Kapitel 3 - Was wir werden
Die Spätsommersonne schien in goldenen Farben durch das Fenster und verbreitete ein warmes, wohliges Gefühl an diesem Nachmittag.
Josh ging die letzten Dokumente des Tages durch und machte sich noch einige Notizen zu einzelnen Patienten. Sein Nacken spannte. Langsam bewegte er den Kopf von links nach rechts und dehnte seine Halswirbel, bis ein leises Knacken zu hören war.
Die Praxis war bereits seit zwei Stunden geschlossen, trotzdem hatte er wieder Überstunden gemacht. In letzter Zeit wurde er das Gefühl nicht los, sein Vater und er seien die einzigen Allgemeinärzte in Berlin. Immer neue Patienten rannten ihnen die Türen ein, gleichzeitig forderten viele der alten ihre ärztliche Hilfe bei jeder Kleinigkeit.
Nachdem Joshua vor Jahren seinen Hochschulabschluss erreicht und die Promotion zum Doktor geschafft hatte, war er zuerst in einem Krankenhaus angestellt gewesen, doch schon bald hatte ihm sein Vater vorgeschlagen, eine Gemeinschaftspraxis zu eröffnen. Renè war zunehmend an seine Grenzen geraten, weil der Ansturm auf seine Praxis immer größer geworden war, geschuldet den Bewertungen und Erfahrungsberichten im Internet über den stets freundlichen und kompetenten Arzt. Für Joshua hätte es zudem nichts Besseres geben können, als so in die Selbstständigkeit einzusteigen. Mit Renè hatte er einen vertrauten und erfahrenen Geschäftspartner an seiner Seite. Die Praxis war groß genug für zwei Behandlungszimmer, auch wenn sie ein wenig umbauen mussten, aber der Patientenstamm seines Vaters reichte dicke für zwei Ärzte, zumal er stetig wuchs.
Neben all der Arbeit in ihrer Praxis hatte Renè auch noch mit seinen drei anderen Kindern mehr als genug zu tun, deshalb erledigte Joshua einen großen Teil der Büroarbeit für ihn mit, was regelmäßige Überstunden bedeutete. Darüber hinaus übernahm er auch immer wieder mal kurzfristig die Patienten seines Vaters, wenn Anna und Emil irgendwo abgeholt oder hingefahren werden mussten. Zum Glück war zumindest Paula, mit ihren inzwischen achtzehn Jahren, schon halbwegs selbstständig.
Manchmal beneidete Josh seinen Bruder, der sich ziemlich gut mit allen möglichen Gelegenheitsjobs über Wasser halten konnte. Bis heute lebte er nach dem Motto: Keine Zwänge, keine Verantwortung. Zwar hatte er sein Studium abgebrochen, weil knapp ein Jahr nach seiner Musterung die Aufforderung zur Erfüllung seines Zivildienstes gekommen war, aber er schien regelrecht erlöst und keineswegs wütend darüber gewesen zu sein. Offenbar hatte er gemerkt, dass Medieninformatik ihn überhaupt nicht interessierte. Im Gegensatz zu Joshua konnte er seinen Zivildienst auch nicht parallel zum Studium absolvieren, da er sich in einer gemeinnützigen Organisation für Landschaftspflege beworben hatte und diese nur tagsüber arbeiteten. Sein Wissen aus dieser Zeit nutzte er bis heute für Minijobs, die er über ein Onlineportal bekam, das ihm private Gartenarbeitsaufträge vermittelte: Hecken schneiden, Bäume stutzen und Ähnliches. Darüber hinaus gab er Privatleuten Gitarrenunterricht und hatte hier und dort ein paar Gigs mit seiner Band in einigen kleinen Bars oder Clubs.
Joshua streckte sich, fuhr durch seine aschblonden, modisch gegelten Haare und genoss das angenehme Ziehen in seinem Rücken, bis es plötzlich an der Tür klopfte. Miriam, seine neue Sprechstundenhilfe, lugte ins Behandlungszimmer und wedelte mit dem schnurlosen Haustelefon.
»Verzeihung Doktor Winter, Ihr Bruder ist dran und möchte Sie dringend sprechen. Es hört sich wichtig an.« Sie reichte ihm lächelnd das Telefon und schwang dann ihren kleinen Hintern grazil nach draußen. ›Schon irgendwie niedlich‹ , dachte Josh, als er ihr so hinterher sah, bis sie die Tür geschlossen hatte. Erst dann legte er den Hörer ans Ohr.
»Na Zombie, was ist los? Hast du dir wieder ein Ei im Reißverschluss eingeklemmt?«
Rohan grummelte am anderen Ende und entgegnete genervt: »Das ist mir nur einmal passiert, also klemm dir deine Sprüche! Was zur Hölle treibst du denn, verdammt? Ich hab dich schon zehnmal auf dem Handy angerufen!«
»Ich hab den Ton aus, sonst bimmelt das hier den halben Tag lang herum.« Josh lehnte sich auf seinem Bürosessel nach hinten, gähnte und streckte sich erneut. »Ich muss noch einiges an Papierkram durchgehen, das Zeug wächst mir sonst über den Kopf. ... Wieso? Waren wir verabredet?«
Nach einer kurzen Pause und einem Schnaufer von Rohan klang dessen Stimme etwas verschämt. »Nein, aber … Ich hab hier ein Problem. Du musst mich abholen!«
»Warum denn das schon wieder?« Nun war es Josh, der genervt schnaufte. »Ich hab das Auto heute Morgen Dana dagelassen, weil ihres noch in der Werkstatt ist, und bin dann mit dem Fahrrad zur Praxis gefahren. Ich kann dich also so oder so nicht holen kommen!«
Josh hörte seinen Bruder fluchen. Kratzende Geräusche betäubten sein Ohr, bevor Rohan, sichtlich bemüht, nicht ausfallend zu werden, wieder ins Handy sprach: »Mann ey, dann komm halt mit dem beschissenen Fahrrad und wir fahren mit der Bahn zurück!«
Josh atmete tief durch. »Roi, was ist los? Was bringt es dir, wenn ich neben dir in der Bahn sitze? Hast du dein Portemonnaie verloren, oder was?«
Rohan knurrte erneut. »So in der Art. Jedenfalls komme ich hier nicht weg! Ich würde ja schwarzfahren, aber wir haben Monatsanfang und diese Wichser kontrollieren wie die Irren! Ich kann mir nicht erlauben, nochmal erwischt zu werden, sonst krieg ich definitiv ’ne Anzeige.«
Josh tippte rhythmisch mit den Fingerspitzen auf seinem Schreibtisch herum, schließlich gab er auf. »Na schöööön ... ich komm dich holen.«
»Danke, du rettest mir damit echt den Arsch!«, tönte ihm nun doch etwas fröhlicher entgegen.
»Ist ja nicht das erste Mal, also red schon! Wo treibst du dich wieder rum?« Die Stimme seines Bruders klang auf einmal brabbelnd, so, als würde er sich schämen. Josh verstand kein Wort und hakte gereizt nach: »Hör auf zu nuscheln! Wo bist du?«
Diesmal antwortete Rohan deutlicher: »Ich sitze in der Bushaltestelle schräg vor Gregors Haus, okay? Jetzt komm, es wird langsam kal-«
»Wie bitte? «, fiel Josh ihm erneut ins Wort. »Du warst schon wieder bei diesem Arschloch? Ich dachte, ihr hättet Schluss gemacht?«
»Ja und? Auch wenn wir nicht mehr zusammen sind, kann ich doch trotzdem noch mit ihm vögeln! Du bumst doch auch mit deiner Frau, obwohl sie dich ankotzt! Also: Komm jetzt oder lass es bleiben! Sonst fahr ich eben per Anhalter.«
»Meine Frau kotzt mich nicht an! Zumindest nicht immer ...« Josh fuhr sich mit der Hand massierend über die Stirn, rieb sich die Augen und überlegte. Dabei beruhigte er sich ein wenig. »Na schön, ich fahr gleich los. Dauert zirka eine halbe Stunde, bis ich von hier aus da bin, also bleib, wo du bist!«
Statt einem Dankeschön beendete Rohan das Gespräch mit einem rotzigen »Beeil dich!« und legte dann auf.
»Verwöhntes Drecksbalg«, grummelte Josh vor sich hin, während er den Arztkittel mit seiner dunkelgrauen Anzugjacke tauschte und seine Arbeitstasche nahm. Er brachte das Telefon zurück ins Empfangszimmer und verkündete seinen drei Angestellten, Feierabend zu machen. Dann ließ er sie etwas verdutzt zurück, schwang sich aufs Fahrrad und machte sich auf den Weg zur nächsten Bahn-Station.
