Reid
Ich habe gerade mein Telefonat mit einem der Investoren beendet, der mir eine ganze Menge Geld geboten hat und sich mit mir treffen möchte, als Connies Stimme aus der Gegensprechanlage hallt: »Dein Vater kommt gerade auf dein Büro zugestürmt. Sallie versucht, ihn aufzuhalten.«
»Scheiße«, murmle ich. »Kümmere du dich um Sallie.«
»Mache ich.«
Sie hat die Worte gerade erst ausgesprochen, als mein Vater in mein Büro marschiert – in einem seiner teuren Anzüge – und sich gar nicht erst damit aufhält, die Tür zu schließen. Er kommt auf mich zu, als würde ihm die Firma gehören, und legt eine Mappe auf meinen Schreibtisch.
»Ich hab dir die Arbeit erspart: Das sind meine Rückzugsbedingungen und der Vertrag.«
»Du bist doch nicht hier, um mir deinen Ruhestandsvertrag zu bringen. Du willst doch nur noch mal darauf rumreiten, dass wir beide uns hier in dem ehemaligen Büro von Carries Vater befinden, um ihr wehzutun – weil sie seine Tochter ist. Oder hast du Angst, dass sie mich heiratet und an das Familienvermögen kommt?«
»Heiraten? Du willst diese Frau heiraten?«
Die Worte sind mir ohne das geringste Zögern aus dem Mund gekommen, und so nehme ich sie auch nicht mehr zurück. Im Hinterkopf habe ich sowieso schon von Anfang an gewusst, dass Carrie die Eine ist, die Frau meines Lebens.
»Wenn ich das Glück habe, dass Carrie meine Frau werden will, ja«, antworte ich. »Und daran siehst du, wie sehr ich bereit bin, dir wehzutun, wenn es um sie geht.«
Er stützt sich mit den Händen auf meinem Schreibtisch auf. »Wie bist du nur so geworden?«
»Hm, meine Mutter hat in einem Brief geschrieben, was für ein Mensch du wirklich bist, und weißt du, was ihre größte Angst war? Dass ich mal so werde wie du.«
Er richtet sich auf, und zum ersten Mal – abgesehen von dem Tag, an dem wir meine Mutter beerdigt haben – sieht er angeschlagen aus.
»Das hat sie nicht gesagt.«
»Doch, das hat sie. Du hast sie verletzt. Zutiefst verletzt. Sie war keine deiner geschäftlichen Eroberungen. Sie war deine Frau und meine Mutter.«
Er wendet den Blick ab und schließt kurz die Augen. »Lies dir den Vertrag durch«, sagt er dann, bevor er sich umdreht und geht.
Ich glaube zwar nicht, dass ihn das, was ich ihm gerade gesagt habe, verändern wird, aber es hat ihn getroffen. Offensichtlich gibt es doch noch eine menschliche Seite an ihm, und ich kann nur hoffen, dass ihn diese Seite zu einem Waffenstillstand bringt. Ich umrunde meinen Schreibtisch, verlasse mein Büro und durchquere den Empfangsbereich, um zu Carries Büro zu kommen. Als ich eintrete, steht sie mit dem Rücken zu mir am Fenster, wendet sich allerdings um, während ich die Tür schließe.
»Was geht dir gerade durch den Kopf?«
»Nichts. Ich warte darauf, dass du mir erzählst, was los war.«
Ich gehe zu ihr hinüber und stelle mich vor sie. »Er hat mir seinen Vertragsentwurf für seinen Rückzug gebracht, was er nur gemacht hat, um dich damit zu treffen, weil er ins Büro deines Vaters marschiert ist – wo auch noch sein Sohn sitzt. Ich denke, er hat Angst vor dir, Carrie.«
»Vor mir? Wieso sollte er?«
Sanft umfasse ich ihr Handgelenk und ziehe sie zu mir. »Weil du viel mehr Einfluss auf mich hast als er.«
Ihre schmalen, zarten Hände legen sich auf meine Brust, nur ganz leicht, und doch bringt mich diese Berührung innerlich aus der Fassung.
»Und mein Vater«, entgegnet sie und gibt mir damit genau die Antwort, auf die ich gewartet habe, »hat Angst, dass du viel mehr Einfluss auf mich hast als er.«
»Richtig. Sie haben Angst vor uns, Carrie. Wir sind die Generation, die den Krieg beenden wird, der seit Jahren ihr Leben bestimmt. Für sie hat sich das Ganze zu einer ewigen Schachpartie entwickelt. Es ging nur noch darum zu gewinnen, egal, wen sie dabei verletzen.« Ich ziehe ihren Rock hoch und schließe die Finger um ihren nackten Po.
