5. KAPITEL

Die perfekt passende Jeans und das eng anliegende grüne T-Shirt, in denen Darci am nächsten Abend die Wohnungstür öffnete, waren Lucs Meinung nach eine eindeutige Verbesserung zu dem gestreiften Männerpyjama vom Tag zuvor. Dieser Aufzug betonte die katzenhafte Geschmeidigkeit ihres Körpers viel besser.

Nur dass sie ihr fantastisches Haar zu einem losen Knoten auf dem Kopf aufgesteckt hatte und das feurige Rot jetzt eher kastanienbraun wirkte, fand er schade.

Die grünen Augen allerdings funkelten noch stärker als sonst, als sie ihn herausfordernd anblickte, und warnten ihn, nicht noch Zunder auf die Funken zu geben.

Luc lächelte geheimnisvoll, als er sich an Darci vorbei in die Wohnung drängte. „Ich denke, als Erstes sollten wir die hier aufmachen.“ Er zog eine Flasche Rotwein aus der mitgebrachten Einkaufstüte und hielt sie hoch. „Du siehst aus, als könntest du ein Glas gebrauchen.“

„In der Küche steht bereits eine offene Flasche“, teilte sie ihm gepresst mit. Normalerweise trank sie nie allein, aber heute Abend hatte sie sich ein Glas Rotwein gegönnt, um ihre angespannten Nerven etwas zu beruhigen, bevor Luc Gambrelli ankam.

Angesichts der Tatsache, dass er wesentlich lässiger gekleidet war, als sie ihn bisher gesehen hatte, war diese Maßnahme völlig richtig gewesen. Er trug eine ausgewaschene Jeans, die ihm tief auf den schmalen Hüften saß, dazu ein schwarzes T-Shirt, das seine breiten Schultern und den flachen Bauch betonte und einen anziehenden Kontrast zu dem dunkelblonden Haar bildete. Dieses Mal hatte ihr Instinkt sie also vorgewarnt.

„Sind wir heute Abend allein?“, fragte er fröhlich und stellte die Einkaufstüte auf den Tisch in der Küche.

Darci kniff die Augen zusammen. Er wollte wissen, ob sie seine Anweisung befolgt und dafür gesorgt hatte, dass Kerry nicht hier war. Zufällig hatte es sich ergeben, dass sie Kerry um gar nichts hatte bitten müssen. Nachdem die Freundin nämlich nach Hause gekommen war und Darci ihr von dem Desaster, zu dem sich ihr Plan entwickelt hatte, erzählte, hatte Kerry keineswegs die Absicht gehabt, Luc Gambrelli über den Weg zu laufen. Sie würde also die Nacht bei Michael verbringen.

„Ja“, antwortete sie knapp. Ihre Augen weiteten sich, als Luc Garnelen, Steaks, Pilze, Frühkartoffeln und frische Zutaten für einen gemischten Salat auspackte. „Ich glaube nicht, dass ich überhaupt einen Bissen herunterbekomme“, erklärte sie, während sie ein Glas Wein für ihn einschenkte und ihres auffüllte.

Er betrachtete sie mit einem seltsamen Blick. „Dann solltest du wissen, dass ich nicht vorhabe, heute hungrig nach Hause zu gehen.“ Er nahm das Glas und nippte daran.

Darci war verärgert. „Ich bezweifle ernsthaft, dass du gestern Abend ohne Dinner auskommen musstest.“

„Ich beziehe mich damit nicht auf das Essen“, stellte Luc mit einer spöttisch hochgezogenen Augenbraue richtig.

Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Eines sollten wir vorab klarstellen, Luc.“

„Sicher, nur zu.“ Er lehnte sich lässig mit der Hüfte an den Tisch.

