Carrie
Als wir schon in der Luft sind, kommt ein Sturm auf, und unsere Landung verspätet sich. Fünfundvierzig Minuten lang kreisen wir über dem Flughafen. Als wir endlich landen, bleibt mir gerade noch genug Zeit, um nach Hause zu fahren, meinen Koffer zu holen und in ein Taxi zu springen. Am liebsten würde ich Reid anrufen, aber ich denke, er muss mit eigenen Augen sehen, dass ich am Flughafen stehe. Dieser Plan funktioniert so lange gut, bis ich am Flughafen ankomme und im Sicherheitsbereich die Hölle los ist, weil es an diesem Morgen offensichtlich irgendeine Bedrohung gegeben hat. Jeder Passagier wird durchsucht.
Ich versuche, Reid anzurufen, aber ich bekomme nur ein Besetztzeichen.
»In diesem Bereich des Flughafens hat man nie Netz«, sagt ein Mann hinter mir.
»Oh. Danke.«
Nein. Nein. Nein. Das darf nicht passieren.
Ich muss noch weitere zwanzig Minuten warten, dann renne ich wie eine Verrückte zu meinem Gate und kann nur noch zusehen, wie sich die Türen schließen.
»Nein!«, schreie ich. »Ich hab ein Ticket für diesen Flug.«
»Tut mir leid, Ma’am. Das verstößt gegen die Luftfahrtbestimmungen. Sobald die Türen zu sind, dürfen sie nicht wieder geöffnet werden. Wir können Sie aber zum Ticketschalter bringen, damit Sie umbuchen können.«
Reid wird glauben, ich wollte nicht mit ihm nach Japan fliegen.
***
Reid
Sie ist nicht gekommen. Ich bin so am Boden zerstört wie noch nie zuvor in meinem Leben. Zwei Whiskeys später ist der Sitz neben mir immer noch leer, und ich kann einfach nichts gegen diesen verdammten Schmerz in meinem Herzen tun. Mittlerweile sind erst zwei Stunden des sechzehnstündigen Fluges vergangen, deshalb beschließe ich, mich in die Arbeit zu stürzen. Ich muss irgendetwas tun, um mich von diesen verdammten Gedanken abzulenken. Also hole ich meinen Laptop heraus und logge mich ins Internet ein.
Sofort poppt eine Nachricht von Carrie auf: Bitte sag mir, dass du online bist.
Ich starre nur auf die Buchstaben, nicht sicher, ob ich antworten will. Gerade weiß ich überhaupt nichts mehr. Als ich nicht antworte, schreibt sie: Ich war am Gate, aber genau in dem Moment haben sie die Türen geschlossen. Mein Flieger aus Montana konnte eine Stunde lang nicht landen, und dann war am Sicherheitsbereich die Hölle los. Mein Vater kam erst eine Stunde, bevor ich losmusste, auf die Ranch zurück. Bitte rede mit mir. Bist du online? Ich liebe dich, Reid. Ich habe dir immer vertraut. Ich sitze jetzt im Flieger, habe umgebucht. Es ist ein Non-stop-Flug, das heißt, ich komme vor dir an. Ich warte am Gate auf dich. Ich weiß jetzt über alles Bescheid. Keine Ahnung, ob du diese Nachricht überhaupt liest, jedenfalls warte ich auf dich.
Auf einmal bekomme ich wieder Luft. Ich schreibe zurück: Ich hab alles gelesen.
Sie antwortet sofort: Bitte sag, dass du mir glaubst. Ich hab alles versucht, um zu dir in diesen blöden Flieger zu kommen. Ich bin nur nach Montana geflogen, damit wir diese ganze Sache endlich hinter uns lassen können.
Ich wünschte, du wärst jetzt hier, antworte ich.
Ich wäre jetzt auch gerne bei dir, schreibt sie.
Was genau heißt, du weißt über alles Bescheid?, frage ich.
Ich weiß von der Verpflichtungserklärung, schreibt sie. Und dass er dich erpresst hat. Aber das meiste hat nicht er mir erzählt, sondern seine neue Freundin. Sie musste ihn zwingen, mir den Rest zu erzählen. Selbst, als ich ihm gesagt habe, wie viel du mir bedeutest, wollte er mir nichts erzählen.
