9. KAPITEL

„Was ist?“ Cesare hob den Kopf und sah Robin an, weil er spürte, wie sie sich gedanklich von ihm zurückzog. „Robin, sag mir, was stimmt nicht?“ Er stützte sich auf, damit sein Gewicht nicht weiter auf ihr lastete, und legte sich neben sie.

„Was nicht stimmt?“, wiederholte sie verzweifelt. „Was könnte schon nicht stimmen!“ Ihre Stimme überschlug sich. „Wir haben einander nur die Kleider vom Leib gerissen und sind über einander hergefallen wie …“

„Nicht, Robin. Tu dir das nicht an“, hielt Cesare sie auf. Er wusste genau, welche Richtung sie einschlagen wollte. „Wir wollten einander …“

„Das ist es ja!“ Sie drehte sich abrupt von ihm weg und setzte sich auf. „So kenne ich mich nicht!“ Sie stöhnte verzweifelt auf und schlug die Hände vors Gesicht.

„Robin …“ Cesare streckte die Hand aus, wollte ihr über den Rücken streicheln, doch sie zuckte vor ihm zurück.

„Bitte, nicht!“ Ihre Stimme bebte. Sie stand auf, um etwas Abstand zwischen sich und ihn zu bringen, und ahnte dabei nicht, wie verführerisch sie in den Seidenstrümpfen aussah, die sie noch immer trug. „Ich muss gehen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Sofort!“, sagte sie entschieden und beugte sich vor, um ihr Kleid aufzuheben.

Cesare bewegte sich blitzschnell, hielt sie fest, als sie in das Kleid schlüpfen wollte. „Nein, du musst bleiben.“ Eindringlich schaute er sie an. „Ich möchte, dass du bleibst, Robin“, bekräftigte er leise. „Und wenn du nur bleibst, damit ich dir zeigen kann, dass dies nur eine Art ist, wie wir glücklich miteinander sein können.“

Sie hätte ihn nicht anschauen sollen, das wusste sie in dem Moment, als sie ihren Blick von den schwarzen Augen nicht losreißen konnte. Sie hätte nie auf diesen sinnlichen Mund schauen sollen, der ihr so viel Genuss bereitet hatte. Und ganz bestimmt hätte sie niemals zu schwanken beginnen dürfen, hin zu ihm, stumm und nachgiebig, voller Sehnsucht nach seinem Kuss.

Denn in diesem Moment erkannte sie sich, und das viel zu genau. Erkannte, dass sie sich in dem Augenblick in Cesare verliebt hatte, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war.

Es war die Liebe, die es ihr unmöglich machte, ihm etwas abzuschlagen, ihn zurückzuweisen, als er erneut mit den Händen die Rundungen ihres Körpers nachzeichnete, sie streichelte und neuerliches Verlangen in ihr entfachte. Schmelzende Hitze breitete sich in ihr aus, als er mit der Zunge der Spur seiner Hände folgte, leise Seufzer entschlüpften ihr, und sie war verloren, als sie die Wellen der Lust in sich herannahen fühlte.

„Ich kann nicht …, ich kann wirklich nicht“, hauchte sie.

„Doch, du kannst“, widersprach er rau. „Ich will dich überall berühren, will deinen Körper erkunden, bis ich alles an ihm kenne …“

Als Cesare in sie eindrang und sie ihn umschloss, spürte er die Schauer durch ihren Körper laufen. Im Moment höchster Erregung rief sie seinen Namen und klammerte sich an ihn. Langsam und immer tiefer nahm er sie in Besitz, mit rhythmischen Bewegungen, damit das Vergnügen sich erneut in Robin aufbauen konnte. Er hielt sich eisern zurück, verwehrte sich die eigene Erlösung, bis er sicher sein konnte, dass Robin bereit war, zusammen mit ihm zum Gipfelsturm anzusetzen.

„Schlaf jetzt“, murmelte Cesare später, als er wieder sprechen konnte. „Schlaf, Robin, und wir reden am Morgen.“ Er zog sie in seine Arme und hielt sie fest an seine Seite gepresst.

Robin konnte nicht sagen, wie lange sie so geschlafen hatte, an Cesares Seite, den Kopf an seine Schulter gelehnt. Als sie aufwachte, war das Bett neben ihr leer, strahlendes Sonnenlicht fiel durch die Fenster.