Ihr Mund wurde schmal. „Ich bin keine von den eifrigen jungen Schauspielerinnen in Los Angeles, die so dankbar sind, wenn du sie bemerkst, dass sie mehr als willig in dein Bett kriechen. Auch bin ich keineswegs beeindruckt von dem legendären Liebhaber Luc Gambrelli …“

„Das scheinen mir doch schon zwei Dinge zu sein, die du an mir verurteilst.“ Die Richtung, die dieses Gespräch nahm, gefiel ihm ganz und gar nicht. „Außerdem hast du bereits mehrere Male während der kurzen Zeit unserer Bekanntschaft auf mich als angeblich legendären Liebhaber angespielt – und zwar in einer höchst abfälligen Art.“

„Aber das bist du doch, oder etwa nicht? Die Zeitungen sind voll von den Affären, die du, dein Bruder und dein Cousin …“

„Beide, Wolf und Cesare“, unterbrach er sie barsch, „sind glücklich verheiratet und ihren Frauen absolut treu.“

„Was bedeutet, dass die Presse sich jetzt mit Gusto auf den letzten ungebundenen Gambrelli stürzt“, konterte sie.

Natürlich hatte Luc sich bereits darüber Gedanken gemacht. Seit dem Schock, dass Wolfs Heirat nur drei kurze Monate nach Cesares gefolgt war, hatte die Presse nichts über ihn zu berichten gehabt. Luc hatte nämlich keineswegs die Absicht, ein Opfer des Gambrelli-Fluchs zu werden und sich hoffnungslos verliebt und vor allem verheiratet wiederzufinden!

Er schüttelte den Kopf. „Die Klatschspalten schreiben nur über das, was das Publikum lesen will“, tat er gleichgültig ab.

Darci war nur froh, dass das bei Mellie und ihm scheinbar nicht der Fall gewesen war. Sie wollte wirklich nicht in der Zeitung nachlesen können, wie dieser Mann ihrer Freundin das Herz gebrochen hatte.

„Du hast es immer noch nicht verstanden, Luc“, begehrte sie ungeduldig auf.

„Und was genau wäre das?“ Wieder hob er arrogant eine Augenbraue, eine Angewohnheit, die Darci allmählich aufzureiben begann.

„Dass ich ungeachtet dessen, was immer du dir ausgerechnet hast, nicht mit berüchtigten Playboys ins Bett gehe.“

Er zuckte nicht einmal mit einer Wimper, nahm nur gelassen einen Schluck aus seinem Glas. „Das scheint mir eine sehr vernünftige Einstellung zu sein“, entgegnete er schließlich.

Darci ließ sich von seinem freundlichen Ton nicht täuschen. Ihr war nicht entgangen, wie seine Augen sich leicht zusammengezogen hatten, und die absolute Reglosigkeit seines muskulösen Körpers war eine Warnung an sich.

Eine Warnung, die sie nicht zu beachten gedachte. „Damit meinte ich dich.“ Sie verspannte sich unwillkürlich, während sie auf seine Reaktion wartete.

Er nickte. „Das hatte ich mir schon gedacht.“ Langsam und behutsam stellte er das Weinglas ab, bevor er um den Tisch herumkam und sich vor Darci stellte. „Vielleicht solltest du warten, bis du in mein Bett eingeladen wirst, bevor du ablehnst, Darci.“

Darci wich nicht zurück, sondern blieb stehen und funkelte ihn wütend an. Sie war entschlossen, sich nicht von seiner Nähe einschüchtern zu lassen.

Ganz gleich, wie lässig er sich geben mochte, sie konnte den Ärger unter der ruhigen Oberfläche spüren. Und die dunklen Augen lachten sie nicht mehr frech an, sondern glühten verstimmt.

An diesem Mann war viel mehr, so wurde ihr jäh klar, als das nonchalante Äußere vermuten ließ.

Auch mehr als der notorische Playboy, als den sie ihn soeben noch bezeichnet hatte?

Ja, sogar sehr viel mehr, erkannte sie mit plötzlicher Klarheit, und ein leichter Schauer rann ihr den Rücken hinunter. Im Moment glich er mehr denn je dem schlafenden Tiger, den sie geweckt hatte. Wenn sie nicht vorsichtig war, riskierte sie, zerfleischt zu werden!

Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen und hielt sofort mit dieser Geste inne, als sie bemerkte, wie seine Augen sich verdunkelten und er mit hungrigem Blick der Bewegung folgte.

