Das Seltsamste an der Birdfair, Großbritanniens wichtigster Veranstaltung für Vogelliebhaber, ist, dass es dort keine Vögel gibt. »Natürlich gibt es welche!«, zischelte der Mann in der Schlange vor dem Eingang hinter uns, obwohl ich mich gar nicht an ihn, sondern nur an meine Mutter gewandt hatte. »Es gibt Fischadler.« Es stimmt, dass an den Seen bei Rutland Water — dort findet die Birdfair statt — wilde Fischadler leben, doch auf der Vogelmesse gibt es keine Vögel. Stattdessen: Tausende von Menschen, der süße Duft niedergetrampelten Sommergrases, schattige Zelte mit Tafeln und Broschüren, die Vogeltouren in jeder Ecke der Welt anpreisen. Ferngläser und Spektive. Bücher. Ein Zelt, in dem Erfrischungen angeboten werden. Ein Kunstzelt. Ein Vortragszelt. Jedes Mal, wenn ich die Birdfair besuche, sehe ich Leute, die ich kenne und liebe. Aber keine Vögel.
Vor einigen Jahren fuhr ich mit meinem Freund, der selbst Vögel hat, in die West Midlands zu einer anderen Art von Vogelmesse: zu einer Vogelschau. Wir parkten auf einem Feld bei Staffordshire neben zwei hangarähnlichen Hallen. Die Männer, die an uns vorbeigingen, sahen nicht im Geringsten aus wie die auf der Birdfair; Letztere sind eher blass, mit leicht angestrengtem Gesichtsausdruck, Wanderschuhen und Funktionshose, diese hier aber lachten, als sie Kisten, Käfige und Platten für aufgebockte Tische heranschleppten. Sie trugen Rugbyshirts, Holzfällerhemden, Jogginganzüge mit Kapuze, Anglerwesten. Wir sahen Tattoos und viele Baseballkappen. Aber keine Ferngläser.
Dafür aber jede Menge Vögel. Die Hallen waren voller Ausstellungskäfige. Sie sind viel kleiner als die Käfige und Volieren, in denen die Vögel zu Hause gehalten werden, und sollen die Schönheit der Geschöpfe in ihnen größtmöglich zur Geltung bringen. Wir sahen Käfige aus Drahtringen, die an viktorianische Tischvolieren erinnerten und in denen rundliche Kanarienvögel herumhüpften; aufeinandergestapelte Holzkisten mit feinsten Drahtgitterfenstern für winzige Ringelamadinen und Wellenastrilde; größere Käfige für Tauben und Hühner und Wachteln. Ein paar Tische mit großköpfigen, perfekt gefiederten Show-Wellensittichen mit getüpfeltem Kragen, die viel künstlicher aussahen als die Plastikfutterschalen in ihren Käfigen. Ich sah staunend zu, als ein Mann mit einer weißen Taube vorbeilief, die das Gefieder angelegt und die Größe eines Säuglings hatte. Er erzählte mir, es sei eine Ungarische Riesentaube, woraufhin ich umgehend bedauerte, nicht selbst eine zu haben.
In einer Ecke der Halle machte ein gewerblicher Propanheizer ohrenbetäubenden Krach, und überall hallten Lautsprecherdurchsagen wider, die die Aussteller anwiesen sicherzustellen, dass Wasser- und Futterschalen gefüllt waren und es die Vögel weder zu warm noch zu kalt hatten noch irgendwelche Anzeichen von Stress zeigten. Ich schlenderte von Tisch zu Tisch und machte heimlich Fotos mit meinem Handy, wobei mir die fotojournalistischen Taktiken, die mein Vater mir beigebracht hatte, sehr zugutekamen. Ich hielt das Handy tief an meiner Hüfte, sah den Standinhabern in die Augen, lächelte und schoss mit nur einem Daumen eine Reihe von verwackelten und schiefen Fotos. Vogelhalter sind ausgesprochen wachsame Wesen. Ich wollte nicht, dass sie wussten, was ich da tat, weil die Kultur des Beobachtens von Vögeln in freier Wildbahn zwar die gesellschaftliche Akzeptanz des Weintrinkens besitzt, sich das Halten von Vögeln aber eher wie legalisierter Cannabisgebrauch anfühlt. An beidem sind eine tiefe Liebe zu Vögeln und das Zurschaustellen naturkundlicher Kennerschaft beteiligt, doch wird die Vogelhaltung von vielen als moralisch zweifelhaft und zumindest in ihren Randerscheinungen als nahe an der Gesetzwidrigkeit betrachtet.