Sie reckte sich vorsichtig. Sie verspürte ein seltsam dumpfes Gefühl, einen leichten Druck in ihrem Körper – aber es war kein unangenehmes Gefühl, im Gegenteil. Der Nachhall der leidenschaftlichen Liebesnacht mit Cesare! Allein die Erinnerung an die Intimitäten, die sie miteinander geteilt hatten, zauberte einen warmen Hauch auf ihre Wangen.

Der sofort wieder schwand, als sie sich mit Schrecken an die neue Erkenntnis erinnerte. Sie liebte Cesare. Liebte einen Mann, der sie erpresste, ihn zu heiraten. Liebte einen Mann, der gar keinen Druck auf sie auszuüben brauchte, wenn er ihr doch solche Liebesnächte schenken konnte …

Was sollte sie jetzt nur tun?

Wie sollte sie Cesare heiraten können, wenn sie wusste, dass sie ihn liebte, er aber nur Lust für sie verspürte und den unstillbaren Drang, sich an ihrer Familie zu rächen? Aber hatte sie denn eine andere Wahl? Cesare hatte ihr keine Wahl gelassen, ließ ihr auch jetzt keine Wahl …

„Woran denkst du?“ Cesare kam aus dem Bad ins Schlafzimmer zurück. Dass er komplett nackt war, störte ihn nicht im Geringsten.

Warum sollte es ihn auch stören, musste Robin zugeben, als sie ihn unter halb geschlossenen Lidern betrachtete. Er hatte einen prachtvollen, wunderbaren Körper!

Natürlich konnte sie ihm das unmöglich auf seine Frage antworten. Nicht, wenn sie selbst schockiert über die lüsternen Gedanken war, die ihr im Kopf umhergingen. Hastig richtete sie den Blick auf sein Gesicht, als er sich wieder ins Bett legte. Mit seinem Gewicht hielt er sie unter der Bettdecke gefangen.

„Ich dachte gerade daran, dass ich wohl besser gehen sollte“, sagte sie also laut.

„Aber doch nicht vor dem Frühstück, oder?“

Robin nickte mit dem Kopf. „Ich könnte jetzt unmöglich etwas essen.“

„An Essen dachte ich auch nicht“, klärte er sie heiser auf und strich sanft mit einem Finger über ihre leicht geöffneten Lippen.

Robin musste schlucken. Zu gern hätte sie sich jetzt über die Lippen geleckt, doch dann würde ihre Zunge unweigerlich Cesares Finger berühren, und das wiederum würde höchstwahrscheinlich nur zu einem führen …

„Ich dachte nicht, dass die Flitterwochen noch vor der Hochzeit stattfinden sollen, Cesare.“ Sie zwang sich zu einem spitzen Ton und rutschte an die Bettkante, damit sie aufstehen konnte.

Doch da hatte sie sich verrechnet. Denn hatte sie gedacht, sie könne einen würdevollen Abgang inszenieren, so war das sicherlich nur schwer zu verwirklichen, wenn man splitterfasernackt war!

Cesare lehnte sich genüsslich zurück, die Hände unter dem Kopf verschränkt, und beobachtete Robin dabei, wie sie ihre Kleidungsstücke einsammelte, die überall im Raum verstreut lagen.

Diese Frau, die seine Frau werden würde, war ihm ein Rätsel. In der Nacht war sie zuerst wie eine ungezähmte Raubkatze in seinen Armen gewesen, dann eine laszive Liebhaberin, und heute Morgen schien es wirklich so, als sei sie verlegen wegen des intensiven Liebesspiels, das sie miteinander erlebt hatten. Konnte es denn wahr sein, dass sie bisher wirklich nur einen Liebhaber, nämlich ihren Exmann, gehabt hatte?

Cesare fand diese Vorstellung eigentlich schwer zu glauben. Robin war eine schöne und sinnliche Frau. Er hatte mit ihr ein Vergnügen empfunden, wie er es mit keiner anderen Frau zuvor erfahren hatte.

Der Gedanke an die vielen Jahre mit ihr, die vor ihm lagen, entlockte ihm ein Lächeln.

