Anstatt sich fürs Bett fertig zu machen, zog Darci sich oben in der Suite um und setzte sich in Jeans und T-Shirt mit angezogenen Knien auf den gepolsterten Fenstersitz im Salon. Mit leeren Augen starrte sie hinaus in die Nacht und wartete darauf, dass Luc von der Party zurückkam.
Ihr war klar geworden, dass Luc recht hatte, als sie das schwarze Kleid mit dem stillen Schwur, es nie wieder zu tragen, in den Koffer gepackt hatte. Sie mussten miteinander reden. Je eher Luc einsah, dass sie sich nicht auf eine Affäre mit ihm einlassen würde, desto besser für sie beide.
Natürlich wusste sie auch, wie schwer es sein würde, ihm zu widerstehen, sollte er es darauf anlegen, sie zu verführen.
Darci war nie bewusst gewesen, ja sie hatte nicht einmal geahnt, dass die Liebe zu einem anderen Menschen so allumfassend, so alles verzehrend sein konnte, dass man an nichts anderes mehr dachte. Fast konnte sie nun Mellie verstehen, die auf ein Täuschungsmanöver zurückgegriffen hatte, um Grants Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Fast …
Denn ganz gleich, wie sehr sie ihn auch liebte, Darci würde sich nie einer Lüge bedienen, um Luc in ihr Leben zu holen.
Sie versteifte sich unwillkürlich, als sie hörte, wie die Schlüsselkarte von außen durch den Schlitz gezogen wurde. Ihr Herz begann zu pochen, und ihre Handflächen wurden feucht. Es war erst elf Uhr. Luc war also keine Minute länger als unbedingt nötig auf der Feier geblieben.
Sobald Luc den Raum betrat und seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte er Darcis Silhouette beim Fenster. Ihr Haar leuchtete im Mondlicht wie Feuer. Er war sicher, dass sie absichtlich kein Licht eingeschaltet hatte.
Ihm war es nur recht. Grelle Deckenlampen passten nicht zu dem, was er zu sagen hatte.
Er hätte auch wissen müssen, dass Darci, ganz gleich, was sie auch gesagt haben mochte, nicht einfach zu Bett gehen und sich unter den Decken verkriechen würde. Sie war die Art Frau, die sich einer Herausforderung stellte.
„Darci“, sagte er leise zur Begrüßung und durchquerte den Raum, um sich zu ihr zu stellen. Er verspürte milde Enttäuschung, weil sie das verführerische Kleid nicht mehr trug – er konnte sich nichts Erotischeres vorstellen, als ihr den fließenden Stoff vom Körper zu streifen! –, aber er war sich auch bewusst, dass es ihn nur abgelenkt hätte. Er war wirklich fest entschlossen, dieses Gespräch mit ihr zu führen. Nun, zumindest, bevor sie zu anderen Dingen übergingen.
Jetzt wandte sie ihm das Gesicht zu. „Luc“, erwiderte sie seinen Gruß knapp.
Von ihr konnte er also keine große Hilfe erwarten. Aber bestimmt war sie auch noch aufgewühlt wegen der Szene auf der Terrasse.
„Aufgewühlt“ war nicht das Wort, das Luc benutzen würde, um seine eigenen Gefühle zu beschreiben, „erleuchtet“ passte viel mehr zu dem, was er fühlte.
Warum brachte Luc dieses Gespräch nicht endlich hinter sich? Darci wurde immer nervöser. Warum schlug er ihr nicht endlich diese Affäre vor, dann konnte sie ablehnen und sofort ins Schlafzimmer fliehen. Wenn sie sich die Bettdecke über den Kopf zog, würde er nicht hören, wie sie sich die Seele aus dem Leib weinte.
Denn jetzt, da er hier war und neben ihr stand, da war ein großer Teil von ihr nicht nur bereit, auf sein Angebot einzugehen, sondern sehnte sich voller Verlangen danach. Es würde das Schwerste sein, was sie je in ihrem Leben hatte tun müssen – Luc abzuweisen und zu gehen, wenn sie ihn doch so sehr liebte.
Vielleicht war das ja ihre Strafe, weil sie sich immer so unnahbar gegeben und jede persönliche Beziehung gemieden hatte. Für die vielen Male, die sie ein- oder zweimal mit einem Mann ausgegangen war, um dann ohne einen Blick zurück zu gehen, sobald der Mann mehr als nur flüchtiges Interesse gezeigt hatte. Kerry hatte einmal gesagt, Darci habe ganze Legionen von gebrochenen Herzen hinter sich zurückgelassen. Dabei hatte Darci es nie absichtlich darauf angelegt, jemanden zu verletzen. Sie hatte eben nur immer ihre Karriere im Blick gehabt. Daneben hatte nie etwas anderes bestehen können.
Nun, wie auch immer ihre Absichten ausgesehen haben mochten, jetzt hatte das Schicksal wohl beschlossen, dass die Reihe an ihr war, sich zu verlieben, und zwar in einen Mann, der so unnahbar und unerreichbar war, wie sie selbst es zehn Jahre lang gewesen war.
