Es ist schlimmer, als ich es mir je hätte vorstellen können.
Ich war beim Laden an der Ecke, noch bevor er um acht aufgemacht hat, habe auf dem Bürgersteig gewartet, bis sich die Tür öffnete. Ich bin gleich hinein zum Ständer des Daily Star, habe die Zeitung genommen und zusammengerollt, weil ich zu große Angst hatte, sie anzusehen, habe sie bezahlt und bin wieder nach Hause. Und jetzt in der Küche, Mum ist noch oben und duscht, öffne ich sie mit zitternden Händen und blättere, bis …
Oh mein Gott.
Da bin ich, nackt in einer Zeitung, die überall in Land zu kaufen ist. Okay, nicht ganz nackt. Sie haben Sternchen über meine Brustwarzen und meine Scham gesetzt. Aber sonst bin ich nackt. Zwei Fotos, große Fotos, Aufnahmen aus den Videos. Auf einem stehe ich vor dem Spiegel, leicht seitwärts, meine Hände fahren über die Speckrollen meines Bauchs, und ich drehe die wabbeligen Schenkel und den Hintern zur Kamera hin. Auf dem zweiten liege ich in der Badewanne, die Brüste ragen aus dem Schaum, die Hände sind irgendwo unter Wasser. Und die Schlagzeile … ich lese sie noch einmal, mein Gesicht glüht.
SKANDAL UM HEISSES VIDEO EINER PRAXISMANAGERIN AUS DEN COTSWOLDS
Ich kann kaum noch atmen, aber ich zwinge mich, den Artikel zu lesen, und meine Verzweiflung wächst mit jedem Satz.
Die Managerin einer Arztpraxis in Cheltenham schockiert die Öffentlichkeit mit einem Link auf der Facebook-Seite der Praxis, der zu einer Pornoseite führt, wo sie in anzüglichen Videos zu sehen ist. Man kann Beth Holland (40) bewundern, wie sie nackt in ihrem Schlafzimmer herumtollt und sich solo in ihrer Badewanne vergnügt.
Ich tolle herum? Vergnüge mich solo in der Badewanne? Aber ich habe doch nicht … Oh, verdammt, verdammt, verdammt …
Ich lese weiter, meine Augen überfliegen den Text und sehen Begriffe wie »die üppige Mutter zweier Kinder«, »spektakuläres Dekolleté«, »frisch geschieden« und »großzügiges Hinterteil«. Ich muss mich an der Arbeitsfläche festhalten, es ist grauenhaft. Grauenhaft. Es ist ein sorgfältig formulierter Artikel, ohne jeden Hinweis darauf, dass die Videos ohne meine Zustimmung gedreht wurden oder Hacker mit in Spiel waren. Und dann erstarre ich. Das ist es, das ist der Teil, den ich so gefürchtet habe, seit mich Miles Cranford, dessen Name unter der abscheulichen Schlagzeile prangt, am Donnerstag angerufen hat.
Tausende sexgeile Internetsurfer haben Beths heiße Videos genossen, aber es ist nicht das erste Mal, dass sie im Rampenlicht steht. In ihrer Schulzeit hat Beth die Aufmerksamkeit aus einem ganz anderen Grund auf sich gezogen, als sie mit dem Selbstmord einer gemobbten Klassenkameradin an ihrer Schule in Bristol in Verbindung gebracht wurde. Es kam jedoch zu keiner Anklage, und Beths Familie zog nach dem Skandal fort.
Ihre letzten anzüglichen Eskapaden haben sie nun zurück ins Zentrum des Interesses gebracht. Gegenwärtig ist sie »beurlaubt«, aber einige der Patienten der Praxis hoffen, dass sie ihre Arbeit möglichst bald wieder aufnimmt. »Vielleicht sollte man sie an den Empfang versetzen, statt sie weiter in einem Büro zu verstecken«, sagt ein geiler Bewunderer. »Das würde unsere Laune heben, während wir darauf warten, die Hämorrhoiden gecheckt zu bekommen.«
Beth wollte sich nicht äußern, als wir sie in dieser Woche kontaktiert haben.
