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Sonntag, 5. Januar
SCHON GEHÖRT? EINE GEWISSE MADISON AVENUE DIVA HAT SICH ANGEBLICH EINEN NEUEN GEANGELT. DIE EIGENTLICHE FRAGE LAUTET DOCH, WIE LANGE ER WOHL BLEIBEN WIRD. DEN GERÜCHTEN ZUFOLGE IST UNSER LIEBLINGSGIRL IN DER LIEBE VERFLUCHT – SIE KÖNNTE AUCH DANN KEINEN MANN HALTEN, WENN SIE IHN AN IHRE BOTTEGA VENETA KROKODILLEDER-TASCHE KETTEN WÜRDE.
–@SCANDALBOYNYC
Clarkes Wohnung lag nur zehn Minuten zu Fuß von Audreys entfernt, was nicht annähernd genug war, um sich die Wut aus dem Körper zu laufen. Nicht, dass sie wütend auf Clarke gewesen wäre – ihn kannte sie wie ihre Westentasche.
Nein, Audrey war immer noch stinksauer auf diesen idiotischen @ScandalBoyNYC, der, noch bevor sie und ihre Freundinnen die Mimosas geleert hatten, einen weiteren Schlag gegen Audrey auf Instagram gelandet hatte. Der Junge, Mann, Frau, was auch immer, verfügte offenbar über eine gut informierte Quelle, was mehr als nur ein bisschen ärgerlich war. Allerdings sollte der Typ lieber mal vorsichtiger sein, mit wem er über sie sprach. Niemand in Audreys Bekanntenkreis hätte es gewagt, auch nur im Scherz anzudeuten, eine Kette an einer Bottega zu befestigen.
So unbedeutend und haltlos die Anschuldigungen auch sein mochten, einen Stachel hinterließen sie dennoch. Audrey kannte Internet-Trolle in den Social Media durchaus, aber es war beschämend, ihr Liebesleben der Öffentlichkeit preisgegeben zu wissen. Nicht einmal ihren engsten Freundinnen vertraute sie an, wie es in ihrem Herzen wirklich aussah – dass also Fremde im Internet ihren Single-Status bewerteten, war schlicht und ergreifend ätzend.
Aber darum würde sie sich später kümmern müssen. Zunächst einmal war da die nicht ganz so geringfügige Kleinigkeit ihres Verlobten.
Wie Audrey lebte Clarke West in der Nähe der Madison Avenue, wenn auch etwas weiter downtown. Als Audrey auf die Sixty-Fourth einbog, bemerkte sie lächelnd, dass er ironischerweise sogar direkt neben einem Bottega Veneta-Laden wohnte. Im Geiste zeigte sie ScandalBoy den Mittelfinger, während sie den Luxus-Laden passierte und erklomm dann die Treppenstufen, die zu Clarkes Stadthaus hinaufführten.
Sie klopfte und wartete ungeduldig. Als niemand öffnete, holte sie ihren Zweitschlüssel heraus und schloss auf. Sie würde es sich hier einfach für eine Weile bequem machen und warten, bis ihr bester Freund nach Hause kam. Als sie die Wohnungstür öffnete, dröhnte die Musik aus dem Obergeschoss zu ihr herunter.
Er war also doch zu Hause. Gut. Audrey stellte die Tasche auf den Beistelltisch, den sie mit ihm zusammen ausgesucht hatte, und hängte ihren Mantel neben die Eingangstür, wie sie es im Laufe der vergangenen Jahre schon bestimmt hundertmal getan hatte.
Clarkes Haus war fantastisch, und Audrey fand, dass dies auch ihr selbst zu verdanken war. Natürlich galt das nicht für die Vorkriegsarchitektur. Das war der Geniestreich eines anderen gewesen. Aber Audrey hatte nicht zugelassen, dass eine so atemberaubende Wohnung durch Clarkes nüchternen Höhlenmensch-Geschmack verschandelt wurde. Mit Hilfe eines der Topinnendesigner Manhattans hatte Audrey diesem Haus ein eindeutig männliches Country-Club-Flair verliehen. Die Böden und die Treppe bestanden aus leuchtendem Mahagoni, die Wände waren in tiefen Blau- und Grüntönen gehalten. Das Mobiliar war ein beabsichtigtes Sammelsurium aus abgenutztem Leder und ausgefallenen schottischen Accessoires, die Wände zierten Bilder von Pferden und Jagdhunden, an denen Clarke gern herummeckerte, sich aber nie die Mühe machte, sie abzunehmen. Letzteres vermutlich, weil seine Mutter diese Kunstwerke hasste.