Zum Glück waren alle in der Schau ausgestellten Vögel gezüchtet. In den 1980er-Jahren erklärte der Gesetzgeber das Halten von in der Natur gefangenen britischen Vögeln für illegal, und seit die Europäische Union 2005 den Import von Wildvögeln verboten hat, ist der internationale Handel mit ihnen um neunzig Prozent zurückgegangen. Ein Handel, der einem vollständig das Herz brach: Ich werde nie vergessen, wie ich als Kind zum Fenster eines Lagerhauses in der Cromwell Road in West London zu Unmengen frisch eingetroffener Kakadus hinaufgesehen habe, die gestresst und desorientiert mit den Flügeln flatterten.
Ein Teil der Vogelschau war dem gewidmet, was Vogelhalter britisch nennen: einheimische Spezies, also die, die in unseren Wäldern und Gärten und auf unseren Feldern singen. Insekten- und fruchtfressende Vögel wie Amseln und Drosseln saßen in Käfigen, die innen weiß angemalt und oft mit Andeutungen ihres natürlichen Habitats verziert waren: Steine für Steinschmätzer oder etwas Baumrinde für Rotschwänze beispielsweise. Die Käfige, in denen britische Finken ausgestellt wurden, waren außen glänzend schwarz und innen im Ton Brolac Georgian Green angemalt, einem Moosgrün, das bei den Innenarchitekten des achtzehnten Jahrhunderts besonders beliebt war. In den Käfigen saßen Distelfinken, Bluthänflinge, Birkenzeisige, Erlenzeisige, Gimpel und Kernbeißer.
Einer dieser Käfige zog erhebliche Aufmerksamkeit auf sich. In seinem Inneren befand sich eine Distelfinkmutation mit verrückten weißen Flecken im Gefieder. Ungewöhnliche Farbmutationen wie diese sind bei britischen Vogelaficionados heiß begehrt; Distelfinken mit einem weißen Fleck unter dem Kinn nennen sie peathroats, Erbsenkehlen, diejenigen mit vollständig weißer Kehle cheverals. Eine Gruppe Pavees hatte sich um den Käfig herum versammelt und debattierte lebhaft über die Vorzüge des Vogels, während ein Bündel Zwanzig-Pfund-Noten auf den Tisch gezählt wurde. Sieben-Farben-Bluthänflinge werden Distelfinken von den Pavees genannt — ein sehr alter Name, den Vogelbeobachter kaum je benutzen. Der Vogel in dem Käfig war aller Wahrscheinlichkeit nach zur Zucht von Mischlingen bestimmt, die bei Roma- und Pavee-Vogelhaltern sehr beliebt sind. Im Englischen nennt man die Nachkommen eines Wildfinken (meist ein männlicher Distelfink oder Bluthänfling) und eines domestizierten Kanarienvogels mules, Mulis, weil sie ebenso wie die Nachkommen von Pferd und Esel steril sind. Sie werden vor allem aufgrund ihres wunderschönen Gesangs geschätzt, der süße, breit gefächerte Kanarienvogeltriller mit den abwechslungsreichen, schrillen, metallischen Klängen ihrer wild lebenden Väter vereint.