***
Rohan lief in der wenig befahrenen Siedlungsstraße auf und ab, wenn er nicht mehr in der Bushaltestelle sitzen konnte, kehrte jedoch immer wieder dorthin zurück. Trotz der späten Stunde war es noch drückend warm. Seine dicken Haare, die er sich vor einer Weile in einen Undercut hatte schneiden lassen, trug er deshalb zu einem Pferdeschwanz gebunden, damit ihm die Strähnen nicht dauernd im Gesicht klebten. Die nächste U-Bahn-Station lag zwar nur ein paar Minuten entfernt, doch leider war sie so riesig, dass sie sich dort schwer gefunden hätten, deshalb zog er es vor, an diesem Punkt auf seinen Bruder zu warten. Endlich erkannte er die Silhouette eines Fahrradfahrers, der in die Straße einbog. Trotzdem blieb er in dem Haltestellenhäuschen sitzen und rief nur laut »Hey«, als Josh gerade an ihm vorbeifuhr. Dieser kippte vor Schreck fast vom Rad, schaffte es dann aber doch, quietschend zu bremsen. Als er zurückrollte, schimpfte er.
»Mann, willst du, dass ich einen Herzkasper kriege? Wieso versteckst du dich de-« Er stockte beim Anblick seines Bruders, der nur mit einer dunkelblauen Boxershorts bekleidet auf der Holzbank saß.
Prustend fing er an zu lachen und fand erst nach mehreren Minuten ein paar Worte: »Was ist denn mit dir passiert? Hat Riedell dich so auf die Straße gesetzt oder bist du ausgeraubt worden?«
»Ha ha! Sehr witzig!« Rohan verschränkte zähneknirschend die Arme. »Seine bescheuerte Frau kam rein, als wir es auf dem Wohnzimmerteppich getrieben haben. Sie ist ausgetickt, hat auf ihren Mann eingeprügelt und mich rausgeschmissen. Zum Glück hing mir meine Shorts noch am Fuß, sonst säße ich hier völlig nackt!«
Josh konnte seine Schadenfreude nur schwer unterdrücken. Immer wieder hatte er seinem Bruder gepredigt, dass man sich nicht mit Dozenten und erst recht nicht mit verheirateten Männern einlässt. Dabei verdrängte er erfolgreich, dass er selbst nichts anderes war. »Hättest du am Telefon was gesagt, hätte ich dir wenigstens meinen Kittel mitgebracht«, sagte er kichernd und schüttelte den Kopf, aber Rohan winkte nur ab.
»Lass mal. Kittel ohne Schuhe sieht ja doch eher bescheiden aus. So gehe ich wenigstens noch als einer durch, der gerade am See Baden war.«
Erst jetzt realisierte Josh, was diese Situation bedeutete. »Heißt das, du willst wirklich so halb nackt mit mir in die U-Bahn steigen?«
Ein Achselzucken bestätigte seinen Verdacht. »Muss ich wohl! Jedenfalls werde ich ganz sicher nicht mehr zu diesem Drachen ins Haus gehen, um meine Sachen zu holen. Wenn du leise bist, hörst du die Alte immer noch keifen und die zwei wohnen einige Häuser weiter.«
Josh wusste, dass sein Bruder durchaus exhibitionistische Vorlieben hatte, doch nur mit Boxershorts bekleidet einmal durch halb Berlin zu fahren, vor allem durch die weniger kultivierten Stadtteile, war nicht ganz ungefährlich. Andererseits war Rohan ja keinesfalls schwach, und aufgrund seiner Nacktheit konnte man auch sehr deutlich sehen, was er für Muckis hatte. Es gäbe wohl kaum jemanden, der es wagen würde, ihn ohne wirklichen Grund anzupöbeln, also stimmte er zu und stieg vom Rad ab.
»Na schön, laufen wir halt zur Station und schauen dann weiter. Und was wird mit deinen Sachen?«
»Die wird Gregor mir mit einer fetten Entschuldigung persönlich zurückbringen müssen!« Rohan lachte höhnisch. »Ist ja nicht nur, dass ich jetzt diese Scheiße hier am Hals hab! Erst fickt er mich durchs halbe Wohnzimmer und dann versaut mir seine Schnepfe den Orgasmus! Er hingegen ist genau in dem Moment gekommen, als sie durch die Tür marschierte!«
Josh klatschte sich geräuschvoll die Hand an die Stirn. »Wieso?«, flüsterte er verzweifelt darüber, warum er mit einem solchen Bruder gestraft war, doch dieser redete unbeirrt weiter.
»Wieso ? Weil sich der Typ nie zusammenreißen kann, wenn er es von hinten macht! Erst recht nicht, wenn ich mit der Brust auf dem Boden liege. Dabei hat er vorher schon zweimal abgespritzt. Man könnte denken, er ist ein notgeiler Elch ... zumal er sich auch genau so anhört.«
»Ist gut jetzt!!!«, unterbrach Josh den inzwischen belustigt grinsenden Schwerenöter und gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. »Ich will von deinen Schweinereien nichts mehr hören! Halt einfach den Mund!«
»Hab dich mal nicht so!«, entgegnete dieser. »Als wärst du ein Heiliger!« Sobald er das gesagt hatte, nahm er jedoch die Beine in die Hand, bevor er sich noch eine fing.
***
Nachdem sie ihre Fahrscheine gelöst hatten, warteten die beiden auf dem Bahnsteig.
Rohan stand lässig gegen Joshs Fahrrad gelehnt da und ignorierte die auffälligen Blicke um sich herum. Sein unglaublich verführerischer Athletenkörper zeugte von seinem wöchentlichen Training und auch so im Ganzen war er ziemlich erwachsen geworden. Trotzdem hatte er noch immer diese Rebellenausstrahlung und den passenden Dickkopf ebenfalls.
Joshua bemerkte das ungenierte Starren der anderen Reisenden auf dem Bahnsteig, allerdings gaben sie tatsächlich ein recht bizarres Bild ab. Er selbst war smart gestylt und souverän gekleidet, in seinem hellgrauen Armani-Anzug und Lederstiefeletten, wohingegen Rohan aussah wie ein nudistischer Metal-Indianer. Geschuldet war das in erster Linie seiner Frisur, die auch geflochtene Strähnen beinhaltete, den Surferketten, den vielen Ohrringen sowie natürlich der fehlenden Kleidung. Zudem konnte man auf seinem Oberschenkel die Spitzen seines neuen Tattoos hervorblitzen sehen, das er sich erst vor wenigen Wochen hatte stechen lassen. Seitdem er vor ungefähr fünf Jahren mit dem ersten Tattoo auf seinem Arm, einem Schwert mit klassischen Schnörkeleien an den Seiten, angefangen hatte, kamen ein großer Wolf auf seinem Rücken und eine Waldlandschaft auf seinem rechten Unterschenkel hinzu.
»Wie viele willst du dir eigentlich noch stechen lassen?«, fragte Joshua leise und tippte ihm gegen den Bauch. Auch wenn die Motive zu seinem Bruder passten, mochte er diese Bodymodifications trotzdem nicht. »Wenn du so weitermachst, bist du bald völlig zugehackt!«
Rohan sah ihn vorwurfsvoll an. »Das ist mein Körper! Mit dem kann ich machen, was ich will!« Nach einem kurzen Zungenschnalzen lenkte er jedoch ein. »Ich lass mir nur noch den Sleeve fertig machen und dann eventuell noch was auf die andere Wade ... das war’s. Versprochen.«
»Ich erinnere dich dran.«
Endlich rollte die Bahn mit lautem Grollen aufs Gleis ein. Das Abteil war aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit so gut wie leer, trotzdem drängte Josh darauf, sich ganz nach vorn auf die erste Bank zu setzen, damit möglichst wenige Menschen an ihnen vorbeiliefen. Rohan beanspruchte den Fensterplatz, Josh platzierte sich, mit dem Fahrrad im Gang, neben ihn.
Der Zug setzte sich ruckelnd in Bewegung und im klinischen Licht der U-Bahn erkannte Josh nun auch die Knutschflecken auf Rohans Oberkörper, die sich bis zu seinem Hals emporzogen. »Oh Mann. Wie die Teenager«, kommentierte er kopfschüttelnd mehr zu sich selbst, trotzdem blickte ihn Rohan fragend an.
»Wer?«
»Du und dieser Saftlappen Riedell! Ich meine, welcher erwachsene Mann macht einem anderen Knutschflecke? Das tun nur Pubertierende, um damit anzugeben, dass sie bereits mit jemandem intim sind.«
Rohan grinste verschmitzt. »Danke für die Analyse, Herr Doktor. Aber was ist denn deiner Meinung nach erwachsener Sex , wenn man sich dabei weder rumbeißen noch auf dem Teppich ficken darf?«
Josh drehte sich etwas peinlich berührt um, doch es war niemand in ihrer Nähe, der sie belauschen konnte. Also antwortete er leise: »Ich weiß nicht ... im Bett zum Beispiel, in Missionarsstellung, ganz normal eben, ohne sich die Knie aufzuschürfen oder Blutergüsse zu verteilen! ... Aua! « Seine Antwort brachte ihm einen herzhaften Boxhieb gegen die Schulter ein.
