Kapitel 5 – Rack
Die Kneipe war am frühen Abend bereits erstaunlich voll. Vielleicht lag es daran, dass einige Stunden zuvor mehrere Schiffe eingelaufen waren, die mit Ladung aus den südafrikanischen Kolonien angekommen waren. Und jeder einzelne Seemann hatte sich offenbar fest vorgenommen, seine Heuer noch in der selben Nacht zu versaufen. Die Stimmung war ausgelassen, beinahe schon freudig erregt. Mir war klar, dass es jeden Augenblick knallen konnte, knallen würde, deswegen zog ich mich mit Jean in das Hinterzimmer zurück. Der Besitzer des Brodelnden Pulverfasses
hatte die illegalen Glücksspieler wenige Minuten zuvor rausgeschmissen und uns den Raum zur Verfügung gestellt, … nun ja, weil Münzen scheinbar doch Türen öffnen konnten.
»Wird er pünktlich sein? Oder wird er so einen Blödsinn abziehen nach der Devise: Er bestimmt, wann wir uns treffen?«, fragte ich, während uns die Kellnerin das erste Kirschbier brachte. Jean schob das Gebräu beiseite und spielte mit der Serviette.
»Er wird pünktlich sein. Seine Pünktlichkeit ist eins der wenigen Dinge, die an ihm berechenbar sind. Alles andere nicht.«
»Was genau ist er für ein Mensch?« Jean hatte zwar schon ein bisschen was zu ihrem früheren Anführer gesagt, aber ein Bild hatte ich noch nicht. Ich schob meinen Mantel beiseite und griff in die Innentasche der Weste, um meine Pillendose zu greifen.
Jean hatte mir die Pillen zurückgegeben, und auch wenn ich ihr anfangs nicht geglaubt hatte, dass es die Echten waren, hatten die Schmerzen nachgelassen. Ich warf eine ein und wartete auf ihre Antwort.
Sie rupfte aus Nervosität ein weiteres Stück der Serviette aus und knüllte es zwischen ihren Fingern zusammen. »Sasha Delong ist ein Mann, der Wort hält. Wenn er dir schwört, dass du leiden wirst, leidest du mit Sicherheit. Wenn er dir sagt, dass du sein Vertrauter bist, erfährst du mehr über ihn, als dir lieb ist.« Sie verzog das Gesicht.
»Sprichst du da aus Erfahrung?«, fragte ich amüsiert.
»Er meinte für einige Zeit, dass ich seine Seelenverwandte sei, weil ich an Dinge ebenso rational ranging wie er. Nur mit dem Unterschied, dass er andere Absichten hegte als ich. Ich wollte schon immer ein einfaches Leben, in dem ich mir keine Gedanken um Geld machen müsste.«
Ich packte das Kirschbier fester und hob den Becher schon mal in Richtung meines Munds. »Wirklich? Das hätte ich niemals erwartet. Du scheinst nicht der Typ dazu zu sein. Eher der Typ, um mit Vollgas in eine Wand zu krachen, nur um dann noch den eingemauerten Schatz darin zu finden.«
Jean schnaubte. »Ich bin mein Leben lang auf der Straße gewesen. Ich habe gestohlen, um zu überleben, aber das heißt nicht, dass ich es ewig machen möchte. Ich tat es, weil ich gut darin bin und es musste. Wenn sich mir eines Tages eine Gelegenheit bietet, in der ich ein einfaches Leben haben könnte, würde ich es ergreifen. Ohne zu zögern.«
Fasziniert betrachtete ich Jean. Dieses junge Mädchen von sechzehn Jahren hatte in ihrem Leben schon so viel erlebt, dass es reichte, um Bücher zu füllen. Gleichzeitig war sie eine so naive Persönlichkeit, dass ich mich fragte, wie sie es geschafft hatte, in diesem Sündenpfuhl, der Victoria nunmal war, zu überleben. Ich war froh, dass sie diejenige war, die Lady C angegriffen hatte. Mit jedem anderen hätte ich über die Zeit Probleme bekommen. Aber Jean - abgesehen von ihren dunklen Momenten - war eine Frau, die ich mir als Freundin vorstellen konnte. Zwar eine, die ich mehr in den Arm nehmen und vor der Welt beschützen wollte, aber eine Freundin, auf die man sich verlassen konnte.