Vor ein paar Jahren unterhielt ich mich mit einem Mann, der mir gestand, früher, als er noch jünger gewesen war, wilde Distelfinken in Fallen gefangen zu haben, obwohl er damals schon gewusst hatte, dass das illegal war. »Ich habe sie nicht behalten — ich habe hormonbenebelte Männchen für die Mischlingszucht gefangen«, erzählte er mir. »Ich steckte sie zu einem weiblichen Kanarienvogel in einen Käfig, so lange, bis die beiden sich gepaart hatten, und ließ den Wildvogel dann wieder frei. Sie waren insgesamt nur ein paar Minuten in der Falle, in meiner Hand und im Käfig. Was war also dabei? Das Problem ist nur«, fügte er finster hinzu, »dass sie nicht wollen, dass wir überhaupt britische Vögel halten.«
Der Begriff »sie« hilft uns dabei, einen Aspekt des Unterschieds zwischen Birdfair und Vogelschau zu verstehen: dass unsere Haltung zur Natur von Geschichte, Klassenzugehörigkeit und Machtstrukturen geprägt ist. Die beiden Veranstaltungen spiegeln die langjährige Trennung zwischen verschiedenen Arten, die Natur zu sehen, wider. Bei einer Sichtweise ist die Natur etwas Unberührtes, Ursprüngliches da draußen, das man lediglich beobachten und dokumentieren darf; bei der anderen ist sie etwas, das mit nach drinnen genommen werden und mit dem man einen engen Kontakt pflegen kann. Das geht in die gleiche Richtung wie die Trennung zwischen Feldforscher und Laborwissenschaftler oder zwischen Jäger und Bauer. Derlei Trennungen sind mit gesellschaftlicher Bedeutung befrachtet. Wie viele andere Kämpfe um die Natur dreht sich auch dieser im Grunde darum, wer das Recht hat zu bestimmen, was ein Lebewesen ist, wer das Recht hat, mit diesem Lebewesen zu interagieren und wie.
Gegenwärtig besitzt die Vogelbeobachtung neben ähnlichen Formen der beobachtenden Naturwertschätzung eine beinahe universelle kulturelle Akzeptanz — in den Medien wird über die Birdfair beispielsweise annähernd flächendeckend berichtet —, die das Halten kleiner einheimischer Vögel nicht besitzt. Letzteres galt lange als Hobby der Arbeiterklasse und von Minderheiten wie Bergarbeitern, Einwanderern, East-End-Londonern, Roma und Pavees. Die letzte lange Unterhaltung, die ich über die Vogelhaltung geführt habe, war mit einem rumänischen Taxifahrer auf dem Weg zu einem Flughafen sehr früh an einem Sonntagmorgen. In der Dunkelheit leuchtete auf dem Display seines iPhones das Foto eines Vogels mit schwarzem Oberkopf, kämpferischem Schnabel und einem Brustgefieder in der Farbe jungen Rotweins auf. Ich bewunderte den Gimpel, woraufhin der Taxifahrer, außer sich vor Freude, erwiderte: Sie kennen den Vogel! Das ist meiner! Und für den Rest der Fahrt sprachen wir dann über seine Vögel. Er sei erst spät dazu gekommen, erzählte er. Als junger Mann hatte er keine Ahnung gehabt, was für vollkommene Geschöpfe Vögel sind: wie Edelsteine, nur lebendig. Und ihr Gesang! Seine Vögel seien sein Leben, erzählte er weiter, in zweierlei Hinsicht wie Kinder: erstens, weil er sie liebte, und zweitens, weil er sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen konnte.
Die großen Anti-Käfigvogel-Kampagnen meiner Kindheit waren teilweise Kreuzzüge von Vogelliebhabern wie Peter Conder, dem damaligen Direktor der Royal Society for the Protection of Birds, der Jahre hinter Stacheldraht in deutschen Kriegsgefangenenlagern verbracht hatte. Das ist jedoch nicht der einzige Grund, warum uns der Anblick von Vögeln in kleinen Käfigen nicht gefällt. Solche Käfige schränken das Leben eines Vogels radikal ein. Ich kann sie mir nicht ansehen, ohne dass mir beinahe das Herz bricht, selbst wenn der Vogel darin ansonsten einen gesunden, munteren und zufriedenen Eindruck macht. Allerdings schränken wir das Leben gefangen gehaltener Tiere auf Unmengen von Arten ein und beurteilen deren Auswirkungen nicht immer anhand der Bedürfnisse der beteiligten Tiere. Die Masthähnchenbetriebe, in denen Hühner auf engstem Raum in verschlossenen Hallen gehalten werden — eigens dazu gezüchtet, so schnell an Gewicht zuzulegen, dass sie schon nach wenigen Wochen kaum mehr laufen können —, bekommt kaum jemand von uns je zu Gesicht, weshalb wir sie leicht ignorieren können. Wir sehen oft auch andere Grausamkeiten nicht, die wir Tieren antun, weil wir nicht berücksichtigen, wie die Welt des betreffenden Tiers aussehen sollte. Der Anblick einzeln gehaltener Kaninchen in engen Gartenschuppenställen hat mich immer schon ungeheuer traurig gemacht, egal wie sehr die Tiere von ihren Besitzern auch geliebt werden mochten.