»Boah ey, bist du ein langweiliger Stino geworden! Aber Eier hast du noch, ja? Oder hat dich deine Frau schon kastriert?«
Josh boxte Rohan mit etwas Nachdruck zurück, lachte aber dabei. »Meine Güte, Stellungen kann man ja ruhig wechseln und gegen ein bisschen Kratzen oder so habe ich auch nichts gesagt, wenn man gerade in Ekstase ist.«
Rohan grinste, hob seinen Zopf an und drehte ihm die Schulter zu. »Etwa so?«
In seinem Nacken und zwischen seinen Schulterblättern prangten tiefe, rote Striemen.
»Wie zum Donnerwetter machst du das immer?« Ungläubig schüttelte Josh den Kopf. »Ich bin schon glücklich, wenn Dana mal etwas lauter atmet , aber deine Typen verlieren alle völlig den Verstand, wenn du mit ihnen vögelst.«
Rohan deutete eine Verbeugung an und kicherte stolz. »Zu viel der Lorbeeren. Aber leider kann ich dir da nicht wirklich helfen. Mit Frauen habe ich, wie du weißt, nur sehr wenig Erfahrung.«
Gerade wollte Josh nachbohren, da hielt die Bahn erneut und einige Leute stiegen zu. Unter anderem schaffte es auch eine Gruppe südländischer Jugendlicher in den Waggon, welche sich lautstark unterhielten. Am Anfang bemerkten sie die beiden nicht, dann wurde jedoch einer auf sie aufmerksam und schon blickten alle vier immer wieder vereinzelt zu Rohan und Josh hinüber.
Joshua bekam das mit und betete innerlich, dass sie friedlich bleiben würden, aber leider fingen die Halbstarken sehr schnell an, abfällige Scherze zu machen, und starrten ungeniert vorrangig Rohan an.
Josh wurde das zu viel und er wollte auf keinen Fall warten, bis sie beginnen würden zu pöbeln. In dem Moment, als er seinen Bruder bitten wollte, mit ihm an der nächsten Station das Abteil zu wechseln, stand dieser auf und schnauzte dem Größten der vier Jungs, welcher am provokantesten gestarrt hatte, entgegen:
»Was ist? Willst du ein Foto , du kleiner Penner?«
Die drei anderen zuckten erschrocken zusammen, doch der Angesprochene kam selbstsicher auf ihn zu. Rohan und der Anführer der kleinen Gruppe waren ungefähr gleich groß, die anderen einen halben Kopf kürzer.
Mit starkem Akzent provozierte der Jugendliche ihn weiter: »Alder, bissu schwul oda was? Sitzt hier halbnackt in Zug, willst wohl auf de Fresse?«
Josh begann sich ernsthaft Sorgen zu machen, aber da hatte Rohan schon ausgeholt und dem Burschen mit voller Wucht seine Faust in den Magen gehauen. Der sackte zusammen und fluchte keuchend etwas Unverständliches, als er zusammengekrümmt auf dem Boden lag. Rohan machte einen weiteren, bedrohlichen Schritt auf die anderen drei zu, die geschockt darüber, dass ihr Anführer so einfach umgehauen worden war, wie verängstigte Hühner in der Ecke standen.
»Wollt ihr auch noch ein Autogramm?«, bot er ihnen wütend an. Die Jugendlichen winkten nur ab und beteuerten: »Ey, alles cool Mann. Bleib locka, wir wolln kein Stress, Alder.«
Rohan schnaufte nur, drehte sich um und setzte sich zurück neben seinen verdatterten Bruder. Bewusst provozierend legte er dann auch noch sein rechtes Bein über das von Josh, während er die Südländer taxierte. Als die Bahn hielt, halfen die drei ihrem Kumpel hoch und schleiften ihn aus dem Abteil. Inzwischen mehr belustigt als erbost rief Rohan ihnen hinterher: »Wenn der Wichser aufgehört hat zu heulen, sagt ihm, dass er von ’ner Schwuchtel verprügelt wurde!« Die Türen schlossen mit einem zischenden Geräusch und Rohan lachte nur noch. »Was für Pissnelken.«
Auch Josh konnte sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen, seitdem sein Bruder wieder neben ihm saß. »Es ist so schön, dass du überall neue Freunde gewinnst«, sagte er kichernd und fügte an: »Mir war nicht klar, dass du immer noch so schnell handgreiflich wirst.«
Rohan atmete tief durch und öffnete seine Haare, um sie neu zurückzubinden. »Eigentlich bin ich ein sehr ausgeglichener Mensch, wie du weißt. Aber mit solchen geistig unbewaffneten Affen hätte ich wohl kaum eine Diskussion über homosexuelle Freiheiten und kleidungstechnische Grundrechte anfangen brauchen.«
Josh stimmte ihm lächelnd zu. »Wohl eher nicht. Aber apropos homosexuelle Freiheiten Roi, du kannst deine Stelze jetzt wieder von meinem Bein runternehmen!«
Rohan aber lehnte sich nur zurück und sah dann aus dem Fenster. »Ich find’s bequem so, außerdem sind wir eh gleich da.«
Kopfschüttelnd und dabei grinsend rückte Josh seinen Anzug zurecht, beließ es aber bei einem geseufzten »Du bist einfach unmöglich.«
***
Schreie hallten mitten in der schwülen Nacht durch das kleine Einfamilienhaus. Dana schaltete verschlafen das Licht an und setzte sich auf. Ihre zerzausten, hellbraunen Haare klebten an ihrem verschwitzten Körper, der in einem blauen Nachthemd steckte. Sie warf einen Blick auf die Wanduhr und pikste dann ihren Mann wach. »Hey ... es ist nach drei. Du bist dran.«
Erschöpft zog Joshua daraufhin seine Augen auf und seufzte müde. »Ja ... ich weiß.« Dann schlurfte er zu ihrem Baby im Nebenzimmer.
Auch in seinem Gesicht zeichneten sich bereits erste Anzeichen des Vaterseins ab. Leichte Fältchen zogen sich um seine Augen, wenn sein Sohn ihm erbarmungslos den Schlaf raubte. Dana hatte die Schlafzeiten-Regelung sehr geschickt eingefädelt: Von acht Uhr abends bis um drei Uhr nachts war sie für den Kleinen zuständig, sollte er aufwachen, und von drei Uhr nachts bis um acht Uhr früh war ihr Mann verantwortlich. Dabei wusste sie genau, dass Noah immer selig bis mindestens halb vier schlief, wenn sie ihn, frisch gewindelt und bis obenhin voll gefüttert, ins Bett brachte. Nun hatte der kleine Racker sein üppiges Abendessen natürlich in der Windel und konnte nicht mehr weiterschlafen, bis diese gewechselt wurde.
»Na, du kleiner Stinker?«, sprach Joshua seinen Sohn schlaftrunken an und hob ihn aus seinem Bettchen. »Uiii ... du bist ja fast doppelt so schwer wie sonst!« Mit routinierten Griffen machte er den Klops sauber, wickelte und beruhigte ihn. »Jetzt hast du garantiert wieder Hunger, oder?« Der Kleine brabbelte und machte eindeutige Schmatzgeräusche, die Josh als Ja interpretierte. »Na komm, ich mach dir ein kleines Fläschchen, damit du weiterschnurcheln kannst.«
Josh hatte darauf bestanden, den kleinen Fratz Noah zu nennen, entgegen Danas Vorschlägen, doch schließlich hatten sie sich geeinigt, dass sie dessen Zweitnamen bestimmen durfte. Joshua beharrte nicht ohne Grund auf Noah , denn bis auf das R war der Name ein Anagramm aus Rohan, was seiner Frau natürlich nicht bewusst war.
Joshua ging runter in die Küche, doch als er das Licht anschaltete, zuckte er erschrocken zusammen. Rohan, der seit einigen Wochen mal wieder sein Gästezimmer belegte, stand in kurzer, durchnässter, schwarzer Sporthose und einer Flasche Wasser mitten im Raum. Selbst seine taillenlangen, offenen Haare pappten nass an seinem nackten Oberkörper.
Josh seufzte: »Warum gehst du immer nachts in den See? Du wirst dir noch den Tod holen!«
Rohan kam auf ihn zu und nahm ihm Noah ab. »Bei dem Lärm, den dein kleiner Scheißer veranstaltet, kann doch eh kein Mensch schlafen.« Dabei stupste er dem Jungen jedoch liebevoll mit dem Finger auf die Nase.
»Er ist ein Baby, Zombie. Babys sind eben laut. Pass bitte auf, dass du ihn nicht nass machst.« Er zeigte auf den Esstisch. »Setz ihn am besten in den Hochstuhl, ich mach ihm noch was zum Schnubbeln.«
Rohan befolgte die Anweisung seines Bruders, dann heiterte er den sieben Monate alten Noah mit ein paar Grimassen auf, bis dieser freudig quiekte. Josh beobachtete das Ganze lächelnd aus den Augenwinkeln, während er die Pre-Milch zubereitete, die sein Sohn seit gut vier Wochen bekam. »Wieso machst du nicht eine Ausbildung zum Erzieher und arbeitest in der Krippe? Du kannst doch so gut mit Kindern umgehen und die suchen gerade händeringend männliches Personal. Oder du jobbst mal als Babysitter?«
Die Idee entlockte Rohan ein Lachen, bevor er sie beantwortete: »Ich bitte dich! Wer in aller Welt lässt einen wildfremden Mann, der aussieht wie ... na ja, wie ich halt, auf sein Kind aufpassen? Außerdem komme ich nur mit Noah gut klar.«
»Wieso nur mit ihm?« Josh schraubte die fertige Milchflasche zu und reichte sie Rohan, damit er sie seinem Nachkömmling geben konnte.