Ich stehe da, starre die Seite an und stelle fest, dass ich wimmere. Leise, ungewollte Geräusche dringen aus meinem Mund. Ich kann nicht ermessen, was das alles bedeutet und wie sich dieser Zeitungsartikel auf mein Leben auswirken wird. Ich weiß nur, die Folgen werden enorm sein. Riesig. Der heutige Tag wird alles verändern. Ich hole tief Luft, und noch einmal und versuche meine aufkommende Panik zu unterdrücken. Ich muss mich bewegen, muss etwas tun – vielleicht meine Anwältin anrufen? –, aber es ist, als wäre mein Denken von meinem Körper getrennt, und so stehe ich da, starre die Zeitung an, und die Worte beginnen vor mir auf der Seite zu tanzen.
»Beth? Beth, was ist? Alles in Ordnung?«
Es ist Mum, die durch die Küche zu mir kommt, das Haar noch feucht vom Duschen. Sie hat ein Handtuch über den Schultern liegen, und Sorge erfüllt ihr ungeschminktes Gesicht. Ich schlucke.
»Die Bilder. Jemand hat sie an die Zeitung geschickt, Mum«, gelingt es mir zu sagen, und ich schiebe den Artikel zu ihr hin. Sie zieht die Brauen zusammen, sucht in der Tasche ihres Bademantels nach ihrer Brille und beginnt zu lesen. Ich stehe nur da und sehe ihr zu. Als sie zu den letzten Absätzen kommt, sieht sie mich mit großen Augen an, und ich weiß, es ist wegen Lucy. Ein weiterer Schrecken durchfährt mich, weil, wie erkläre ich ihr das jetzt? Was soll ich ihr sagen, Jacob, allen?
»Mum …«
Ich krächze, meine Kehle ist wie zugeschnürt, aber sie antwortet nicht. Sie schüttelt nur den Kopf, nimmt dann zu meiner Überraschung die Zeitung und fängt an, sie langsam und entschieden zu zerreißen. In lange Streifen reißt sie sie, die sie auf den Boden fallen lässt. Als sie fertig ist, als das ganze Ding zerrissen ist, bückt sie sich, sammelt die Fetzen ein, geht zur Papiertonne in der Ecke, hebt den Deckel und stopft alles hinein. Dann dreht sie sich um.
»So. Mit dem Unsinn sind wir fertig«, sagt sie. »Trinken wir eine Tasse Tee?«
Ich starre sie einen Moment lang staunend an und muss zu meiner eigenen Überraschung lachen.
»Aber … willst du nicht darüber reden? Über den Artikel? Was da steht?«
Sie zuckt mit den Schultern.
»Vielleicht später. Erst mal, Liebling, brauchst du etwas Heißes zu trinken und etwas zu essen. Da war zweifellos wieder eine deiner sogenannten Freundinnen tätig und hat mit der Presse geredet. Das macht mich wütend und bestürzt mich, aber vor allem sorge ich mich um dich. Du siehst fürchterlich aus, und ich möchte, dass du dich setzt und dich von mir versorgen lässt. Wir trinken Tee und essen ein Pain au chocolat, schließlich ist heute Ostersamstag. Und danach können wir darüber reden. Einverstanden? Und jetzt setz dich.«
Sie macht eine Geste zum nächsten Hocker hin, und ich starre sie noch einen Moment staunend an und tue dann, was sie sagt. Der Tee ist heiß und stark, das Pain au chocolat süß und köstlich blättrig, und während wir da sitzen und die durch die Verandatüren fallende Sonne den Raum wärmt, spüre ich, wie sich eine merkwürdige Ruhe über mich breitet.
Es ist zum Schlimmsten gekommen, aber vielleicht ist es doch nicht so schlimm, wie es sein könnte. Ja, es wird erwähnt, dass etwas Übles in meiner Vergangenheit geschehen ist, es gibt eine Verbindung zu einem Selbstmord, aber es ist vage formuliert, und es heißt sogar, dass es zu keiner Anklage kam. Es wird Fragen geben, ja. Aber vielleicht, ganz vielleicht …
»Willst du jetzt darüber reden?«
Mum hat ihren Teller zur Seite geschoben, stützt das Kinn in die Hände und wartet.