Beinahe jedes Jahr lese ich in der Zeitung, dass jemand aus der Arbeiterklasse verhaftet wurde, weil er illegal gefangene britische Finken gehalten hatte. Das Einfangen muss sich gemessen an den verheerenden Folgen von Lebensraumverlust und Chemikalieneinsatz in der Landwirtschaft eher harmlos auf die Vogelpopulationen ausgewirkt haben, aber darum geht es nicht. Was diese Männer getan haben, ist nicht schlicht illegal, sondern wird darüber hinaus als höchst unmoralisch betrachtet. Spezies, die als lebende Elemente der ländlichen Gegenden Großbritanniens gelten, wurden ihrer Freiheit beraubt und zum Vergnügen der Arbeiterklasse in Käfige gesperrt, der Arbeiterklasse, für die die Vögel jedoch eine völlig andere Bedeutung haben. Der Vogelhaltung haftet eine zärtliche Häuslichkeit an, die im krassen Gegensatz zu den vertrauten Vorstellungen von der Maskulinität dieser speziellen Gesellschaftsschicht steht. Da werden Käfige gesäubert, Küken gehegt und gepflegt, da wird Vogelkot weggeschrubbt und Futter abgewogen. Da werden Vögel ganz ruhig in der Hand gehalten, damit sie auf das Genaueste und Liebevollste untersucht werden können — alles Tätigkeiten, die Putzen und andere Hausarbeiten, Kochen und Kinderhüten widerspiegeln, Rollen, die im Allgemeinen den weiblichen Mitgliedern der Familie vorbehalten sind. Ich fand es immer interessant, dass Menschen, die sich beispielsweise Distelfinken halten und die Tiere züchten, über ein weitaus detaillierteres Wissen bezüglich ihrer Gewohnheiten, ihrer innerartlichen Variationen, ihres Zuchtverhaltens und ihres Gesangs verfügen als die meisten Vogelbeobachter, für die Distelfinken Vögel sind, die in Vorstadtgärten Futterstellen besuchen oder in Schwärmen von samentragenden Disteln auffliegen. Ich bin als Vogelbeobachterin, nicht als Vogelhalterin aufgewachsen. Für mich waren Birkenzeisige immer zarte und ferne Wesen, kleine Punkte, die um die Spitzen der Erlen herumsausten. Ich hätte nie erfahren, dass Birkenzeisige tausend Mal charismatischer sind und viel mehr Persönlichkeit besitzen als Distelfinken, hätte ich nicht die Gelegenheit gehabt, beide Vögel aus nächster Nähe in Volieren und Käfigen zu sehen.
Nicht die Vogelhaltung an sich ist das Problem. Einigen ihrer Formen ist es gelungen, fast vollständig der Kritik zu entgehen, weil sie traditionellerweise die Domäne von Menschen mit hohem sozialem Status waren. Einen singenden Distelfinken kann man sich im kleinsten aller Wohnwagen halten — für Seen voller Schwäne und Tauchenten braucht man schon etwas mehr Platz und Geld. Zu den Wasservogelkoryphäen gehörten der Adlige Lord Lilford, der Künstler und Naturschützer Sir Peter Scott und der gleichnamige Gründer der britischen Kaufhauskette John Lewis, der auf seinem Anwesen in Hampshire eine riesige Sammlung an Enten und Gänsen unterhielt. Es ist in Großbritannien noch immer legal, jungen Enten, Gänsen und Schwänen beim Tierarzt die Flügel beschneiden zu lassen, also das letzte Gelenk eines Flügels abzutrennen, sodass der Vogel nunmehr zwar gehen und schwimmen, aber nie wieder fliegen kann — hier wird der Natur eines Zugvogels, dessen wild lebende Verwandte in jedem Herbst und Frühjahr Tausende von Kilometern über Tundra und Meer fliegen, buchstäblich eine Amputation zugefügt. Ich habe schon oft darüber nachgedacht, ob eine Gans auf dem See eines Herrschaftssitzes, der man die Flügel gestutzt hat, vielleicht dieselben Nöte empfindet wie ein in einen Käfig gesperrter Distelfink.
