Luana
»Jetzt nicht, Luana«, winkte Ysanoa ab. Das Schiff war seit einigen Augenblicken auf dem Meer und sie würden Redons Festland noch vor Sonnenuntergang erreichen.
»Es ist dringend«, beharrte Luana. »Es wird auch nicht lange –«
»Nein.« Ysanoa warf ihrer Tochter einen strengen Blick zu, der sie zum Schweigen brachte, obwohl sie innerlich kochte.
»Was ist hier los?« Mara sah von ihrer Schwester zu ihrer Mutter.
Luana reckte das Kinn. »Wusstest du das von Vater?«
Während Mara fragend eine Augenbraue hob, entglitten Ysanoa die Gesichtszüge. »Wovon sprichst du?«
»Also hast du doch einen Moment für mich, Mutter?«
»Jetzt sprich«, drängte Mara.
»Kay!«, rief Luana, und ihre jüngere Schwester eilte herbei.
»Was gibt es?«
Ysanoa räusperte sich. »Hier ist sicher nicht der beste Ort, um über … Familienprobleme zu sprechen.«
»Wir haben Familienprobleme?«, warf Kaylin ein. »Ernsthaft?«
Mara verdrehte die Augen. »Ich habe nicht ewig Zeit.«
»Weil die Schifffahrt so wichtig ist?«
»Warum bist du überhaupt mitgekommen?«, fragte Mara Kaylin, die daraufhin nur mit den Schultern zuckte.
»Ich gebe dir eine Chance, es uns selbst zu erzählen, Mutter.« Luana bedachte Ysanoa mit einem ernsten Blick, doch diese wich ihr aus.
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
»Darüber, dass Vater ein Halbelf war.« Mara sog scharf die Luft ein, Kaylin gab ein quiekendes Geräusch von sich, und Ysanoa tat so, als hätte Luana nichts gesagt. »Wirklich, Mutter? Nichts?«
»Ich wüsste nicht, warum wir darüber sprechen sollten. Er ist schließlich nicht mehr da.«
»Mutter!« Mara hatte entrüstet die Arme ausgebreitet. »Stimmt das?«
Ysanoa schluckte schwer, dann nickte sie kaum merklich. »Ja.« Irrte Luana sich oder zitterte ihre Stimme?
»Aber wie kann das sein?«
»Das ist verrückt«, murmelte Kaylin, ihr Gesichtsausdruck wirkte weniger entsetzt als der von Mara. Vielleicht sogar ein bisschen stolz.
Bevor Ysanoa sich äußern konnte, wurde das Schiff von einer Welle durchgeschüttelt, sodass sich alle vier Frauen instinktiv aneinander festhielten. In der Ferne hörte Luana Elora spitz aufschreien. Die Hohe Lady war anscheinend nicht oft mit dem Schiff unterwegs. Nicht weit von ihnen entfernt klammerten sich Aron und Selphie an die Reling. Während ihr Seelengefährte versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass er sich erschreckt hatte, strahlte Selphie bis über beide Ohren, als sie das Meer beobachtete.
»Das ist ihre erste Schiffsfahrt«, sagte Kaylin lächelnd.
»Sie ist begeisterungsfähig«, stellte Luana fest. »Eine Eigenschaft, die unserem Volk mit den Jahrhunderten abhandenkommt.«
»Können wir zurück zum eigentlichen Thema kommen?«, fragte Mara ungeduldig.
»Wenn Mutter nichts dazu erzählen möchte, kann ich –«
»Heilige Eiyune, Luana!«, keifte Ysanoa. Luana wollte etwas erwidern, da sah sie, dass die Augen ihrer Mutter feucht schimmerten. »Was spielt das noch für eine Rolle? Er ist fort.«
»Er ist fort und wir wissen kaum etwas von ihm.« Maras Stimme hatte einen traurigen Klang angenommen. »Es sind bereits Jahrzehnte vergangen und die Erinnerungen verblassen. Sein Gesicht verblasst, seine Stimme verblasst.«
Ysanoa drehte sich weg, Luana war jedoch sicher, dass sie weinte.
