Darci hob erschrocken den Kopf, als sie hörte, wie sich die Schlafzimmertür öffnete. Tränen nahmen ihr die Sicht, und so konnte sie nur Lucs Silhouette erkennen, als er näher kam.
Sie wusste, sie hatte nicht mehr genügend Kraft. Einem weiteren Anschlag auf ihre Gefühle würde sie nicht standhalten können. Dazu liebte sie Luc zu sehr.
Die Matratze gab leicht nach, als er sich zu ihr auf die Bettkante setzte. Er fasste nach ihr, drehte sie um und zog sie in seine Arme. Das Gesicht barg er an ihrem Haar, und Darci klammerte sich instinktiv an ihn, die Hände an seinen Schultern.
„Bitte, so versteh doch, dass ich das nicht tun kann, Luc!“, schluchzte sie. „Du kannst nicht ahnen, wie sehr ich mir wünsche, ich könnte eine von den Frauen sein, die glücklich eine Affäre eingehen und es genießen, so lange es dauert. Oder dein Angebot, zusammenzuleben, annehmen und es nicht bereuen. Aber ich kann es nicht, Luc! Ich habe noch nie … ich meine, ich habe niemals … Ich würde dich wahrscheinlich nur enttäuschen“, stammelte sie schluchzend.
Luc verharrte plötzlich sehr, sehr still. Er hielt sie ein wenig von sich ab, um ihr forschend ins Gesicht zu sehen. Die eigenen Gefühle schnürten ihm die Kehle zu, als er Darcis Tränen und die verlegenen roten Wangen sah. „Darci, willst du mir damit etwa sagen … was ich glaube, dass du mir sagen willst?“, flüsterte er rau.
„Dass ich eine achtundzwanzigjährige Jungfrau bin?“ Sie zögerte, lächelte dann verlegen. „Ja, das ist genau das, was ich dir sagen will, Luc. Du willst gar keine Affäre mit einer so unerfahrenen Frau wie mir haben, glaub mir.“
Die Emotionen, die durch ihn hindurchrauschten, waren so überwältigend, dass Luc für mehrere Sekunden keinen Ton hervorbrachte. Er hatte schon an jenem Tag beim Picknick vermutet, dass Darci so wankelmütig und überreizt reagierte, weil sie noch Jungfrau war. Aber es jetzt aus ihrem Munde bestätigt zu bekommen …
„Du hast recht, Darci, ich will keine Affäre mit dir haben“, sagte er leise.
Ihre Lippen zitterten leicht. „Das dachte ich mir. Wenn du erst die Wahrheit kennst …“
Luc richtete sich gerader auf und hielt sie weiter von sich ab. „Darci, als du eben ins Schlafzimmer gegangen bist, da fiel mir ein, dass ich vergessen habe, dir noch etwas Wichtiges zu sagen … Nein“, mit einem Seufzer schüttelte er den Kopf, „ich habe es nicht vergessen.“ Weil er so bewegt und aufgewühlt war, wurde sein Akzent stärker. „Ich habe es dir nicht gesagt, weil ich mich selbst noch immer schützen wollte“, gestand er heiser. „Darci, ich war vorhin nicht ganz offen zu dir. Ich will keine Affäre mit dir haben, ich will auch nicht mit dir zusammenwohnen … zumindest nicht, bis … Darci, willst du mich heiraten?“ Mit angehaltenem Atem wartete er auf ihre Antwort.
Darci starrte ihn an, sah nur sein hartes Kinn, wie er die Zähne zusammenbiss, sah seine glühenden Augen – und konnte absolut nichts aus seinen Zügen herauslesen.
„Ist das nicht ein bisschen extrem, nur um mit mir zu schlafen?“
Er lächelte schwach. „Sehr sogar – wenn es mir nur darum ginge, mit dir zu schlafen. Darci, Wolf hat mir heute Abend erzählt, wie es mit ihm und Angel war, als sie sich kennenlernten. Und wie ihm dann immer klarer wurde, dass er ohne sie nicht mehr leben konnte. Wie er immer deutlicher erkannte, dass er alles für sie tun würde, alles für sie sein würde, wenn sie nur bei ihm bliebe.“ Seine Stimme war immer entschlossener geworden.
Darci konnte kaum atmen, geschweige denn einen Ton hervorbringen. Sie hätte nichts sagen können, selbst wenn ihr Leben davon abhinge.