»Weil er dein Baby ist!«, verkündete sein Bruder mit zuckersüßem Blick, nahm Noah auf den Arm und steckte ihm vorsichtig die Gummispitze in den Mund, worauf der daran zu saugen begann.
Josh setzte sich ebenfalls an den Tisch, wusste jedoch nicht, was er darauf sagen sollte, errötete leicht und schwieg lieber. Sein Spross nuckelte in Lichtgeschwindigkeit das Fläschchen aus und machte dann ein herzhaftes, feuchtes Bäuerchen auf Rohans Schulter. »Na super ... danke dafür. Jetzt muss ich auf jeden Fall nochmal duschen.«
»Mach das«, gluckste Josh und wischte ihm mit einem Taschentuch die Kotzbröckchen vom Rücken. »Schadet auch nicht. Du stinkst nach Karpfen!« Schleunigst lief er zur Treppe, bevor ihm sein Bruder noch eine watschte, und brachte Noah zurück in sein Bettchen, während Rohan im Gästebad verschwand.
Als Joshua sich wieder neben seiner Frau ausstreckte, war er hellwach. Rohans Anblick ließ seine Libido aufwallen und jetzt konnte er nur noch an das Eine denken. Erst überlegte er eine Weile, dann wagte er, sich zu Dana zu drehen. Er küsste sie auf den Hals, strich über ihren Bauch und streichelte ihre weichen Brüste, obwohl er wusste, dass es zu keiner intimen Interaktion mit ihr kommen würde. Dana hatte bereits vor der Schwangerschaft ordentlich zugenommen und machte ihn auch schon seit Längerem nicht mehr so heiß wie früher, trotzdem versuchte er es immer wieder. Er verdrängte alle Probleme und fokussierte sich auf die glückliche, heile Familie, die er nach wie vor unbedingt haben wollte. Jetzt, wo sie nicht mehr nur seine Frau, sondern auch noch Mutter war, hatte ihr Liebesleben jedoch gänzlich aufgehört, denn sie schien keinerlei Interesse mehr daran zu haben.
Josh streichelte ihren runden, weichen Po, doch Dana murrte nur und rollte sich weg, damit er sie in Ruhe ließ. Frustriert stand er auf und verließ das Schlafzimmer erneut.
Aus dem Gästezimmer drang leise Musik. Er wollte nachsehen, ob Rohan immer noch wach war, öffnete vorsichtig die Tür und betrat den Raum.
Obwohl das Gedudel ziemlich laut aus der Anlage schallte, schlief Rohan bereits tief und fest. Auf dem Bauch liegend und nackt, verhüllte nur ein weißes Bettlaken, das er in diesen heißen Sommernächten als Decke nutzte, seinen festen, durchtrainierten Hintern, den man durch das hereinfallende Licht der Straßenlaterne gut unter dem dünnen Stoff erkennen konnte. Josh ertappte sich selbst beim Starren und noch unwohler wurde ihm, als er bemerkte, dass ihn dieser Anblick hundertmal mehr erregte als seine Frau. Innerlich verfluchte er sich dafür und wollte fluchtartig das Zimmer verlassen, stolperte beim Umdrehen jedoch über Rohans herumliegende Stiefel und fiel rücklings auf die Matratze.
»Aua !!! Verdammte Scheiße!«, fluchte Rohan verschlafen. »Josh? Was machst du in meinem Bett?«
»Das … das ist ... mein Gästezimmer und somit auch mein Bett!«, verteidigte der sich verlegen und drehte ihm den Rücken zu, damit er seine Erektion nicht bemerkte. »Ich kann es nutzen, wann immer ich will!«
»Aha.« Sarkastisches Zungenschnalzen begleitete Rohans Ausruf. »Und du beschließt, es mitten in der Nacht zu nutzen? Für ... Flugübungen? Während ich noch drin liege?«
Josh grummelte verlegen. »Nein!«
»Was sollte das dann? Trainierst du fürs WCW [Fußnote 1] ?« Rohan ahnte natürlich den wahren Grund für dieses seltsame Verhalten und umarmte Josh von hinten, wobei er ihm liebevoll die Decke um den Körper wickelte. »Na schön, dann bleibst du eben hier.« Lächelnd zog er ihn enger zu sich. »Aber deine Wrestlingtechniken übst du dann bitte morgen weiter!«
Kaum kam sein Unterleib mit Joshs Hintern in Berührung, drückte sich dieser automatisch an ihn. Josh hob das obere Bein an, damit Rohan mit seinem dazwischen schlüpfen konnte. Als Kinder hatten sie oft so geschlafen, später nur selten, dann schließlich gar nicht mehr.
Rohans Hand, die eben noch auf der Brust seines nächtlichen Besuchers geruht hatte, streichelte über dessen Brustwarzen und seinen Bauch. Josh spürte den Atem im Nacken, dann eine Zunge und kurz darauf ein zärtliches Knabbern an seinem Ohr.
Die Hitze verdrehte ihm den Kopf und ein leichtes Seufzen verließ seine Lippen, als ihm endlich eine Hand in die dunkelblaue Boxershorts griff und seine harte Länge gekonnt massierte. Josh konnte bald nicht mehr und wechselte rasch die Position, um sich auf Rohan zu setzen. Seine starken Arme hielten ihn fest, zogen ihn an sich, wühlten in seinen Haaren. Er küsste ihn immer und immer wieder, leckte gierig über seinen Hals und keuchte schließlich: »Oh Gott ... ich will dich so sehr!«
Rohan grinste und zog ihn noch enger an sich. »Na dann ... worauf wartest du?«
Kurz darauf wurde die Nacht von leisem Stöhnen erfüllt, das Erlösung fand ...
***
Dana wachte am nächsten Morgen alleine auf, doch das wunderte sie nicht im Geringsten, denn sie wusste ja, dass Josh sehr früh raus musste.
Kurz sah sie nach ihrem Sohn, der noch immer zufrieden schlummernd in seinem Babybettchen lag. Sie strich ihm nur über die Stirn, dann wandte sie sich wieder ab.
Die ersten Wochen nach der Geburt war sie ziemlich erschöpft gewesen und hatte die meiste Zeit geschlafen. Josh brachte ihr Noah regelmäßig zum Stillen, doch ansonsten kümmerte er sich um ihren Sohn. Als er dann wieder arbeiten musste, fühlte sie sich schnell überfordert und lieferte den Kleinen bei einer Tagesmutter ab, der sie auch ihre vorab abgepumpte Milch in einem Fläschchen mitgab. Für den Haushalt engagierte sie eine Putzfrau, ihr Essen bestellte sie sich bei verschiedenen Lieferservices. Dabei war es ihr auch ziemlich egal, dass beinahe ihr gesamtes Elterngeld für diese Leistungen draufging und Josh mit seinem Verdienst all ihre Fixkosten alleine trug. Ihr Arzt bescheinigte ihr eine Wochenbettdepression, auch wenn sie keinerlei Heulattacken oder Appetitlosigkeit verspürte, doch sobald sie diese Diagnose schriftlich hatte, hielt ihr Mann den Mund und tat, was sie wollte.
Seitdem sie, dank ihres kleinen Tricks, wieder durchschlafen konnte, fühlte sie sich auch deutlich energiegeladener als vorher, und heute ging es ihr sogar so gut, dass sie selbst Frühstück machen wollte.
Als Josh an diesem Morgen seine Augen öffnete, fand er sich in den Armen seines Bruders wieder. Im ersten Moment dachte er gar nicht daran, dass er eigentlich in seinem Ehebett hätte aufwachen müssen, damit Dana keinen Verdacht schöpfen konnte, doch ein geschäftiges Klappern aus der Küche ließ ihn auffahren und kerzengerade im Bett sitzen.
Rohan grummelte, als er durch Joshs ruckartige Bewegung aus dem Schlaf gerissen wurde. »Mmmmh … was ist denn?«
»Ich glaube, Dana ist schon wach!«
»Ach Quatsch, die steht nie vor acht auf und du hast doch gestern noch meinen Wecker auf sechs gestellt, oder etwa nicht?«
Beim Blick auf besagten Gegenstand bekam Josh vor Schreck beinahe einen Herzkasper. »Ja, ich habe ihn gestellt, aber das Mistding ist stehen geblieben ! Es ist schon halb acht!«
Rohan war viel zu müde, um zu verstehen, was das für ein Problem darstellte. Immerhin war es noch so früh, dass Josh rechtzeitig zur Arbeit kam. In der Zwischenzeit zog sich dieser Rohans Bademantel über und gab ihm nur noch einen flüchtigen Kuss auf die Stirn.