»Mutter«, sagte Mara und klang nun etwas weicher. »Alles, was du uns von ihm erzählen kannst, macht ihn wieder ein bisschen lebendiger.«
»Ich wollte mich nicht in ihn verlieben.« Ysanoa wandte sich erneut ihren Töchtern zu, Tränenspuren glänzten auf ihren Wangen, doch sie lächelte. »Aber ich konnte nicht anders. Ich war zum ersten Mal auf Redon, die ganzen neuen Eindrücke überwältigten mich. Am Abend habe ich mein Schiff für die Rückfahrt nach Erloven verpasst und musste in einem Gasthaus unterkommen.« Sie hielt kurz inne, und Luana bemerkte, dass sie vergessen hatte zu atmen. Diese Geschichte hörte sie zum ersten Mal. Ihre Eltern hatten ihr einst erzählt, dass sie sich an einer Akademie kennengelernt hatten.
»Ich hatte nicht genug Geld bei mir«, fuhr Ysanoa fort. »Der Wirt wollte mich rauswerfen, aber Lumis stimmte ihn friedlich. Er bezahlte für mein Zimmer. Natürlich fuhr ich nur wenige Tage später wieder zurück nach Silbersturm, um ihm zum Dank ein Bier auszugeben.« Das Lächeln auf ihren Lippen wurde traurig. »Ich hätte mir denken können, dass das schiefgeht. Er war ein Halbelf und Eure Großmutter war außer sich vor Wut, aber«, sie sah unauffällig zu Elora rüber, »es war mir egal.«
Mara wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, Kaylin schniefte leise. Und Luana fiel es nicht leicht, sich nicht ebenfalls ihren Gefühlen hinzugeben.
»Seid ihr … Wart ihr …«
»Ja«, antwortete Ysanoa, bevor Luana ihre Frage formulieren konnte. »Wir sind einen Seelenbund eingegangen.«
»Und doch lebst du, obwohl er …«
Erneut sammelten sich Tränen in Ysanoas Augen, ehe sie den Blick auf ihre Hände senkte. »Er war eben nur ein Halbelf«, sagte sie resigniert. »Seine Seele war sterblich, meine nicht. Wir haben uns auf der geistigen Ebene verbunden, nicht jedoch auf der physikalischen. Ich wusste es nicht. Als er starb, da … Ich habe geschrien und geweint und mein Herz hat so sehr geschmerzt. So sehr, dass ich wusste, ich würde auch sterben. Das glaubte ich zumindest. Erleichterung flutete mich bei dem Gedanken, jeden Moment wieder mit ihm vereint zu werden. Es tut mir so leid, dass ich so empfunden habe. Ich habe mich immer dafür geschämt. Ich hatte schließlich noch euch. Aber … in diesem einen Moment wollte ich nichts sehnlicher, als ihm in den Tod zu folgen.« Sie sah auf und lächelte schwach. »Doch es passierte nicht.«
»O Mutter«, schluchzte Kaylin und schloss die Arme um Ysanoa.
Luanas Gedanken rasten. Diese Worte von ihrer Mutter zu hören, bedeutete ihr viel. Und trotzdem schweifte ihr Blick zu Aron, der in diesem Moment über etwas lachte, das Selphie ihm mit leuchtenden Augen erzählte. Irgendetwas in ihr, so merkte sie gerade, hatte die leise Hoffnung gehabt, die Unsterblichkeit ihrer Seele wäre auch auf die seine übergegangen, als sie sich verbunden hatten. So leise diese Hoffnung auch gewesen war, es tat ihr im Herzen weh, dass sie in diesem Augenblick zerbrach. Sie sah zurück zu ihrer weinenden Mutter und stellte fest, dass sie ihr Spiegelbild war. Eine Vision ihrer Zukunft. Die Erkenntnis schnürte ihr die Kehle zu. Ihr Magen drehte sich um und sie schnappte nach Luft.
»Luana!« Mara war an ihre Seite getreten und stützte sie.
»Lu!«, hörte sie Aron rufen, aber seine Stimme drang kaum zu ihr durch. Sie spürte seine Hände, die sich um ihre Taille schlossen. »Was ist los? Was ist passiert?«
»Wir haben uns nur unterhalten«, sagte Kaylin aufgebracht.
Doch Luanas Blick suchte den ihrer Mutter, und als er ihn fand, erkannte sie, dass Ysanoa verstand.