Ich nicke und räuspere mich. Seit Donnerstag, seit dem Anruf von diesem verdammten Dreckskerl Miles Cranford lebe ich in der Hölle. Direkt nach dem Anruf habe ich beschlossen, niemandem davon zu erzählen, wider alle Vernunft darauf hoffend, dass der Artikel nie erscheinen würde, sondern irgendeine riesige Sache, ein Terroranschlag, der Tod eines Mitglieds des Königshauses, irgendetwas, die Seiten füllen und meine Geschichte verschoben und am Ende gar völlig vergessen werden würde. Dann habe ich mir Vorwürfe gemacht, weil ich mir so etwas wie einen Terroranschlag oder den Tod eines gekrönten Hauptes wünschte, und mich noch schlechter gefühlt. Ich sage, ich wollte es niemandem erzählen, habe aber Anna Reid angerufen. Ich glaubte, ihre Antwort auf meine Frage bereits zu kennen, wollte jedoch sichergehen, nur für den Fall, ob es eine Möglichkeit gäbe, die Zeitung daran zu hindern, den Artikel über mich zu veröffentlichen.
»Traurigerweise nicht«, sagte sie. »Das ist die Freiheit der Presse. Wenigstens hat er Sie kontaktiert und Ihnen eine Chance gegeben, etwas dazu zu sagen und Ihren Standpunkt darzulegen, auch wenn Sie jeden Kommentar verweigert haben. Die sind vorsichtig, Beth. Selbst die Polizei, bis zu einem gewissen Grad. Sie wollen keine Anzeige riskieren und geben darauf acht, niemanden zu verleumden. Und solange es keine offensichtlichen Unwahrheiten in einer Geschichte gibt, nun …«
»Oh, Mum«, seufze ich und schiebe auch meinen Teller zur Seite.
»Ich weiß. Ich kann nur versuchen, mir vorzustellen, wie es ist, sich so in der Zeitung zu sehen«, sagt sie. »Und ich möchte eigentlich nicht mehr über diese Bilder reden, das haben wir längst. Es entsetzt mich, dass sie es in die Zeitung geschafft haben, es widert mich an, und wenn ich diese fiese kleine … diese bösartige …«
Sie verengt die Augen, sieht wirklich wütend aus, und ich weiß, sie denkt immer noch, dass es wahrscheinlich Robin war, aber ich sage nichts, denn vielleicht war sie es ja, aber vielleicht auch nicht. Ich weiß einfach gar nichts mehr, und wenn ich darüber jetzt zusätzlich zu allem anderen auch noch nachdenke, werde ich womöglich wirklich verrückt.
»Das Einzige, was ich dich fragen möchte, Liebling … nun, was war das damals in der Schule? Ein Selbstmord?«
Sie lässt den Blick durch die Küche gleiten, als suche sie nach der Zeitung, und bleibt an der Papiertonne hängen.
»Da steht, du hättest was damit zu tun gehabt?«
»Es war … nun, es war ein Mädchen, das ich kannte. Keine richtige Freundin. Sie hieß Lucy«, sage ich.
Ich versuche mir noch einmal vor Augen zu rufen, was genau in der Zeitung stand. Doch eigentlich nur, dass ich mit dem Selbstmord einer »gemobbten Klassenkameradin in einer Schule in Bristol« in Verbindung gebracht worden sei. Dass man keine Anklage erhoben hat und wir dann weggezogen sind.
Mum legt die Stirn in Falten. Sie hat immer noch das Handtuch auf den Schultern, zieht es herunter und legt es über die Lehne ihres Stuhls.
»Lucy? Ich erinnere mich an keine Lucy in deiner Klasse.«
»Wir sind auch erst an der Fairbridge High zusammengekommen.«
Ich mache eine Pause. Einen Moment lang schwanke ich. Soll ich oder soll ich nicht?
Eines Tages werde ich es ihr sicher erzählen müssen, also am besten jetzt gleich, denke ich. Sie ist meine Mutter, und sie weiß schon, dass da etwas war, scheint aber nur besorgt. Sie wird nicht hinauslaufen, sich nicht angewidert abwenden, und vielleicht hätte ich es ihr ganz zu Anfang schon erzählen sollen. Vielleicht auch Jacob. Vielleicht allen …
Es ist Teil meiner Geschichte, meiner Person, ich weiß das. Und jetzt halte ich es fast schon für lächerlich, halte mich für lächerlich, wie ich habe denken können, dass ich dieses Geheimnis mein Leben lang für mich behalten könnte und es nie jemand herausfinden würde. Aber das denkt nur eine Hälfte von mir, und die andere schreit: NEIN! ERZÄHLE ES IHR NICHT! WAS SOLL ES DIR BRINGEN, DU IRRSINNIGE?
