Kapitel Neunundfünfzig

Carrie

Im selben Moment, als Reid »Ich verspreche es« sagt, setze ich mich auf ihn und lasse den Morgenmantel von meinen Schultern gleiten. Sofort streift sein Blick über meinen Körper, dann packt er mich, rollt mich auf den Rücken, und eine Sekunde später dringt er in mich ein. Und diesmal geht es nur um Sex. Harten, schnellen Sex, mit meinen Beinen auf seinen Schultern und dann mit meinen Knien an seiner Brust. Als wir fertig sind, kuschle ich mich unter der Bettdecke an ihn, lege den Kopf auf seine Brust und spüre seinen Herzschlag unter mir.

»Morgen ist der große Tag«, sage ich.

Er setzt sich ein Stück auf, um mich anzusehen, und seine blauen Augen strahlen durch das Dämmerlicht im Zimmer, das nur durch den Sternenhimmel hinter den offenen Gardinen erhellt wird.

»Es wird super laufen.«

»Ja, das denke ich auch.« Ich schweige einen Moment lang. »Erzähl mir etwas von dir, das ich noch nicht weiß«, beginne ich das Spielchen, das wir schon öfter miteinander gespielt haben.

»Ich bin ein großer Filmfan. Ich liebe es, ins Kino zu gehen und Popcorn zu essen. Ich gehe sogar allein.«

Erstaunt hebe ich den Kopf. »Allein?«

»Ja, allein.«

»Hm, also ich schaue auch gerne Filme. Du brauchst also nicht mehr allein zu gehen.«

»Mache ich auch nicht mehr«, entgegnet er. »Dann ist das beschlossene Sache: Wir werden in viele Filme gehen. Jetzt bist du dran: Erzähl mir was über dich, das ich noch nicht weiß.«

»Ich hätte gerne eine Katze, aber ich fürchte, dafür habe ich zu wenig Zeit wegen der Arbeit.«

»Ich hätte gerne einen Hund, aber ich fürchte, dafür habe ich zu wenig Zeit wegen der Arbeit.«

Ich rolle mich auf den Bauch und sehe ihn an. »Du möchtest einen Hund haben?«

»Ja. Ich hatte als Kind einen, und den habe ich geliebt.«

»Was für einen?«

»Einen Schäferhund.«

»Ich hatte einen Zwergspitz, aber der ist vor ein paar Jahren gestorben. Das fühlt sich an, als wäre es erst gestern gewesen. Ich glaube, ich bin doch wieder bereit für so ein süßes, kleines Fellknäuel. Aber wie gesagt: Eigentlich wollte ich mir eine Katze zulegen. Magst du Katzen?«

»Ja«, antwortet er lachend. »Es kommt mir vor, als würdest du mich gerade fragen, ob ich Kinder will.« Er rollt mich auf die Seite und zieht mich an sich, während seine Bemerkung zwischen uns in der Luft hängt.

»Ich nicht«, sage ich, als hätte er mir die Frage gestellt. »Ich will keine Kinder. Ich will einfach nicht dauernd das Gefühl haben, jemanden zu enttäuschen.«

Er schlingt die Arme noch enger um mich. »Du verstehst mich wirklich besser, als du denkst, Carrie, und ich weiß nicht, ob das so gut ist. Aber jetzt schlaf erst mal, Kleines. Morgen ist ein großer Tag.«

Ich lege die Hand auf seinen Arm, schließe die Augen und genieße die Wärme, die mich umhüllt, und bevor ich noch darüber nachdenken kann, sinke ich in einen tiefen Schlaf.

***

Nackt wache ich in meinem Bett auf, an Reid geschmiegt, im Sonnenlicht, das durchs Fenster hereinscheint und den neuen Tag ankündigt, den ich mit Reid beginne. Es ist wirklich himmlisch: Er riecht so gut, und ich fühle mich vollkommen geborgen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mich je bei einem Menschen so sicher gefühlt habe – außer vielleicht bei meinem Vater, aber das war natürlich etwas anderes. Und während ich so daliege, wird mir bewusst, dass mein Vater mir dieses Gefühl auch irgendwann nicht mehr gegeben hat. Ich schätze, ich dachte die ganze Zeit, das hätte damit zu tun, dass ich erwachsen und unabhängig geworden bin, aber jetzt wird mir klar, dass noch mehr dahintersteckte. Ich habe gespürt, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte, und erst jetzt fange ich so langsam an, das, was Reid mir gestern erzählt hat, zu verarbeiten.