Ein Lächeln, das Robin prompt missverstand. „Könntest du mich vielleicht wissen lassen, was so lustig ist?“, fauchte sie ihn mit wütend funkelnden Augen an. Sie war inzwischen in das Kleid geschlüpft, hielt aber Strümpfe und Seidenslip noch in der Hand.

Cesare schüttelte leicht den Kopf. „Dieses Lächeln hat mit Zufriedenheit zu tun, nicht mit Heiterkeit.“

Falls überhaupt, wurde das Rot auf ihren Wangen nur noch dunkler. „Zweifelsohne ein Lächeln selbstgefälliger Zufriedenheit, nicht wahr!“

Seine gute Laune schwand rapide. „Warum bestehst du eigentlich darauf, immer dann einen Streit zu provozieren, wenn ich gerade denke, wir seien hinsichtlich unseres gegenseitigen Verständnisses einen Schritt weitergekommen?“ Ungeduldig schlug er die Bettdecke zurück und stand auf.

„Gegenseitiges Verständnis?“ Robin wünschte, er würde sich endlich etwas überziehen und nicht so einfach in seiner prachtvollen Nacktheit dastehen! Und damit Bilder in ihr heraufbeschwören, die sie lieber ganz schnell vergessen wollte! „Ich werde niemals Verständnis für einen Mann aufbringen, der sich einer Frau mit Gewalt aufdrängt!“

Cesares Mund wurde ganz schmal. „Letzte Nacht habe ich mich dir ganz gewiss nicht aufgedrängt, Robin“, konterte er kühl. „Wenn ich mich recht entsinne, warst du diejenige, die angefangen hat, mich auszuziehen, sobald wir im Schlafzimmer waren.“

„Ich meinte, der eine Frau dazu zwingt, ihn zu heiraten“, stellte sie frustriert richtig. Mit der ersten Bemerkung war sie in die eigene Falle getappt.

„Du …“ Cesare brach ab, als ein Klopfen an der Tür ertönte. „Ja?“, fragte er gepresst.

„Da ist ein Anruf für Sie, Signor Gambrelli.“ Catriona, das Kindermädchen, stand auf der anderen Seite der Tür und hörte sich verlegen an.

Wahrscheinlich hörte sie sich verlegen an, weil sie die Stimme einer Frau im Schlafzimmer ihres Arbeitgebers vernommen hat, dachte Robin und wäre am liebsten im Boden versunken. „Ich hätte Sie nicht gestört, aber er sagt, dass ich Ihnen ausrichten soll, Graf Gambrelli sei am Apparat.“

„Graf Gambrelli?“, wiederholte Robin mit einem Stirnrunzeln.

„Mein Cousin“, erklärte Cesare knapp. Er wandte sich wieder zur Tür. „Sagen Sie ihm, ich bin in einer Minute am Telefon.“ Eilig begann er, frische Kleidung aus dem Schrank zu ziehen.

Robins Stirn lag noch immer in Falten. Nach dem, was Cesare ihr erzählt hatte, war sie der Auffassung gewesen, er und Carla seien die letzten Mitglieder der Gambrelli-Familie. „Wieso Graf Gambrelli?“, wiederholte sie verdutzt.

Cesare bedachte sie mit einem ungeduldigen Blick, während er sich anzog. „Ich bin nur halber Sizilianer. Mütterlicherseits. Mein Vater war Italiener. Er war der jüngere Bruder des Grafen Gambrelli. Er wurde enterbt, weil er eine Frau heiratete, die seine Familie für unpassend erachtete.“ Er war jetzt komplett angezogen und fuhr sich mit den Fingern durch das dichte Haar. An der Tür drehte er sich zu Robin um. „Warte, bis ich zurück bin.“

Sie lächelte ihn spöttisch an. „Vielleicht lässt sich deine selbstherrliche Arroganz ja auf diesen Titel zurückführen“, schloss sie ironisch.

Cesare bedachte sie mit einem letzten vernichtenden Blick und zog dann energisch die Tür hinter sich ins Schloss.

Robins Lächeln erstarb, als sie ins Bad ging, um sich fertig zu machen. Sie bürstete sich gerade das Haar, als sie Cesare in den Raum nebenan zurückkehren hörte. Erleichtert betrachtete sie sich im Spiegel. Jetzt sah sie wieder aus wie die beherrschte und kühle Robin Ingram, die sie gewesen war, bevor Cesare in ihr Leben getreten war.