Mit einer ruckartigen Bewegung wandte sie sich ab und brach damit die Spannung. „Vielleicht sollten wir mit dem Kochen beginnen“, schlug sie vor.

Luc rührte sich sekundenlang nicht, blieb regungslos vor ihr stehen und musterte eindringlich ihr blasses Gesicht. Dann nickte er knapp und trat von ihr zurück. „Ja, vielleicht sollten wir das“, stimmte er rau zu. „Ich bin sehr viel sanftmütiger“, fügte er leicht spöttisch hinzu, „wenn ich satt bin. Hoffen wir, dass es bei dir ähnlich ist.“

Aus seinen Worten war die Warnung herauszuhören. Darci wusste, es wäre dumm, sie zu ignorieren. Sehr dumm sogar. Sie mochte ja viele Dinge sein, aber dumm war sie ganz bestimmt nicht.

Jedoch freute sie sich auch nicht gerade darauf, mit einem sanftmütigen Luc Gambrelli umgehen zu müssen.

Überraschenderweise machte es Spaß, gemeinsam zu kochen. Luc entpuppte sich als geschickter und kreativer Koch, der die Garnelen mit Knoblauch und Kräutern in der Pfanne schwenkte und eine cremige Pilzsoße für die Steaks zubereitete. Darci war für den Salat zuständig und briet das Fleisch.

Nachdem sie das wohlschmeckende Abendessen beendet hatten, blieben sie an dem großen Tisch in der Küche sitzen. Der Raum war wirklich gemütlich, ganz wie Luc vermutet hatte. Darci hatte sich im Laufe des Abends auch ein wenig entspannt, was ihm angenehm aufgefallen war. Und die Appetitlosigkeit, auf die sie sich vorhin noch berufen hatte, war ebenfalls verschwunden, sobald das fertige Mahl serviert war und die Gläser wieder aufgefüllt.

Das Gespräch vor dem Dinner hatte Luc verärgert, doch er erkannte auch, dass dieser Ärger eher unvernünftig war. Seinen Ruf hatte er verdient, obwohl er sich nicht unbedingt als berüchtigten Playboy bezeichnen würde.

Ihm gefiel es nicht, dass Darci ihn dafür hielt. Er war jetzt vierunddreißig Jahre alt, hatte seine erste Erfahrung mit sechzehn gemacht und war nie verheiratet gewesen. Natürlich hatte es Frauen in seinem Leben gegeben. Keine einzige von diesen Beziehungen bereute er. Vor allem nicht, weil seine Erfahrung es ihm ermöglicht hatte, Darci gestern solches Vergnügen zu schenken …

„Erzähl mir …“, hob er an, während sie Käse aßen, „… was hat dich dazu bewogen, Ärztin zu werden?“

Während der Zubereitung des Essens hatte er sie beobachtet. Ihm waren die schmalen Handgelenke aufgefallen, die langen schlanken Hände, und er ahnte, dass sie eine Frau war, die Stolz für ihre Arbeit empfand. So wie sie auf jede Handbewegung beim Kochen Wert legte, so würde sie auch in ihrem Beruf ihr Bestes geben.

Und im Bett …?

Es war lange her, dass Luc sich in erotischen Fantasien ergangen war, wie es wohl sein musste, mit einer bestimmten Frau zu schlafen. Lange, dass die Notwendigkeit bestanden hatte, sich lediglich damit zufriedengeben zu müssen. Doch während er Darci beobachtet hatte, konnte er nicht widerstehen, sich vorzustellen, wie diese schlanken Finger über seine Haut fuhren und ihn streichelten. Fast hatte er es spüren können …

Darci dachte eine Weile über seine Frage nach. Das gute Essen und der Wein hatten zwar ihre Vorsicht nicht schwinden lassen, aber immerhin war sie nun ein wenig entspannter. Es lag wohl auch an der Tatsache, dass Luc sich ganz bewusst harmlos und unbedrohlich gab.