»Zurück zu deinem Boss.«
»Ich möchte ihn ungern als meinen Boss bezeichnen. Im Moment wärst eher du mein Boss … wenn man es genau nimmt.« Sie schmunzelte und rupfte das nächste Stück Serviette heraus.
»Wir arbeiten als Team, somit gibt es keinen Boss. Was ist jetzt mit diesem Sasha Delong?«
»Delong hat sein Leben lang in Diebesbanden verbracht. Er ist derjenige, der den Geldzug vor fünfzehn Jahren überfallen hat, ohne dass es jemand gemerkt hat. Er weiß, was er tut und ist ein Angeber.« Beim letzten Wort verdrehte sie die Augen. »Wenn er nachher hier auftaucht, wirst du merken, was ich meine.«
Der Kerl war interessant, zumindest klang es danach, und ich war neugierig darauf, was genau Delong von dem Treffen erwarten würde. Sie hatten Jean gehen lassen, nachdem sie ihnen zugesichert hatte, sie würde wieder auftauchen.
»Die anderen sind in Position?«, fragte Jean und zupfte gleich zwei Stücken Papier aus der einlagigen Serviette. Sie versenkte die Kugeln, die sie zwischen ihren Fingern zusammenrollte, in dem Kirschbier. Anscheinend teilte sie Theos Abneigung gegen das Getränk. Ich würde ihr kein zweites bestellen müssen.
»Marcus wartet draußen vor der Tür auf dem Stuhl am Tresen und Theo sitzt in einer Ecke mit Jimmy McNamara und spielt eine Runde Karten. Jeder hat seinen Posten eingenommen.«
»Werden sie rechtzeitig hier sein, falls Delong uns verrät?«
Ich wedelte mit den Händen hin und her. »Wenn er uns erschießt, nein. Wenn er uns nur verprügeln will, ja. Es steht also 50:50.« Das Grinsen auf meinen Lippen war echt. Ich hatte keine Angst vor dem Kerl. Außerdem wollte er etwas von Jean - sie war ihm wichtig, sonst hätte er sie schon längst umgebracht. Also würde er uns auch nichts tun, wenn er wollte, dass Jean für ihn diese Juwelen stahl.
Wir warteten schweigend darauf, dass 18 Uhr näherrückte. Gleichzeitig mit dem Klicken meiner Taschenuhr öffnete sich die Tür und ein hochgewachsener Mann trat ein. In der Hand hielt er einen Gehstock. Silberblaue Verzierungen schmückte das ansonsten dunkelbraune Holz. Wen er da wohl imitieren wollte
, fragte ich mich amüsiert.
»Mr. Delong nehme ich an?« Ich erhob mich und streckte ihm meine Hand entgegen. »Freut mich, Sie kennenzulernen.«
»Und Sie müssen Rack sein. Ich habe gehört, Sie haben in letzter Zeit ein paar eigene Unternehmungen erschlossen. Interessante Ziele, die sie sich ausgesucht haben.«
Okay, das gegenseitige Abklopfen hat begonnen
, dachte ich. Er wusste um meine Verdienste gegen The Stick
und somit auch um das Kopfgeld, das auf meinen Kopf ausgesetzt war. Er konnte jetzt abwägen, was ihm mehr Geld bringen würde. Mich ausliefern oder der Juwelenraub. Da er sich mir gegenüber hinsetzte, ging ich davon aus, dass er sich für Letzteres entschieden hatte.
»Das waren die Verdienste einer gewissen Bobby, wenn ich mich nicht irre. Adonia irgendwas«, sagte ich, um ihm klar zu machen, dass wir nicht an den Dingen beteiligt waren. Offiziell. Natürlich waren die inoffiziellen Aussagen ganz anders und geisterten langsam durch die Unterwelt von Victoria.
