habe ich die Schalen erst unter dem Dachgesims meines neuen Hauses angebracht, dienen die Löcher, so hoffe ich, Mehlschwalbenpaaren als Einschlupf; die Rückkehr der zarten, schwertwalfarbenen Zugvögel gehört zu den Meilensteinen nordpaläarktischer Frühlinge. Natürlich können sie auch eigene Nester bauen, aus etwa tausend Schnabelvoll Schlamm, den die Vögel in temporären Tümpeln und von Teichrändern aufsammeln, sorgfältig aneinanderkleben, einen nach dem anderen, und dann trocknen lassen. Die Dürre im letzten Jahr hat den Tieren den Nestbau erschwert, und da ihre Nahrung — fliegende Insekten — katastrophal abgenommen hat, befinden sich auch die Mehlschwalbenpopulationen mittlerweile im freien Fall. Ich habe die Nistkästen gekauft, um Vögeln in Not zu helfen. Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit.
Als ich vor einigen Jahren in Indien war, teilte ich mir das Hotelzimmer mit einem Paar nistender Palmtauben. Das Hotel ging ganz gelassen mit dieser Tatsache um: Jeden Morgen legte das Zimmermädchen frisches Zeitungspapier auf dem Boden aus, um den schlimmsten Dreck aufzufangen. Die Vögel quetschten sich durch eine Lücke über der Klimaanlage ins Zimmer und flogen mit klatschenden Flügelschlägen zu ihrem Nest; nachts konnte ich dabei zusehen, wie ihnen beim Einschlafen allmählich die Augen zufielen. Ich hätte das Ganze vermutlich weniger genossen, hätte ich Angst vor Vögeln oder wäre ich allergisch gegen sie, doch so haftete diesem friedlichen Teilen des Raums etwas derart Gnadenvolles und Großmütiges an, dass mir das Herz in der Brust schwoll. Es machte mir klar, wie entschlossen wir in Großbritannien alles aus menschlichen Behausungen entfernen, das nicht wir ist. Na gut: Ratten und Kakerlaken will wirklich keiner, aber was ist mit Schwalben? Sie brauchen Löcher unter Dachvorsprüngen und Dachpfannen, um nisten zu können, und die stopfen wir gnadenlos zu. Spatzen mögen efeubewachsene Mauern und Sträucherdickichte, aber die sind uns für unsere schicken Gärten zu unordentlich und deshalb aus der Mode gekommen. Es ist zwar gesetzlich verboten, benutzte Vogelnester zu zerstören, doch werfen Grundstücksmakler einfach Netze über Bäume und Hecken, um zu verhindern, dass ein Vogel überhaupt mit dem Nisten beginnt. Der Aufschrei, den »vernetzte« Bäume in jüngerer Zeit hervorgerufen haben, zeugt davon, dass wir zumindest jetzt noch davor zurückschrecken, unsere Kontrolle jenseits unserer Gärten auf Dinge auszudehnen, die so ganz offensichtlich nicht uns gehören.