»Danke, dass du mir gestern … geholfen hast. Du weißt ja, kein Wort darüber, wie immer!«
Rohan wich seinem Blick aus. »Klar. Wie immer ...«
Als Dana, die mit Noah auf dem Arm in der Küche stand, ihren Mann aus dem Gästezimmer kommen sah, erschrak sie. »Josh? Wieso bist du -«
»Guten Morgen, mein Liebling! Hast du gut geschlafen? Ich war ab drei Uhr nachts hellwach.« Josh ging direkt zum Gegenangriff über, um sie abzulenken. »Wir sollten nochmal dringend über diese nächtliche Regel sprechen, denn ich habe das Gefühl -«
»Oh, es ist ja schon so spät!?«, fiel sie ihm schnell ins Wort, um ihren geplant ungestörten Schlaf zu retten. »Du musst sicher gleich los, aber ich hab uns Frühstück gemacht! Willst du ein Ei oder zwei?«
»Zwei«, raunte ihr Mann und deutete dann auf den Tisch. »Wieso hast du nur für zwei gedeckt?«
Zornesröte stieg Dana ins Gesicht. »Ist ... er ... etwa immer noch hier? Dein Bruder belagert nun schon seit Wochen unser Gästezimmer und strapaziert unseren Geldbeutel!«
Josh hätte sie in diesem Moment am liebsten in der Luft zerfetzt. »Genau genommen strapaziert er nur meinen Geldbeutel, denn soweit ich weiß, trägst du seit über einem halben Jahr nichts mehr zu unseren Fixkosten bei! Außerdem macht er sich dafür nützlich und hilft mir!« Dana wollte gerade lautstark protestieren, als sie das Objekt ihres Zorns aus dem Gästezimmer kommen sah. Nur mit einer engen, schwarzen Boxershorts bekleidet, schien es, als liefe er mit seinem perfekten Körper Werbung für das männliche Geschlecht.
»Moin«, grüßte er nur knapp, schlenderte zu der schockierten Dana und nahm ihr das Baby ab, welches sich sofort an seine nackte, muskulöse Brust schmiegte.
Josh räusperte sich und fuhr seinem Bruder spielerisch durch die Haare. »Zieh dir bitte was an, Zombie. Du bringst meine Frau in Verlegenheit.«
Einige Strähnen umspielten Rohans Gesicht, während er seinen Bruder verführerisch anlächelte. »Ach ... tue ich das?« Er grinste noch breiter und wollte gerade einen spöttischen Kommentar von sich geben, als Josh zu lachen begann.
Dana riss Rohan ihr Baby wieder vom Arm und sah ihn finster an, denn er hatte gar nicht gemerkt, dass Noah, ganz nach Babyart, an seiner rechten Brustwarze genuckelt hatte. »Du solltest dir jetzt wirklich etwas anziehen!«, fauchte sie und schwenkte ihren Blick dann auf ihren Mann um. »Und Josh wollte auch noch mit dir reden
»Ach so?« Rohan sah seinen Bruder an, doch der lächelte nur.
»Ich erkläre es dir, während du dich umziehst. Komm mit.« Schon verschwand er mit ihm wieder im Gästezimmer. »Sie will dich hier raus haben«, teilte er gleich mit, sobald die Tür hinter ihnen geschlossen war. »Aber mach dir keine Sorgen. Du kannst so lange hier wohnen, wie du willst.«
»Danke, aber ich bin bald wieder weg. Ich will nicht, dass eure Ehe wegen mir zerbricht.« Rohan setzte sich aufs Bett, um ein Paar Socken anzuziehen. Josh aber blieb vor ihm stehen.
»Glaub mir, sobald du gehst, findet sie einen neuen Grund, sauer auf mich zu sein. Bevor du da warst, waren es meine Arbeitszeiten, meine Frisur, meine nachlassende Aufmerksamkeit ihr gegenüber -«
»Warum seid ihr nochmal verheiratet?«, warf Rohan dazwischen und runzelte die Stirn. »Ich hab’s doch gesagt: Ihr hasst euch! Also warum keine saubere Trennung und dann geht jeder seiner Wege?«
»Das ist nicht so leicht, wie du es dir vorstellst.« Josh seufzte. »Jetzt, wo wir ein Kind haben, kann ich sie nicht einfach rausschmeißen. Sie hat sich nichts angespart, und da ich das Haus vor der Ehe gekauft habe und auch alleine abbezahle, hat sie keinen Anspruch auf irgendwelche Ausgleichszahlungen. Ich würde sie praktisch auf die Straße setzen!«
»Tja, dann lass dich halt weiter schikanieren.« Rohan war das Thema leid und da half es auch nicht, dass Josh ab und zu heimlich mit ihm Sex hatte.
»Ach Roi. Du machst es mir auch nicht gerade leicht.«
»Ich ?« Der Jüngere schien entsetzt.
»Ja, du!« Josh lachte. »Du weißt genau, wie heiß du aussiehst, und trotzdem spazierst du so spärlich bekleidet mit deinem perfekten Körper und deinem festen Arsch, der ... ach egal! Jedenfalls sehe ich daneben meine aus den Fugen geratene Frau, die dauernd nur über ihre Pseudodepressionen meckert, und ich frage mich praktisch jede Sekunde , warum ich ihr nicht einfach die Scheidung vor den Kopf knalle.«
»Ach, echt?« Rohans Blick wandelte sich zu einem erstaunten Glotzen, und als sich sein Bruder auch noch auf seinen Schoß setzte, ließ er sich nach hinten aufs Bett sinken. Josh küsste seinen festen Bauch und saugte da, wo vorher sein Sohn zugange war.
»Hast du es wirklich nicht gemerkt?«
Rohan keuchte ein wenig. »Nicht gemerkt? Was?«
»Das!!!« Josh saugte noch stärker.
»Aahh … ich ... ja, natürlich hab ich … es gemerkt, aber ich konnte ja schlecht ... aufstöhnen
Inzwischen knabberte Josh noch ein wenig mehr an ihm. »Wusste ich’s doch! Ich weiß doch genau, wo deine sensiblen Stellen sind, du notgeiles Stück!« Josh rutschte nach oben und küsste ihm die feuchten Lippen. Er presste seine erigierte Länge fest gegen Rohans, der ihn nun umarmte und seinen Hintern in die passende Position brachte.
Josh keuchte und bewegte seine Hüften rhythmisch gegen ihn. »Ich werde noch wahnsinnig. Ich ... würde dich … jetzt so gerne … ficken!« Gierig küsste er ihn, wobei er seinen Kopf festhielt, doch in dem Moment klopfte es bereits an der Tür.
»Josh! Dein Kaffee wird kalt!«
***
»Schatz! Ich muss gleich zum Friseur, bringst du Noah bitte in die Krippe?«
Josh stand bereits im Flur und zog sich die Schuhe an. »Nein, das geht nicht, ich muss in die Praxis! Ich hab ab zehn die ersten Patienten!«
Dana wurde wütend. »Na toll! Immer wenn ich mal etwas für mich tun will, sind deine Termine wichtiger! Dauernd sitze ich hier fest, nur weil ich mich immer um alles alleine kümmern muss!«
Josh zog sich gelassen den Mantel über. »Fahr ihn halt erst in die Krippe und geh danach zum Friseur!«
Dana stampfte so fest mit dem Fuß auf, dass ihr fast der Absatz abflog. »Aber dann verpasse ich Cindy!«
Josh seufzte auf. Dana hatte Cindy im Krankenhaus kennengelernt und sich mit ihr ein Zimmer geteilt. Seitdem war sie ihre beste Freundin. Josh konnte sie jedoch nicht leiden. Sie war eine hysterische, hibbelige, vorlaute und sich in alle Dinge einmischende Person, die immer drei Liter zu viel Parfüm auf dem Hals umher trug.
»Dann sag eben Rohan Bescheid, dass er ihn hinbringen soll. Er macht das sicher gern!« Damit öffnete Josh die Tür und schlenderte mit einem Pfeifen zu seinem silbernen 3er BMW.
Dana hasste es, wenn sie den Mietnomaden um irgendwas bitten musste, doch sie wollte unbedingt eine neue Frisur. Schließlich überwand sie sich, ging zum Gästezimmer, aus dem wummernde Musik drang, und öffnete vorsichtig die Tür.
»Rohan ...? Könntest du - waaah !!!« Dana knallte das Brett wieder zu. Mit hochrotem Kopf marschierte sie in die Küche und trank ein Glas Wasser.