Sie folgte dem Klang von »We Will Rock You« die Treppenstufen hinauf und wusste bereits, dass sie ihn in dem einen Raum vorfinden würde, an den sie nicht Hand angelegt hatte – in seinem heimischen Fitnessstudio. Sie lehnte sich an den offenen Türrahmen, weil sie Clarke nicht während des Bankdrückens aufschrecken wollte. Er hatte eines der größeren Schlafzimmer mit Laufband, Squat Rack, Hanteln und – wie an der Tatsache, dass er von ihrer Ankunft immer noch nichts mitbekommen hatte, deutlich ersichtlich war – einem erstklassigen integrierten Soundsystem ausgestattet.
Er trug graue Jogginghosen und ein enges schwarzes Sport-Shirt und absolvierte gerade die letzte Wiederholung, bevor er die Hantel wieder auf das Rack wuchtete. Dann schnappte er sich ein Handtuch vom Boden, setzte sich auf und erstarrte einen Augenblick überrascht, als er sie dort stehen sah.
Grinsend hielt er einen Finger hoch. Warte. Er griff nach seinem Handy und wischte mit dem Daumen darüber, um die Musik leiser zu stellen.
»Hey, Dree!«
Dree. Nicht gerade ihr Lieblings-Spitzname, aber er nannte sie schon seit ihrer Kindheit so, und diesem Playboy konnte man nun mal keine neuen Tricks beibringen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, die Schulter immer noch am Türrahmen. »Willst du mir irgendwas sagen?«
Er lächelte noch breiter. »Dein Haar sieht heute wundervoll aus?«
Audrey zog die Augenbrauen hoch und wartete.
Clarke wischte sich mit dem Handtuch die Stirn ab und grinste nur noch breiter.
»Du weißt doch, dass das bei mir nicht wirkt.«
»Was?«
Sie deutete mit einer Handbewegung auf seine ganze Gestalt. »Dieses Grinsen. Die perfekten weißen Zähne, der genau bemessene Dreitagebart, die Supermann-Muskeln.«
Er verengte ganz leicht die Augen. Mit seinem dichten braunen Haar, dem klassisch guten Aussehen, dem großen, breitschultrigen Körper und – was am ärgerlichsten war – ausgerechnet dem Namen Clarke, waren ihm die Supermann-Metaphern sein Leben lang auf Schritt und Tritt gefolgt. Er liebte derlei Vergleiche genauso sehr wie sie den Namen Dree.
»Genau bemessener Dreitagebart«, wiederholte er. »Glaubst du etwa, wir Männer hätten Einfluss auf das Wachstum unserer Barthaare?«
»Na ja, meine Güte, was weiß denn ich!«, antwortete sie nachdenklich. »Vielleicht finde ich das ja heraus, wenn wir verheiratet sind.«
»Ah.« Er fuhr sich mit dem Handtuch übers Gesicht. »Das.«
»Ja. Das. Wieder?«
»Du sagst das, als geschähe es andauernd«, meinte er und stand auf. »Ist doch erst das zweite Mal.«
»Das dritte. Und das sind drei falsche Verlobungen zu viel. Was war es diesmal, wieder so eine Debütantin, die dich mit der Behauptung, ihr Baby sei von dir, zum Altar schleifen will?«
Dieser Aspekt ihrer Freundschaft mit einem so charmanten Mann wie Clarke behagte ihr so gar nicht. Er mochte Frauen, und sie mochten ihn sehr. Tatsächlich hätte es Audrey nicht überrascht, wenn es ganze Buchclubs oder Mädelsabende gab, in denen über nichts anderes gesprochen wurde als darüber, wie man ihm einen Ehering unterjubeln konnte. Der Titel Mrs Clarke West war heiß begehrt, und die wagemutigeren unter den Kandidatinnen hatten ihn im Laufe der Jahre immer mal wieder einzufangen versucht.