»Du konntest nicht damit leben, nicht zu wissen, ob ich einen Slip anhabe, oder?«, fragt sie herausfordernd und legt die Hände auf meine Arme.
»Wo du recht hast … Verdammt, ich wünschte, ich hätte Zeit, dich so richtig zu lecken, aber ich muss mich gleich mit einem der Investoren treffen und dann den Vertrag, den mein Vater hiergelassen hat, zu Gabe bringen. Ich will nicht damit warten und dann irgendwelche bösen Überraschungen erleben. Am besten treffen wir uns um halb vier bei mir.«
»Hast du denn einen Smoking?«
»Ja, und der ist auch frisch gereinigt und gebügelt.«
Ich lasse sie los, greife in meine Hosentasche und hole meinen Schlüsselbund heraus, von dem ich den Zweitschlüssel zu meiner Wohnung entferne.
»Hier, für dich.«
Sie zieht ihren Rock wieder herunter, und als sie aufblickt und die Schlüssel sieht, weiten sich ihre Augen.
»Du gibst mir deinen Wohnungsschlüssel?«
»Ja.« Ich drücke ihn ihr die Hand. »Das tue ich. Ist das ein Problem?«
»Nein«, entgegnet sie leise. »Überhaupt nicht.«
»Dann ist es ja gut.« Liebevoll nehme ich ihren Kopf in beide Hände und küsse sie. »Bis später.« Ich wende mich um, gehe aus ihrem Büro, und wenige Minuten später mache ich mich auf den Weg nach draußen, den Vertragsentwurf meines Vaters in der Aktentasche. Bisher habe ich mir das Schriftstück noch nicht einmal angesehen, aber ich habe keinerlei Zweifel daran, dass ich irgendetwas darin finde, das mir nicht gefallen wird.
Nach einer Viertelstunde habe ich mein Büro in der Kanzlei erreicht, lese mir den Vertrag durch und stoße zielgenau auf das, was mein Vater für mich bestimmt hat: die Klausel, die besagt, dass er sich nur zurückzieht, solange niemand aus der Familie West in unsere Familie einheiratet, für unsere Firma arbeitet oder in irgendeiner Weise von einem Maxwell oder dessen Unternehmen profitiert. Wie es aussieht, haben Carries und mein Vater das gleiche Ziel: uns voneinander fernzuhalten.
Ich stehe auf und gehe zu Gabe ins Büro, der gerade an seinem Schreibtisch sitzt und telefoniert. Als er mich sieht, beendet er sein Gespräch.
»Was ist los?«
Ich schließe die Tür, durchquere den Raum und werfe ihm den Vertrag hin, in dem ich die Klausel markiert habe. Gabe lacht.
»Er ist echt so ein Scheißkerl, da kann man doch nur lachen. Ich hab schon so eine Idee, wie wir darauf reagieren sollten. Aber sag du zuerst, was du denkst.«
»Wir verkaufen unsere Anteile, steigen aus, und dann gehört ihm der ganze Laden – oder dem, der mehr bietet als er.«
»Genau das Gleiche habe ich auch gedacht.«
Ich rufe unseren Vater an. »Na, das ging aber schnell.«
»Hier ist mein Gegenvorschlag – ich bin hier bei Gabe, und wir sind uns einig: Du unterschreibst meinen Vertragsentwurf, den ich dir heute noch rüberschicke, oder wir verkaufen unsere Anteile Montagmorgen an den Meistbietenden.« Mit diesen Worten lege ich auf.
Gabes Mund verzieht sich zu einem Grinsen. »Fünf, vier, drei, zwei, eins.«
Mein Handy klingelt. »Ja, Vater?«, melde ich mich.
»Du wirst keine Maxwell-Anteile an irgendjemand anderen verkaufen.«
»Wir machen dir ein faires Angebot und räumen dir das Vorkaufsrecht ein.«
»Ihr würdet doch nie die Firma verlassen.«
»Wir können auch ohne die Kanzlei überleben, und das erfolgreich, denn egal, wie viele Anwälte hier noch arbeiten mögen, wir sind das Herz dieser Firma. Du hast bis Montag Zeit.« Wieder lege ich auf und schaue Gabe an. »Ich setze einen Entwurf auf und schicke ihn dir zur Durchsicht.«
***
Carrie
Es ist fünfzehn Uhr dreißig, als ich in Reids Wohnhaus ankomme, und ich bin gerade erst aus dem Fahrstuhl getreten, als er anruft.
