Er ist ein eigenartiger, spitzflügeliger, grauer Vogel mit gelben Knopfaugen, nach unten gebogenem Schnabel und dem Ausdruck ewiger Überraschung im Gesicht, und sein Gesang gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Vogelgesängen in ganz Großbritannien. Doch die meisten Menschen haben noch nie einen Kuckuck gesehen, und das wird auch immer schwieriger. Im Laufe des vergangenen Vierteljahrhunderts hat England mehr als sechzig Prozent seines Kuckuckbestands verloren, und niemand weiß genau, warum. Der Verlust des Lebensraums, die Auswirkungen des Klimawandels oder die unzähligen Gefahren, denen die Vögel auf ihrer Wanderung ausgesetzt sind — dies sind die Hauptverdächtigen, von denen Letzterer der am schwersten zu erforschende ist.
Wir hatten immer nur die allerleiseste Ahnung davon, wo britische Kuckucke den Winter verbringen, und gar keine davon, auf welchen Wegen sie in ihre Winterquartiere gelangen. Doch allmählich kommt Licht ins Dunkel. Seit 2011 versieht der British Trust for Ornithology — kurz: BTO — in Großbritannien gefangene Kuckucke mit Satellitensendern und verfolgt so ihre Zugrouten nach Afrika und zurück. Die am Projekt teilnehmende »Bande unserer gefiederten Brüder«, wie die Landespresse die Vögel getauft hat, hat eine ungeheure Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen. Und sie offenbart alle möglichen ornithologischen Geheimnisse.
Das BTO-Projekt ist wichtig. Doch es trägt mehr in sich als lediglich Wissenschaft. Wenn ich lese, dass BTO-Kuckucke als »verschollen« gelten, denke ich an Kriege in Übersee. Wenn ich mir die Zugroutenkarten des Projekts ansehe, frage ich mich, wie mit Satellitensendern versehene »Sentineltiere« wie diese Kuckucke in unsere überwachungshungrige Welt und in die digitalisierten Träume vom netzwerkzentrierten Krieg passen. Ich erinnere mich an mehrere internationale Zwischenfälle in den letzten paar Jahren, bei denen mit Sendern versehene und beringte Vögel als Spione gefangen genommen wurden — als gefiederte, lebende Drohnen. Und allmählich frage ich mich auch, wie Vorstellungen von nationaler Identität, Verteidigung, Geheimhaltung und Überwachung damit verbunden sind, wie wir über Kuckucke denken.
Als ich klein war, habe ich ein Buch von einem Mann namens Maxwell Knight gelesen. Er erzählt darin, wie er einmal ein Kuckuckjunges aufgezogen hat. Damals dachte ich, A Cuckoo in the House sei nur ein weiteres Tierbuch aus den 1950er-Jahren und Knight nur ein ganz normaler Mensch. Das BTO-Projekt regte mich jedoch dazu an, es noch einmal zu lesen, und dieses Mal wusste ich mehr über Knight. Beim erneuten Lesen stellte es sich für mich als ein ganz anderes Buch heraus — eine beunruhigende Fabel über die Bedeutungen, die wir Tieren zuschreiben, und ein Buch, das unabsichtlich alle möglichen seltsamen Zusammenstöße und geheimen Absprachen zwischen der Naturgeschichte und der Nationalgeschichte im Großbritannien der Nachkriegszeit enthüllt.
So ist dies nun die Geschichte von Maxwell Knight — dem Mann namens M — und einem Kuckuck namens Goo. Knight war ein groß gewachsener, vornehmer britischer Nachrichtenoffizier, verantwortlich für die MI 5-Abteilungen, die für die Aufdeckung subversiver Aktivitäten auf heimischem Boden zuständig waren. Und ja: Als »M« war er die Vorlage für James Bonds Chef. Ab den 1930er-Jahren bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs schleuste Knight Agenten in Organisationen wie die British Union of Fascists und die Communist Party of Great Britain ein. Er war eine ganz außergewöhnliche Persönlichkeit: ein nicht geouteter Schwuler, der Autor haarsträubender Krimis, ein begeisterter Jazztrompeter, ein Anhänger der dunklen Magie eines Aleister Crowley und eingefleischter Tierhalter — Krähen, Papageien, Füchse und Finken, sie alle teilten sich den Platz mit den Agenten in Knights sicherem Unterschlupf in den Home Counties, den Grafschaften um London herum.