Als sie ins Schlafzimmer kam, sah Cesare ihr mit düsterer Miene entgegen. „Mein Cousin …“

„Der Graf?“, betonte sie provozierend.

„Mein Cousin“, wiederholte er und kniff warnend die Augen zusammen, „ist Gast im Hotel. Er fragt an, ob er zu einem gemeinsamen Frühstück zu mir in die Suite hochkommen kann.“

Eine Frage, die Cesare ganz offensichtlich aus dem Konzept gebracht hatte.

„Und, kann er?“ Robin hob abwartend die Augenbrauen.

Cesare schien noch nervöser zu werden. „Ich konnte keinen vernünftigen Grund vorbringen, warum nicht!“

Robin musste über seine Verlegenheit lächeln. „Keine Angst, Cesare, ich bin längst weg, bis er hier ankommt. Ich gehe und bewahre somit deinen Ruf vor irreparablem Schaden!“

Sie war genauso wenig darauf aus, diesen Grafen Gambrelli kennenzulernen, wie Cesare augenscheinlich wollte, dass sie dem Grafen begegnete. Zwar hätte sie gerne heute Morgen noch Marco gesehen, aber das würde dann wohl nicht geschehen. Sie wagte auch gar nicht, darum zu bitten.

Cesare verzog den Mund. „Ich fürchte, das wird nicht möglich sein. Ich habe Wolf bereits wissen lassen, dass meine Verlobte bei mir ist.“

„Wolf?“ Robin hielt sich an dem Namen auf. „Woher, um alles in der Welt, hat er diesen …“ Erst dann wurde ihr bewusst, was Cesare noch gesagt hatte. „Deine Verlobte?“ Unsicher sah sie ihn an.

„Das bist du doch, oder?“, bemerkte er tonlos. Er war alles andere als begeistert über diesen unangekündigten Besuch seines Cousins, den er schon seit Monaten nicht mehr gesehen hatte.

Denn außer der Tatsache, dass sie ungefähr im gleichen Alter waren, hatten die beiden Männer nicht unbedingt viel gemeinsam. Sie hatten sich ja überhaupt erst vor zwei Jahren kennengelernt, als der alte Graf starb und Wolf den Titel erbte. Wolf hatte dann entschieden, dass er von den alten Familienquerelen aus der Vergangenheit nichts wissen wollte.

Zudem war Wolf einer der berüchtigtsten Playboys in ganz Europa.

Und Robin war eine ausnehmend schöne Frau …

Eifersucht hatte nie zu seinem Wesen gehört – er hatte nie genug Gefühle für eine Frau entwickelt, um eifersüchtig zu sein. Doch bei Robin war das etwas anderes. Sie würde bald seine Frau sein, und der smarte Wolf war ja auch nicht derjenige, der sie zur Heirat zwingen wollte!

„Eine Verlobte trägt normalerweise einen Ring, Cesare“, gab Robin jetzt zu bedenken. „Damit will ich nicht sagen, dass du mir einen schenken solltest“, fügte sie sofort hinzu, bevor er vielleicht auf so etwas anspielen würde. „Unser … Arrangement macht das unnötig.“

„Nichtsdestotrotz gedenke ich, dich Wolf als meine Verlobte vorzustellen“, beharrte Cesare. „Er freut sich darauf, dich kennenzulernen.“

„Dann wird er wohl enttäuscht werden, fürchte ich“, gab sie zurück. „Es ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um deiner Familie vorgestellt zu werden, Cesare.“

„Ich bin sicher, du wirst Wolf sehr charmant finden.“

„Na, das wäre doch mal was Neues bei einem Gambrelli“, meinte sie hochmütig. „Vielleicht sollte ich doch bleiben und diesen Cousin von dir kennenlernen.“

Cesare kniff drohend die Augen zusammen. „Du solltest meine Geduld nicht überstrapazieren, Robin. Wenn du auch nur versuchst …“

„Geduld? Bei dir?“, fragte sie herausfordernd. „Davon habe ich noch nichts gemerkt. Auch nichts von Toleranz für andere. Obwohl, wenn man selbst perfekt und fehlerlos ist, hat man natürlich kein Verständnis für die Fehler anderer.“

Cesare war sich sicher, dass sie von den Fehlern ihres Bruders sprach, aber das war ein Thema, das er nun wirklich nicht aufbringen wollte. „Ich halte mich keineswegs für perfekt, Robin, im Gegenteil!“

Glücklicherweise – oder auch nicht – klingelte es in diesem Moment an der Tür der Suite. Wolf war also angekommen und enthob Robin damit einer Erwiderung auf Cesares Behauptung.

