6. KAPITEL

Gab es überhaupt einen Weg, wie sie sich mit auch nur einem Quäntchen Würde aus dieser Situation herausziehen konnte? Sobald Robin wieder klar denken konnte, wäre sie vor Verlegenheit am liebsten im Boden versunken.

Nein, gab es nicht. Schon deshalb, weil sie nur noch in Spitzenslip, Seidenstrümpfen und hochhackigen Sandaletten dastand, während Cesare komplett bekleidet war.

Nun, immerhin sah er auch nicht völlig ungerührt aus. Sein Hemd stand weit auf, dort, wo ihre Hände nach der nackten samtenen Haut gesucht hatten, sein dichtes Haar stand wirr in alle Richtungen, weil sie ihre Hände darin vergraben hatte, und sein Gesicht war erhitzt vor Erregung.

Eine Erregung, für die er keine Erlösung gefunden hatte. Eine Erlösung, die sie ihm nicht gewährt hatte.

Es mochte ja einige Zeit her sein, seit sie mit einem Mann zusammen gewesen war, aber Giles hatte ihr nie vorwerfen können, sie wäre in einer intimen Situation egoistisch und allein auf ihr Vergnügen aus gewesen.

Allerdings konnte sie sich auch nicht daran erinnern, je so hemmungslos auf Giles reagiert zu haben wie eben auf Cesare!

„Woran denkst du jetzt?“, verlangte Cesare harsch zu wissen, als das Schweigen zwischen ihnen immer drückender wurde.

Robin zögerte mit der Antwort, dann beschloss sie, ehrlich zu sein. „Dass dies der peinlichste Augenblick in meinem ganzen Leben ist.“

„Peinlich?“ Cesare trat einen Schritt zurück, um sie ansehen zu können. Ihre Augen leuchteten, ihr seidiges Haar war wirr, ihre Lippen geschwollen von seinen Küssen. Die Spitzen ihrer Brüste glühten noch immer von seinen Liebkosungen, und sie umgab eine Aura matter Zufriedenheit. „Du bist wunderschön, Robin. Um genau zu sein, ich wünsche mir, du wirst mich während unserer Ehe jede Nacht so verabscheuen!“

„Du glaubst tatsächlich, dass ich dich … nach dem hier … heiraten werde!?“ Sie beugte sich vor und griff schnell nach ihrem Kleid, um es sich vor die Brust zu pressen.

Cesare war klar, dass sie es darauf anlegte, widerspenstig zu sein, doch mit der Frustration, die durch seinen Körper flutete, war er wirklich nicht in der Stimmung für ein neuerliches Wortgefecht. Robin konnte unmöglich abstreiten, dass sie körperlich auf ihn reagierte, und zwar mit dem gleichen hitzigen Verlangen, das auch er spürte. Damit war jede weitere Diskussion absolut fruchtlos.

Er nickte knapp. „Ich schlage vor, du sagst deinem Vater, dass wir heiraten werden, sobald alles Nötige arrangiert ist.“

„Oh, du schlägst also vor, ja?“ Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus. Mit hastigen Bewegungen zog sie das Kleid über und schloss den Reißverschluss.

„Ja, ich schlage vor!“ Dieses unangenehme Ziehen in seinen Lenden verbesserte seine Laune nicht unbedingt.

Eigentlich sollten sie jetzt zusammen ins Schlafzimmer gehen und dort zu Ende bringen, was sie angefangen hatten, aber ein Blick auf Robins aufsässige Miene sagte ihm deutlich, dass das nicht passieren würde.

Auch egal. Ihm blieb schließlich der Rest ihres Lebens, um diese äußerst sinnliche Frau zu genießen. Auf ein paar Tage oder vielleicht auch Wochen mehr oder weniger kam es da nicht an. Das Warten würde es sogar noch mitreißender machen, wenn es dann endlich so weit war …

„Immerhin könntest du anerkennen, dass es keine Anordnung war, Robin“, knurrte er.