Luc schüttelte verwundert über sich selbst den Kopf. „Darci Wilde. Süße, wunderschöne, betörende Darci Wilde“, murmelte er und umfasste ihr Gesicht zärtlich mit beiden Händen, um ihr tief in die Augen zu schauen. „Heute Abend ist mir klar geworden, dass ich genau das für dich empfinde!“
Sie befeuchtete ihre trockenen Lippen. „Das tust du?“
„Ja“, versicherte er. „Ich liebe dich, Darci. Ich liebe dich so sehr, dass es wehtut“, brachte er bebend hervor. „Ich weiß mit absoluter Sicherheit, dass ich dich mein Leben lang lieben werde. Ich werde dich länger lieben, als ich lebe! Ich werde dich in alle Ewigkeit lieben, jenseits aller zeitlichen Grenzen lieben. Ich werde niemals eine andere lieben“, schwor er ergriffen. „Ich liebe …“
„Luc, ich hab’s verstanden“, unterbrach sie ihn und starrte verwundert in sein Gesicht.
Luc liebte sie! Er wollte sie heiraten!
„Aber ich habe dich doch getäuscht“, erinnerte sie ihn schuldbewusst. „Ich habe es absichtlich darauf angelegt …“ Sie verstummte, als Luc ihr einen Finger auf die Lippen legte.
„Das ist nicht wichtig“, versicherte er ihr. „Du wolltest nur deine Freundin schützen.“
„Eine Freundin, die gar keinen Schutz brauchte“, ergänzte sie kleinlaut. Luc liebte sie! Es schien ihr zu schön, um wahr zu sein.
„Das wusstest du da aber noch nicht“, wischte er ihren Einwand beiseite. „Du bist eine loyale und treue Freundin, Darci, so wie du auch eine loyale und treue Lebenspartnerin sein wirst.“ Er sprach nur aus, was er schon seit Tagen wusste. „Während mein eigenes Leben …“ Er hielt für einen Moment inne. „Ich habe mir nie genug aus jemandem gemacht, um überhaupt auf die Idee zu kommen, so etwas für einen anderen zu tun. Ich habe ein eigennütziges Leben geführt, nur auf mein Vergnügen bedacht. Ich habe mir genommen, was ich wollte, und nur wenig zurückgegeben …“
„Bitte, sag so was nicht, Luc“, versuchte sie ihn aufzuhalten.
„Aber es ist die Wahrheit“, beharrte er bedrückt. Mit jeder Sekunde wurde ihm bewusster, dass er sich unwiderruflich in eine Frau verliebt hatte, die bisher mit keinem Wort gesagt hatte, dass sie ihn liebte. „Ich war so fest entschlossen, niemals eine Frau auf die allumfassende, alles verzehrende Art zu lieben, wie mein Vater meine Mutter liebte und damit meinen Bruder und mich ausschloss, dass ich nicht einmal die Oberfläche von zwischenmenschlichen Beziehungen angekratzt habe. Ich zog ein Leben frei von allen emotionellen Bindungen vor. Doch in dem Moment, als ich dich traf, als ich mich in dich verliebte, als ich erkannte, dass ich dich liebe, da erkannte ich auch, wie selbstsüchtig ich mein Leben lang gewesen bin.“
„Weil du glaubtest, dass du, wenn du so liebst, wie deine Eltern sich geliebt haben, dann schwächer wirst? Weil du dann nur von dieser Liebe kontrolliert wirst und sie dich letzten Endes zerstören würde?“, fragte Darci leise. „Dass es den Kindern, die aus dieser Liebe zweier Menschen füreinander hervorgehen, nur schaden würde?“
Schweigend sah Luc sie an, bevor er schließlich langsam nickte. „Ja.“ Es erstaunte ihn, wie viel sie aus dem Wenigen, was er ihr über seine Kindheit erzählt hatte, herauslas. „Aber das alles stimmt nicht, oder, Darci?“ Er stellte sich Darci vor, mit gewölbtem Bauch, weil sie sein Kind unter dem Herzen trug, und er wusste, dass die Liebe und Sorge für das gemeinsame Kind die Liebe, die er für sie fühlte, nur noch würde wachsen lassen.
Er hatte Cesare mit seinem Kind gesehen und wusste, dass es für seinen Cousin so war. Auch bei Angel und Wolf hatte er sehen können, wie sehr die beiden sich auf ihr Baby freuten. Wenn er Darci für sich gewinnen könnte, dann wusste er schon jetzt mit absoluter Sicherheit, dass jedes ihrer Kinder in ihrer Liebe eingeschlossen sein würde. Er wollte Kinder mit Darci haben, sehnte sich mit aller Macht danach.
„Nein, Luc, bei unseren Kindern würde das nicht so sein“, setzte sie leise und vorsichtig an. „Unsere Kinder wären die Bestätigung unserer Liebe füreinander, keine Bedrohung für unsere Beziehung.“
Luc verharrte regungslos. Was er da in ihren ausdrucksvollen grünen Augen sah …
Scharf holte er Luft, der Griff seiner Hände an ihren Wangen wurde ein wenig fester, und nahezu ehrfurchtsvoll schaute er sie an. „Heißt das etwa … Darci, liebst du mich?“ Er wagte kaum, es zu glauben.