»Ich verspäte mich leider. Bin erst gegen Viertel nach vier da.«
»Das wird aber ziemlich eng.«
»Ja, ich weiß, glaub mir. Aber ich komme jetzt erst aus dem Meeting, das allerdings gut gelaufen ist. Ich nehme die U-Bahn, das geht schneller. Ich bin gleich unten im Tunnel. Bis später.« Er beendet die Verbindung, und ich gehe zu seiner Wohnungstür und hole den Schlüssel heraus, den er mir gegeben hat. Einen Schlüssel. Für seine Wohnung. Das kommt mir vor wie eine Botschaft, eine Einladung, ihn besser kennenzulernen und ein Teil seines Lebens zu sein. Lächelnd schließe ich die Tür auf. Ich möchte nichts lieber, als Teil seines Lebens sein.
Eilig betrete ich die Wohnung und halte mich gar nicht erst lange unten auf. Ich habe noch nicht ausgepackt, und als ich im Schlafzimmer bin, setze ich tatsächlich Reids Vorschlag in die Tat um: Ich hänge einige meiner Sachen in seinen Schrank. Als ich anschließend das Regal betrachte und unsere Sachen nebeneinander hängen sehe, spüre ich Schmetterlinge im Bauch. Ich glaube, ich fange an, Reid zu lieben. Wobei: Wahrscheinlich tue ich das schon längst, aber noch kommt es mir zu früh vor, um von Liebe zu sprechen. Wie kann es sein, dass ich nach der kurzen Zeit schon solche Gefühle habe? Ich habe noch nie einem Mann gesagt, dass ich ihn liebe. Und mit Reid teile ich mir mittlerweile einen Kleiderschrank, nachdem unsere Beziehung völlig am Ende war. Wahrscheinlich bin ich verrückt, aber irgendwie ist mir das egal.
Ich lege mein smaragdgrünes Kleid heraus und springe schnell unter die Dusche – heute Abend möchte ich mich frisch fühlen. Danach stehe ich im Morgenmantel im Bad und habe gerade meine Haare mit dem Glätteisen in eine seidige braune Mähne verwandelt – was in der feuchten Luft von Manhattan sowieso direkt wieder zerstört wird -, als Reid endlich hereinkommt. Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Sechzehn Uhr zwanzig.
»Das wird aber echt knapp.«
»Ich weiß, aber wir Männer sind schnell fertig.« Er gibt mir einen Kuss und betritt den Wandschrank. Ich muss daran denken, dass meine Sachen jetzt neben seinen hängen, deshalb drehe ich mich um und beobachte die Tür. Ein langer Moment vergeht, bis Reid endlich wieder auftaucht und mich mit warmem Blick ansieht.
»Du hast dir also tatsächlich einen Platz ausgesucht«, sagt er mit rauer Stimme.
»Ja. Das war doch immer noch okay, oder?«
Mit wenigen Schritten ist er bei mir und zieht mich an sich. »Es ist genau das, was ich wollte, Carrie. Und«, er umfasst meinen Po, der unter dem dünnen Seidenstoff meines Morgenmantels nackt ist, »du hast vor, das smaragdgrüne Kleid anzuziehen. Zumindest hast du es rausgelegt.«
»Ja, das stimmt.«
Seine Augen glühen. »Wenn du einen Slip drunter trägst, versohle ich dir den Arsch, wenn wir nach Hause kommen. Wenn nicht, lecke ich dich. Beides bekommst du nicht. Also, entscheide selbst.«
Oh, mein Gott. Plötzlich bin ich feucht, erregt, und überall an meinem Körper kribbelt es, und bevor ich mich von diesem Ansturm der Gefühle erholen kann, schlägt Reid mir so heftig auf den Hintern, dass mir ein Keuchen entschlüpft. Dann dreht er mich abrupt zum Waschtisch um.
»Lass mich dir einen kleinen Anreiz geben.« Mit einem Ruck zieht er meinen Morgenmantel hoch. »Ich werde dir jetzt schon den Arsch versohlen.«
»Was? Reid …«
»Zähle. Eins. Zwei. Jetzt.« Er schlägt zu. Einmal, zweimal, dreimal. Danach dreht er mich wieder um, hebt mich auf den Waschtisch und kniet sich zwischen meine Schenkel, bevor er über meine nackte Klitoris leckt. Und das war’s: Er will mich nur anstacheln. Dann steht er auf. »Das war ein kleiner Vorgeschmack auf nachher. Für dich und für mich. Du entscheidest, wie wir den Abend beenden.« Und mit diesen Worten wendet er sich ab, geht zur Dusche hinüber und zieht sich aus, bevor er die Kabine betritt und mich mit meinem brennenden Hintern und einem harten Ziehen in meinem Unterleib zurücklässt. Denn Reid Maxwell weiß ganz genau, wie er mein Verlangen nach mehr weckt.