Sie schnaubte abfällig. „Ich habe nicht vor, irgendetwas bei dir anzuerkennen, Cesare!“

Er hob eine Augenbraue. „Nicht einmal, dass ich ein aufmerksamer Liebhaber bin?“

„Ein erfahrener, meinst du wohl“, spie sie verächtlich aus, und der Gedanke an das soeben Erlebte trieb ihr erneut die Schamesröte ins Gesicht.

„Ich hatte andere Frauen, ja“, gestand er zu. „Aber du hast auch andere Männer gehabt.“

„Einen Mann“, korrigierte sie. „Was gerade passiert ist, wäre nie … Ich hätte das nie getan, wenn nicht …“ Sie brach abrupt ab. „Ich muss gehen“, murmelte sie tonlos.

Eigentlich hatten sie etwas anderes für heute Nacht ausgemacht, aber Cesare war bereit, Robin gehen zu lassen.

Und dann selbst eine schlaflose Nacht zu verbringen.

Zu erfahren, dass Robin bisher nur mit ihrem Exmann geschlafen hatte, versöhnte ihn immerhin ein wenig. „Nun gut, ich erlaube dir zu gehen“, erklärte er großmütig.

„Du erlaubst?“ Sie traute ihren Ohren nicht. „Du hast mir gar nichts zu erlauben, Cesare! Himmel, was bist du arrogant!“, fauchte sie angewidert. „Ich gehe, weil ich gehen will, nicht, weil du es mir erlaubst. Bilde dir niemals – hörst du, niemals! – ein, du könntest Lust dazu benutzen, mich zu kontrollieren. Denn es wird nicht funktionieren!“

War das seine Absicht gewesen? Wie auch immer … Die körperliche Lust, die sie gerade miteinander erlebt hatten, war keine Waffe, sondern etwas, das man genießen sollte, von dem man sich glücklich schätzen sollte, dass man es zusammen fand. Robin hatte sich ihm geschenkt, und er würde ihr dieses Geschenk nicht ins Gesicht zurückschleudern.

„Geh einfach, Robin“, sagte er sachlich. „Und mit deiner Zustimmung treffen wir uns morgen Abend wieder …“

„Dieses Mal in einem Restaurant!“, entgegnete sie mit funkelndem Blick.

„Einverstanden, in einem Restaurant.“ Er lächelte humorlos. „Und bilde du dir ebenfalls nicht ein, du könntest mich mit der Lust manipulieren, Robin.“

Ihre Augen flackerten auf, dann runzelte sie die Stirn. Wortlos drehte sie sich auf dem Absatz um und marschierte zum Lift.

Cesare hörte die Lifttüren auf- und zugleiten. Egal. Er hatte morgen Nacht. Und die Nacht danach. Und sämtliche Nächte, die folgen würden.

„Du warst gestern bei wem zum Dinner?“

Charles Ingram starrte seine Tochter fassungslos über den Frühstückstisch hinweg an.

„Oh Daddy, du bist doch nicht plötzlich schwerhörig geworden“, neckte Robin ihn gutmütig. „Ich bin sicher, du hast es schon beim ersten Mal richtig verstanden.“ Die Kaffeetasse mit beiden Händen umfasst, lächelte sie ihrem Vater über den Rand zu.

Dinner mit Cesare war es ja eigentlich nicht gewesen – zumindest hatten sie nicht zu Ende gegessen. Noch immer krümmte sie sich innerlich vor Verlegenheit, jedes Mal, wenn sie nur daran dachte, was gestern Abend geschehen war.

So etwas war ihr noch nie passiert. Nicht, dass die körperliche Seite ihrer Ehe mit Giles nicht befriedigend gewesen wäre, das nicht. Aber mit den ganzen Tests und Untersuchungen und dem Druck, dass sie ihm nicht den Erben gebären konnte, den er so unbedingt haben wollte … Das Kind, das Robin sich so sehr gewünscht hatte …

Marco würde das Kind sein, das sie so gern wollte, wenn die Heirat mit Cesare denn tatsächlich stattfinden sollte.