Und wenn es brenzlig wurde, dann behauptete er eben, verlobt zu sein. Mit Audrey.
»Ich treffe mich nicht mit Debütantinnen«, grummelte er. »Ich weiß nicht mal so genau, was eine Debütantin ist.«
»Ich warte immer noch auf eine Erklärung.«
Er seufzte und sah sie an. »Elizabeth ist wieder in der Stadt.«
Audrey brauchte einen Augenblick, um das zu verstehen. »Du meinst, deine Ex? Die Superstar-Anwältin, die nach D.C. gezogen ist?«
Clarke ließ den Kopf kreisen, um die Nackenmuskulatur zu lockern. »Linda hat mich irgendwie überredet, mich am Freitag mit ihr zum Mittagessen zu treffen. Nur als ich im Restaurant auftauchte, dreimal darfst du raten, wer am Tisch auf mich wartete.«
»Ich nehme an, es war nicht deine Mutter?«
Er zuckte mit den Schultern. Jeder andere hätte geglaubt, dass es ihm nichts ausmachte, dass seine Mutter ihn zu einem Lunch mit der Ex-Freundin gelockt hatte. Aber Audrey kannte ihn gut. An seinem harten Kinn erkannte sie, wie sehr ihn das ärgerte. Alles an seiner Mutter ärgerte ihn. Deshalb nannte er sie auch meist Linda und nur selten Mom.
»Manchmal glaube ich allen Ernstes, dass Linda Elizabeth mehr mochte, als ich es tat«, grummelte er.
Audrey lächelte. »Natürlich. Immerhin ist Elizabeth eine Miniausgabe ihrer selbst.«
Clarkes Mutter war für Audrey immer so etwas wie ein Mysterium gewesen. Irgendwie schaffte es die Frau, eine sich ständig einmischende Vollzeit-Mutter, eine kontrollsüchtige Vollzeit-Ehefrau und eine Vollzeit-Vorsitzende-Richterin von irgendwas für den Staat New York zu sein.
Was Clarkes Ex anging: Elizabeth Milsap war, soweit es Audrey bekannt war, bislang weder Ehefrau noch Mutter, aber eine höchst erfolgreiche Anwältin, die wegen politischer Ziele, bei denen Clarke keine Rolle gespielt hatte, vor ein paar Jahren New York verlassen hatte und nach D.C. gezogen war. Audrey vermutete, dass seine Mutter über die Trennung unglücklicher gewesen war als Clarke selbst, und es überraschte sie nicht im Geringsten, dass Linda jetzt den Versuch unternahm, Elizabeth und Clarke erneut miteinander zu verkuppeln.
Linda liebte ihren Sohn. Das äußerte sich nur auf sehr manipulative Weise.
»Okay, aber was hat die Tatsache, dass Elizabeth wieder in der Stadt ist, damit zu tun, dass die Klatschspalte der Post anscheinend glaubt, wir beide seien wieder verlobt?«
»Na ja.« Er schlang sich das Handtuch um den Nacken und zog beide Enden herunter. »Nach dem Lunch …«
»Warte, du bist tatsächlich geblieben und hast mit Elizabeth zu Mittag gegessen?« Audrey war überrascht. Clarke war meist sehr unbekümmert, aber nicht, wenn es um die Machenschaften seiner Mutter ging. Wenn Linda ihm befahl, rechts abzubiegen, ging er nach links. Wenn sie eine blaue Krawatte zum Ball vorschlug, trug er sicher eine rote. Und als sie ihm vorgeschlagen hatte, nach Yale zu gehen, hatte er sich für Dartmouth entschieden. Als sie ihm geraten hatte, Elizabeth nach D.C. zu folgen, hatte er sich ein Stadthaus in Manhattan gekauft.
Die Tatsache, dass er sich an irgendetwas hielt, das seine Mutter für ihn eingefädelt hatte, war ungewöhnlich.