Ich hab das ernst gemeint, dass es mich fast umgebracht hat, das vor dir geheim zu halten, antworte ich.
Du warst dazu verpflichtet, schreibt sie. Und du sollst wissen, dass ich ihn gar nicht darauf angesprochen hätte, aber ich habe gedacht, ich könnte ihn dazu bringen, den Deal rückgängig zu machen. Nach dem heutigen Gespräch weiß ich allerdings, dass ich keine Chance gehabt hätte. Du hast uns alle beschützt.
Erleichterung erfasst mich, und den Rest des Fluges chatten wir miteinander über alles Mögliche – zum Beispiel darüber, was wir gerade tun oder wie wir unsere Katze und unseren Hund nennen wollen -, bis sie schließlich landet. Dann klappe ich meinen Laptop zu und beschließe, dass ich nicht mehr länger warten kann. Ich öffne meine Tasche, die unter dem Sitz steht, und hole die samtene Schmuckschachtel heraus.
***
Carrie
Ich stehe im Wartebereich und halte nach Reid Ausschau, und als er endlich auftaucht – wahnsinnig attraktiv und maskulin in seiner ausgeblichenen Jeans und dem schwarzen, langärmeligen Sweatshirt -, beschleunigt mein Herzschlag auf Tempo hundert.
»Reid!«
In der Sekunde, als er mich ansieht, fängt mein Herz an zu hüpfen. Erst jetzt, während unsere Blicke sich treffen, kann ich endlich wieder frei atmen. Bei uns ist alles in Ordnung. Mehr als in Ordnung. Er geht schneller, kommt um die Pfeiler herum, die uns noch voneinander trennen, und dann liege ich in seinen Armen und er küsst mich, voller Leidenschaft und Sehnsucht.
»Du hast mir gefehlt.«
»Du mir auch. So was machen wir nie wieder, okay?«
Er nimmt meine Hand. »Komm mit.« Dann setzt er sich in Bewegung und führt mich um eine Ecke in einen relativ leeren Gang, wo er mich hinter einen weiteren Betonpfeiler zieht. »Wir fliegen über Weihnachten nach Paris. Eigentlich sollte das eine Überraschung sein.«
»Was für eine tolle Idee. Paris ist der perfekte Ort, um Weihnachten zu verbringen. Ich freue mich.«
»Eigentlich wollte ich das hier dort machen, aber ich muss es einfach jetzt tun.«
Stirnrunzelnd sehe ich ihn an. »Was denn?«
Er geht auf ein Knie und holt eine Samtschachtel heraus. »Willst du mich heiraten, Carrie?« Er öffnet die Schachtel und bringt einen wunderschönen Diamantring mit einem Smaragd in der Mitte zum Vorschein – ein Stein, der so viel Bedeutung für uns hat.
»Ja. Ja, und dieser Ring ist so schön.« Mir kommen die Tränen, als er ihn mir an den Finger steckt.
»Ich habe ihn extra anfertigen lassen.« Er steht auf. »Er sollte so einzigartig sein, wie du für mich bist.« Liebevoll nimmt er mein Gesicht in beide Hände. »Ich will, dass du meine Frau wirst.«
»Und ich will, dass du mein Mann wirst.«
»Dann können wir ja glücklich bis ans Ende unserer Tage leben«, sagt er.
»Nur wir beide, mit einer Katze und einem Hund.«
Er lacht. »Ja, nur wir beide mit unseren zwei Haustieren.« Zärtlich legt er den Arm um mich, und gemeinsam gehen wir auf den Ausgang zu.
»Wie wäre es mit Hot und Dog als Namen?«, frage ich. »Dann könnten wir sie immer Hotdog rufen.«
»Nein«, wehrt er sofort ab. »Wir werden sie ganz sicher nicht Hot und Dog nennen.«
»Erdnuss und Butter?«
Wieder lacht er, und in diesem Moment beschließe ich, dass ich es mir zu meiner Lebensaufgabe mache, diesen Mann bis ans Ende seiner Tage zum Lachen zu bringen.
Ende … vorerst