Und nun, da sie Marco gesehen hatte, war sie fest dazu entschlossen, dass die Heirat stattfinden würde.

Heute Morgen war sie aufgewacht, in ihrem eigenen Bett, erfüllt von einer satten Zufriedenheit. Das war die einzige Beschreibung, die ihr dazu einfiel. Diese Zufriedenheit, das Wissen, dass sie nach der Heirat Cesares Frau in der vollen Bedeutung des Wortes werden würde, und die freudige Aussicht, Marco eine Mutter sein zu können, hatten ihr den Mut gegeben, ihrem Vater heute beim Frühstück von ihrer Beziehung zu Cesare Gambrelli zu erzählen.

Je eher er es erfuhr, desto schneller konnte sie die Mutter des bezaubernden kleinen Jungen werden.

Allerdings sah ihr Vater absolut schockiert aus. „Aber … ausgerechnet Cesare Gambrelli, Robin? Mir war nicht einmal klar, dass du den Mann überhaupt kennst!“

„Du hast uns doch miteinander bekannt gemacht, letzten Samstag beim Wohltätigkeitsdinner.“

„Nun, sicher, aber …“ Charles schüttelte den Kopf. „Wann habt ihr euch denn danach getroffen?“

Sie war sich bewusst, wie heikel dieses Gespräch war, um es milde auszudrücken. Doch Cesare war nicht unbedingt ein geduldiger Mann. Würde sie nicht mit ihrem Vater reden, dann würde er das übernehmen. Und Charles würde es sicher besser verarbeiten, wenn er es von ihr erfuhr.

„Er kam vorbei, um mich zu sehen.“ Dass das erst gestern gewesen war, erwähnte sie nicht. „Und um mich zum Dinner einzuladen. Ich habe die Einladung angenommen.“

„Er war hier?“ Charles wurde blass.

„Ja.“ Robin neigte fragend den Kopf zur Seite und hielt ihren Ton bewusst unbeschwert. „Gibt es einen Grund, warum er das nicht hätte tun sollen?“

Charles stand auf und begann, unruhig im Zimmer auf und ab zu marschieren. Es war Sonntag, und da er also nicht zur Arbeit ging, trug er noch den Hausmantel zum Frühstück.

„Vielleicht hätte ich dir doch von ihm erzählen sollen, als du mich nach ihm fragtest, aber ich konnte ja nicht ahnen … Verdammt, ich hatte inbrünstig gehofft, dass ihr euch nie wieder begegnet! Siehst du, Robin … das andere Auto, das an Simons Unfall beteiligt war, wurde gefahren von …“

„Von Cesares jüngerer Schwester Carla, ich weiß.“

„Du weißt?“ Ihr Vater verharrte mitten im nächsten Schritt.

Robin nickte. „Ja. Cesare und ich haben darüber geredet.“

„Ihr habt darüber geredet?“

„Daddy, ich bin sicher, wir kommen schneller voran, wenn du nicht jeden meiner Sätze wiederholst. Und ja“, sie seufzte, „Cesare und ich haben über den Unfall geredet, über Simons und Carlas Tod. Seltsam, aber wir beide haben das Gefühl, dass das Treffen zwischen uns vorbestimmt war.“

Das war ein bisschen dick aufgetragen, möglich. Aber Robin musste ihren Vater einfach von der angeblichen Liebesheirat überzeugen. Von einem Rachefeldzug gegen die Familie Ingram durfte er nicht das Geringste ahnen.

Auch so schon wirkte Charles zutiefst beunruhigt und aufgewühlt, allein bei der Vorstellung, dass seine Tochter mit Cesare Gambrelli ausging. Wie würde er erst reagieren, wenn er wüsste, dass seine geliebte Tochter zu der Heirat mit diesem Mann gezwungen wurde?

Nun, zu Anfang hatte es so ausgesehen. Doch seit sie Marco in ihren Armen gehalten hatte, seit sie das strahlende Babylächeln gesehen hatte, war alles anders geworden.