___
Tatsächlich erreichten sie den Hafen Silbersturms spät am Abend. In einigen Häusern brannten noch Kerzen, die ihr Licht durch die Fenster warfen und ihnen gemeinsam mit den ersten Mondstrahlen den Weg leuchteten. Luana versuchte den Rat davon zu überzeugen, die Nacht in einem Gasthaus zu verbringen, doch wie auch immer Elora das gemacht hatte, es standen bereits zwei Kutschen für die Überfahrt nach Kaltennest bereit.
»Ich kann nicht mit euch fahren«, flüsterte Aron Luana zu, während sie über den Steg liefen, der sie zurück aufs Festland brachte. »Ich muss nach Arian sehen.«
»Ich weiß«, gab sie leise zurück. »Ich komme selbstverständlich mit dir.« Wenn sie daran dachte, was mit Ferodan geschehen war, lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter.
Aron sah sie irritiert an. »Und wie sollen wir erklären, dass wir nicht in die Kutsche steigen?«
»Gar nicht. Wir fahren mit Kaylin und Selphie. Also offiziell. Inoffiziell fahren die beiden allein, während der Hohe Rat in der anderen Kutsche sitzt«, sie nickte zu dem Gefährt, das an der Straße auf sie wartete. »Die beiden werden uns nicht verpfeifen. Ich spreche gleich mit einem der Kutscher und frage ihn, wann sie rasten und wo. Dann schließen wir zu ihnen auf, nachdem wir sichergestellt haben, dass mit Arian alles in Ordnung ist.«
»Gut«, sagte Aron. »Das klingt machbar.«
»Gut?«, wiederholte Luana. »Das ist brillant. Einfach, aber brillant. Kurz bevor wir Kaltennest erreichen, wird Kaylin übrigens reisekrank werden. Sie wird sich erbrechen und wir werden eine weitere Rast einlegen müssen.«
»Ich bin nicht reisekrank!« Kaylin war zu ihnen getreten und hatte die Hände in die Hüften gestemmt, doch Luana hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Ihr Blick war zwischen zwei Bäume nicht weit von ihnen geglitten. Die Hauptstadt Redons lag nicht nur am Meer, sondern auch am Rande des Erlenwaldes, dessen Baumkronen hoch in den dunklen Himmel ragten.
»Lu?«
»Da ist jemand«, sagte sie leise, ohne die Gestalt im Wald aus den Augen zu lassen. Etwas in ihrem Magen zog sich zusammen, als die Gestalt, ein Mann, den Arm hob und – sie herbeiwinkte?
»Kennst du den?«, fragte Kaylin, woraufhin sie den Kopf schüttelte.
Meinte er wirklich sie? Luana blickte hinter sich, doch die anderen stiegen bereits in ihre Kutschen, niemand sah zu dem Mann im Wald. Sie gestand sich ein, dass sie im ersten Moment – vielleicht für den Bruchteil einer Sekunde – an Kian gedacht hatte. Aber der Mann schien nicht annähernd so groß und gut gebaut zu sein wie der Schattenelf. Soweit sie erkennen konnte, war er um seine Mitte herum etwas kräftiger und hatte schmalere Beine.
»Verdammt sei das alles«, murmelte sie und bewegte sich auf ihn zu.
»Ich komme mit!« Aron schloss zu ihr auf und der Mann bewegte sich nun ebenfalls in ihre Richtung. Er hatte sich seine Kapuze ins Gesicht gezogen und hielt einen Umschlag in der Hand. War er ein Bote? Als sie nur noch wenige Meter trennten, stellte Luana fest, dass er sehr jung war und nervös wirkte.
»Luana Fenhorn?«, fragte er mit dünner Stimme.
Ihr fiel auf, dass er ihren Titel wegließ. Das hieß, er war entweder ein Mensch oder kein Freund der Fenhorns.
»Wer will das wissen?«
»Seid Ihr es oder seid Ihr es nicht?« Erst jetzt blickte er ihr fest in die Augen. Vielleicht war er doch selbstbewusster als angenommen.