„Du wirst ihn zumindest begrüßen, bevor du gehen kannst“, ordnete er an. „Komm, ich mache euch miteinander bekannt.“

Robin wartete im Salon, während Cesare zur Tür ging, um seinem Cousin zu öffnen. Sie konnte die tiefen Stimmen hören, wie die beiden Männer miteinander redeten, und riss überrascht die Augen auf, als sie zusammen in den Salon traten.

Wolf Gambrelli war ein großer, attraktiver Mann, lässig elegant gekleidet. Als Robin die beiden betrachtete, drängte sich ihr unwillkürlich der Vergleich eines Diapositivs und – negativs auf. Wolf hatte dichtes blondes Haar, während Cesares schwarz war, doch beide hatten die gleichen dunklen Augen. Auch von Statur und Größe her ähnelten sie sich, und in den Zügen war die Familienähnlichkeit unverkennbar. Graf Wolf Gambrelli war ein ausnehmend attraktiver Mann, genau wie Cesare!

„Miss Ingram! Oder darf ich Sie Robin nennen, da Sie ja scheinbar schon bald meine angeheiratete Cousine sein werden?“, begrüßte der Graf sie in akzentfreiem Englisch. Bewunderung und Wärme standen in seinen Augen, als er sie auf beide Wangen küsste.

Argwöhnisch beobachtet von einem äußerst missmutigen Cesare, wie Robin auffiel. „Natürlich dürfen Sie“, entgegnete sie unbeschwert. „Allerdings kann ich leider nicht bleiben, um eure Gesellschaft beim Frühstück zu genießen.“ Jetzt, nachdem sie Wolf gesehen hatte, war sie entschlossener denn je, so schnell wie möglich von hier wegzukommen. Zwei umwerfend gut aussehende Gambrelli-Männer auf einmal waren einfach zu viel! „Ich muss zur Arbeit.“ Sie lächelte entschuldigend.

„Das ist wirklich zu schade“, murmelte Wolf, ohne den bewundernden Blick von ihr zu nehmen.

„Ja, nicht wahr?“ Cesare fasste sie härter als nötig beim Arm, um sie zum Lift zu geleiten. „Ich bin gleich wieder da, Wolf“, sagte er über die Schulter hinweg.

„Lass dir ruhig Zeit.“ Wolf ließ sich lässig in einen der Sessel im Salon sinken und streckte die langen Beine vor sich aus. „Hätte ich eine Verlobte wie Robin, würde ich auch keine Eile haben, sie gehen zu lassen“, meinte er mit einem charmanten Lächeln.

Puh! Robin atmete erst einmal aus, als sie und Cesare in der Diele standen. Wolf Gambrelli machte seinem Vornamen alle Ehre!

„Du könntest dir ruhig ein Scheibchen Charme von deinem Cousin abschneiden“, spöttelte sie.

„Wolf hat eine Geliebte in Paris und eine in Mailand“, klärte Cesare sie auf.

Robin musterte ihn mit gerunzelter Stirn. Wüsste sie es nicht besser, würde sie glatt behaupten, dass Cesare eifersüchtig wegen seines einnehmenden Cousins war, der ihr so viel charmante Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Aber sie wusste es ja besser …

Und außerdem, Cesare war sich dessen vielleicht nicht bewusst – du lieber Himmel, er durfte sich dessen nicht bewusst sein! –, aber sie war schließlich verliebt in ihn. Zutiefst. Bis über beide Ohren. Unumkehrbar.

„Tja, da bleibt bestimmt noch Zeit für eine dritte in London“, gab sie schnippisch zurück und spürte im gleichen Moment, wie der Griff an ihrem Oberarm fest wie eine Eisenklammer wurde. „Du tust mir weh, Cesare“, fuhr sie empört auf.