Nach dem Krieg begann Knight eine zweite Karriere als BBC-Radio-Naturforscher. Dieser neue und viel geliebte Knight war ein onkelhafter, in Tweed gekleideter Experte, ein Stammgast in Sendungen wie Country Questions, The Naturalist und Nature Parliament. Er beschrieb die Gewohnheiten der britischen Tierwelt live im Radio, erzählte jungen Naturforschern, wie man Kaulquappen großzieht und wie sie ihre Beobachtungsfähigkeiten durch Kim-Spiele verfeinern konnten, Spiele, bei denen es vor allem auf das Gedächtnis ankommt und die bezeichnenderweise nach dem Helden von Rudyard Kiplings Roman über einen Jungen, der zum Spion ausgebildet wird, benannt sind. Von der heimlichen Karriere zum Millionenpublikum, vom Agentenführer zum Familiennaturforscher — Knight schien einen spektakulären Identitätswandel durchgemacht zu haben. Doch die Bezugnahme auf Kim-Spiele ist ein Fingerzeig: Die Welten von Naturkundler und Spion lagen näher beieinander, als man vielleicht denkt.
Es gibt viele Parallelen zwischen den Observationspraktiken von Feldforschern und Spionen. »Birdwatcher«, Vogelbeobachter, ist ein alter Slangausdruck des britischen Geheimdienstes für Spion, und beim Lesen von Robert Baden-Powells Pfadfinder: Scouting for Boys wird einem sofort klar, wie lange naturkundliche Feldfertigkeiten schon als Vorbereitungsspiel auf den Krieg gesehen werden. In seinen MI 5-Mitteilungen hat Knight einst empfohlen, Agenten solle beigebracht werden, »wann, wo und wie man sich Notizen macht, wie man das Gedächtnis trainiert und wie man etwas akkurat beschreibt«. Im Radio gab er jungen Naturforschern exakt dieselben Ratschläge.
Doch es sind Knights Tiere und ihr Bezug zu seinem geheimen Leben, die am relevantesten für diese Geschichte sind. Er teilte sich seine Londoner Wohnung mit einem Bärenjungen, einem Pavian, Vipern, Echsen, Affen, exotischen Vögeln und Ratten. Und nicht nur das. »Er hatte immer etwas Lebendiges in der Tasche«, erinnerte sich John Bingham, ein Kollege vom MI 5, der John le Carré zu seiner Figur George Smiley inspiriert hat. Autoren, die über Knight schreiben, sind fasziniert davon, wie viele und welche Tiere sich Knight gehalten hat, allerdings werden die Tiere selbst immer wie Chiffren behandelt: Wir erfahren nie auch nur im Mindesten, warum er sie gehalten hat — außer dass die Tiere vielleicht der Tarnung oder Irreführung dienten. In den Worten der Literaturkritikerin Patricia Craig, »halfen sie ihm dabei, ihm einen Ruf als Exzentriker zu verschaffen, was in der undurchsichtigen Welt des MI 5 sicherlich ein Vorteil ist, in der eine Menge davon abhängt, wie gut jemand darin ist, Dinge im Dunklen zu halten, seine Verbündeten zu beeindrucken und Überraschungen aus dem Hut zu zaubern«. Knights Tiere aber erschöpften sich nicht in einer simplen Funktion der Tarnung.