Dass die Lust, die sie gestern in Cesares Armen empfunden hatte, auch etwas mit ihrer neuen Einstellung zu tun haben könnte, zog sie natürlich gar nicht in Betracht.

„Daddy, wäre es nicht schön, wenn etwas Gutes aus dieser Tragödie entstehen könnte?“ Sie schaute ihren Vater mit einem Blick an, der um Verständnis flehte, und schämte sich gleichzeitig dafür, dass sie auf solch weibliche Tricks zurückgriff – ihr Vater hatte diesem speziellen Blick noch nie widerstehen können. Aber es war ja nur zum Besten aller Beteiligten.

So wie es auch besser war, wenn ihr Vater seine Bedenken über diese Beziehung jetzt äußerte, als dass er den wahren Grund herausfand und ihr dann schlichtweg verbot, sich Cesares Forderung zu beugen.

„Nun, sicher wäre das schön“, stimmte er zerstreut zu. „Aber ich habe dem Mann nach dem Unfall einen Brief geschrieben und ihm mein Beileid ausgedrückt. Eine Woche später kam mein Brief in einem Umschlag zurück, in vier Teile zerrissen.“ Er zog eine Grimasse, als er seine Tochter ansah. „Ich hatte das sichere Gefühl, er würde mir am liebsten die Kehle durchschneiden!“

So, Cesare hatte den Brief ihres Vaters also erhalten. Und offensichtlich gelesen. Um ihn dann zurückzuschicken, auf eine Weise, die nur als Drohung verstanden werden konnte.

Kein Wunder, dass ihr Vater empfohlen hatte, sie solle sich von dem Mann fernhalten!

Sie lächelte leicht zerknirscht. „Cesare kann manchmal etwas … theatralisch sein, nicht wahr? Das ist wohl das südländische Blut“, fügte sie bewusst heiter an und legte auch noch ein wenig Wärme in ihre Stimme. „Aber jetzt ist er nicht mehr so wütend darüber, was passiert ist.“

Charles blickte sie skeptisch an. „Bist du sicher?“

„Absolut.“ Sie lächelte strahlend, stellte ihre Tasse ab und ging zu ihm, um ihn zu umarmen. „Jetzt glätte endlich diese Sorgenfalten auf deiner Stirn und freu dich für mich. Ich möchte dir nämlich Cesare schon bald als Schwiegersohn vorstellen.“

„Du willst den Mann heiraten?!“

„Wenn er mir einen Antrag macht.“ Sie nickte. „Und ich glaube, das wird er.“

„Aber du wolltest doch nie wieder heiraten! Weil kein Mann dich will, da du keine Kinder bekommen kannst. Obwohl …“, die tiefe Stirnfalte war wieder da, „geglaubt habe ich das nie.“

„Aber das ist ja das Wunderbare“, kam es prompt von Robin. „Er hat schon einen Erben, also macht es ihm nichts aus, dass ich ihm keine Kinder gebären kann.“ Sie hatte nicht vor, genauer darauf einzugehen, wer Cesares Erbe war.

Eigentlich wurde es sogar höchste Zeit, das Thema zu wechseln! „Drück mir die Daumen, Daddy, ja?“, bat sie gespielt glücklich.

Charles machte noch immer eine Miene, als würde er sie am liebsten in ihr Zimmer einschließen, bis Cesare Gambrelli aus London abreiste. Da das allerdings keine Option war, würde ihm wohl nichts anderes übrig bleiben, als zu akzeptieren, was sie ihm da eröffnet hatte.

„Pass auf dich auf, Robin, versprich mir das, ja?“, brummte er und legte liebevoll seine Hand an ihre Wange. „Ich traue Gam­brellis Motiven nicht so recht.“

„Sei nicht albern.“ Sie lächelte zuversichtlich. „Und natürlich bin ich vorsichtig.“ Ihr Herz schmerzte, dass sie ihren Vater so täuschte. Doch alles wäre nur noch viel schlimmer, wenn ihr Vater die Wahrheit herausfand, ihr verbot, Cesare zu heiraten, und dann mit ansehen musste, wie der Verlag in den Ruin getrieben wurde.