»Sei es so.« Hinter ihm schlossen zwei breite Schränke von einem Mann die Tür. Ich war mir sicher, dass die beiden keine Diebe waren, dafür waren sie zu schwerfällig. Aber sie waren Boxer oder Sicherheitssöldner, die Delong angeheuert hatte, um sich vor mir zu schützen. Ich fühlte mich ein wenig geehrt, dass er gleich zwei mitgebracht hatte.
»Was kann ich für Sie tun, Rack?«, fragte er und legte den Stock zwischen uns auf den Tisch. Er sah jedoch nicht mich an, sondern nur Jean. Dabei fuhr er sich mit der Zunge über die Oberlippe. Jean saß neben mir und rührte sich kein Stück weit.
»Sie haben Jean einen Auftrag erteilt.« Ich versuchte es mit dem neutralsten Wort, das mir für die miese Erpressung einfiel, die er da durchzog. »Und wir wollen ihr helfen, diesen umzusetzen. Das Problem ist, dass wir einen gewissen Personenbedarf haben.«
Delong grinste und wandte sich das erste Mal zu mir. »Einen gewissen Personenbedarf?«, fragte er und sein Grinsen wurde so breit, dass meine Faust mit Sicherheit komplett hineingepasst hätte. Vielleicht sollte ich es ausprobieren.
»Nun ja, die Sicherheitsleute wurden aufgestockt, ebenso die Sicherheitsmaßnahmen und wir sind nur zu viert. Wir bräuchten Unterstützung bei der Umsetzung des Plans.« Ich hob meinen Becher Kirschbier an und trank einen Schluck. Danach lehnte ich mich entspannt nach hinten an die Bank, auf der ich saß.
Das Zimmer bot Platz für etwa acht Menschen. Es gab keine Verzierungen an den Wänden. Nur ein paar Bilder, die direkt auf die Wand gemalt worden waren. Vermutlich von einem Kind oder einem Drogenabhängigen, wenn ich mir die wenig geraden Linien besah. Eine Sonne, die so grün gezeichnet war, dass ich auf den abgedrehten Verstand eines Abhängigen tippte.
»Vier?«, fragte Delong und lehne sich ebenfalls entspannt nach hinten. »Ich dachte, sie wären zu fünft? Zumindest war das mein letzter Kenntnisstand.«
»Der ist verkehrt«, erwiderte ich knapp. Verdammt, The Stick
hatte also auch schon unsere Personenanzahl durchgegeben. Nun ja, wenn er auf uns alle ein Kopfgeld ausgesetzt hatte, dann war es nur logisch, dass der Chef der Diebesbanden auch wusste, wie viele wir waren. Hoffentlich hatte sich alles andere nicht herumgesprochen.
»Nun, dann sollte ich wohl meine Daten aktueller halten. Wie genau kann ich Ihnen helfen?«, fragte Delong.
In diesem Moment öffnete sich die Tür. Eine Kellnerin schob sich an den Muskelpaketen vorbei, die vor dem Eingang stehen geblieben waren und stellte ein Glas Wasser und eins mit einer klaren Flüssigkeit auf den Tisch. Jean deutete auf das Wasserglas und nickte der Kellnerin zu.
Sie verstand die Aufforderung und verschwand ebenso schnell wieder. Sie wusste, das hier etwas besprochen wurde, was vermutlich jedes Bobbyherz höher schlagen ließ. Damit sie nicht verhört werden würde, verließ sie lieber das Hinterzimmer.
»Wir benötigen vier Männer von Ihnen. Genauer gesagt: Die Besten, Kleinsten und Wendigsten, die Sie haben.«
Er schnalzte mit der Zunge. »Die Besten? Eine davon haben Sie doch schon.« Er grinste und sein schmales Gesicht riss dabei auf wie eine platzende, überreife Pflaume.