„Was hat dich dazu bewogen, Filmproduzent zu werden?“, stellte sie schließlich trocken die Gegenfrage.

Luc schüttelte den Kopf. „Das lässt sich nicht vergleichen. Für die Medizin entscheidet man sich nicht aus einem spontanen Impuls heraus. Der Beruf des Arztes ist eigentlich eher eine Berufung, erfordert Hingabe und harte Arbeit.“

Darci hob eine Augenbraue an. „Heißt das, du bist aus einem spontanen Impuls heraus Filmproduzent geworden?“

Sie wich aus, das wusste Luc. Weil sie nicht über sich selbst reden wollte?

Höchstwahrscheinlich. So wie er hielt Darci offensichtlich ebenfalls nichts davon, über ihr Privatleben zu plaudern. Als Ärztin, die über die Krankengeschichten ihrer Patienten informiert sein musste, bot sich ihr natürlich auch die perfekte Rechtfertigung, um ihr Privatleben verdeckt zu halten.

Wie auch immer … für den Moment würde er zulassen, abgelenkt zu werden.

Er lächelte schief. „Meinem Cousin Cesare gehören die Kette der Gambrelli-Hotels, ein Aufnahmestudio und eine Fluglinie, zudem ist er in einige andere Unternehmen involviert. Mein Bruder Wolf beschäftigt sich weltweit mit Grundbesitz und Landentwicklung, und als Graf Gambrelli kümmert er sich natürlich auch um die verschiedenen Ländereien der Familie in Italien.“ Luc hielt kurz inne. „Die jüngeren Brüder haben es wohl immer schwerer, ihren Platz im Leben zu finden.“

Sosehr er sich auch bemühte, seine berufliche Entwicklung unter dem Vorwand des jüngeren Bruders lässig abzutun, wusste Darci instinktiv, dass er in allem, was er für sich gewählt hätte, gut gewesen wäre.

Auch als Liebhaber …?

Vor allem als Liebhaber, bestätigte sie sich still und nahm sich umso fester vor, sich nicht von dem Bann dieses Mannes einfangen zu lassen.

Denn je weiter der Abend fortschritt, lief sie immer mehr Gefahr, dass genau das passierte. Immer stärker wurde sie sich seiner Gegenwart bewusst, spürte sie die gezähmte Kraft, die unter dieser lässigen Fassade schwelte, die sinnliche Energie, die sein Körper ausstrahlte, bemerkte die Muskeln, die bei jeder seiner Bewegungen unter dem schwarzen T-Shirt spielten. Selbst sein dezentes Aftershave stieg ihr zu Kopf …

Höchst unwillig musste sie sich eingestehen, dass sie sich Luc Gambrellis Ausstrahlung bewusster war, als sie es je bei einem anderen Mann verspürt hatte. Er war einfach unwiderstehlich!

„Du hast also deine Nische gefunden. Sowohl im als auch außerhalb des Filmstudios“, setzte sie spitz hinzu, dann stand sie abrupt auf und begann, das Geschirr zusammenzuräumen.

Luc sah zu ihr auf. Jetzt versuchte sie wieder, ihn zurückzustoßen. Irgendetwas, irgendein Gedanke hatte Darci dazu gebracht, sich wieder zu verschließen, hatte die ablehnende Haltung zurückkehren lassen.

Doch Luc war inzwischen nicht mehr so sehr darauf aus, dieser ablehnenden Haltung auf den Grund zu gehen und Antworten zu finden. Denn wenn Darci ihm erst einmal gesagt hatte, warum sie ihm misstraute, würde sie auch verlangen, dass sie sich nicht mehr wiedersahen.

Aber er wollte sie wiedersehen.

Wollte mehr. Sehr viel mehr.

Er wollte sie berühren, so wie er sie gestern Abend berührt hatte.

Nur wusste er schon jetzt, dass er bei Darci Zeit brauchen würde. Er würde abwarten und weitere Abende mit ihr verbringen müssen, bevor er ihre Beziehung auf das nächste Level heben konnte – auf das intime Level, nach dem er sich verzehrte.

