Blicken wir noch einmal auf die Magie des Geldes. Vermutlich wird Ihnen auffallen, dass Sie den einen oder anderen Gedanken – insbesondere in der Einleitung – schon einmal so oder so ähnlich gelesen haben. Das beruht weder auf einem Unfall noch auf Faulheit, sondern ist eine ganz bewusste Entscheidung. Eben wie eine Reprise in einem Musikstück nicht einfach nur eine Wiederholung ist: Denn erst vor dem Hintergrund der erzählten Geschichten lassen sich viele der eher abstrakte Überlegungen konkret verstehen. Schauen wir also noch einmal ganz genau hin:

Wie logisch, mathematisch, objektiv ist Geld also nun? Ist es tatsächlich ein harter Fakt oder eher sein Gegenteil? Erschöpft es sich tatsächlich in seiner Funktion als universelles Tauschmittel, als Wertspeicher, als Medium der Akkumulation, der Selbstvermehrung und als Maßeinheit? Und wenn das so ist: Was wird da eigentlich getauscht? Nur Geld gegen Waren und Dienstleistungen? Welche Werte werden gespeichert, was vermehrt sich da eigentlich, und was wird da gemessen? Nur Geld?

Geld hat wie gesagt ein Janus-Gesicht – es hat zwei widersprüchliche, nein, sich komplementär ergänzende Seiten: Die eine Seite der Medaille ist rational und sachlich, die andere Seite fiktional, ja mythisch. Was soll man von einer Sache, die lange Zeit nur als Münze im Umlauf war, auch anderes erwarten? Die postulierte Rationalität von Geld ist im Grunde nur ein auf kollektiver Autosuggestionskraft beruhendes Placebo. Ein Placebo, das verschleiern soll, wie sehr das Thema Geld vermint ist mit Dutzenden irrationaler, emotionaler und sich widersprechender (Wert-)Vorstellungen.

Als Wertspeicher ist Geld selten einfach nur Geld, ein Wintervorrat, der Konsum – potenziell bis nach unserem Tod – in die Zukunft verschiebt. Es ist immer auch eine Chiffre, ein Symbol und erklärt durch sein Vorhandsein ebenso wie durch seine Abwesenheit zumindest teilweise, wer wir sind, prägt unser Selbstverständnis, unsere Beziehungen bis hinein in die Definition unserer Geschlechterrolle.

Der Inbegriff des gefüllten Wert- und Geldspeichers ist Reichtum. Doch auch die Skala, mit der Geld dabei Reichtum misst, ist nicht einfach linear oder objektiv. Zunächst einmal ist die Antwort auf die Frage, was Reichtum für unterschiedliche Menschen bedeutet, ausgesprochen subjektiv und relativ. Kaum zu beantworten scheint auch die Frage, was eigentlich genug ist. Wo hört eine sinnvolle Akkumulation auf, und ist es gesund, die Ziellinie für die Definition von »genug« im Laufe seines Lebens immer weiter zu verschieben? Da die unbegrenzte Geldvermehrung zumindest im Diesseits irgendwann keinen Sinn mehr ergibt, knüpft sich an den Reichtum oftmals auch der Traum, nach dem eigenen Tod ein Vermächtnis zu hinterlassen, etwas, das bleibt, ein kleines Stück monetäre, säkulare Unsterblichkeit. Ein monetäres Vermächtnis, mit dem man versucht, den Tod doch noch ein Stück zu überlisten – insbesondere, wenn der Verstorbene es unternimmt, seine Nachkommen über Generationen hinaus mithilfe eines entsprechenden juristischen Regelwerks aus dem Grab heraus weiter zu regieren.

Das an den Reichtum geknüpfte Heilsversprechen ist ausgesprochen brüchig, und so wird Geld schnell zum trügerischen Surrogat von Status, Selbstwert, Identität, Anerkennung, ja Liebe – Letzteres insbesondere in Erbstreitigkeiten, wenn die zu wenig erfahrene Liebe zu Lebzeiten, post mortem in harten Euros kompensiert werden soll. Auch aufseiten der Erben gibt es also mitunter den Versuch, mithilfe von Geld dem Tod ein Schnippchen zu schlagen.