Obwohl seine eigenen Haustiere eher exotisch waren, befürwortete Knight die Haltung in Großbritannien heimischer Tiere. In seinem 1959 erschienenen Buch Taming and Handling Animals beschrieb er sie als »unendlich lehrreicher als die Geschöpfe weit entfernter Gefilde«. Dieser Gedanke steht absolut im Einklang mit den Empfindungen der damaligen Zeit: Während des Krieges hatte die britische Tierwelt einen festen Platz in den Mythen der nationalen Identität gefunden. Als Angst vor der Invasion und Spionagefieber das Land schüttelten, besiedelten Sorgen bezüglich Untertanentreue und patriotischem Selbstbild rasch sowohl das populäre als auch das wissenschaftliche Verständnis wild lebender Tiere. National- und Naturgeschichte vermischten sich. In einer Reihe von Radiointerviews vertrat der Evolutionsbiologe Julian Huxley, Bruder des Schriftstellers Aldous, die Ansicht, Vögel seien deshalb so wichtig, weil sie das Mittel seien, anhand dessen man sich an seinem Land ausrichtete.
Auch Knights Radio-Ich fußte auf solcherlei patriotischen Annahmen. Seine Letters to a Young Naturalist, die 1955 begonnene fiktive Korrespondenz zwischen einem naturliebenden Jungen und dessen naturkundlich tätigem Onkel, beginnen folgendermaßen: »Lieber Peter, du willst also Naturforscher werden! Einen besseren Zeitvertreib hättest du dir gar nicht aussuchen können, geschweige denn einen besseren Weg, mich dazu zu bringen, dir zu helfen. Abgesehen davon, dass du später einmal Kricket für England spielen könntest, hätte ich mir nichts mehr wünschen können, als dass du dich für die Naturkunde interessierst!«
Für normale Haustiere hatte Knight nicht viel übrig. Ihm hatten es die Wildtiere angetan, die Tiere, die man zähmen musste. In seinen Büchern legt er viel Wert darauf, diesen Begriff zu definieren. Erstens, erläuterte er, können wilde Tiere zahm wirken, es aber nicht sein — sie könnten jederzeit wieder ein anderes Verhalten an den Tag legen. Auch domestizierte Tiere können zahm erscheinen, im Handumdrehen jedoch boshaft und schwierig werden. Hungrige Tiere mochten ebenfalls nicht wirklich zahm sein, bei ihnen hatte vielleicht nur der Hunger die Furcht unterdrückt. Solche Tiere seien nicht vertrauenswürdig. Um einem Tier trauen zu können, schrieb er in Taming and Handling Animals, müsse man es selbst zähmen, es »sanft und fügsam« machen:
Die Betonung liegt auf dem Wort »machen«, da das Zähmen einer wilden Kreatur bedeutet, ihr Vertrauen zu gewinnen, ihre natürlichen Ängste zu beseitigen und in vielen Fällen sogar Zuneigung zu entfachen, sodass das betreffende Tier bereitwillig und regelmäßig frisst, gepflegt aussieht, nicht beißt oder anderweitig angreift und uns als ihm zugetan akzeptiert — wenn möglich als regelrechten Artgenossen.
Als regelrechten Artgenossen. Die Passage enthält eine ganze Welt der Aufdeckung subversiver Aktivitäten, das geisterhafte Abbild der Topologien von Knights geheimem Leben. In seinen Büchern schrieb Knight über die korrekte Beziehung zwischen Tier und Tierhalter in beinahe exakt denselben Begriffen, die er benutzt hatte, um die korrekte Beziehung zwischen Agentenführer und Agent zu beschreiben — eine Beziehung nämlich, in der der Vorgesetzte »sich seinen Agenten um jeden Preis zum Freund machen muss« und in der »der Agent seinem Vorgesetzten vertrauen muss«. Am wichtigsten sei es, und zwar sowohl beim Zähmen von Tieren als auch beim Rekrutieren von Agenten, »eine solide Vertrauensbasis zu schaffen«.
