3. KAPITEL

„Sind die zehn Sekunden nicht längst vorbei? Sie sollten den Butler rufen, Robin“, fragte Cesare Gambrelli provozierend.

Ja, die zehn Sekunden waren vorbei. Und sie waren lähmend langsam vergangen. Doch Robins Neugier war geweckt – genau darauf hatte Cesare Gambrelli gezählt –, und sie würde niemanden rufen, bevor sie nicht genau wusste, was diese Papiere enthielten.

„Hatte ich Sie nicht gebeten, endlich mit der Sprache herauszurücken?“ Nur mühsam beherrschte sie sich, ihre Schultern waren inzwischen so verspannt, dass sie schmerzten.

Sein Mund wurde zu einer harten Linie. „Ich schätze es nicht, von anderen gesagt zu bekommen, was ich zu tun und zu lassen habe.“

„Das Gleiche gilt für mich“, versicherte sie ihm mit eisigem Tonfall.

Cesare musterte sie unter halb gesenkten Lidern. Die Blässe ihrer Haut unter den vor Ärger geröteten Wangen, die verspannte Haltung ihres Körpers, die zitternden Hände, die sie aneinanderpresste – alles Zeichen, dass sie keineswegs so gefasst war, wie sie vorzugeben versuchte.

Vielleicht hatte er sie fürs Erste wirklich weit genug getrieben. Schließlich hatte er genügend Zeit, um sie zahlen zu lassen – Jahre. „Nun gut“, hob er an. „Diese Unterlagen“, er hielt die Papiere hoch, „sind Schuldscheine aus den Casinos in ganz Europa, die ich in den letzten drei Monaten gesammelt habe. Sie wurden von Ihrem Bruder ausgestellt, und ich habe mir die Freiheit genommen, sie auszulösen.“

„Mein Vater wird sicherstellen, dass Ihnen jeder Penny ersetzt wird.“

„Aber ich will gar kein Geld, Robin“, meinte er freundlich.

Robin riss ungläubig die Augen auf. „Sie glauben, wegen dieser Schulden würde ich einwilligen, Sie zu heiraten?“

„Ja. Und Sie werden Marcos Mutter.“

Die Erwähnung des Babys rüttelte an Robins Entschlussfestigkeit. Es war wirklich eine Tragödie, dass der Kleine, der erst ein paar Monate alt war, seine Mutter verloren hatte. Und trotz ihrer vorherigen Behauptungen war sie lange nicht so sicher, dass Simon den Unfall nicht verursacht hatte …

Die letzten drei Monate waren traumatisch gewesen. Die Nachricht von Simons Tod hatte bei ihrem Vater einen leichten Herzinfarkt verursacht, und auch für Robin war es ein solcher Schock gewesen, dass sie fast zusammengebrochen wäre.

Doch in diesen drei Monaten hatten sie auch das ganze Ausmaß von Simons Schulden erkannt. Die ganze Situation war ein Albtraum, vor allem für die Anwälte, die täglich mit neuen Forderungen von irgendwelchen Etablissements konfrontiert wurden.

Von denen wusste Cesare Gambrelli offenbar nichts. Die meisten davon waren auch in England ansässig. Doch ihrem Vater würde es gelingen, das Geld aufzutreiben, um die Forderungen zu begleichen. Doch weder diese Schwierigkeiten noch das Ausmaß von Simons Schulden änderten etwas an der Tatsache, dass es keine Lösung für Cesare Gambrellis Probleme war, wenn er sie zwang, die Mutter seines Adoptivsohns zu werden.

Es gab keine einfache Lösung. Vor drei Monaten waren zwei junge Menschen völlig sinnlos gestorben. Ihre Familien trauerten um sie, aber was passiert war, ließ sich nicht mehr ändern, nichts würde sie wieder zurückbringen.

Auch nicht eine Heirat zwischen Cesare Gambrelli und Robin Ingram.

Cesare konnte die verschiedenen Emotionen, die Robin durchlief, an ihrer Miene mitverfolgen – Unsicherheit, Zweifel, Trauer, Bedauern, gefolgt von einer schnellen Rückkehr zu ihrem früheren Entschluss. Es wurde Zeit, dieses Katz-und-Maus-Spiel zu beenden.