Und wie vorhersehbar gewinnt diese andere Hälfte.
»Sie ist gemobbt worden, zumindest dachten das ihre Eltern«, sage ich. »Wir waren dreizehn. Und nach ihrem Tod, sie hatte Tagebuch geschrieben oder so, dachten sie …«
Mein Mund ist trocken, die Zunge dick und schwer. Ich greife nach meiner Tasse, nehme einen Schluck von dem mittlerweile kalten Tee und verziehe das Gesicht.
»Sie dachten, ich könnte etwas damit zu tun haben. Mit dem Mobbing, meine ich, weil ich in manchen Fächern neben ihr gesessen habe. Die Polizei hat das untersucht, aber es gab keine Beweise, und das war es dann. Aber, ja, es hat mich ziemlich mitgenommen. Alle in der Schule, es war schrecklich. Und deshalb entschied Dad, wir würden besser wegziehen. Das war es.«
Mum hat stumm zugehört, ihr Blick durchbohrt mich. Ich halte ihm noch ein, zwei Sekunden stand, dann senke ich den Kopf. Scham erfüllt mich.
Ich lüge, Mum. Ich habe Lucy drangsaliert, es war meine Schuld. Sie ist wegen mir gestorben. Und es tut mir leid, so leid. Jeden Tag meines Lebens bereue ich es seitdem, und die Last dieses dunklen, verhassten Geheimnisses hat mich schon öfter, als ich denken kann, in tiefe Verzweiflung gestürzt. Und jetzt tut es mir leid, dass ich lüge. Aber ich habe so viel verloren, da kann ich dich nicht auch noch verlieren, und wenn du wüsstest …
Ich heule diese Worte in mich hinein, bleibe nach außen hin aber stumm und warte auf ihre Reaktion.
»Okay«, sagt sie einfach nur.
Ich sehe sie verwirrt an.
Ist es das?
Sie steht auf und ist bereits wieder im Dienst, nimmt meinen Teller, stellt ihn auf ihren, nimmt die Tassen und geht zur Spülmaschine.
»Der dumme Schmierfink versucht Ärger zu machen und bauscht da was auf«, sagt sie und stellt das Geschirr in die Maschine. »Wahrscheinlich solltest du das auch deiner Praxis sagen. Die werden danach fragen. Aber warum gehst du nicht rauf und nimmst ein schönes, heißes Bad? Und mach dir wegen der Sache keine Sorgen.«
Sie dreht das Wasser auf, um sich die Hände zu waschen, und nickt zur Papiertonne hinüber.
»Das ist morgen schon Schnee von gestern«, sagt sie.
Immer noch leicht verwundert – ist es so leicht, damit durchzukommen und mein Geheimnis zu bewahren? –, gehe ich nach oben, ziehe mich aus, stelle mich unter die Dusche (baden mag ich irgendwie nicht mehr) und lasse die kräftigen Wasserstrahlen auf meine verspannten Schultern prasseln. Als ich mich abtrockne, klingelt das Telefon. Es ist Jacob, und ich seufze. Ich schalte den Lautsprecher ein, während ich mich langsam anziehe. Er hat natürlich von dem Artikel im Daily Star gehört und ich schweige und lasse ihn mich anschreien, lasse ihn sagen, wie entsetzt er ist und dass das jetzt das Fass zum Überlaufen bringt. Die ganze Schule wird es wissen, wenn die Kinder nach Ostern wieder hinmüssen, und Finley und Eloise werden zum Gespött von allen werden – und mir bricht ein weiteres Mal das Herz.
»Es tut mir leid«, flüstere ich.
Aber er schreit immer weiter, und jetzt will er wissen, was das mit dem Selbstmord in der Schule auf sich hat und warum er erst jetzt davon erfährt. Ich erzähle ihm genau das, was ich Mum erzählt habe, aber er ist immer noch wütend, völlig außer sich. Er will mehr wissen, und ich verstumme.