Er erhob sich, um ihr beim Einräumen der Geschirrspülmaschine zu helfen. „Du hast mir noch nicht gesagt, warum du Ärztin geworden bist.“

Sie warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu, um weiter Gläser und Teller in den Geschirrspüler zu stellen. „Ich wollte schon immer Ärztin werden“, antwortete sie unverbindlich.

Luc sah auf ihren vorgebeugten Kopf. Es reizte ihn, die Haarnadeln herauszuziehen, die ihr wunderbares Haar gezähmt hielten. Er wollte zusehen, wie die feuerrote Mähne ihr über die Schultern und den Rücken fiel …

Und er widerstand dem Impuls nur, indem er die Fäuste an seinen Seiten ballte. „Und du bekommst immer, was du willst?“

Darci richtete sich auf und wandte Luc das Gesicht zu. In den letzten Minuten war die Atmosphäre eindeutig umgeschlagen. Eine sexuelle Spannung hing im Raum, ließ die Luft vibrieren … Eine Situation, die unbedingt so schnell wie möglich geändert werden musste.

Sofort!

„Du etwa nicht?“, fragte Darci mit kaum verhülltem Sarkasmus.

Er hielt ihrem Blick völlig gelassen stand. „Natürlich. Ich würde nur gern wissen, dass ich anderen damit nicht schade.“

In Mellies Fall war das aber anders, rief Darci sich entschlossen in Erinnerung.

Allerdings verlor diese Ermahnung immer weiter an Bedeutung, je mehr Zeit sie in der Gesellschaft von Luc Gambrelli verbrachte. So hatte sie bisher an diesem Abend nicht ein einziges Mal an die Freundin und deren Kummer gedacht.

Nachdem Darci sich die ganze Zeit über immer wieder ermahnt hatte, wie dumm es wäre, auf Luc Gambrelli hereinzufallen, wäre es ja wohl der absolute Gipfel der Dummheit, wenn sie es tatsächlich täte.

Sie reckte die Schultern. „Es ist spät geworden, Luc, und ich habe morgen früh Dienst. Ich denke, du solltest jetzt besser gehen.“ Die verärgerte Ungeduld galt eigentlich ihr selbst, das wusste sie. Luc hatte nichts getan, was diese Unhöflichkeit verdiente. Die leidenschaftlichen Gedanken entstammten allein ihrer eigenen Fantasie.

Weil die Erinnerung an seine Berührungen noch immer zu lebendig in ihr war! Gestern Nacht hatte sie sich unruhig im Bett gewälzt und vergeblich versucht, die Gedanken an Luc Gambrelli und seine Zärtlichkeiten zu verdrängen.

Luc konnte die verschiedensten Gefühle über Darcis Miene huschen sehen. Ganz offensichtlich focht sie einen inneren Kampf mit sich aus.

Seinetwegen?

Das hoffte er, inbrünstig. Er wollte nicht der Einzige sein, der die Qualen erzwungener Abstinenz litt!

Denn es war eine Qual, nicht einfach die Arme auszustrecken und Darci an sich heranzuziehen, sie zu berühren und zu liebkosen, so wie er es wollte. Doch da er vorhatte, sie wiederzusehen, wusste er, dass er diesem Drang nicht nachgeben durfte. Jede körperliche Berührung von ihm würde sie als Grund vorschieben, ihn nicht mehr zu treffen.

„Natürlich“, stimmte er also freundlich zu. „Hättest du Lust auf einen gemeinsamen Lunch an deinem nächsten freien Tag?“

Darcis verdatteter Blick entlohnte ihn für seine Anstrengung. „Lunch?“

Er grinste. „Nun, das ist eine Mahlzeit, die man normalerweise irgendwann zwischen zwölf Uhr mittags und …“

„Ich weiß, was ein Lunch ist, Luc“, unterbrach sie ihn. „Ich dachte nur … Ich nahm an, du würdest wieder nach Los Angeles zurückkehren.“

„So, das hast du also angenommen, ja?“ Eigentlich hatte er eine Woche in Paris eingeplant, bevor er nach Los Angeles zurückkehren wollte. Doch das war, bevor er Darci Wilde getroffen hatte.