„Ja, ich liebe dich, Luc.“ Ihre Augen begannen glücklich zu funkeln. Sie legte die Finger um seine Handgelenke und hielt sich daran fest. „Ich liebe dich so sehr, dass ich ebenso große Angst vor diesem Gefühl habe wie du“, gab sie zu. „Luc, glaubst du, dass zwei Leute wie wir, die – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – ihr Leben lang versucht haben, sich nicht zu verlieben, nun zusammen Liebe und Glück finden können?“
Lucs Herz hämmerte hart in seiner Brust, er holte tief Atem. „Ich glaube … nein, ich weiß, dass wir füreinander geschaffen sind!“, verkündete er im Brustton der Überzeugung.
Ein Lächeln zog auf Darcis Gesicht. „Oh Luc, ich auch!“, erwiderte sie freudestrahlend, und dann presste sie ihre Lippen auf seinen Mund.
Luc hielt sie fest in seinen Armen, als er den Kuss erwiderte und sie damit endlich ganz für sich beanspruchte.
„Als ich dich heute Abend beobachtete“, sagte er dann, als er atemlos den Kopf hob, „als ich voller Stolz zusah, wie du meine Familie bezaubert und für dich eingenommen hast, so wie du mich bezaubert hast, da wurde mir klar, dass ich es nicht ertragen würde, wenn ich dich nie mehr wiedersehen sollte. Darci, du bist meine Sonne, mein Mond, meine Sterne!“ Mit einem Stöhnen küsste er ihren Hals. „Ich werde dich bis zu meinem letzten Atemzug lieben.“
Das Paradies, dachte Darci glücklich und freute sich auf all die Jahre, die vor ihnen lagen. Sie würden sich lieben, würden Kinder zusammen haben, dann Enkel, und wenn das Schicksal es gut mit ihnen meinte, würden sie auch noch ihre Großenkel zusammen erleben.
Ja, das war wirklich das Paradies auf Erden …
„Kerry hat mich vor Grants Premiere gewarnt, dass ich mir mit meinem kleinen Racheplan ins eigene Fleisch schneiden könnte.“ Darci lag in Lucs Armen, fest an ihn gekuschelt, auf dem Bett.
Luc lächelte warm. „Ich freue mich schon darauf, deine Mitbewohnerin kennenzulernen. Beide Mitbewohnerinnen.“
Darci zog eine Grimasse. „Dieser Racheplan war allein meine Idee.“
Er lachte nachsichtig. „Oh, das ist mir schon klar, du Hitzkopf!“ Er drückte einen Kuss auf ihr Haar. „Aber ich habe vor, Mellie meinen Dank auszusprechen, nicht etwa, ihr Vorwürfe zu machen. Denn ohne ihre fabrizierte Geschichte hätten wir beide vielleicht niemals genügend Zeit miteinander verbracht, um uns ineinander zu verlieben.“
Mit zärtlichen Fingern strich Darci die kleine Falte glatt, die auf seiner Stirn erschienen war. „Ich denke, das hätten wir trotzdem. Manche Dinge sind einfach vorherbestimmt. Ich glaube, dass wir zu diesen vorherbestimmten Dingen gehören.“
Luc drehte sich ein wenig, um sie ansehen zu können. „Glaubst du das wirklich?“, fragte er zärtlich.
„Ja, mit meinem ganzen Herzen“, versicherte sie überzeugt. „Ich habe nämlich schon mein ganzes Leben auf dich gewartet, Luc. Mein ganzes Leben!“, wiederholte sie inbrünstig, und ihre Arme schlangen sich um ihn, um seinen Kuss willkommen zu heißen.
Ihr Körper begann zu zittern, kaum dass sie sein Gewicht halb auf sich liegen spürte. Seine harte Brust an ihrer weichen, der Beweis seiner Erregung an ihrem Schoß, sein Schenkel über ihrem …
„Nein!“ Luc atmete schwer, als er den Kuss abbrach.
„Nein …?“ Unsicher sah Darci zu ihm auf.
Er lächelte beruhigend. „Es ist vielleicht völlig untypisch für mich – für den Mann, der ich bisher war“, verbesserte er schnell. „Man kann es sogar altmodisch nennen, aber … die Wahrheit ist, ich will unsere Hochzeitsnacht nicht vorwegnehmen. Deine Hochzeitsnacht. Du bedeutest mir alles, Darci, alles! Ich will, dass alles für dich perfekt ist. Einschließlich unserer Hochzeit“, sagte er entschieden, als sie schon ansetzte, um zu protestieren. „Obgleich …“ Er runzelte die Stirn, als sei ihm etwas eingefallen. Er gab Darci aus seinen Armen frei und stand auf.