„Ich werde dir noch mehr wehtun, wenn du dich ohne mein Wissen in die Nähe meines Cousins wagst“, knurrte er mit zusammengebissenen Zähnen.

Sie riss die Augenbrauen in die Höhe. „Glaub mir, Cesare, ein Gambrelli in meinem Leben reicht mir völlig. Das ist schon einer zu viel!“

Seine Augen glühten wie schwarze Kohlen, ein Muskel zuckte in seiner Wange. „Gestern Nacht machte es aber nicht den Eindruck.“

Weder wollte sie es, noch konnte sie verhindern, dass die Erinnerungen an die Nacht auf sie einstürzten und Hitze in ihrem Körper aufflammen ließen. „Das ist mal wieder typisch Mann, sich über einen schwachen Moment bei einer Frau lustig zu machen!“, fauchte sie und versuchte, sich aus seinem Griff loszureißen.

Vergeblich. Cesare zog sie eng an sich. „Das war gar nicht meine Absicht. Ich kann nämlich genauso wenig leugnen wie du, was gestern Nacht zwischen uns passiert ist.“ Seine Stimme wurde weicher. „Was heute Morgen auch wieder passiert wäre, wenn mein Cousin uns nicht dazwischengekommen wäre.“

Robin wusste, es war wahr. Hätte sich sein Cousin nicht angemeldet, dann hätte ihr Streit damit geendet, dass sie sich wieder liebten. Denn sobald Cesare sie in seinen Armen hielt, vergaß sie alles um sich herum und dachte gar nicht erst an Widerstand oder Protest.

Sie mied seinen Blick. „Du solltest jetzt wieder zu deinem Cousin hineingehen“, meinte sie steif.

„Du bist gestern Abend mit mir hergefahren. Wie willst du jetzt nach Hause kommen?“

Robin zuckte ungerührt mit den Schultern. „Das hier ist doch ein Hotel, oder? Ich bin sicher, vor dem Eingang stehen Taxis.“

Cesare schüttelte den Kopf. „Wenn du unten ankommst, wird ein Hotelchauffeur auf dich warten, der dich nach Hause bringt.“

Natürlich. Als Cesares Ehefrau würde sie sich wohl an diesen luxuriösen Lebensstil gewöhnen müssen, den er für selbstverständlich ansah. Also nickte sie nur. „Ich muss jetzt aber wirklich gehen.“

„Erst, nachdem ich dich geküsst habe.“ Mit einem leisen Stöhnen senkte er den Kopf und nahm ihren Mund in Besitz und schaltete damit jeden klaren Gedanken und jedes andere Gefühl als das Bewusstsein für ihn in ihr aus.

Robins Knie waren weich, als er endlich wieder den Kopf hob und sie ansah. „Ich rufe dich später an, dann machen wir etwas für heute Abend aus“, sagte er heiser.

Robin holte atemlos Luft. „Ein ‚Bitte‘ wäre eigentlich ganz nett“, murmelte sie benommen.

Cesare lächelte, zufrieden, weil er an ihrer Reaktion deutlich erkannte, wie sehr sie ihn begehrte. „Ich verspreche, sehr viel mehr als nur nett zu sein, wenn wir uns heute Abend treffen“, versprach er leise und wurde belohnt mit dem Hauch Röte, der auf ihre Wangen kroch.

Robin, so hatte er feststellen können, als er heute neben ihr aufgewacht war, gehörte zu den Frauen, die ohne Make-up ebenso schön waren wie geschminkt. Sie hatte einen wunderbaren Pfirsichteint, und ihre Lippen waren rosenrot, auch ohne Hilfsmittel.

„Um genau zu sein, ich freue mich schon darauf!“ Noch einmal küsste er sie heiß und sehnsüchtig, ließ sich ihren Geschmack auf den Lippen zergehen, bevor er sie freigab. „Bis heute Abend dann …“ Sein samtener Ton war die pure Verheißung.

Cesare sah zu, wie Robin in den Lift stieg, und wartete, bis die Aufzugstüren hinter ihr zugeglitten waren. Dann drehte er sich um und ging in den Salon zurück, wo sein Cousin darauf wartete, mit ihm zu frühstücken.