Unser heutiges Modell der Tierhaltung beruht im Allgemeinen auf der empathischen Verständigung zwischen Halter und Wildtier. Das trifft auf Knights Modell nicht zu. Für ihn war die Trennlinie zwischen Tier und Mensch außerordentlich scharf gezogen. Seine Tiere waren nur insofern Spiegel, als dass sie die Fachkundigkeit ihres Halters reflektierten; ihre Zahmheit und ihr Zutrauen sollten als Beweis für den Charakter und die Fähigkeiten ihres Besitzers geschätzt werden. »Ein Dummkopf«, sagte er, »wird niemals ein intelligentes Haustier besitzen, und einem nervösen Menschen wird es niemals gelingen, das Vertrauen irgendeines wilden Tieres zu gewinnen.« Und auch abgesehen vom Offenbaren, wie gut der Besitzer darin war, Vertrauen zu gewinnen, hatten Tiere noch eine andere Funktion: Sie waren erkenntnistheoretische Rätsel, die gelöst werden mussten. Sie ermöglichten es einem, »Dinge wie die vergleichsweise Intelligenz verschiedener Arten zu beobachten« oder »die jeweilige Bereitschaft, sich an Bedingungen der Gefangenschaft anzupassen«.
Die Grenzen zwischen Knight und seinen Tieren wurden streng kontrolliert, genauso wie die zwischen ihm und seinen Agenten. In beiden Fällen bestand das Ziel in einem vertrauten, geschickten und doch distanzierten Umgang. Joan Miller, eine von Knights Agentinnen und seine langfristige Gefährtin, merkte beißend an: »M war immer neugierig auf Tiere, aber er gewann sie nie lieb, wenngleich unsere Tiere natürlich immer aufrichtig von mir geliebt wurden.«
Dieses auf Distanz basierende Modell der Tierhaltung stieß an seine Grenzen, als Knight beschloss, ein Kuckuckjunges aufzuziehen. Es gehörte einer Spezies an, der er eine besondere Achtung zollte. Was nicht schwer zu verstehen ist. Der Kuckuck stand als Symbol nicht nur für das tief verwurzelte und getreue Englischsein — seine Ankunft im Frühling war jedes Jahr auf der Leserbriefseite der Times festgehalten —, sondern auch für Argwohn, Geheimnis und Täuschung. Kuckucke legen ihre Eier in die Nester anderer Vögel, und der frisch geschlüpfte Nachwuchs wirft erst die Eier und Küken seines Wirts aus dem Nest und wird dann von Pflegeeltern großgezogen, denen die Täuschung, der sie unterliegen, gar nicht bewusst zu sein scheint.
Mit seinem Parasitismus und seiner wissenschaftlichen Rätselhaftigkeit drehte sich der moralisch zweifelhafte Status des Vogels um Vorstellungen vom Hörneraufsetzen, von der Falschheit, vom sexuellen Durcheinander und sogar von Artengrenzen selbst: In verschiedenen Büchern und hitzigen, im Spectator abgedruckten Briefwechseln behauptete der gefürchtete Bernard Acworth, Altmeister der kreationistischen Organisation Creation Science Movement, wiederholt, Kuckucke seien in Wahrheit Kreuzungen zwischen männlichen Kuckucken und den weiblichen Vögeln ihrer Wirtsspezies.
Darüber hinaus spielte der Kuckuck die Hauptrolle in einem aufsehenerregenden populärwissenschaftlichen Stück der damaligen Zeit. Mithilfe neuer Techniken der Blitzlichtfotografie offenbarten Eric Hosking und Stuart Smith in ihrem Buch Birds Fighting von 1955 den Platz des Kuckucks in Legenden von Nationalismus, Aggression und Verteidigung. Gleich zu Beginn zitiert Smith die Beschreibung des Kuckucks von Plinius dem Älteren als »gemeinsames Objekt der Feindseligkeit unter allen Vögeln«, da er »die Täuschung praktiziert«. Ihr Buch ist eine Art ornithologisches Deathmatch; es zeigt eine Reihe von inszenierten Kämpfen, Schlag für Schlag fotografiert, bei denen bekannte und viel geliebte britische Singvögel ausgestopfte Kuckucke im Rausch der defensiven Aggression und in »extremer Rage« auseinandernehmen. Der totale Krieg im Reich der Ökologie: Vögel, die ihre Familie gegen einen eindringenden Feind verteidigen. Der Kuckuck, der stellvertretend für eine Invasion des Gemeinwesens stand, spornte Vögel, die als Ikonen ländlichen Englischseins galten, zu äußerster Gewalttätigkeit an.