»Jean wird mitmachen, ja, aber das reicht nicht. Die Sicherheitsmaßnahmen müssen zeitgleich ausgeschaltet werden.«
»Sie wollen also nach der Veranstaltung hinein?«, fragte Delong und lehnte sich wieder nach vorne. Er griff seinen Stock und rollte ihn vor und zurück.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, währenddessen. Aber einige der Glaskästen sind mit anbarischen Quellen versehen. Wir werden sie ausschalten, damit wir nicht einfach umfallen und die Sicherheitsleute uns nur noch vom Boden aufklauben müssen.«
Jean rupfte ihre Serviette immer schneller auseinander. Inzwischen rollte sie die abgerupften Stücke nicht einmal mehr zusammen, sondern stapelte die Fetzen nur vor sich.
»Und sie brauchen dazu vier von meinen besten Dieben? Wie wollen sie diese reinbekommen?«, fragte er.
»Lassen Sie das mal meine Sorge sein. Jeder von uns hat seine Geschäftsgeheimnisse.« Jean hatte mir von ihrem Weg über das Dach erzählt, den sie genommen hatte, wenn sie nachts im Museum herumwanderte. Das würde auch für die anderen Diebe der Eingang werden. »Sie werden reinkommen und dort als Kellner und Diener der Helfer getarnt herumlaufen. Dadurch haben sie viel Bewegungsfreiheit und niemand verdächtigt sie. Aber für das Ausschalten der Sensoren benötige ich zwei der vier Männer«, sagte ich. Jetzt kam der Part, bei dem ich mir nicht sicher war, ob wir ihn durchziehen konnten.
»Was ist mit den anderen beiden?« Delong nippte an der klaren Flüssigkeit und verzog gleich darauf den Mund, als ob sie schon auf seinen Lippen brannte.
»Die anderen beiden sollen als Köder dienen.«
Delong richtete sich kerzengerade auf. »Auf keinen Fall. Meine Jungs und Mädels werden nicht missbraucht, nur weil Sie einen unvollständigen Plan haben.«
Ich hob die Hand und unterbrach ihn. »Sie sollen nicht geschnappt werden. Wir werden eine Fluchtroute für sie haben, die bombensicher ist. Ich brauche sie nur als Ablenkung, damit wir die Juwelen stehlen können.«
Delong schwieg. Seine Finger umklammerten den Gehstock so fest, dass seine Knöchel an den Fingergelenken hervortraten. »Wie wollen Sie das sicherstellen?«, fragte er.
»Ich werde selbst vor Ort sein und dafür sorgen, dass diese beiden sicher entkommen. Wir haben ja auch noch unser Team, das sich um die anderen Aspekte kümmern wird.«
»Welche anderen Aspekte?« Die Fragen von Delong wurden immer kürzer. Ich wusste nicht, ob es ein gutes Zeichen war, ob ich ihn am Haken hatte oder ob er mir misstraute. Nein, letzteres konnte ich definitiv bestätigen. Er misstraute mir. Das stand fest.
»Die Wärter müssen ausgeschaltet werden, damit niemand die Juwelen vorzeitig sichern kann. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass kein Alarm ausgelöst wird. Sobald die Bobbys Wind von der Sache bekommen, werden nicht alle entkommen können.«
Delong strich sich über das spitze Kinn und winkte seinen Jungs zu. Diese traten vor die Tür und schlossen sie hinter sich. Irritiert legte ich meine Hände auf meine Oberschenkel unter dem Tisch. Von dort war es nur ein kurzer Weg zur Waffe an der Hüfte. Wenn er etwas Hinterlistiges plante, würde ich ihn erschießen, bevor er aufstehen konnte. Ohne Wenn und Aber.
Kaum waren die Männer weg, lockerte sich seine Haltung. »Nun mal ernsthaft. Sie wollen das mit der Kleinen wirklich durchziehen?«, fragte er. In seiner Stimme schwang so etwas wie Respekt für mich mit.