Nein, so war es wirklich viel besser für alle Beteiligten, versicherte sie sich in Gedanken.

Robin hatte allerdings nicht vor, Cesare von ihrem gefassten Entschluss wissen zu lassen, als sie am Abend im „Gregori’s“ zu ihm stieß. Nach dem Vorfall von gestern Abend würde sie es ihm so schwer wie möglich machen.

„Hast du gut geschlafen?“, erkundigte Cesare sich leicht missgestimmt, als Champagner und das Essen bestellt waren.

„Ja, danke der Nachfrage“, behauptete sie aufgeräumt. „Und du?“

Biest. Innerlich schäumte Cesare. Er wusste genau, wie er aussah. Ringe lagen unter seinen Augen und tiefe Linien um Nase und Mund – Zeichen einer durchwachten Nacht. Ein Blick, und jeder wusste, dass er nicht geschlafen hatte. Keine Minute. Bis morgens um sechs war er in seiner Suite auf und ab marschiert wie ein Tiger im Käfig, um dann im Fitnessstudio des Hotels, das um diese Uhrzeit öffnete, seine überschüssige Energie an den Geräten loszuwerden.

Robin dagegen sah frisch und ausgeruht aus. Das Kleid, das sie heute trug, hatte die gleiche Farbe wie ihre Augen. Unter dem offenen Haar lugten große Goldkreolen an ihren Ohrläppchen hervor, und pfirsichfarbener Lipgloss ließ ihre vollen Lippen verführerisch schimmern.

So verführerisch, dass Cesare am liebsten mit einem Handstreich alles Geschirr vom Tisch gefegt hätte und dann …

„Lass die Spielchen, Robin“, knurrte er. „Ich bin nicht in Stimmung dafür.“

„Ah, sexuelle Frustration macht dich übellaunig und unbeherrscht“, wiederholte sie den Vorwurf, den er ihr vor wenigen Stunden gemacht hatte.

Mit einem strahlenden Lächeln sah sie dann den Kellner an, der Cesares Champagnerglas zum Kosten füllte.

Cesare nippte an dem Glas. „Der schmeckt nach Korken“, behauptete er unwirsch. „Bringen Sie einen 63er Jahrgang. Und diesmal auch auf die richtige Temperatur gekühlt.“

„Ja, Sir, sofort, Sir!“ Bestürzt schnappte der Ober sich Flasche und Gläser und eilte davon.

„Das war nicht nett“, rügte Robin leise, als sie wieder allein waren.

Düster funkelte Cesare sie an. „Ich dachte, wir wären uns einig, dass ich nicht nett bin.“

Daran, dass sie darüber gesprochen hatten, konnte Robin sich zwar nicht erinnern, aber auf jeden Fall war Cesare nicht besonders nett zu dem Weinkellner gewesen.

„Ich lasse ihm ein großzügiges Trinkgeld da, wenn du dich dann besser fühlst, Robin“, bot Cesare an.

„Nun, es geht nicht darum, wie ich mich fühle, oder?“ Ihr war durchaus klar, wie angespannt Cesare war. „Ich bin ja nicht diejenige, zu der du unhöflich warst.“

„Ich war nicht unhöflich …“ Er brach ab, als der Kellner mit der zweiten Champagnerflasche an den Tisch kam und sie entkorkte. „Es ist nicht Ihre Schuld, dass die erste Flasche … ungenießbar war“, versicherte er dem Ober, obwohl er genau wusste, dass nichts mit dem Champagner verkehrt gewesen war. Cesare hatte nur ein Ventil für seine Wut gebraucht, weil Robin den Mann so strahlend angelächelt hatte.

Ihr Lächeln und alles andere an ihr gehörten ihm!

Nicht, dass sie oft in seine Richtung lächeln würde. Aber dann hatte sie gefälligst auch niemand anders anzulächeln!