»Da hat aber jemand ziemlich schwere Gedanken. Ich kann dich geradezu denken hören.«

Ich wende mich um und sehe Reid an. »Ja, aber das hat nichts mit dir zu tun.«

Er streicht mir das Haar aus der Stirn, das wahrscheinlich ziemlich strubbelig aussieht. »Mit deinem Vater?«

»Ja.«

»Ich kann das gut nachvollziehen. Es ist noch nicht lange her, dass ich erkannt habe, wie mein Vater wirklich ist.«

»Durch den Brief?«, frage ich.

»Ja.«

»Ich glaube, ich habe das schon erkannt, aber ich wollte es nicht wahrhaben«, gebe ich widerstrebend zu.

»Ging mir genauso. Die Geschichte, dass er durch meine Mutter zu einem besseren Menschen geworden ist, war offensichtlich ein Märchen. Leider macht es das nicht leichter, Carrie. Man will einfach daran glauben, dass die Eltern gut sind.«

»Und du hast deinen Vater gezwungen, sich aus der Firma zurückzuziehen. Das war bestimmt schwer.«

»Es war einfacher, als du denkst. Ich wollte das schon eher machen, aber dann hatte er den Schlaganfall. Man sollte annehmen, der hätte ihn geläutert, aber denkste.«

»Was hält Gabe davon?«

»Der ist superglücklich. Er hat mich ja auch dazu überredet, den Brief zu lesen.«

»Er musste dich überreden?«

»Ja. Ich kann zwar normalerweise gut Dinge abhaken, aber in dem Fall wollte ich nichts wissen, was ich nicht mehr ändern kann.«

Mein Kopf liegt an seiner Brust, und während ich dem Rhythmus seines Herzschlags lausche, denke ich daran, wie menschlich Reid, das Arschloch, mittlerweile geworden ist. Und das starke Klopfen zeigt mir auch, dass er nicht so locker ist, wie er tut. Solche persönlichen Dinge erzählt er anderen sonst nicht, aber mit mir hat er sie geteilt.

»Ich hab versagt.«

Irritiert hebt er eine Augenbraue. »Was willst du damit sagen, Carrie?«

»Ich wollte dich eigentlich angemessen wecken.« Damit drücke ich ihn auf den Rücken und arbeite mich mit dem Mund seine Brust entlang nach unten vor. Sein Schwanz ist bereits hart und presst sich gegen meinen Bauch. »Guten Morgen.«

»Das ist definitiv ein guter Morgen«, sagt er, während ich tiefer rutsche und die Hand um seine dicke Erektion schließe.

Dann lecke ich über die Spitze. »Gott, Carrie«, murmelt er mit rauer, belegter Stimme.

Ich liebe es, wenn ich diese Wirkung bei ihm erziele. Ich liebe es, ihn genauso außer Kontrolle zu bringen, wie er es mit mir tut. Wieder streiche ich mit der Zunge über seinen Schaft, und er zieht leise den Atem ein. Ich will aber nicht, dass er leise ist. Deshalb nehme ich seinen Penis in den Mund, nur das weiche Ende, und sauge daran. Er hebt die Hüften, doch noch bekommt er nicht dieses »Mehr« von mir, nach dem er verlangt. Stattdessen lasse ich die Zunge um ihn herumgleiten und bewege den Mund hin und her, bis er meinen Kopf in die Hände nimmt und die Finger in mein Haar krallt.

»Hör auf, mich anzustacheln, Carrie.«

Das ist zwar ein Befehl, aber in seinem tiefen, groben Kommandoton schwingt genau die Verzweiflung mit, auf die ich aus bin.