Bevor er beschlossen hatte, dass es Vorrang hatte, sie zu erobern und in sein Bett zu locken …

Nächstes Wochenende musste er allerdings in Paris sein, ganz gleich, was mit Darci Wilde passiert oder auch nicht passiert war. Sonst würde die Rache seiner gesamten Familie über ihn kommen!

Darci verzog grüblerisch das Gesicht. Natürlich hatte sie angenommen, dass Luc schon bald wieder nach Amerika zurückflog. Wieso auch nicht? Er lebte nicht in London, hatte hier auch kein Haus. Soviel sie wusste, war er nur zur Filmpremiere hergekommen. Daher war sie davon ausgegangen, dass er wieder zu seinem Leben in Los Angeles zurückkehrte.

Eigentlich war es nur diese Vermutung gewesen, die ihr geholfen hatte, den Abend zu überstehen. Doch Lucs Vorschlag, dass sie sich an ihrem nächsten freien Tag zum Lunch treffen sollten, ließ darauf schließen, dass er keine Eile hatte, wieder nach Hause zu fliegen.

„Wann hast du frei, Darci?“, hakte er nach.

„Dienstag“, antwortete sie abwesend. „Aber …“

„Dann gehen wir am Dienstag zum Lunch, abgemacht?“

„Nein.“

„Warum nicht?“ Mit einer hochgezogenen Augenbraue musterte er sie fragend.

„Weil … Luc, ich mag diese Spiele nicht!“, sprudelte es aus ihr heraus. „Wir haben zusammen zu Abend gegessen, wie du wolltest. Aber jetzt … Lass es uns einfach dabei belassen, ja?“

„Aber wir haben noch immer nicht über das Rätsel deines seltsamen Verhaltens mir gegenüber gesprochen – wie ich ebenfalls vorschlug“, erinnerte er sie.

Damit meinte er ihre unverständliche Distanziertheit, ihre Unhöflichkeit und ihre Feindseligkeit, das war Darci klar. Allerdings würde sie es lieber vermeiden, darüber zu sprechen …

„Es sei denn, du möchtest dieses Gespräch jetzt noch führen?“, fragte Luc herausfordernd.

Dieser Mann schien Gedanken lesen zu können! Still verfluchte sie erst ihn und dann sich selbst. Sie hätte auf Kerry hören und sich nicht einmischen sollen! Doch jetzt musste sie feststellen, dass Luc Gambrelli sich in ihr Leben gedrängt hatte und nicht gedachte, es so bald wieder zu verlassen!

Darci schüttelte den Kopf. „Ich sehe wirklich keinen Sinn darin, diese Bekanntschaft noch zu verlängern.“

„Nicht?“ Mit dem einen Wort machte er auch einen Schritt auf sie zu und tat das, was er schon den ganzen Abend hatte tun wollen – er zog ihr die Haarnadeln aus dem Haar, sodass die wilden Locken sich lösten. Ihm stockte der Atem, als Darci sofort ungezähmt und verführerisch aussah.

So wie Luc sie haben wollte!

Langsam beugte er den Kopf zu ihr, hörte noch, wie ihr der Atem in der Kehle stockte, bevor er flüchtig mit den Lippen über ihren Mund streifte. Er zog ihre Unterlippe zwischen seine Zähne, öffnete die Augen und hielt ihren Blick gefangen, während er sinnlich an ihrer Lippe knabberte und schließlich mit der Zunge sanft darüber strich. Belohnt wurde er mit ihrem Seufzer, als sie kapitulierte und die Lippen öffnete, um ihm zu erlauben, den Kuss zu vertiefen. Ihre Lider schlossen sich zitternd, sie schlang die Arme um seinen Nacken und fuhr mit den Fingern in sein Haar.

Sie schmeckte so gut, fühlte sich so gut an … Luc wollte nicht hier aufhören. Er wollte sie auf seine Arme heben und ins Schlafzimmer tragen, wollte sie von einem Gipfel zum nächsten treiben, bis er in einem weltbewegenden Höhepunkt mit ihr verschmelzen würde.