Er grunzte. »Was hätte ich denn tun sollen? Elizabeth einfach da sitzen lassen?«
»Hätte das zur Folge gehabt, dass du und ich dann nicht verlobt wären? In diesem Falle Ja.«
»Ach was, es lag nicht an diesem Lunch. Das was nach dem Lunch passierte, als ich das Restaurant verließ, war entscheidend. Tilda Covey kam zufällig herein, als Elizabeth und ich hinauskamen.«
Audrey stöhnte. Tilda Covey war eine der berüchtigsten Klatschbasen New Yorks und eine von Linda Wests besten Freundinnen.
»Genau«, antwortete Clarke. »Sie berichtete mir, sie hätte gehört, dass man wohl bald gratulieren könne und summte dann dieses verdammte Hochzeitsgedudel.«
»Das Ding heißt Hochzeitsmarsch.«
»Wie auch immer.« Er zerrte noch heftiger an dem Handtuch. »Meine Mom hatte ihr offensichtlich erklärt, dass Elizabeth und ich wieder miteinander zu tun hatten, und als sie uns zusammen sah, fühlte sich Tilda in ihren Vermutungen bestätigt.«
»Und da hast du reflexartig behauptet, mit mir verlobt zu sein?«
»Hast du eine bessere Idee?«, fragte er.
»Die Wahrheit! Sag Tilda und deiner Mutter, dass es nur ein einziger Lunch war und dass du Elizabeth seit Jahren nicht mehr gesehen hast.« Sie hielt inne und runzelte die Stirn. »Das stimmt doch, oder?«
»Ja«, antwortete er. »Aber du kennst Linda doch. Würde mich nicht überraschen, wenn sie schon eine Verlobungsanzeige in die Zeitungen gesetzt hätte in der Hoffnung, mich zu so einem Schritt zu zwingen.«
»Das würde sie nie tun«, protestierte Audrey.
Clarke warf ihr einen Blick zu.
»Okay, vielleicht wäre sie doch dazu fähig. Und vielleicht sollte ich Verständnis für deine Verlobungs-Notlüge haben. Aber jetzt« – sie hob warnend den Finger – »mach es rückgängig. Löse unsere Verlobung wieder.«
»Sobald ich mit meinem Workout fertig bin«, antwortete er grinsend, anscheinend erleichtert, dass sie ihn so leicht vom Haken ließ. »Habe ich dir schon mal gesagt, dass du die beste Freundin der Welt bist?«
»Das weiß ich schon.«
Er warf das Handtuch neben das Laufband und legte sich bäuchlings auf den Boden. »Leg dich auf meinen Rücken.«
»Vergiss es«, sagte sie, während er sich in Plank-Position begab.
»Komm schon. So wie früher, als normale Liegestützen zu leicht wurden.«
»Zum einen: Keiner mag Leute, die Dinge sagen wie ›normale Liegestützen wurden zu leicht‹. Zum zweiten: Das war auf der Highschool.«
Er blickte auf. »Ich kann den ganzen Tag warten, Dree. Aber denk dran: Je schneller ich meinen Workout beendet habe, umso schneller musst du mich nicht mehr heiraten.«
Seufzend stieß sie sich vom Türrahmen ab. »Dann habe ich überall deinen Schweiß auf mir.«
»Gut. Wenn du mich fragst, dann ist es sowieso schon viel zu lange her, dass du Kontakt mit dem Schweiß eines Mannes hattest. Und Randy zählt nicht.«
»Nein, da hast du recht«, stimmte sie zu, denn sie und Randy waren nie über Herumgeknutsche hinausgekommen, bis sie dann seine verspiegelte Kammer des Schreckens entdeckt hatte.
Sie schleuderte die Schuhe von sich und ließ sich vorsichtig auf Clarke nieder, sodass sie Rücken an Rücken lagen. »Ich kann mich gar nicht erinnern, dass sich das mit fünfzehn dermaßen hart angefühlt hat«, sagte sie, streckte die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten und lachte, als sie bei seiner ersten Liegestütze seitlich abzurutschen drohte.