Hosking und Smith wollten herausfinden, wodurch diese Wut ausgelöst wurde. Wie erkennt ein Vogel den Feind? Was verrät einer zornigen Nachtigall, dass dies ein Kuckuck ist? Sie fertigten Schnittmodelle von Kuckucken an, schnitten die Vögel aus Pappe aus und malten sie an, steckten die Köpfe ausgestopfter Kuckucke auf Stäbe und führten anschließend eine Reihe von Experimenten durch, geboren aus kulturellen Ängsten, auf eine nationalisierte Nachkriegsvogelwelt projiziert. Sie entdeckten, dass britische Vögel beruhigend geschickt darin waren, Verstellung zu erkennen: Eine Nachtigall identifiziert und attackiert einen ausgestopften Kuckuck auch dann, wenn man ihn mit einem gepunkteten Taschentuch drapiert hat.
Der Nachkriegskuckuck: ein heimlichtuerischer Vogel der Täuschung und des verborgenen Mordes. Der Feind im eigenen Haus. Natürlich musste Knight, Naturforscher und Spezialist für die Aufdeckung subversiver Aktivitäten, einen haben.
Und in A Cuckoo in the House (1955) erzählt Knight, wie es dazu kam. Sein Netzwerk an geheimen Beobachtern und Agenten war durch ein riesiges Team naturgeschichtlicher Informanten ersetzt worden, die er über das Radio angeworben hatte. Als ihm jemand von einem Kuckucksküken in einem Garten schrieb, packte Knight die Gelegenheit beim Schopf, es vor Katzen zu »retten«. Seit Jahren schon hatte er einen Kuckuck von Hand aufziehen wollen. Warum? Weil sie interessant sind, erklärte er, und weil sie uns zwar vertraut sind, wir aber nicht viel über sie wissen. Den Ruf des Kuckucks kennt jeder, fuhr er fort, der Vogel selbst jedoch ist »noch nicht vollständig verstanden«. Er ist »mysteriös«, erläuterte er weiter genüsslich.
Und in der Tat spiegelte das Leben des Kuckucks die Belange von Knights eigenem Leben auf ganz wunderbare Art und Weise wider. Zunächst einmal galt das Sexualleben des Vogels als rätselhaft und geheimnisvoll. Ebenso wie Knights: Jahrelang, so Joan Miller, erhielt er die Fassade des eingefleischten Heterosexuellen aufrecht, während er gleichzeitig Stricher in einschlägigen Kinos auflas und Motorradmechaniker aus anderen Gründen als dem Reparieren von Motorrädern beschäftigte. Außerdem waren Kuckucke die gefiederten Äquivalente des Leiters von Infiltrationsagenten; sie »schmuggelten« ihre »Chamäleoneier« ins Nest der »Getäuschten«. Ein einziger Kuckuck konnte Eier in sage und schreibe zwölf verschiedene Nester legen, so Knight, die er fand, indem er »von einer geeigneten Beobachtungswarte aus mit scharfem und zielgerichtetem Auge das Land ausspionierte«. Zudem war der Kuckuck »kompetent und skrupellos«, seine geheime Identität nie gefährdet. Knight teilte Smiths und Hoskings schlussfolgernde Ansicht nicht, Vögel hätten eine »angeborene Vorstellung von ›Kuckuck‹« — weit davon entfernt. Er behauptete, die Vögel wüssten noch nicht einmal, dass es sich bei den Angegriffenen um Kuckucke handelte. Dafür seien Letztere viel zu gut getarnt. Knights Meinung nach attackierten andere Vögel Kuckucke, weil sie Greifvögeln ähnelten, als solche »durchgingen«.