Ich kann das nicht. Nicht jetzt. Vielleicht nie.
»Ich kann nicht glauben, dass ich mal mit dir verheiratet war, Beth. Ich kenne dich überhaupt nicht, oder?« Das ist sein letzter, vernichtender Satz, bevor er auflegt.
Ich rufe Anna noch einmal an, unter der Handynummer, die sie mir freundlicherweise gegeben hat. Sie ist zu Hause, im Hintergrund schreit ein Baby. Ich begreife, dass sie auch Mutter ist, was mich aus irgendeinem Grund überrascht. Ich erzähle ihr von dem Artikel, und während ihr Kind jammert, geht sie online und liest ihn. Ich überlege, ob sie wohl alleinerziehend ist wie ich, ohne jemanden, der ihr hilft, Arbeit und Baby unter einen Hut zu bekommen, aber ich frage sie nicht.
»Gut, ich habe ihn schnell mal überflogen, und ehrlich, Beth, da können wir nicht viel machen«, sagt sie. »Das ist alles faktisch richtig, nehme ich an? Was ist das für eine Geschichte aus Ihrer Schulzeit?«
Ich liefere ihr die gleiche Version wie schon Mum und Jacob, und sie meint, dass hier so zu bringen, sei schon ein bisschen unfair.
»Aber es scheint nicht verleumderisch zu sein. Letztlich stimmt alles, oder? Es muss schrecklich für Sie sein, das so gedruckt zu sehen, und falls Sie deshalb mit Ihrer Arbeit Schwierigkeiten bekommen, melden Sie sich wieder. Unterdessen werden wir versuchen, die Videos von der Website zu entfernen, aber mit dieser Art von Publicity könnte es schwer werden. Es wird noch mehr Leute anlocken, fürchte ich, und das wird die Website freuen. Mein Rat ist, versuchen Sie das alles zu vergessen und sehen Sie nach vorne, Beth. Die Menschen haben ein kurzes Gedächtnis. Und jetzt muss ich Schluss machen, der Kleine hier tut so, als hätte er seit Tagen nichts zu essen bekommen. Wir reden wieder, ja?«
Ich gehe zurück in die Küche und setze mich neben Mum, die eine Einkaufsliste macht. Sie hebt den Blick und legt den Stift langsam zur Seite.
»Beth?«
»Ja, Mum?«
»Ich wollte nur sagen, dass es mir leidtut.«
Sie nimmt meine Hände, und ich sehe sie verwirrt an.
»Es tut mir so leid, dass ich damals nicht da war«, fährt sie fort. »Als du auf der Highschool warst und deine Freundin …« Sie hält inne, holt Luft, und jetzt glänzen Tränen in ihren Augen. »Als deine Freundin gestorben ist und du das alles durchmachen musstest. Es tut mir so leid.«
»Oh, Mum, hör auf. Es ist …«
Aber sie zieht mich an sich und nimmt mich in den Arm. Sie weint jetzt richtig, es sind schwere Schluchzer, die sie erschüttern, und mir wird bewusst, dass auch mir Tränen herunterlaufen. So sitzen wir eine lange Weile da, bis sie mich endlich wieder loslässt, sich übers Gesicht wischt und mir ein wässriges Lächeln schenkt.
»Gott, sieh uns an. Emotionale Wracks sind wir, alle beide«, sagt sie, und ich lächle ebenfalls. Es erstaunt mich, dass ich noch lächeln kann, wo ich doch weiß, was noch alles kommen wird. Wo ich doch mit absoluter Sicherheit weiß, dass die Nachwirkungen dieses Tages grausam sein werden. Und tatsächlich, als ich nach oben gehe, um mir das Gesicht zu waschen, bekomme ich eine Textnachricht.
Sie ist von Jacob, der sich offenbar nicht einmal mehr durchringen kann, mit mir zu sprechen.
Versuche bitte nicht, dieses Wochenende die Kinder anzurufen. Beide wissen von dem Artikel. Eloise ist verzweifelt. Sie wollen dich weder sehen noch mit dir sprechen. Ich melde mich wieder.
Ich lese die Nachricht, lese sie noch einmal, und plötzlich geben meine Knie nach, ich lande auf dem Boden, und in meinen Ohren klingelt es.
So fängt es an, denke ich. So fängt es an.