»Ich bin es.«
»Dann habe ich eine Botschaft für Euch. Oriana schickt mich.«
Aron zuckte neben ihr kurz zusammen und auch Luana musste scharf die Luft einziehen. »Das bedeutet, sie ist aufgewacht?«
»Sie ist wohlauf, lässt sie ausrichten.« Mit diesen Worten überreichte der Junge ihr den Brief, drehte sich um und verschwand zurück in den Wald.
Reglos stand Luana da, starrte ihm hinterher, bis er verschwunden war, und schaute schließlich hinab auf den Brief in ihren Händen. Das war wirklich Orianas Siegel. Erleichterung flutete ihren Körper. Ob Ferodan ebenfalls bei Bewusstsein war?
»Mach ihn auf«, drängte Aron, und sie erwachte aus ihrer Starre. Mit zitternden Fingern brach sie das Siegel und faltete das Pergament auseinander.
»Luana, Aron, ich hoffe, diese Nachricht erreicht euch, wenn ihr am Hafen von Silbersturm ankommt. Ferodan und ich erholen uns noch von dem Angriff, kommen aber zurecht. Was mich beunruhigt, ist die Tatsache, dass Arian sich nicht länger im Verlies befindet.« Luana flüsterte die letzten Worte und hielt inne.
Aron nahm ihr den Brief aus der Hand und las eilig weiter: »Die Gitterstäbe wurden auseinandergebogen und nun fehlt jede Spur von ihm. Gebt bitte auf euch acht. Oriana.« Er ließ die Hand mit dem Brief sinken und sah sie an. »Er ist weg.«
Luana atmete geräuschvoll aus, bevor sie die Lippen aufeinanderpresste. Die Erleichterung von eben hatte sich beinahe gänzlich verflüchtigt. »Mehr steht da nicht?« Als Arons Gesichtsausdruck nur noch düsterer wurde, strich sie ihm sanft über den Arm. »Ich bin mir sicher, es geht ihm gut.«
Aron nickte langsam. »Jemand muss ihn befreit haben.«
»Dann müssen wir überlegen, wer einen Grund dazu gehabt hätte.« Sie hielt einen Moment inne. »Jemand, der außerdem stark genug ist.« Denn den Schlüssel zu seinem Käfig hatten sie sicher in Orianas Zimmer versteckt.
»Und wenn er selbst ausgebrochen ist?«, fragte Aron, nachdem er über ihre Worte nachgedacht hatte.
Luana zog die Augenbrauen hoch. »Dann wäre er schon früher abgehauen.«
»Wenn er gewartet hat, bis wir weg waren?«
»Ich weiß nicht. Ob es Pertheas war? Wenn er wieder hier in Eseria ist?«, flüsterte sie und warf erneut einen Blick hinter sich zu den Kutschen.
»Du hast es selbst gesagt, Lu: Er ist zu schwach. Er könnte allerdings jemanden geschickt haben.«
»Aber zu welchem Zweck? Und woher soll er gewusst haben, wo sich Arian aufhält?« Sie seufzte. »Vielleicht hast du recht und er ist tatsächlich selbst ausgebrochen.«
»Wo könnte er hin sein?«
Luana zuckte mit den Schultern, ehe sich ihre Augen weiteten. »Was, wenn er nach Kaaya sucht?«
»Er weiß, dass sie ins Nebulum wollte. Und er weiß, wo sich die Risse befinden.«
»Dann sollten wir vor ihm dort sein«, wisperte Luana. »Bevor der Rat auf ihn stößt.«
»Meinst du, sie würden ihm etwas tun?«
Ihre Brust wurde eng, als sie sich an den Teil des Gesprächs mit ihrer Mutter erinnerte, von dem sie Aron noch nichts erzählt hatte.
»Ist alles in Ordnung?« Kaylin kam langsam näher und sah zwischen ihnen hin und her.
»Ja, wir kommen gleich«, erwiderte sie. »Geh schon mal vor.«
»Jetzt doch?«
»Ja, jetzt doch.«
Kaylin schien zu verstehen, dass sie gereizt war, und kehrte ohne ein weiteres Wort um. Wieder glitten Luanas Gedanken zurück zu Ysanoas Worten.
Aron nahm sie bei der Hand und ihr schlechtes Gewissen wurde größer.