»Ja, du hast wirklich den harten Teil«, antwortete er und grunzte vernehmlich. »Vielleicht müssen wir mal über deine Schokoladensucht sprechen.«
Sie streckte den Arm aus und zog ihn entrüstet an den Haaren. »Ein Gentleman äußert sich niemals über das Gewicht einer Dame.«
»Das also ist das hier? Ein Damengewicht?«
Sie zog noch heftiger an seinem Haar.
Trotz seines Gefrotzels absolvierte er, nachdem sie das Gleichgewicht gefunden hatte, seine Liegestützen mühelos. Nach ein paar Dutzend davon mit beiden Körpergewichten ließ er sich auf den Boden fallen. »Du hast recht. Auf der Highschool war es leichter.«
»Das meiste war leichter«, antwortete sie.
Er wandte den Kopf und legte die Arme unter die Wange, ohne den Versuch zu unternehmen, sie abzuschütteln. Sie wiederum machte auch keinen Versuch, sich zu bewegen. Sie hatte vergessen, wie außerordentlich tröstlich der Körperkontakt mit einem anderen Menschen sein konnte, selbst wenn man sich platonisch auf seinem besten Freund ausstreckte.
»Was ist los?«, fragte er.
Sie lächelte leicht, freute sich, dass er sie genauso gut kannte wie sie ihn. Freute sich, dass er aus einer noch so harmlosen Äußerung schloss, dass etwas sie bedrückte.
Sie atmete aus. »Kennst du ScandalBoy?«
»Nein.«
»Instagram-Influencer. Aber von der gemeinen Klatschbasen-Art. Wühlt gern im Dreck und zerrt ihn an die Oberfläche.«
»Ah. Abschaum der Gesellschaft.«
»Im Grunde ja«, antwortete sie. »Jedenfalls hat Randy ihn ausfindig gemacht oder umgekehrt. Zumindest glaube ich, dass es Randy war. Er ist außer dir, meinen Eltern, Naomi und Claire der Einzige, der weiß, was mit Brayden gelaufen ist.«
»Ah, Shit. Das ist es also, was jetzt im Netz kursiert?«
»Yep. Da draußen geht die Story um, dass ich eine notorische Ehezerstörerin bin, die keinen Mann halten kann und – ach ja – dass ich verflucht bin.«
»Was für ein Blödsinn«, sagte er loyal.
»Ach wirklich?«
»Wirklich?« Sie sah zur Decke empor. »Ich meine, ich habe mich seit Brayden nicht wirklich aufs romantische Parkett hinausgewagt. Ich dachte, ich wollte Single bleiben, aber … so langsam wird es ein bisschen unangenehm. Und es ist ja auch nicht so, als hätten mir die Jungs nur so die Tür eingerannt, um mir den Hof zu machen.«
»Vielleicht weil du Formulierungen wie den Hof machen benutzt?«
»Du bist der schlimmste Fake-Ehemann der Welt.«
»Unsere unglückselige Liebesgeschichte endet, sobald du von mir runtersteigst.«
»Na gut, na gut.« Audrey wollte sich ja durchaus bewegen. Tat es aber nicht.
Denn ihr war da ein Gedanke gekommen.
Also wandte sie das Gesicht leicht zur Seite, bis ihre Wange ganz leicht die seine berührte. »Was, wenn wir sie nicht beenden?«
»Hmm?«, fragte er und klang, als sei er beinahe eingeschlafen.