Im Netz findet man Nistkästen für Mehlschwalben in der Kategorie »Spezialbedarf«, in der auch Nistkästen für Baumläufer, Eulen, Mauersegler, Wasseramseln, Gebirgsstelzen und Enten angeboten werden. Die Nistkästen, die man in jedem Gartencenter oder Baumarkt kaufen kann, sind viel einfacher gehalten: Kästen, die vorn ein rundes Loch haben, für Kohl- und Blaumeisen, Kästen mit halb offener Vorderseite für Rotkehlchen. Die haben wir auch im Garten meiner Kindheit aufgestellt — aus Freude daran, heimischen Vögeln beim Gründen einer Familie in einem Zuhause zuzusehen, das wir ihnen zur Verfügung gestellt hatten. Ich weiß noch, wie seltsam aufgeregt ich war, als eine suchende Kohlmeise in der Dunkelheit des von uns aufgehängten Nistkastens verschwand. Ich war stolz — ein Gefühl, das dem des Besitzerstolzes gefährlich nahekam. In einem Frühjahr baute mein Vater einen rückwandlosen Nistkasten und brachte ihn vor dem einzigen Glasfenster unseres Gartenschuppens an. Im Inneren des Schuppens schützte ein Vorhang das Nest vor hellem Licht. Nach der Schule schlüpften mein Bruder und ich in den Schuppen, schlossen die Tür, hoben den Vorhang und drückten unsere Nase ans Glas. Was wir sahen, war alles geheim: siebeneinhalb Zentimeter Moos und Federn und tief darin versunken der Rücken einer brütenden Blaumeise, so nah, dass wir das Heben und Sinken ihres Atmens und die winzigen Federn um ihren Schnabel sehen konnten, die vom Licht durch das Loch über ihr angeleuchtet wurden. All ihre Jungen wurden flügge, und später in diesem Frühjahr saßen wir auf dem Rasen, hörten die Bettelrufe der Blaumeisenkinder und dachten: Das sind unsre. Heute erinnern mich Nistkästen in Gärten immer schwach an die Arbeitercottages auf herrschaftlichen Anwesen. In der Tat war einer der Nistkastenpioniere im neunzehnten Jahrhundert der exzentrische Naturforscher Charles Waterton; er brachte Uferschwalbenniströhren und andere Vogelhaushalte in Walton Hall an, seinem Gut in Yorkshire, das nun berühmt dafür ist, vielleicht Großbritanniens erstes Naturschutzgebiet gewesen zu sein.
In Großbritannien hat das Klassensystem Einfluss auf einfach alles, auch auf Nistkästen. So kann man beispielsweise Nistkästen in Form von maßstabsgetreuen Modellen verschiedener Pubs und Kirchen kaufen, Nistkästen, auf deren Vorderseite Gedichte oder Blumen gemalt sind, und Nistkästen mit aufgeklebten winzigen Gartentoren oder Lattenzäunen. Die allerdings rufen bei den Sittenwächtern der britischen Naturwertschätzung ein Stirnrunzeln hervor — sie empfehlen ganz schlichte Nistkästen aus Holz. Die Royal Society for the Protection of Birds warnt sogar explizit vor dekorativen Nistkästen, da ihre leuchtenden Farben Beutegreifer anlocken könnten, obwohl sie gleichzeitig zugeben muss, dass es dafür keinerlei Beweise gibt. Okay, Nistkästen aus Metall sind keine gute Idee, weil sich die Nestlinge in ihnen überhitzen können, doch stellt ein handgeschriebenes »Trautes Heim, Glück allein« nicht wirklich ein Problem dar, wenn Rotkehlchen zufrieden in ausrangierten Teekannen nisten können und das auch tun.
Wie Gartenzwerge so passen auch dekorative Nistkästen so gar nicht zur Ästhetik mittelständischer Gartenentwürfe. Je niedlicher und heimeliger sie sind, desto mehr beschwören sie das Schreckgespenst der Vermenschlichung herauf, die Vogelschutzorganisationen noch immer ein Gräuel ist. Diese nämlich kämpften zu ihrer Anfangszeit um kulturelle Schlagkraft, indem sie den Vorwurf der Sentimentalität zurückwiesen und sich stattdessen auf harte ornithologische Fakten beriefen. Dieser Ansicht nach sind Nistkästen für Vögel, nicht für uns. Die zweckmäßige Hässlichkeit schlichter Nistkästen in unseren Gärten hat etwas von performativer Großzügigkeit, wohingegen dekorative Nistkästen auch Freude für den Menschen erkennen lassen. Den Vögeln ist das natürlich vollkommen egal. Ist es ihnen wirklich. Und während meine Mehlschwalbennistmöglichkeiten zwar nicht bunt oder dekorativ sind, geht es mir bei ihnen doch um die persönliche Freude, die sie mir hoffentlich bereiten werden. Ich habe die künstlichen Nester gekauft, weil ich die Vögel hier haben möchte. Ich möchte, dass ihr Unterwasserzwitschern durchs offene Fenster dringt, wenn die Spätfrühlingsabende länger werden, und ich möchte ihnen bei ihren Jagdflügen zusehen, wenn sie Fliegen aus der brünierten Luft schöpfen. Ich will den Dreck, die Federn überall, die kleinen Gesichter der Jungen, die zu mir hinunterspähen, während ich auf meine eigene Haustür zugehe.