Rohan kam ihr kurz darauf hinterher und motzte: »Mann ey, kannst du nicht anklopfen?«
Wütend fuhr sie ihn an: »Wie kommst du dazu, dir mitten am Tag einen von der Palme zu wedeln?«
Der kleine Noah, der in seinem Essstühlchen saß, lachte, selbst wenn er nicht verstand, worum es ging, und auch Rohan musste grinsen. »Ist ja süß, wie du das umschreibst. Aber ja, ich hatte eben ... Langeweile
»Gut, dann vertreib sie dir, indem du Noah in die Krippe bringst!«
»Klar, gerne doch!«, sagte er erheitert, nahm den Knirps auf den Arm und ließ ihn mit seinem Finger spielen. Ganz nach Kleinkindmanier nuckelte der Kleine eifrig daran.
Mit angeekelter Miene riss ihm Dana das Kind erneut vom Arm und kreischte: »Wasch dir gefälligst vorher die Hände! Das ist ja widerlich!«
Rohan lachte und schlenderte ins Bad. »Hoffentlich fängt er mit dem Sprechen erst spät an. Sollte er deine Stimme kriegen, dann gute Nacht!«
Danas linke Augenbraue zuckte vor Wut. Der Punkt war schon lange gekommen, an dem sie Rohan nicht mehr nur unsympathisch und unhöflich fand, sondern ihn regelrecht zu hassen begann.
Schon nach ein paar Minuten kam er wieder aus dem Bad, hatte sich eine saubere, schwarze Hose und ein weißes Tanktop angezogen sowie seine Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er nahm Noah auf den Arm und schnappte sich seinen Motorradhelm.
Als Dana das sah, brüllte sie ihn an: »Du willst doch wohl nicht mit deiner Höllenmaschine fahren? Hast du noch alle Tassen im Schrank? Wenn du dein Leben aufs Spiel setzt, ist mir das egal, aber nicht das meines Kindes!«
Rohan kannte ihre Wutausbrüche und wusste, dass mit ihr in dem Zustand nicht zu reden war. Er fuhr dieses Motorrad, seit er zwanzig geworden war, und hatte bisher noch nie eine Verwarnung oder Bußgeldbescheide bekommen, geschweige denn einen Unfall gebaut.
»Na schön«, lenkte er ein. »Ist dein Auto aus der Werkstatt zurück? Dann nehm ich das.«
»Nichts da! Nachher fährst du mir das auch noch zu Schrott!«
Rohan langte es. Josh hatte ihn immer gebeten, nett zu Dana zu sein und Verständnis für ihre Hormone zu haben, aber jetzt reichte es ihm. »Hör zu, du hysterische Zicke, ich habe noch nie etwas zu Schrott gefahren, also hör auf mit deinen ständigen Verallgemeinerungen ! Wie du dich vielleicht erinnern kannst, hast du meine Anlage, meinen Laptop und mein Handy geschrottet, was ich dir nicht einmal vorgeworfen habe!«
Dana zitterte. »Da war ich schwanger!«, verteidigte sie sich.
»Ja!!! Schwanger ! Nicht behindert, gelähmt oder vollkommen verblödet!!! Nur schwanger!!! Das ist keine spastische Krankheit!«
»Na und?« Dana fing an zu heulen. »Du hast doch keine Ahnung, wie schwer das ist!«
Rohan seufzte genervt, beruhigte sich aber wieder. »Nein, weiß ich nicht! Und deshalb habe ich es dir ja auch nie vorgehalten! Aber du schmeißt mir hier Sachen an den Kopf, die ich nie getan habe!«
Immer noch wütend und schluchzend setzte Dana sich hin. Rohan nahm ihr den leicht schockiert glotzenden Zwerg aus dem Arm und hängte seinen Helm wieder ans Brett. »Ich fahr mit der Bahn. Mach, dass du zum Friseur kommst!«
***
Josh hatte gerade seinen letzten Patienten verabschiedet. Er streckte sich und ließ die Knochen knacken, als Renè zur Tür hereinkam. »Na? Alles in Ordnung? Du sahst heute den ganzen Tag so bedrückt aus? Hängt der Haussegen schief?«
»Leider ja.« Josh schnaufte und nickte schließlich. »Du hast es gut, Goh und Bella vertragen sich wenigstens. Dana hat vom Friseur aus dreimal angerufen und mich zuerst angebettelt, dann angeschrien und zuletzt die Ohren vollgeheult, ich solle Roi endlich rausschmeißen. Zu Hause will sie mir erzählen, was er schon wieder Schlimmes angestellt hat, dabei weiß ich von ihm, dass er Noah mit der Bahn zur Krippe gebracht hat, damit sie zum Friseur fahren kann.«
»Tja, da bleibt dir wohl immer wieder nur das Erklären, Beruhigen und Aushalten.« Renè klopfte seinem Sohn auf die Schulter. »Ob du es glaubst oder nicht, Bella konnte Goh zuerst auch nicht sonderlich leiden, aber durch meine und seine Ausdauer hat sie ihn irgendwann akzeptiert und vertraut ihm inzwischen sogar. Allerdings wohnt er auch nicht bei uns. Ich glaube, da hätte sie dann doch was dagegen. Außerdem … seit er diesen Typen kennengelernt hat, kommt er auch nicht mehr jeden Tag vorbei.«
»Goh hat einen festen Freund?« Josh sah seinen Vater überrascht an. »Ich dachte immer, er wollte keine Beziehungen mehr.«
»Tja, das dachte ich auch, aber der ist wohl ebenso ein Rowdy, wie es Goh früher war, und er kommt gut mit ihm klar. Ich hab ihn noch nie gesehen, allerdings war Goh ja bezüglich seiner Liebschaften schon immer sehr schweigsam.«
»Wie heißt er denn?«, fragte Josh neugierig.
»Keine Ahnung, nicht mal das weiß ich«, musste Renè zugeben. »Seinen richtigen Vornamen sagt er nie. Alles, was ich bisher aus ihm herausbekommen habe, war sein Kosename. Äh warte, wie war der doch gleich, ach ja ... Sanam
Josh lachte. »Ist der Typ Araber? Hört sich an wie -«
»Hindi.« Auch Renè konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Es bedeutet schlichtweg Liebster oder Schatz . Na ja, jedenfalls lässt er sich immer seltener blicken, seit er diesen Kerl kennt.« Plötzlich warf Renè seinem Sohn einen skeptischen Blick zu. »Ihr beide wart ja auch schon ewig nicht mehr bei uns! Das heißt, du schon, aber Rohan, den hab ich nur noch gesehen, wenn ich zu euch gekommen bin.«
Josh erinnerte sich und bemerkte dabei ein kleines Detail. »Sag mal, kann es sein, dass sich Rohan und Goh in all den Jahren noch nicht einmal begegnet sind?«
Renè nickte nachdenklich. »Das liegt wohl daran, dass sie beide keine Menschen sind, die gern feste Termine machen. Eigentlich schade, sie sind sich so ähnlich und würden sich sicher gut verstehen, vielleicht sogar zu gut. Negative Verstärkung und so.«
Renè dachte nicht weiter darüber nach und zog sich um. Er hatte heute einen freien Nachmittag zur Entspannung vor sich. Josh übernahm die Spätsprechstunde und Bella war mit den drei Kindern zur Großmutter gefahren, damit er sich endlich mal zurücklehnen und ausruhen konnte.
***
Renè fuhr nach der Arbeit direkt nach Hause und sonnte sich allein im Garten auf einem der Liegestühle. Ein kühler Wind zog auf, der ihn etwas frösteln ließ, darum zog er sich eine Decke über den Oberkörper und seufzte zufrieden mit sich und der Welt.
»Würdest du es tun, wenn ich dich darum bitte?«
Renè erschrak furchtbar, als Gohs Stimme ihn aus seiner Seligkeit riss und er ihn neben sich stehen sah. Wie immer trug sein Freund seine schmale Sonnenbrille und seine lederne Motorradkluft, sah ihn aber nicht direkt an.
Renè setzte sich auf. »Ich ... ich hab dich gar nicht kommen hören. Hast du ’nen Schalldämpfer auf dein Motorrad geschraubt?« Er hielt sich die Brust in der Herzgegend und schnaufte.
Goh zog sich einen Stuhl dicht neben die Liege, setzte sich, nahm die Brille ab und sah Renè ernst in die Augen. »Beantworte mir bitte die Frage.«
»Ich weiß doch gar nicht, wovon du redest. Was genau soll ich denn tun?«
Goh wirkte nervös. Immer wieder huschten seine Blicke in der Landschaft umher. »Ich hab dir doch von meinem neuen Typen erzählt. Nun ... er existiert nicht! Ich habe ihn erfunden und in meinen Gedanken dein früheres Ich auf ihn projiziert, wenn ich von ihm erzählt habe.«
»Was?« Nun war Renè vollkommen perplex, doch Goh seufzte schwerfällig.