»Was, wenn wir verlobt blieben? Nur noch für eine Weile. Ein paar Tage.«
Er lachte ungläubig auf. »Was?«
»Was, wenn wir die Gerüchte noch nicht dementieren? Wenn wir die Leute weiterhin in dem Glauben lassen, dass es stimmt. Dass das, was jedermann eigentlich für unvermeidlich gehalten hat, nun tatsächlich eingetreten ist – dass wir uns unsterblich ineinander verliebt haben.«
»Ich verliebe mich nicht unsterblich.«
»Aber du könntest so tun als ob.«
»Könnte ich«, antwortete er zögernd. »Aber warum sollte ich?«
»Um deiner Mutter eins auszuwischen? Du weißt doch, dass sie mich noch nie mochte. Sie würde sich zu Tode ärgern, wenn du nicht die perfekte, smarte Elizabeth, sondern stattdessen die dumme, flatterhafte Audrey heiratest. Es würde sie umbringen.«
»Verführerisch«, sagte er düster. »Sehr verführerisch. Aber ich bin einunddreißig. Ein bisschen alt, um den rebellischen Sohn zu spielen.«
»Sagt der Typ, der der Manhattan Post gesagt hat, er sei verlobt, nur um die Pläne seiner Mutter zu durchkreuzen.«
»Ich habe nur ein Gerücht gestreut, um ihr einen Schritt voraus zu sein. Ich wollte nicht wirklich so tun, als hätten wir vor zu heiraten.«
»Aber das könnten wir.«
Er schwieg ein paar Sekunden lang. »Was steckt tatsächlich dahinter?«
Sie rollte sich von ihm herunter, legte sich auf die Seite und legte den Kopf auf den Ellbogen. Er nahm ihr gegenüber die gleiche Haltung ein.
»Ich weiß, dass es dumm ist«, gab sie zu. »Ich weiß, dass ScandalBoy nur ein gemeiner kleiner Troll ist, und ich sollte mich wie eine Erwachsene benehmen und den rechten Weg beschreiten. Aber es spricht nun mal jedermann über meine Instagram-Kommentare. Man stellt Vermutungen darüber an, warum in keinem meiner Posts jemals ein Mann vorkommt. Die Hälfte meiner Follower hält mich für eine verkappte Lesbe, was total okay für mich ist. Aber die andere Hälfte vermutet, ich sei so was wie ein Beziehungs-Paria. Einer vermutete sogar, ich hätte Haifischzähne in der Vagina.«
»Oh Gott«, seufzte Clarke, rollte sich auf den Rücken und hielt sich die Ohren zu. »Was gäbe ich darum, das nicht gehört haben zu müssen.«
»Und natürlich weiß ich, dass es nur Instagram ist«, fuhr sie ihn ignorierend fort. »Nicht das wahre Leben. Nur für mich ist es das. Das ist mein Job, und zwar einer, den ich liebe.«
Er wandte ihr den Kopf zu, musterte sie eindringlich. »Und da würde es dir helfen, ›verlobt‹ zu sein?«
»Nur für eine Weile«, antwortete sie. »Die sozialen Medien sind nun mal sehr schnelllebig. In ein paar Tagen haben sie wieder jemand anderen im Visier, und wir können wie immer freundschaftlich unsere Verbindung lösen.«
Sie stieß seine muskulöse Schulter mit dem Finger an. »Bitte? Du musst dich nur für ein paar Tage zugeknöpft geben und so tun, als wärest du heillos verliebt in mich. Und dann kannst du wieder losziehen und den wilden Mann markieren.«
»Was?«
»Mit jeder Frau in Manhattan schlafen«, stellte sie klar.
Er deutete auf sein Herz. »Aua.«
»Ich verurteile dich deswegen ja nicht. Ich respektiere deinen chronischen Junggesellenstatus. Ich brauche einfach nur deine Hilfe. Nur für eine Woche oder so? Die Leute denken, dass in meiner Vagina Zähne wachsen, Clarke.«
Clarke musterte sie eine Zeitlang weiter mit nachdenklichen dunkelgoldenen Augen. Dann versetzte er ihr einen Schlag auf die Hüfte. »Steh auf.«
Als sie nicht schnell genug reagierte, sprang er auf die Füße und zerrte sie nach oben. »Als Erstes brauchen wir ein paar Grundregeln. Wenn wir das hier tun, ist das Wort Vagina offiziell verboten.«
Ihr Gesicht leuchtete auf. »Warte, du lässt dich drauf ein?«
»Ich werde jetzt schnell duschen, dann gehen wir aus.«
»Ausgehen? Wohin?«, rief sie ihm hinterher, als er auf das Hauptschlafzimmer zuschlenderte.
Er drehte sich um und grinste, während er sich rücklings weiter den Flur entlangbewegte. »Wir müssen einen schweinegroßen Diamantring für meine zukünftige Frau kaufen.«