Bisher war er noch nie eifersüchtig gewesen. Seine Beziehungen hatten auch nie übermäßig lange gedauert, ein oder zwei Monate vielleicht. Und sobald sich auch nur der Hauch einer Andeutung eingeschlichen hatte, dass seine Begleitung etwas Ernsteres erwartete, hatte er sofort einen Schlussstrich gezogen.

Sicherlich verspürte er diese Eifersucht nur, weil Robin seine zukünftige Frau war und er somit absolute Treue von ihr erwartete.

„Na also.“ Sie lächelte ihm milde über den Tisch hinweg zu, als der Kellner sich entfernt hatte. „Das war doch nicht so schwer, oder?“

„Ich habe mich nicht bei ihm entschuldigt, weil du es für nötig hieltest, sondern weil mir klar geworden ist, dass ich etwas zu brüsk zu ihm war.“

Etwas zu brüsk? Nun, darüber konnte man geteilter Ansicht sein. Aber Robin war sicher, dass bisher nur wenige gewagt hatten, diesem Mann Unhöflichkeit vorzuhalten, geschweige denn, ihn dafür zu rügen, so wie sie es getan hatte …

Sie lehnte sich zurück, als die Vorspeise serviert wurde – Pastete für Cesare, Räucherlachs für sie. Vorhin, als sie zusammen ins Restaurant gekommen waren, hatten sich viele der anwesenden Damen mehr oder weniger unauffällig nach Cesare umgedreht, und auch jetzt noch schauten einige verstohlen zu ihm hinüber.

Er sah auch wirklich attraktiv aus, musste Robin zugeben, in dem maßgeschneiderten anthrazitfarbenen Anzug, der die schmalen Hüften und die breiten Schultern betonte. Das war scheinbar auch einem guten halben Dutzend Frauen in dem Restaurant aufgefallen.

„Diese Ehe, die du da im Sinn hast, Cesare …“, sie hielt den Blick auf ihren Teller gerichtet. „Schwebt dir da eine offene Beziehung vor, in der ich geflissentlich deine ständig wechselnden Geliebten zu ignorieren habe?“

Cesare hatte gerade anfangen wollen, seine Pastete zu essen, hielt jetzt aber inne. „Würde dich das stören?“, hakte er leise nach.

Sie zog eine Grimasse. „Niemand lässt gerne einen Narren aus sich machen. Ich dachte nur, es wäre auf jeden Fall besser, wenn ich wüsste, was mich erwartet, mehr nicht.“

Nein, das ist lange nicht alles, schoss es Cesare düster durch den Kopf. Denn Robin würde erwarten, dass ihr dann das gleiche Recht zustand, sich Liebhaber zu nehmen. Nun, so wenig, wie er je eine Geliebte mit einem anderen Mann geteilt hatte, so würde er erst recht nicht seine Frau mit einem anderen teilen.

„Es wird keine außerehelichen Affären geben, Robin“, versicherte er. „Wie kommst du auf den Gedanken, ich wollte mir außerhalb der Ehe eine Geliebte suchen, wenn zu Hause eine verführerische Ehefrau auf mich wartet? Also könnten wir uns jetzt dem Essen widmen, ohne wieder Verdauungsbeschwerden zu riskieren, unter denen wir beide, da bin ich sicher, gestern gelitten haben?“

Robin hob die Augenbrauen. „Ich sagte doch schon, ich habe gut geschlafen.“

Glühend starrte er sie lange über den Tisch hinweg an. „Ich sollte dich vielleicht warnen“, hob er schließlich an, „dass diese Tischplatte im Moment unglaublich verlockend auf mich wirkt, um dich darauf zu werfen und dich sehr genau wissen zu lassen, wie frustriert ich bin“, zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen.

Wie hypnotisiert schaute sie ihn an, und die sexuelle Spannung, die zwischen ihnen in der Luft hing, war nahezu greifbar.

„Gut, ich sehe, wir verstehen einander.“ Zufrieden über ihr Schweigen, nickte er. „Können wir dann also endlich in Ruhe essen? Bitte“, fügte er noch hinzu, weil er sich daran erinnerte, wie empfindlich sie reagierte, wenn sie glaubte, jemand würde ihr Befehle erteilen.