Im Gegensatz zu Finken in Häusern werden die Wasservögel in solchen Sammlungen nicht wie ein nahestehendes Mitglied des Haushalts behandelt, sondern wie ein Teil des größeren Refugiums, wie landschaftliche Grundstückserweiterungen. Gefangene Enten, die auf einem See herumschwimmen, sehen angenehm »wild« aus, selbst wenn ihnen ein Stück Flügel abgeschnitten wurde, damit sie nicht wegfliegen können. Um diese elitäre Version der Natur zu erschaffen, bedarf es einer gewaltigen Menge an Arbeit, eine Version der Natur, die wie in der Landschaftsgartentradition des achtzehnten Jahrhunderts ganz spezifisch so konstruiert ist, dass sie unberührt wirkt, ewig während, natürlich und frei von menschlichen Kunstgriffen — obwohl genau das nicht der Fall ist.
»Die Käufer von Singvögeln«, schrieb der Journalist Henry Mayhew Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, sind hingegen »in erster Linie Arbeiter.« Im Anschluss beschrieb er, welche Gruppe von Gewerbetreibenden und Handwerkern welche Art von Vogel bevorzugte: Amseln und Drosseln etwa waren die Lieblingsvögel von Stallknechten und Kutschern. »Die Vorliebe einer ganzen Körperschaft von Kunstgewerblern für einen bestimmten Vogel, ein bestimmtes anderes Tier oder eine bestimmte Blume ist bemerkenswert«, schloss er. Es ist das Wort »Kunstgewerbler«, das in diesem Zusammenhang verräterisch ist und auf etwas verweist, das im Zentrum des Klassensystems steht: Geschmack. Die Halter von kleinen Vögeln lieben diese nicht nur als Individuen, sondern auch als Möglichkeiten und Potenzialitäten; im Laufe der Zeit entwickeln sie immer komplexere Strategien der Verpaarung und der Selektion, um Vögel von besonderer Gestalt, mit besonderen Mustern, Farben und Gesängen zu züchten. Die Vogelhaltung hat ebenso viel mit der Zukunft zu tun wie mit den Augenblicken der Gegenwart, wenn ein Distelfink»muli« den Kopf hebt, die Kehle bläht und sein Lied erklingen lässt. Sie ist auf ihre alles andere als banale Art eine zutiefst kreative Kunst. Und ganz offensichtlich geht es hier ums Können: Anders als bei der sorgfältig konstruierten scheinbaren Natürlichkeit von Wasservögeln, die auf Landsitzen gehalten werden, erfreuen sich die Vogelhalter der Arbeiterklasse an der Künstlichkeit — sie erschaffen Hybridfinken und -drosseln, deren Schönheit daran gemessen wird, wie sehr und wie kunstvoll sie von der Natürlichkeit abweicht.
»Er gehört mir!«, sagt der Vogelhalter vom Distelfink. »Nein, mir!«, entgegnet der Vogelbeobachter. »Das sind meine!«, sagt der Landbesitzer über seine Schar Gänse mit gestutzten Flügeln. Als wir die Vogelschau verlassen, höre ich einen Distelfinken von einem kleinen Bäumchen hinter mir singen. Während mein Freund weiter in Richtung Auto geht, bleibe ich stehen und lausche eine Weile einem Vogel, der mit seinem Ruf sein ganzes Leben beansprucht. Er singt von Samen und Distelwolle, von Partnern, vom Fliegen, von der Zerbrechlichkeit von Eiern in einem Nest aus Moos und Spinnweben, von Revierkämpfen und Parasiten und Sperbern und Seltenheit und Stress.