Mit zusammengepressten Lippen schüttelte sie den Kopf. „Was ich vorhin gesagt habe, meinte ich absolut ernst, Luc. Ich werde nicht mit dir schlafen.“
„Ich kann dir versichern, dass Schlafen das Letzte ist, wonach mir der Sinn steht“, erwiderte er amüsiert und ließ sich ihr gegenüber auf dem Fenstersitz nieder.
Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Mach dich nicht auch noch lustig über mich.“
Nachdenklich sah er sie an. „Ich muss sagen, es ist mir inzwischen zur lieben Gewohnheit geworden, dich zu necken“, murmelte er dann.
„Diese Gewohnheit kannst du dir gleich wieder abgewöhnen, denn in Zukunft wirst du ohne sie auskommen müssen.“
„Du willst mich nicht?“ Er legte die Stirn in Falten.
Darci war froh, dass es dunkel im Zimmer war. Dann konnte Luc nicht sehen, wie die Röte in ihre Wangen schoss. „Das nach der Episode auf der Terrasse zu behaupten, wäre wohl sinnlos!“
„Wo ist dann das Problem?“, fragte er.
„Das Problem ist, ich bin nicht …“
„… für Affären zu haben“, beendete er den Satz für sie.
„Richtig!“, stieß sie inbrünstig aus. „Da du aber für nichts anderes als Affären zu haben bist … Luc, was soll das? Was machst du da?“ Sie schnappte nach Luft, als er mit den Fingerspitzen leicht ihr Fußgelenk streichelte. Die Berührung jagte Schauer um Schauer über ihren Rücken …
Aufgrund ihrer plötzlich unregelmäßigen Atemzüge wusste Luc, dass Darci durch sein Streicheln ebenso sehr erregt war wie er durch das Gefühl ihrer seidenen Haut an seinen Fingern.
Wann und wie es passiert war, war nicht mehr wichtig. Luc wusste nur, dass Darci zu dem einzig Wichtigen für ihn geworden war. Welchen Protest sie auch vorbringen mochte, er konnte sie nicht mehr aus seinem Leben gehen lassen!
Zwar wusste er, dass Darci ihn körperlich wollte, so wie sie auf seine Küsse und seine Liebkosungen reagierte, aber das hieß nicht, dass sie mehr als Verlangen für ihn verspürte. Doch selbst dieses Verlangen brachte sie nicht dazu, mit ihm zu schlafen …
Er sah auf ihr vom Mondlicht erhelltes Gesicht. „Kannst du überzeugt bestreiten, dass dir das Gefühl meiner Hände auf deinem Körper gefällt?“
Sie schluckte schwer. „Das habe ich nie zu bestreiten versucht, Luc.“ Sie seufzte. „Ich habe nur gesagt, dass ich mich auf keine Affäre mit dir einlassen will.“
„Ja, du hast dich unmissverständlich ausgedrückt. Für einen reichen sizilianischen Playboy, der nach Lust und Laune in dein Bett schlüpfen möchte, wann immer er sich zufällig in London aufhält, ist kein Raum in deinem beschäftigten Leben.“
Dass er ihre Worte so genau in Erinnerung behalten hatte, sagte ihr, dass sie damit einen wunden Punkt getroffen haben musste. Aber liefen seine Affären denn etwa nicht genau so ab?
„Was, wenn ich dir mehr anbiete als eine Affäre, Darci?“, sagte er plötzlich.
Sie verharrte eine ganze Weile regungslos. „Und zwar?“, fragte sie schließlich argwöhnisch.
Ein Lächeln voller Selbstironie spielte um seine Mundwinkel. „Was ist denn der nächste Schritt nach einer Affäre, Darci?“
Mit gerunzelter Stirn forschte sie in seinem Gesicht, versuchte vergeblich, etwas aus seiner Miene herauszulesen. Im Dunkel des Zimmers glühten seine Augen, doch sie wusste nicht, was sie daraus machen sollte.
„Schlägst du etwa vor, dass wir zusammenziehen, solange die Anziehungskraft zwischen uns hält?“ Sie schüttelte den Kopf. „Das funktioniert ebenso wenig wie eine Affäre, weil du in Los Angeles lebst und ich in London.“ Warum hörte er nicht endlich auf damit? Er machte ihren Kummer nur schlimmer.
Luc kniff die Augen zusammen. „Du könntest dir also nicht vorstellen, in Los Angeles zu arbeiten?“
„Nein.“ Unwirsch schwang sie die Beine von den Polstern und stand auf. Nur weg von diesen streichelnden Händen! „Genauso wenig, wie du dir vorstellen kannst, von London aus zu arbeiten.“ Sie begann, unruhig im Raum auf und ab zu marschieren.