Ebenso brüchig und doppelbödig wie die Bewertung des eigenen Selbst durch akkumuliertes Geld, vulgo Reichtum, ist die Bewertung des Selbst durch einen Erfolg verkörpernden monatlichen Zahlungsstrom. Er ersetzt die komplexe Bewertung eines Menschen durch das, was der Mensch ist, erst durch die wesentlich einfachere – durch das, was er tut – und dann durch das, was dieses Tun monetär gemessen pro Monat oder Jahr wert ist. So reduziert sich der Wert eines Menschen im Extremfall auf eine mit einem Währungszeichen versehene Zahl. Haben statt Sein – kein besonders weiser Blick auf das Leben, oder? Kein Wunder also, dass diese Form der Selbstbewertung immer wieder kollabiert, insbesondere, wenn irgendwann der monatliche Dopamin-Kick durch den Gehaltseingang ausbleibt.

Wenn am Geld also nicht nur die unmittelbare Finanzierung meines Lebens hängt, sondern so viele (materielle) Träume und Wünsche, so viele (auch immaterielle) Wertvorstellungen, meine Identität und in Form eines Nachlasses auch ein Stück Unsterblichkeit: Ist es dann verwunderlich, dass der Umgang des Menschen damit so von Ängsten und Irrationalitäten geprägt ist? Dass daran so viele toxische Emotionen wie Gier, Neid und Schuld förmlich kleben? Brauchen Menschen auch deshalb die Amulette einer nur bedingt belastbaren Finanz- und Wirtschaftswissenschaft? Ist es ein Wunder, dass das Geld eine ganze Industrie von betrügerischen Finanzalchemisten, Verkäufern und Berater anzieht wie die Motten das Licht?

Die Mischung aus eigener Emotionalität, aus Angst und Gier auf der einen Seite und einer in weiten Teilen toxischen Finanzindustrie auf der anderen hat erstaunliche Nebenwirkungen für die finanzielle Lebensplanung vieler Menschen. Zumal die Finanzindustrie die kontraproduktiven Emotionen aus dem Interesse, möglichst satte Provisionen zu kassieren, auch noch bestens bedient. Das Ergebnis sind immer wieder nicht nur finanziell gescheiterte Lebensentwürfe: einmal, weil der Versuch, sein Vermögen möglichst schnell zu maximieren, häufig im Verlust dieses Vermögens endet. Zum Zweiten, weil die Unfähigkeit, rational mit Risiken umzugehen, immer wieder zu Fehlentscheidungen führt. Etwa Aktien in Krisenzeiten zu verkaufen oder erst gar nicht zu investieren – mitunter also gar keine Vermögensbildung stattfinden kann.

Wenn der Kapitalismus in unserer säkularen Welt in weiten Teilen an die Stelle der Religion getreten ist, dann ist das Geld darin logischerweise das Geheimnis des Glaubens: ein Medium, in dem eine immer fortwährende magische Wandlung stattfindet. Das ist für uns ebenso angsteinflößend wie bezaubernd. Blicken wir zuletzt also noch ein weiteres Mal auf diese magische Wandlung, auf die Funktion des Geldes als universelles Tauschmittel.

Geld tauscht sich nicht nur in Waren und Dienstleistungen, sondern ebenso in Status, Identität, Zufriedenheit, (Aus-)Bildung, ja sogar in Zeit. Manche dieser Transaktionen sind im wahrsten Sinne des Wortes zauberhaft, schaffen Gemeinsamkeiten: Erlebnisse, Erinnerungen, Beziehungen. In anderen Kontexten ermöglicht das im Geld enthaltene Potenzial Menschen die Freiheit, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten oder (finanzielle) Sicherheit für ihre eigene Familie zu garantieren. Doch neben diesen lebensverbessernden Transaktionen gibt es jede Menge toxische: etwa den Tausch von Geld in Hass, Angst, Neid, Einsamkeit oder Macht über andere. Und immer wieder erweisen sich Transaktionen, vor allem die in Statussymbole, als absurd, mitunter sogar als tragisch. Gerade da, wo Menschen weit über Ihre Verhältnisse konsumieren, ist das oft ein Symptom weit gravierenderer Probleme als nur der eines fehlgeleiteten Umgangs mit Geld.