»Ich muss dir etwas beichten. Das in der Scheune damals, das war wie eine Erleuchtung für mich. Außerdem war es der krasseste Orgasmus, den ich je hatte … im psychologischen Sinn. Du würdest kotzen, wenn du wüsstest, wie oft ich mir auf diese Erinnerung schon einen runtergeholt habe.« Renè stockte der Atem, doch Goh redete weiter, ohne ihn anzusehen. »Als du Bella geheiratet hast, verdammt, ich war kurz davor, sie umzubringen! Kannst du dir das vorstellen? Dieser Hass in mir wurde immer stärker! Am liebsten hätte ich sie heimlich aus dem Weg geräumt, weil sie dich mir weggenommen hat! Doch ich hätte dich nicht leiden sehen können, also habe ich mich stattdessen darum bemüht, dass du trotzdem immer bei mir bleibst, in der Hoffnung, sie würde dir langweilig werden. Doch du bist ein guter Mensch und ein scheiß perfekter Vater! Du bist nie zu mir zurückgekehrt und ihr treu geblieben ... und jetzt ... jetzt sind wir alt geworden, deshalb macht es auch nichts mehr, dass du es weißt. Es ist eh zu spät.«
Renès Herz raste, er zitterte am ganzen Leib. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf, Erinnerungen überfluteten ihn. Was wäre bloß gewesen, wenn er es schon damals gewusst hätte?
Plötzlich kniete sich Goh auch noch vor ihn hin und nahm etwas zittrig seine Hand. »Gib mir eine Nacht! Ich verlange nichts weiter als eine einzige Nacht, damit die Jahre des Hoffens nicht völlig umsonst gewesen sind.«
»Meinst ... meinst du das ernst?« Renè konnte gar nicht fassen, was da gerade geschah.
»Würde ich dich sonst fragen?« Gohs Blicke sprachen Bände.
»Aber ich ... du trainierst doch dauernd und ich bin einfach nur ... alt geworden und schlaff noch dazu! Ich habe allgemein keinen schönen Körper mehr. Sicher würdest du schreiend wegrennen.«
»Was glaubst du, warum ich seit so vielen Jahren in dich verliebt bin? Denkst du ernsthaft, ich halte dich für ein Unterwäschemodel?« Goh sah ihn ernst an. »Ich hab dich oft genug fast nackt gesehen ... beim Baden am See zum Beispiel, und auch da hätte ich dich am liebsten gefressen! Außerdem bin ich selbst alt geworden und ein gutes Stück pervers, also überlass mir mal, was ich geil finde.«
Er drückte Renè auf seine Liege, wobei er ihn mit Küssen überschüttete und ein Bein zwischen seine Schenkel drängte. Immer wilder und gieriger wurden seine Zungenspiele, doch sein Freund stoppte ihn, indem er ihn von sich schob.
»Goh!! Mein Gott! Reiß dich zusammen!«
»Willst du mich nun oder nicht?« Goh schien etwas beleidigt.
»Ja, aber ... ich ... meine Frau, die Kinder … wenn sie plötzlich zurückkommen ... und die Nachbarn ... wenn sie was sehen ... ich ... bitte lass uns woanders hinfahren.«
Gohs Augen strahlten begeistert. Er drückte ihm einen Helm auf den Kopf, ließ ihn gerade noch das Haus abschließen und zog ihn auf sein Motorrad. Mit dem Versprechen, genau zu wissen, wo sie hinfahren konnten, donnerte er los. Renè klammerte sich an ihn und fror ein wenig in seiner Freizeitkluft, denn selbst zum Umziehen hatte ihm sein Freund keine Zeit mehr gelassen.
***
In einem heruntergekommenen Rotlichtviertel verlangsamte Goh sein Fahrtempo. Hier lebte er. Noch nie war René in seiner Wohnung gewesen und auch jetzt fuhren sie daran vorbei. Vor einem Haus, auf dem in altdeutschen Buchstaben Villa Moon stand, brachte er seine Maschine endlich zum Stehen.
Neben dem Szenemann kam sich Renè in seiner schlabbrigen Gartenjeans, Shirt und Turnschuhen wirklich underdressed vor. Im Hotel war kaum Betrieb, das würde sich jedoch zum Abend hin ändern.
Der Typ am Empfang erkannte Goh und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Hey, du alte Lederschwuchtel!«, sagte er belustigt. »Bist aber früh dran heut ... und dann noch mit so einem Alten?«
»Sagst gerade du Schwadlappen?! Bist du nicht immer noch zugange mit der Omi vom Bäcker Heinz?« Dabei grinste er fies.
Peinlich getroffen sah der Portier zur Seite und erkundigte sich jetzt sehr geschäftsmäßig, ob sein Gast dasselbe Zimmer wie immer haben wollte. Goh warf ihm jedoch ein Bündel Geldscheine auf den Empfangstresen. »Nö, diesmal nicht. Gib mir die Suite! Und zwar bis morgen früh!«
Renè, der wegen der Bezeichnung Alter eh schon angepisst war, tippte Goh genervt auf die Schulter. »Bella und die Kinder kommen heute Abend zurück und ich muss morgen früh auch nochmal in die Praxis! Woher hast du eigentlich das ganze Geld? Du bist doch sonst immer pleite!«
Sich den Schlüssel schnappend und ohne im Geringsten auf seine Fragen einzugehen, nahm Goh ihn an die Hand und zog ihn mit sich zum Fahrstuhl, um zu einer Räumlichkeit in der obersten Etage zu gelangen.
Renè betrat den großen Raum und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus: ein dampfender, schäumender Whirlpool, ein riesiges Bett mit darüber verspiegelter Decke, eine Menge kleiner Geräte, von denen er nicht die geringste Ahnung hatte, wozu sie taugen sollten, und eisgekühlter Champagner. Alle Farben der Suite waren hochherrschaftlich in Dunkelblau und Gold gehalten.
In einer solch schäbigen Gegend hätte Renè niemals ein so wunderschönes Zimmer erwartet.
»Willkommen in der Moon-Suite, das Beste, was man auf dieser Seite der Stadt kriegen kann.« Goh verbeugte sich formvollendet, nahm die Sonnenbrille ab und küsste Renè die Hand, als sei er ein Graf. »Ist was anderes als die Scheune, nicht wahr?«
Renè war komplett überwältigt, doch Goh zog ihn bereits zielsicher in das mit Marmor ausgestattete Bad und gab ihm zu verstehen, sich schon mal in den Pool zu legen. Kaum war er hineingeklettert, kam sein Wohltäter, bekleidet mit einem schwarzen Satin-Bademantel und mit Champagnergläsern in der Hand, zurück.
Als er den Mantel zu Boden fallen ließ und sich zu ihm in die Badewanne setzte, sah Renè verlegen zur Seite. Trotzdem er schon über fünfzig war, hatte Goh einen immer noch ziemlich durchtrainierten Körper, war rasiert und machte mit seiner Figur manchem jungen Mann Konkurrenz. Natürlich sah man ihm sein Alter hier und da an, aber er war alles andere als abstoßend.
Renè hingegen schämte sich für sein Aussehen, denn er hatte seine Fitness in den Jahren als Arzt ziemlich schleifen lassen. Er war zwar nicht dick, aber üppige Muskeln besaß er auch nicht. Er war ein weicher Typ geworden.
Goh schob sich vorsichtig auf ihn und küsste ihn zögerlich, fast fragend. Weniger zögerlich war sein Schwanz, der trotz des heißen, blubbernden Wassers sofort entflammte und anschwoll. Renè atmete schneller, als sich dieser jetzt schon gegen seinen Eingang drängte.
»Nein ... nicht ... ich ... so geht das doch nicht!«, winselte er.
»Ich will dich endlich! Ich habe so lange darauf gewartet. Ich kann nicht mehr!«
Erneut überschüttete Goh ihn mit Küssen, doch Renè bekam Angst. Damals hatte es ihm durch die lange Vorbereitung nicht wehgetan, aber diesmal ...? Er drückte Goh mit dem Rücken an den Wannenrand und schmiegte sich in seine Umarmung.
»Wir haben doch so viel Zeit. Lass es uns jetzt nicht überstürzen, sonst tust du mir weh.«
Das wollte Goh natürlich auf keinen Fall. Darum riss er sich zusammen, drosselte seinen inneren Drang und hielt ihn erst einmal nur noch liebevoll im Arm. »Gut, okay, machen wir es langsam.« Dabei seifte er ihn sanft mit den Händen ein.
Renè kuschelte sich fester an ihn und genoss diese feuchten Streicheleinheiten, die nicht ganz unbeabsichtigt oft seinen Hintern verwöhnten. Plötzlich musste er sogar kichern. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich mal so erlebe. Kein Wunder, dass deine Lover immer geheult haben, wenn du sie verlassen hast. Du besitzt ja eine richtig fürsorgliche und sanfte Seite.«
Goh pikste ihm in die Rippen. »Das heißt, du hältst mich für einen emotionalen Eisklotz, der im Bett nur sadistische SM-Spielchen abzieht?«
»Hmm ... eigentlich ja. Ich dachte, du machst einen auf Obermacho und die armen kleinen Jungs und Mädels müssen hinhalten.«
Goh packte Renè bei den Oberschenkeln und hob ihn hoch. »Schön, wenn du mich härter erleben willst, musst du es nur sagen.«
»Hey! Nein, nein, nein! So hab ich das doch gar nicht gemeint!« Seine Widerworte ignorierend, trug Goh den zappelnden Renè in das offene Schlafzimmer und warf sich, nass wie sie waren, mit ihm aufs Bett. Dort drückten sie sich aneinander, balgten ausgelassen herum, küssten sich wieder und fühlten beinahe, wie sich die Zeit zurückdrehte: Sie sahen sich in den Nächten durch die Gegend fahren, erinnerten sich an die flüchtigen, seltsamen Blicke, die sie damals austauschten und die sie sich nicht erklären konnten. Sie spürten die Magie der kribbelnden Berührungen, welche in den vergangenen Jahren immer seltener geworden waren. Ihre Küsse dauerten eine Ewigkeit, waren langsam, ausgiebig und voller Leidenschaft.