»Aron«, begann sie und blieb stehen, als er gemeinsam mit ihr zu den anderen gehen wollte. »Ich habe noch mal mit meiner Mutter gesprochen, als ich sie allein vor der Waschkabine angetroffen habe.«
Er runzelte die Stirn. »Kannst du mir das auch in der Kutsche erzählen? Die anderen warten auf uns.«
Sie nickte knapp, dann eilten sie Hand in Hand zu den Kutschen.
»Warum habt ihr euch umentschieden?«, wollte Kaylin wissen, als Luana und Aron zu ihr und Selphie in die Kutsche stiegen, die kurz darauf losfuhr.
»Es gab eine kleine Planänderung«, gab sie zurück, woraufhin ihre Schwester fragend eine Augenbraue hochzog. Doch Luana winkte ab. »Lange Geschichte.« Unauffällig sah sie zu Aron, der dazu übergegangen war, aus dem Fenster zu gucken. Vielleicht hatte er ja vergessen, dass sie ihm noch etwas sagen wollte.
»Vater starb nicht bei einem Unfall, oder?«
»Nein …«
»Was ist passiert, Mutter?«
Sie musste es trotzdem tun. »Aron?«
Ihr Seelengefährte wandte sich ihr zu. »Erzählst du es mir, bitte?«
Nach einem Seitenblick zu Kaylin und Selphie wiederholte Luana die Worte ihrer Mutter, die sich in ihr Gedächtnis gebrannt hatten.
»Nach unserem Seelenbund manifestierte sich seine … Magie. Er … er konnte nicht mit ihr umgehen. Sie war anders. Sie war dunkel.«
»Schwarze Magie?«
»Ja … Sie hat ihn seinen Verstand gekostet.«
»Das ist das, was auch bei Arian passiert ist«, schloss Aron, begleitet vom lauten Traben der Pferde, die sie sicher durch den Wald brachten. »Seine Seele hat sich jedoch nicht durch einen Seelenbund wie bei deinem Vater verändert, sondern …«
»Ja«, antwortete Luana. »Es tut mir so leid.«
Aron schüttelte den Kopf. »Das muss nicht bedeuten, dass Arian dasselbe Schicksal ereilt. Vielleicht kann er lernen, es zu kontrollieren.«
»Aron …«, begann Luana. Dann erzählte sie ihm vom Rest des Gesprächs.
»Wir haben alles versucht, Luana. Blutheiler, Gedankenmagier … Niemand konnte ihm helfen. Sein ganzes Wesen veränderte sich, er wurde irgendwie … aggressiv. Er hatte seine Launen nicht unter Kontrolle.«
»Wie ist er gestorben, Mutter?«
Als Luana die Worte ihrer Mutter wiederholte, lief ein Schauder durch ihren Körper.
»Er hat mich angegriffen. Er war dabei, mich umzubringen. Und ich hätte mich lieber von ihm töten lassen, als ihn zu verletzen, aber … Deine Großmutter platzte ins Zimmer und … Sie hielt ihn auf.«
Luana endete, doch Aron blieb stumm. »Die Sache mit dem Bluttrinken hat Mutter nicht erwähnt. Das kommt dann wahrscheinlich daher, dass –«
»Ja«, unterbrach Aron sie schließlich. »Er sollte ein Umbren werden. Ich bin nicht dumm.«
»Du bist gereizt.« Sie legte die Hände an seine Wangen und zwang ihn, sie anzusehen. »Aber es ist wichtig, dass du das alles weißt. Damit wir vorbereitet sind.«
Vorbereitet darauf, dass Arian diese Verwandlung vielleicht nicht überlebte …
Aron entzog sich ihr und wandte sich wieder dem Fenster zu. Sie folgte seinem Blick, beobachtete die Bäume, die an ihnen vorüberzogen. Sie hatten ihre Blätter abgeschüttelt, und die spitzen, nackten Äste, die in den schwarzen Himmel ragten, hatten etwas Bedrohliches an sich. Silbern reflektierten sie das Mondlicht, das den Pferden den Weg wies. Luana fragte sich, wie die Hochelfen reagieren würden, wenn sie Arian fanden, wusste, dass Elora kein Problem damit hatte, Halbelfen aus dem Weg zu räumen, falls sie gefährlich wurden. Und Arian hatte mehr als nur einmal bewiesen, dass er die Kontrolle über sich selbst längst verloren hatte.