»Natürlich. Jean gehört zu uns, und wir sind für unsere Leute da.« So etwas kannte Delong natürlich nicht.
»Ich fühle mich gekränkt, dass du die Seiten gewechselt hast, Jean. Wir waren doch so ein hervorragendes Team.« Er breitete seine Hände in ihre Richtung aus. »Bis du meinen Anteil gestohlen hast. Hast du dir damit deine neuen Freunde gekauft?« Das Grinsen gefror auf seinen Lippen.
»Hier hat niemand irgendwen gekauft. Im Gegensatz zu anderen Menschen in diesem Raum scheinen wir zumindest den Wert von Freundschaft zu verstehen!«, entgegnete ich.
Jean verkrampfte sich neben mir. Ich fragte mich, ob es der angespannten Situation geschuldet war oder dem Wort Freundschaft
.
»Wir haben uns immer gut um Jean gekümmert«, verteidigte sich Delong. Doch ich konnte genau sehen, dass er es nicht ernst meinte. »Sie hat uns nur verraten. Und das nehmen wir sehr ernst.«
»Nun, uns hat sie auch schon einmal verraten. Nur pflanze ich ihr keine Sprengfalle ins Handgelenk. Doch das ist hier nicht das Thema!« Der Versuch, den Kerl möglichst neutral zu behandeln, scheiterte. Mit jedem weiteren Wort wurde er mir jedoch unsympathischer. Anscheinend beruhte das auf Gegenseitigkeit, denn Delong zog seinen Stock mit beiden Händen zu sich heran und richtete die Spitze auf mich. Für einen Moment befürchtete ich, dass auch in seinem Gehstock Extras eingebaut waren, aber ich konnte keine Knöpfe an dem Knauf erkennen. Ich schluckte den Anflug der Angst schnell hinunter und setzte mein Pokerface auf.
»Der Überfall, ja. Nun, mir ist es ehrlich gesagt egal, was Sie mit den Jungen machen, die Sie brauchen. Und wenn sie im Knast landen, ist das so. Ich habe viele, die nachwachsen und den Platz einnehmen.« Delong legte den Gehstock ab und nippte an der klaren Flüssigkeit.
»So viel zum Thema, du kümmerst dich um alle«, zischte Jean und zerriss die Serviette nun vollends in der Mitte.
»Du kannst mir keinen Vorwurf machen. Ich habe mich immer gut gekümmert«, sagte Delong und verzog nach dem Schluck erneut das Gesicht.
»Einen Scheißdreck hast du.«
»Ruhig, Jean!« Ich legte eine Hand auf ihre Schulter und drückte sie zurück auf die Bank neben mich. »Mr. Delong. Ich denke, wir wissen beide, dass Sie die Juwelen gerne hätten. Vermutlich haben Sie schon einen Käufer dafür.«
Mein Gegenüber zuckte mit den Schultern, als ob er es nicht preisgeben wollte. Aber genau dadurch verriet er sich erst recht. »Wenn Sie also diese Steine brauchen, werden Sie mir diese vier Diebe - und damit meine ich ihre besten - geben. Außerdem …« Ich schob den Krug Kirschbier zwischen meinen Händen hin und her. »… brauche ich eine Liste der Besucher der exklusiven Ausstellung. Ich gehe davon aus, dass Sie diese bereits haben.«
»Natürlich. Wir waren ja vorbereitet«, entgegnete er.
»Wenn Sie so gut vorbereitet waren, weshalb tun Sie es nicht selbst?«, fragte ich neugierig.
Mr. Delong leerte das Wasserglas zur Hälfte und schob es neben den Stock. »Das hatten wir tatsächlich vor. Es wäre mir ein persönliches Vergnügen gewesen, diesen Diebstahl meinem Konto zuzuschreiben.«
»Aber?«, ermunterte ich ihn weiterzureden.
»Warum die Hände schmutzig machen, wenn jemand anders für mich im Dreck wühlen kann?« Sein Grinsen wurde wieder so breit, dass ich gut und gerne getestet hätte, ob mein Krug in seinen Mund passte. Hochkant.