Sie schaute ihm verständnislos zu, noch immer benommen von der Intensität ihrer Reaktion auf diesen wunderbaren und verboten attraktiven Mann, den sie jenseits aller Vorstellungskraft liebte. Eine Intensität, die niemals nachlassen würde, da war sie absolut sicher. „Luc …?“
Er kam um das Bett herum auf ihre Seite und schaute lächelnd auf sie herab. „Genau in diesem Augenblick fange ich damit an, dein Glück über alles andere zu stellen, Darci“, versprach er, und dann ließ er sich auf einem Knie vor ihr nieder, um ihre schlanke Hand mit seinen beiden großen zu halten. „Willst du mich heiraten, Darci? Willst du die Liebe meines Lebens sein, für den Rest unseres Lebens? Willst du meine Frau werden, Darci?“
„Ja! Oh Luc, ja, ja, ja!“, versicherte sie ihm mit Tränen des Glücks in den Augen.
„Dieses Mal macht es mir überhaupt nichts aus, dass deine Antwort in dreifacher Ausführung erfolgt!“, sagte er im Brustton der Überzeugung, und dann küsste er sie, bis sie weich und anschmiegsam in seinen Armen lag.
„Solange wir keine Drillinge bekommen“, murmelte sie, als sie wieder sprechen konnte. Dabei war die Vorstellung, Lucs Kinder zu bekommen, keineswegs erschreckend, im Gegenteil.
„Meine Mutter hätte sicher nichts dagegen …“
„Himmel, deine Mutter!“ Erst jetzt fiel Darci wieder der eigentliche Anlass ihrer Anwesenheit hier ein. „Was muss sie nur von uns denken?!“
„Meine Mutter weiß ganz genau, was ich über dich denke, Liebling“, erwiderte Luc heiser. „Bevor ich nach oben kam, habe ich ihr nämlich gesagt, dass ich dich liebe und dass ich dich – wenn du mich willst – zu meiner Frau machen werde. Ich bin sicher, dass sie jetzt unten sitzt und mit dem Rest der Familie schon die Hochzeit plant.“
„Das hast du zu ihr gesagt?“, fragte Darci atemlos.
„Allerdings.“
Darci schluckte. „Wie hat sie reagiert?“
„Begeistert.“ Er lächelte. „Sie hat gesagt, wie sehr sie sich für ihren geliebten jüngsten Sohn freut.“ Tiefe Emotionen schwangen in seiner Stimme mit. „Es ist seltsam … Als Kind fühlte ich mich immer von der Liebe meiner Eltern ausgeschlossen, gerade weil ich der jüngere Sohn war. Doch heute Abend ist mir klar geworden, dass meine Mutter mich immer uneingeschränkt geliebt hat. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als dass ich glücklich werde.“
Darci schlang die Arme um ihn. „Ich bin so froh, Luc. Froh für dich und für uns.“
„Meine Mutter gibt uns ihren Segen und freut sich darauf, dich im Kreise unserer Familie begrüßen zu können“, verkündete er mit der Arroganz, die wohl allen Gambrelli-Männern zu eigen war, wie Darci heute Abend hatte feststellen können.
Die Gambrelli-Männer.
Cesare, Wolf und Luc.
Und sie würde nun Luc heiraten, den letzten – und besten! – Gambrelli-Mann. Würde seine Frau sein, die Liebe seines Lebens …
Lucs Umarmung wurde fester. „Wann heiratest du mich, Darci?“
Sie strahlte ihn an. „Nun, da du dieses Embargo bis zur Hochzeitsnacht verhängt hast, sollte es wohl besser so bald wie möglich passieren, oder?“
Ein sinnliches Lächeln breitete sich auf Lucs Gesicht aus, und in seinen warmen dunklen Augen stand all die Liebe zu lesen, die er für Darci fühlte. „Nur weil ich mir wünsche, dass unsere Hochzeitsnacht auch genau das sein soll, heißt das ja nicht, dass wir uns eisern zurückhalten müssen, oder?“
„Nicht?“ Mit lockenden grünen Augen sah sie ihn an.
„Nein, bestimmt nicht.“ Und damit begann er, eine Spur von heißen Küssen über die empfindsame Haut an ihrem Hals zu zeichnen.
„Gut“, brachte Darci noch hervor, bevor die Flammen hoch in ihr aufloderten und sie sich dem sinnlichen Wunder von Lucs Liebe hingab.
– ENDE –