Luc folgte jeder ihrer Bewegungen, bewunderte ihre schlanken Beine, sah, wie dieses wunderbare rote Haar bei jedem ihrer Schritte mitschwang. „Warum fragst du mich nicht einfach?“
Mitten im Schritt blieb sie stehen und starrte zu ihm hin. „Was für ein Spiel spielst du jetzt, Luc?“
Er lächelte zerknirscht. „Kein Spiel, Darci. Frag mich!“ Sein Lächeln erstarb langsam.
„Damit du Nein sagen kannst?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein danke.“
„Frag mich, verdammt!“, presste er hervor.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass es so schwierig werden würde, gestand er sich frustriert ein. Wenn er wüsste, was Darci für ihn fühlte, könnte er vielleicht entspannter dem Ausgang dieses Gesprächs entgegensehen. Doch da er nichts weiter wusste, als dass das Verlangen zwischen ihnen aufflammte, jedes Mal, wenn sie zusammen waren, blieb ihm jetzt keine andere Wahl, als äußerst vorsichtig vorzugehen.
„Na schön. Luc.“ Sie seufzte. „Ich frage.“
„Wie genau lautet deine Frage?“
„Würdest du deinen Wohnsitz nach London verlegen und von hier aus arbeiten, sodass wir zusammenleben können?“
„Ja.“
Sie erstarrte. „Ja …?“, konnte sie nur fassungslos wiederholen.
Luc nickte bestätigend. „Ja.“
„Aber … ich … du …“, stammelte sie und fing sich. „Sei nicht albern!“
Er krümmte sich. „Was ist so albern daran, Darci? Wolf und Cesare haben beide ihre Geschäftsbasis nach London verlegt, sodass Angel und Robin hier ihre Arbeitsplätze halten können. Angel arbeitet als Assistentin für einen Regierungsbeamten, und Robin führt mit ihrem Vater zusammen einen Verlag.“
„Ja, aber sie sind verheiratet“, erwiderte Darci. „In einer Ehe machen die Leute nun mal Kompromisse. Aber nicht für eine Affäre. Ich wette, du hast noch nie daran gedacht, so etwas zu tun, nur damit du eine Affäre haben kannst.“
„Stimmt“, gab Luc sofort zu. „Aber wir würden zusammen leben, nicht nur eine Affäre haben“, stellte er klar.
„Das ist dasselbe“, behauptete Darci.
„Nein, ist es nicht.“ Er stand auf und verzog verärgert den Mund, als Darci automatisch einen Schritt vor ihm zurückwich. „Darci, ich bin bereit, nach London überzusiedeln und die Zeit, die ich geschäftlich unterwegs sein muss, auf ein Minimum zu beschränken, um mit dir zusammen zu sein. Was bist du bereit zu tun?“
Mit gerunzelter Stirn sah Darci zu ihm hin. Sie verstand nicht, worum es bei diesem Gespräch überhaupt ging, wusste nur, dass Luc ihr ein Bild aus dem Paradies zeichnete.
Vielleicht, wenn er nach London zog und sie zusammen wohnten … Vielleicht, mit der Zeit … würde er sich in sie verlieben …?
Nein, würde er nicht. Luc hatte nicht vor, sich in irgendeine Frau zu verlieben. Er hatte ihr doch beschrieben, wie die Liebe seiner Eltern die beiden Söhne ausgeschlossen hatte.
Sie wandte den Blick ab und ließ die Schultern sacken. „Nichts“, antwortete sie flüsternd auf seine Frage. „Ich bin nicht bereit, irgendetwas zu tun, um mit dir zusammenzuwohnen, Luc. Weder in London noch irgendwo anders“, setzte sie hinzu, nur, um keinen Raum für Missverständnisse zu lassen.
Luc hielt den Atem an und fragte leise: „Ist das dein letztes Wort?“
Sie nickte steif, den Blick auf sein schneeweißes Hemd gerichtet, unter dem sich seine Brust heftig hob und senkte. „Ja, definitiv.“ Sie wusste, dass Herzen rein medizinisch gesehen nicht brechen konnten, aber der Schmerz in ihrer Brust sagte ihr etwas ganz anderes. „Glaub mir, ich weiß es zu schätzen, dass du … Ich meine, es kann nicht leicht für dich … Gute Nacht, Luc“, murmelte sie mit bebenden Lippen. Dann schob sie sich an ihm vorbei und rannte fast ins Schlafzimmer, um die Tür hinter sich ins Schloss zu drücken.
Lange blieb Luc regungslos stehen und kämpfte um Selbstbeherrschung. Jeder quälende Schlag seines Herzens in seiner Brust machte es ihm mit bitterer Klarheit immer bewusster. Er hatte Darci verloren.
Nein, er hatte sie nicht verloren. Denn sie hatte ihm nie gehört.
Er würde es nicht akzeptieren.
Er konnte es nicht akzeptieren.
Nein, er würde nicht kampflos aufgeben!
Luc kniff die Augen zusammen und marschierte mit entschlossen ausholenden Schritten auf die Schlafzimmertür zu.