»Die Hände schmutzig machen?« Jean wurde lauter, aber ich hielt sie erneut zurück.
»Wir haben schon zugestimmt, dass wir den Auftrag übernehmen, aber ich würde es begrüßen, wenn Sie uns die Zusage geben.« Ich streckte meine Hand über den Tisch. »Haben wir einen Deal?«
Delong starrte meine Hand an und schien nachzudenken. »Ich bin neugierig, Jean. Ist er dein Liebhaber?«
Bevor ich sie zurückziehen konnte, war Jean bereits auf dem Tisch und kurz davor, Delong an den Hals zu gehen. Ich bekam gerade noch ihren Fuß zu fassen.
»Nicht, Jean. Wir brauchen ihn!«
»Und er braucht uns. Das macht keinen Unterschied«, schrie sie und schlug mit der Faust in seine Richtung. »Er ist ein Arschloch!«
Delong schien sich über diesen Angriff mehr zu amüsieren, als dass er ihn ernst nahm. Ein weiterer Grund, warum ich ihn am liebsten den Bobbys ausgeliefert hätte. Als ich Jean wieder auf ihren Platz neben mich gezerrt hatte, richtete ich meine Weste und meine Haare, ehe ich erneut die Hand ausstreckte. »Also, Deal?«
Delong streckte seine Hand ebenfalls entgegen, schlug jedoch nicht ein. »Woher weiß ich, dass Sie nicht mit den Juwelen abhauen?«
»Sie legen den Treffpunkt fest«, entgegnete ich.
»Dann wird es vor dem Museum sein. Direkt nach dem Raub. Ich werde persönlich vor Ort sein.« Delong hob erwartungsvoll die Augenbrauen und legte seinen schmalen Kopf seitlich auf die Schulter.
»In Ordnung. Direkt nach dem Raub vor dem Museum.«
In diesem Moment schlug Delong ein. Er schüttelte meine Hand und drückte zu. Für einen Mann, der scheinbar schon seit Jahren nicht mehr selbst als Dieb unterwegs gewesen war und für alles seine Handlanger hatte, war er erstaunlich kräftig.
»Ich lass Ihnen die Liste zuschicken. Wohin soll ich sie liefern?«, fragte er, als er das zweite Glas mit der durchsichtigen Flüssigkeit in einem Zug leerte. Er schüttelte sich, als er sich erhob.
»Bringen Sie die Liste einfach hier her. Ich werde noch eine Stunde lang bleiben. Bis dahin dürften sie die Liste abgeschrieben haben.« Anstatt mich ebenfalls zu erheben, blieb ich sitzen. Der Kerl hatte meinen Respekt nicht verdient. Im Gegenteil. Er war ein Dieb, der keine Ehre kannte. Wenigstens das hätte ich von einem Mann seines Standes erwartet.
»Da mögen Sie recht haben, Rack. Ich sehe schon. Sie sind nicht schlechter informiert als ich über Sie. Vielleicht sollten wir öfter zusammenarbeiten. Vorausgesetzt, Sie haben morgen Abend Erfolg.«
»Das werden wir. Und eine weitere Zusammenarbeit würde ich von dem folgenden Abend abhängig mache.« Diesen Zahn wollte ich ihm gleich ziehen, aber ich musste diplomatischer vorgehen. Auf keinen Fall würde ich Jean noch einmal diesem Idioten aussetzen. Anscheinend war sie dankbar dafür, denn sie entspannte sich sichtlich.
»Einen schönen Abend, die Dame, der Herr.« Delong nahm seinen Gehstock, stand auf und öffnete die Tür. Seine beiden Helfer standen direkt davor und hatten nur auf ihn gewartet.
Eine Reaktion erwartet er nicht, bekam er aber auch nicht. Die Tür stand einige Momente lang offen, ehe Marcus und Theo eintraten. »Was hat er gesagt?«, fragte Marcus und setzte sich uns gegenüber auf die Bank.