Doch stattdessen hob er den Kopf und fasste sie bei den Oberarmen, um sie von sich abzuhalten. An ihren verhangenen Augen und den roten Wangen konnte er erkennen, dass sie ebenso erregt war wie er. Sie wollte, dass er all die Dinge mit ihr tat, die er sich selbst ausmalte.

Das Warten würde es für sie beide nur noch leidenschaftlicher machen. Wenn sie miteinander schliefen, dann würde Darci keine Möglichkeit mehr haben zu behaupten, er hätte sie verführt. Sie würde aus freien Stücken zu ihm kommen.

„Genau hierin liegt der Sinn, diese Bekanntschaft zu verlängern“, erklärte er unbeirrt. „Ich hole dich am Dienstag um eins ab.“ Er ließ sie los und ging mit energischen Schritten ins Wohnzimmer.

Es dauerte einige Sekunden, bevor Darci ihren Kopf so weit geklärt hatte, dass sie ihm folgen konnte. „Luc …“

„Kein Wort mehr, Darci.“ Er legte einen Finger auf ihre Lippen und brachte sie so zum Schweigen. „Wir haben es geschafft, ohne größere … Meinungsverschiedenheiten durch diesen Abend zu kommen. Belassen wir es doch dabei, einverstanden?“ Er grinste schalkhaft.

Sie wollte es aber nicht dabei belassen! Nicht, wenn das unweigerlich bedeutete, dass sie sich am Dienstag wiedersahen! Sie holte tief Luft. „Ich kann wirklich nicht …“

„Ich akzeptiere kein Nein, Darci“, fiel er ihr entschieden ins Wort. „Daher wäre es besser für dich, wenn du am Dienstag hier bist, wenn ich an deiner Tür klingle.“

„Sonst?“ Sie blinzelte.

„Sonst wird wohl ein weiterer Anruf bei Grant erfolgen, damit er mir sagen kann, in welcher Klinik du arbeitest. Dann kann ich dich am Mittwoch, wenn du wieder zum Dienst gehst, dort finden.“

Grant hatte Darci heute Vormittag angerufen und Bescheid gegeben, dass er für zwei Wochen zu Dreharbeiten nach Bulgarien fliegen würde – oder Bolivien. Auf jeden Fall irgendetwas mit B. Von seinem frotzelnden Kommentar in Bezug auf die Dinnereinladung von Luc Gambrelli – „Na? Bist du jetzt beeindruckt?“ – war sie schon nicht begeistert gewesen. Aber Grant hatte ein Handy und war somit jederzeit erreichbar, wenn Luc vorhatte, ihn anzurufen. Die Reaktion ihrer Kollegen im Krankenhaus wollte sie sich gar nicht erst vorstellen, ganz zu schweigen die ihrer Patienten, wenn dieser sizilianische Halbgott in der Klinik nach der ansonsten so seriösen und fachlich kompetenten Dr. Darci Wilde fragte!

„Schließ hinter mir gleich ab, ja?“, bat Luc leise, als er zur Tür hinausging.

Was für einen Sinn hat es, hinter ihm abzuschließen, wenn er derjenige ist, den ich eigentlich aussperren müsste? fragte sie sich düster, als sie den Schlüssel im Schloss drehte.

Sie konnte nicht länger so tun, als ginge Luc Gambrelli ihr nicht unter die Haut. Trotz allem, was sie über ihn wusste, trotz der Warnungen ihrer Vernunft – in den seltenen Augenblicken, in denen sie nicht völlig überwältigt von ihm war –, musste Darci sich eingestehen, dass es Luc Gambrelli gelungen war, sich durch ihre Barrieren zu schleichen.

Und nachdem sie jahrelang jede feste – oder körperliche – Beziehung gemieden hatte, war Darci sich auch darüber im Klaren, dass sie, obwohl achtundzwanzig Jahre alt, nicht die nötige Erfahrung besaß, um sich vor diesem Vorstoß zu schützen.