Das Faszinierende: Monetäre Transaktionen funktionieren nicht nur in eine Richtung: Wenn man Geld etwa durch die Finanzierung einer Ausbildung oder eines Studiums in Bildung verwandeln kann, so knüpft sich daran ja fast immer auch die Erwartung eines monetären Return on Investment. Bildung scheint also ebenso ein Konsum- wie ein Investitionsgut zu sein. Ähnlich sieht es bei der Verwandlung von Geld in Beziehungen aus, sei es die Einladung eines Mandanten zum Mittagessen, die Bestechung eines Beamten in der Baubehörde oder den Besuch im Bordell. Auf beiden Seiten der Transaktion sehen dabei die Gewichtung von Beziehungs- und monetären Interessen unterschiedlich aus: Für den einen tauscht sich Geld in Beziehung, für den anderen Beziehung in Geld. Und wenn ich mir keine Liebe kaufen kann, dann doch zumindest die Illusion davon, oder die Beschleunigung meines Bauantrages.

Auch die Verwandlung von Geld in (gemeinsame) Erlebnisse ist mehr als eine reine Konsumausgabe: Die Erinnerungsrendite und die gestärkte Beziehung zahlen sich für uns oft ihr Leben lang aus. Nicht nur im Sinne von mehr Lebensqualität, auch ganz konkret monetär: als Sicherheitsnetz, erhöhte Resilienz, als Erfahrungsschatz und Baukasten für die Lösung von Problemen.

Am trügerischsten und zugleich zauberhaftesten bleibt die Transaktion von Geld in Zeit und von Zeit in Geld: Während Geld zumindest theoretisch unbegrenzt und dauerhaft zur Verfügung steht, ist die menschliche Lebenszeit begrenzt und ihre Dauer ungewiss. Die Folge: Der Versuch, die zu Geld gefrorene Zeit im Alter wieder aufzutauen, scheitert immer wieder. Wir sind nicht mehr die gleichen, unser soziales Umfeld ist nicht mehr das gleiche, die Gesundheit brüchig, und im schlimmsten Fall sind wir selbst schlicht nicht mehr da.

Insgesamt erweist sich Geld als eine Art flüssige Energie, als geronnene, nicht realisierte Möglichkeit. Solange es nicht durch eine Transaktion in einen anderen Zustand gewandelt wird, ist es als solches eigentlich erst einmal wertlos: Was ist die zu Geld gefrorene Zeit, wenn sie nicht wieder aufgetaut wird? Erst in der Transaktion entfaltet sich die enorme, häufig konstruktive und ebenso oft zerstörerische Kraft des Geldes. Es wirkt dabei wie ein Brandbeschleuniger, ein großer Ermöglicher oder eben auch großer Verhinderer. Geld ähnelt in diesem Aggregatszustand in gewisser Weise dem Feuer: Man kann damit ein Haus ebenso heizen wie niederbrennen. Geld ist damit im wahrsten Sinne brandgefährlich und es ist absolut fahrlässig, wie naiv und unreflektiert die meisten Menschen damit umgehen und somit sich und andere gefährden.

Wir sollten daher dringend genauer beobachten und reflektieren, was wir mit Geld machen, vor allem aber sollten wir verhindern, dass Geld etwas mit uns macht. Dass es Besitz von uns ergreift, Macht über uns bekommt. Die meisten Menschen lassen sich zwar von der Magie des Geldes verzaubern, den wenigsten gelingt es aber, diese Magie für sich selbstbestimmt zu nutzen und selbst zu zaubern. So ist es alles andere als verwunderlich, dass wir angesichts des irrationalen, fiktionalen und emotionalen Dickichts, das Geld umgibt, angesichts der eigenen Sprech- und Denkunfähigkeit bei einem der zentralsten Themen unseres Lebens überfordert sind. Denn das sollten wir dabei nie vergessen: Es geht nicht in erster Linie um unser Geld, es geht um unser Leben.