Unschuldig blicke ich ihn an, dann nehme ich ganz langsam mehr von ihm auf, fahre gleichzeitig mit der Zunge über die Unterseite seines Glieds, bis ich meine Hand erreiche, die ihn immer noch umklammert hält – und das nicht gerade sanft. In seinem Gesicht spiegeln sich pure Lust und Erregung wider, was sich auch auf mich auswirkt. Es törnt mich an, macht mich feucht, und meine Brustspitzen schmerzen. Ich beginne, an ihm zu saugen, und als ich den Mund auf und ab bewege und dabei auch noch vor und zurück schwinge, verstärkt sich sein Griff in meinem Haar, und er wölbt mir die Hüften entgegen. Schließlich spannen sich die Muskeln in seinem Oberschenkel an, auf dem meine andere Hand liegt. Er fängt an, in meinen Mund zu stoßen, und ich spüre, wie er immer erregter wird, sich immer weiter dem Punkt nähert, ab dem es kein Zurück mehr gibt, und trotzdem versucht er, meinen Kopf zurückzuschieben.

»Carrie, hör auf, sonst kann ich mich nicht mehr bremsen«, sagt er. »Carrie.«

Doch ich denke gar nicht daran. Er hat auch nie aufgehört, wenn ich nach mehr verlangt habe und wenn er mich so richtig befriedigen wollte. Schließlich gibt er den Kampf auf. Er ist kurz davor, dann erklimmt er den Gipfel. Heftig zuckt er unter meinen Handflächen zusammen, und ich spüre den salzigen Geschmack seiner Erleichterung auf meiner Zunge und in meiner Kehle. Aber ich ziehe mich nicht zurück. Stattdessen verlangsame ich mein Tempo, begleite ihn bis zum Ende, und als er fertig ist – als ich mir sicher bin, dass er vollkommen gesättigt ist -‍, nehme ich die Hand weg und löse die Lippen von ihm.

Er zieht mich zu sich und legt sich auf mich. »Carrie.«

»Reid.«

»Lass uns zu mir fahren und duschen. Bleib heute Abend nach der Party bei mir.«

Ohne den Hauch eines Zögerns antworte ich: »Ja. Ich packe nur noch ein paar Sachen zusammen.«

In diesem Moment klingelt mein Handy, das auf dem Nachttisch liegt. Ich schließe die Augen. »Das wird er sein«, sage ich, und es ist klar, dass ich meinen Vater meine.

Reid lehnt seine Stirn an meine. »Ja, das denke ich auch.« Er gibt mir einen Kuss auf die Schläfe, rollt sich herum und sammelt seine Sachen ein, bevor er ins Bad verschwindet. Mein Handy hört auf zu klingeln, und als ich es vom Nachtschrank nehme, habe ich die Bestätigung: Es war tatsächlich mein Vater. Ich schlage die Bettdecke zurück, suche ebenfalls meine Sachen zusammen und ziehe mich an.

Reid kommt aus dem Bad und bleibt mir gegenüber auf der anderen Seite des Bettes stehen.

»Ruf ihn zurück, Kleines. Du solltest dir anhören, was er zu sagen hat, und ich will sichergehen, dass du danach immer noch zu mir und uns stehst.«

»Ich weiß nicht, ob ich mich heute damit befassen will. Wir haben kaum geschlafen, und das Treffen heute Abend ist wichtig.«

»Umso wichtiger, dass wir das hinter uns bringen.«

Ich mag es gar nicht, dass das Bett zwischen uns steht. Ich hasse es, dass mein Vater zwischen uns steht, nachdem ich endlich einen Mann gefunden habe, den ich an meiner Seite haben will.

»Du hast ja recht.«

»Ich gehe runter und mache Kaffee.« Nach diesem Beschluss kommt er ums Bett herum, gibt mir einen schnellen Kuss auf den Mund und geht dann. Ich schaue ihm nach, bis er aus der Tür verschwunden ist. Dass er mir in diesem Moment meine Privatsphäre lässt, bedeutet viel: Damit will er mir sagen, dass er mir vertraut und dass ich ihm umgekehrt auch vertrauen kann.