Robins Hand zitterte leicht, als sie ihre Gabel zum Mund führte. Sie schmeckte nichts von dem köstlichen Lachs, konnte nur an das summende Verlangen denken, das durch ihren Körper rauschte. Nie zuvor in ihrem Leben war sie sich eines anderen Menschen so bewusst gewesen, wie es bei Cesare der Fall war. Sie fragte sich, was das wohl zu bedeuten hatte.

Falls es etwas zu bedeuten hatte.

Vielleicht war sie nur eine von diesen frustrierten Frauen, denen einfach der Sex fehlte. Vor allem jetzt, da sie wusste, wie es mit Cesare sein konnte …

„Ich habe heute Morgen mit meinem Vater über dich gesprochen“, teilte sie ihm mit, als der erste Gang abgeräumt war.

„Und was genau?“ Argwöhnisch hob er die Augenbrauen.

Sie verzog den Mund. „Ich habe ihm erzählt, dass du letzte Nacht über mich hergefallen bist und ich dich deshalb jetzt heiraten muss!“ Sie seufzte ungeduldig. „Was glaubst du denn, was ich ihm erzählt habe!?“

Er zuckte mit den breiten Schultern. „Dass du ihm … meine Pläne hinsichtlich Ingram Publishing beschrieben hast.“

„Höchst unwahrscheinlich, nach allem, was ich auf mich nehme, um es vor ihm geheim zu halten, meinst du nicht auch?“

„Was du auf dich nimmst?“, hakte er gefährlich leise nach.

Prompt lief sie rot an. Natürlich spielte er auf gestern Abend an, als sie sich ihm so hemmungslos hingegeben hatte. „Ich habe meinem Vater lediglich gesagt, dass wir uns mehrmals getroffen haben, seit wir uns letzten Samstag vorgestellt wurden“, fauchte sie bissig. „Und dass ich, solltest du mir einen Antrag machen, ihn annehmen werde.“

Cesare lächelte freudlos. „Wie hat Charles es aufgenommen, mich als zukünftigen Schwiegersohn zu haben?“

„Nicht gut.“ Robin machte sich nicht die Mühe, es zu beschönigen. „Aber er wird schon darüber hinwegkommen.“

„Ich bewundere deinen Optimismus.“

Es war praktisch unmöglich, diese Frau nicht zu bewundern. Sie ließ sich nicht von ihm einschüchtern, und jetzt hatte sie auch gleich den Stier bei den Hörnern gepackt und ihrem Vater die Beziehung offenbart. Das konnte nicht leicht für sie gewesen sein.

„Wenn du den Kondolenzbrief vielleicht nicht auf ganz so offensichtliche Art zurückgeschickt hättest …“

Cesares Mund wurde dünn. „Meine Schwester war gerade ums Leben gekommen. Ich war nicht in der Lage, Verständnis für andere aufzubringen, schon gar nicht für die Mitglieder der Ingram-Familie.“

Um genau zu sein, damals wäre er glatt bereit gewesen, einen Mord zu begehen. Carla war tot, und Marco hatte keine Eltern mehr. Cesare hatte es noch nicht aufgegeben, nach dem Mann zu suchen, der seine Schwester schwanger hatte sitzen lassen. Ein Privatdetektiv stellte in seinem Auftrag Nachforschungen an, und wenn er wusste, wer dieser Mann war, dann …

„Mein Vater und ich, wir beide haben ebenso gelitten“, erinnerte Robin ihn mit rauer Stimme.

Ja, jetzt konnte er das sehen. Cesare hatte erkannt, dass sowohl Charles als auch Robin den Nichtsnutz, zu dem Simon Ingram geworden war, dennoch geliebt hatten, dass für sie sein Tod ein ebensolcher Verlust war wie Carlas Tod für ihn.

Doch diese Erkenntnis änderte nichts an seinen Plänen, Robin zu seiner Frau zu machen.

Seit letzter Nacht war Cesare nämlich entschlossener denn je!