Als Knight Goo, seinen Kuckuck, aufzog, begannen die sorgfältig gezogenen Grenzen zwischen der Welt der Tiere und der Welt des Menschen, zwischen Agent und Betreuer zu verblassen. Er war entzückt, als sich die anfängliche Aggression des flügge werdenden Vogels in Zahmheit und absolutes Vertrauen verwandelte. Außerdem besaß Goo eine »wirklich bemerkenswerte« Unterscheidungsfähigkeit und war mühelos dazu in der Lage, »seine Freunde von Fremden zu trennen«. Die Wörter, mit denen Knight Goos Verhalten beschreibt, sind extrem bedeutungsgeladen: Freunde, Fremde, Betreuer — alles Begriffe und Kategorien aus seinem Geheimleben. Nicht nur aus dem des Nachrichtendienstes, sondern auch aus seinem Liebesleben: Knights »freundschaftliche Avancen« dem Kuckuck gegenüber wurden »vollständig erwidert«. »Gefieder, Stimme und sanftes Picken zeigten recht offen, dass er guter Dinge und zufrieden war, und Streicheln sowie leise gemurmelte Worte mochte er auch sehr.« Beim Lesen von Knights Buch spürt man seine Freude darüber, dass der rätselhafte Kuckuck »umgedreht« wurde, aber auch seine verstörte Ahnung, dass das, wozu der Vogel umgedreht wurde, ein seltsames gefiedertes Double von Knight selbst war. Zum ersten Mal gibt Knight beunruhigt zu, sich nicht sicher zu sein, dass die »Kluft zwischen Menschen und anderen Tieren … so tief ist, wie manch einer denken mag«.
Natürlich endet A Cuckoo in the House mit dem Abtrünnigwerden von Knights Vogelagenten. Junge Kuckucke ziehen nach Afrika. Immer seltener kehrte Goo, der frei in Knights Garten herumfliegen durfte, zu seinem Pflegevater zurück. Und so brachte Knight einen nummerierten Ring am Fuß des Vogels an, um ihn erkennen zu können, sollte er im nächsten Frühjahr zu ihm zurückkommen. Doch als Goo gen Süden aufbrach, trauerte Knight um seinen Verlust. Der Kuckuck, so Knight, war »das faszinierendste gefiederte Haustier«, das er je gehabt hatte. Selbstverständlich war er das: Er identifizierte sich enorm mit ihm, sah größtenteils sich selbst in ihm.
Die Geschichte vom Kuckuck und dem Spionagechef zeigt uns, dass unser Verständnis von Tieren nachdrücklich von der Kultur beeinflusst wird, in der wir leben. Sie zeigt aber auch, dass wir Tiere zu unseren Stellvertretern machen können und das auch tun; wir benutzen sie, um für uns zu sprechen, um Dinge zu sagen, die wir anderweitig nicht ausdrücken können. Und nicht zuletzt zeigt sie, dass die Bedeutungen, die wir Tieren zuschreiben, merkwürdig tief sein können. Ebenso wie Knights Kuckuck nie nur ein Vogel war, sind die Kuckucke, die im Rahmen des aktuellen BTO-Projekts eingefangen und mit einem Sender versehen werden, keine reinen Datenpunkte auf einer Karte. Egal wie präzise man sie auf ihren langen Zugrouten verfolgt — sie sind immer noch rätselhafte Vögel, viel mehr als lediglich kleine Bündel an Knochen und Muskeln und grauen Federn. Sie verraten uns Dinge über uns selbst, über die Art und Weise, wie wir unsere Welt sehen; und sie nehmen ihre eigenartigen menschlichen Geschichten mit auf ihre Reise.