Irgendwann nahm Goh die auf dem kleinen Beistelltisch stehende Flasche mit Körperöl und grinste seinen Freund an. »Soll ich dir mal einen der großen Vorteile zeigen, wenn man in einem Hotel vögelt?« Noch bevor Renè antworten konnte, goss er ihm den gesamten Inhalt über den Körper.
»Nein , nicht! Die Laken! Das fließt doch alles auf den Boden und -«
»Wir müssen die Sauerei nicht wegmachen, Darling. Also entspann dich ...« Goh schmiss die leere Flasche lässig über seine Schulter und legte sich dann auf seinen flutschigen Geliebten. Durch ihr liebevolles Gerangel verteilte sich das duftende Öl sehr schnell auf ihren Körpern und da, wo es von selbst nicht hinkam, half Goh mit seinen Händen nach. Er massierte durch seinen Spalt, ließ die Finger auf seinem Eingang kreisen und versenkte sie wenig später, einen nach dem anderen.
Renè warf den Kopf von einer Seite auf die andere, stöhnte leidenschaftlich und konnte gar nicht fassen, wie sehr ihm dieses Spiel gefiel.
Goh hingegen war bereits an seiner Grenze. Er konnte nicht mehr. Sein Schwanz pochte so hart, dass es wehtat. Das Blut in seinen Schläfen rauschte, dass er sich wie betrunken fühlte, und schließlich packte er seinen Freund, drückte ihm die Arme in die nassen, öligen Kissen, zwang sich zwischen seine Beine und presste sich durch seinen Schließmuskel.
Renè schrie auf, riss seine Hände los und verkrallte sich regelrecht in Gohs kräftigen Oberkörper, der ihn unerbittlich fest im Arm hielt. »Halt! Bitte ... nicht so schnell ...«, bettelte er und Goh hielt still, drückte sich nur langsam weiter in ihn und keuchte.
»Beweg dich nicht ... sonst … komme ich sofort … Ich hab so lange darauf gewartet ...«
Den plötzlichen, ungewohnten Dehnungsschmerz in Geilheit umzuwandeln, dafür blieb Renè nur wenig Zeit, doch Gohs keuchendes Stöhnen erleichterte es ihm. »Du wolltest mir nicht wehtun«, wimmerte er schließlich und spürte, wie sich eine Hand in seine Haare und eine zweite unter seinen Hintern schob.
»Konzentriere dich auf meinen Schwanz ... lass locker ... und mich tief in dich hinein ... dann fühlst du es!«
Daraufhin bewegte er sich leicht in ihm, dehnte ihn weiter und stöhnte dabei so herzzerreißend, dass Renè bald mitgerissen wurde. Er gewöhnte sich an dieses seltsame Gefühl und irgendwann streckte er sich ihm sogar entgegen.
Ein Rauschzustand erfasste beide, die Luft schien heiß und fast ohne Sauerstoff. Renè ließ sich immer weiter nach oben drängen, bis er sich am Kopfende des Bettes festhalten konnte. Unnachgiebig stieß dieser pulsierende Schwanz rhythmisch in ihn und füllte ihn aus, bis er beinahe ohnmächtig wurde.
Auf einmal packte Goh auch noch Renès Harten, den er mit schnellen Zügen wichste, bis seinem Besitzer Hören und Sehen verging. »Aaaahaah … nein ... mach das nicht ... sonst ... komme ...«
Warum Goh das tat, erschloss sich ihm jedoch umgehend. Nur noch ein paar Mal presste der sich mit aller Kraft in ihn und kam dann unter lautem Brüllen. Renès Hände zitterten, verkrampften sich und dann schoss es auch aus ihm heraus, genau wie aus seinem alten Freund.
Goh atmete unkontrolliert. Er schwitzte und schien völlig fertig, doch irgendwann rollte er sich von Renè herunter und dieser begann zu lachen. »Du bist so ein Arsch. Wie kannst du mir das antun?«
»Was?«
»Jetzt werde ich nie wieder den Sex mit meiner Frau genießen können!«
Goh lachte ebenfalls, dann küsste er ihn auf den Mund. »Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir das jeden Tag tun können.«
***
Es dauerte beinahe eine halbe Stunde, bis die beiden wieder halbwegs klar denken konnten.
»Willst du was trinken?«, fragte Goh schließlich und nach einem »Ja« seines Bettgenossen holte er zwei Wasserflaschen aus der Minibar. Sie tranken sie beide in einem Zug aus, dann nahm sich Goh auch noch die halbvolle Champagnerflasche und leerte diese.
»Soll ich noch eine holen?«, fragte er, als er den leicht strafenden Blick seines Geliebten bemerkte, doch dieser schüttelte nur den Kopf.
»Nein. Ich finde es nur nicht gut, wenn du so viel trinkst und später fahren willst.«
»Wir haben ja noch Zeit ... oder nicht?« Die Frage begleitete ein wehmütiger Unterton.
Renè warf einen Blick auf die Wanduhr und seufzte. »Leider nicht mehr allzu viel ...«
»Na schön, dann legen wir eben einen Gang zu!« Auf der Stelle küsste Goh ihn nieder und rutschte zwischen seine Beine. »Lass mich dir wenigstens noch einen blasen«, keuchte er. »Das wollte ich schon immer mal machen.«
»Nein, warte , ich weiß nicht, ob ich noch einmaaah! «
Zwei von Gohs Fingern drangen wieder in seinen Hintern und massierten gezielt seine Prostata. Dabei saugte er so heftig an Renès Schwanz, dass der ins Kissen biss, um nicht laut aufzustöhnen. Das wollte Goh aber nicht zulassen. Er löste sich kurz von ihm und nahm es ihm weg.
»Du darfst hier ruhig stöhnen, keiner außer mir kann dich hören. Ohne deine Stimme weiß ich doch gar nicht, ob es dir gefällt.«
Renè zog ihn an sich heran und küsste ihn leidenschaftlich. »So wie eben war es perfekt!«
Goh brauchte keine fünf Minuten, um Renè so zum Schreien zu bringen, dass man ihn selbst durch die isolierten Wände hörte. Kurz bevor er kam, drückte dieser wie von Sinnen Gohs Kopf zwischen seine Beine und so schluckte sein Verehrer jeden seiner Schübe.
***
Trotz Gohs Protesten bestand Renè mit schwerem Herzen darauf, zu sich nach Hause zurückzufahren, weil Bella sich sonst garantiert Sorgen machen würde. Die Rücktour erschien ihm viel zu kurz. Kaum merklich schmiegte er sich an Gohs Rücken und war richtig enttäuscht, als die Fahrt zu Ende ging und sie vor seinem Grundstück hielten.
Bella und die Kinder waren schon wieder zu Hause, allerdings zeigte die Uhr eine solch späte Stunde, dass nur noch sie wach in ihrem Nähzimmer saß, was man am einzig dort brennenden Licht erkennen konnte. Goh nahm Renè seinen Helm ab, sobald dieser abgestiegen war, und streichelte seine Wange.
»Da wären wir. Home sweet home.« Er gab ihm noch einen leidenschaftlichen Kuss auf den Mund und sah trotz des lang ersehnten Abends traurig aus. »Vergiss nicht, dass ich dich immer lieben werde, egal was passiert ...«
Renè wusste überhaupt nicht, was er sagen sollte. Überraschend rollte sogar eine Träne über seine Wange, denn er war zutiefst gerührt und schämte sich für seine Blindheit in all den Jahren.
»Willst du nicht doch noch mit reinkommen? Ich will dich jetzt nicht allein lassen«, flüsterte er mit zitternder Stimme und drückte Goh an sich, aber der lächelte nur und löste sich langsam von ihm.
»Ist schon gut, ich habe viel mehr bekommen, als ich mir erhofft hatte, und dafür danke ich dir. Schlaf gut.« Nach einem letzten Kuss startete Goh seine Harley, drehte um und donnerte dann in die Dunkelheit, welche ihn rasch verschluckte.
Bedrückt sah Renè ihm nach. Er fühlte sich verloren und leer und war zugleich besorgt. Als er sich ins Haus begab, überkam ihn immer mehr das starke Bedürfnis, Goh anzurufen und ihn zu bitten, zurückzukommen, aber wie so oft ignorierte er sein Bauchgefühl.