Cesare richtete sich auf. „Die Schuldscheine sind Lappalien im Vergleich zu dem hier.“ Er nahm die oberste Seite von dem Stapel und hielt sie Robin hin.

Ihre Hand zitterte leicht, als sie das Blatt von ihm entgegennahm. Kaum hatte sie die ersten Zeilen gelesen, schwand alle Farbe aus ihrem Gesicht.

„Wie Sie sehen können“, fuhr Cesare unbarmherzig fort, „hat Ihr nichtsnutziger Bruder praktisch als letzte Handlung vor seinem Tod die Aktien verspielt, die seine Mutter ihm hinterließ. Es sind die Anteile an ‚Ingram Publishing‘, dem Verlagshaus Ihres Vaters – dreißig Prozent, um genau zu sein. Diese dreißig Prozent gehören nun mir, angelegt auf einem Sachkonto.“ Damit reichte er ihr ein zweites Blatt.

Robin traute ihren Augen nicht, sie konnte nicht glauben, was sie da las. Das konnte einfach nicht sein. Unmöglich … Simon hätte niemals …

Oder etwa doch?

Das Glücksspiel war zur Sucht geworden. Eine Sucht, der er alles geopfert hatte, das wusste Robin, alles, so hatten sie geglaubt, außer den Anteilen am Verlagshaus des Vaters, die Simon vor fünf Jahren beim Tode der Mutter überschrieben worden waren.

„Das kann unmöglich rechtens sein …“, hob sie bebend an.

„Es hat alles seine Richtigkeit“, versicherte Cesare nüchtern.

Robin schluckte und sah wieder auf das Blatt. „Aber die Summe, die Simon dafür bekommen hat, ist …“

„Weit unter Wert, ich weiß. Nichtsdestotrotz ist die Transaktion völlig legal, selbst wenn Ihr Bruder diese Anteile für nur einen einzigen Penny abgestoßen hätte.“

Robin wurde es schwindlig. Dieser Mann wäre nicht hergekommen, so überzeugt von sich und anmaßend, wenn er nicht absolut sicher wäre, dass sein Besitz legal war.

„Ich bin bereit, Ihnen die Anteile bei unserer Heirat als Hochzeitsgeschenk zu überlassen“, sagte er jetzt triumphierend.

Erstaunt und ungläubig sah sie zu ihm hin. Er glaubte doch tatsächlich, er könne sie mit diesen Anteilen erpressen! Sie sah es an seiner grimmig entschlossenen Miene und seinem herausfordernden Blick.

Sie schüttelte den Kopf. „Mein Vater wird die Anteile wieder zurückkaufen. Natürlich zum aktuellen Marktwert“, fügte sie tonlos hinzu.

„Sie stehen nicht zum Verkauf, ganz gleich für welchen Preis“, kam es von Cesare Gambrelli. „Wie schon gesagt, im Moment liegen sie auf einem Sachkonto, mein Name taucht nirgendwo als Aktienhalter auf. Sollten Sie allerdings meinen Bedingungen nicht zustimmen, werde ich die Aktien auf meinen Namen eintragen lassen und den mir zustehenden Vorstandssessel besetzen. Ich habe vor, dann eine äußerst aktive Rolle im Vorstand zu übernehmen.“

Robin zweifelte keine Sekunde an seinen Worten. Und so, wie er zu ihrer Familie stand, würde er alles daransetzen, um Ingram Publishing und damit ihren Vater zu ruinieren.

Die Firma bedeutete ihrem Vater alles, sie war sein Lebenswerk. Robin selbst hatte die letzten Jahre im Verlag gearbeitet, nachdem sie ihr Studium an der Universität beendet hatte.

Seit zwei Jahren arbeitete sie als Assistentin und rechte Hand ihres Vaters, weil Simons Exzesse es ihm unmöglich gemacht hatten, diese Position zu übernehmen.

„Ihr Vater hatte gesundheitliche Probleme nach dem Tod Ihres Bruders, nicht wahr?“, erkundigte Cesare sich.

Robin biss die Zähne zusammen. Sein sanfter Ton täuschte sie nicht, es war nur eine weitere Drohung. Dazu eine sehr reale! Nach dem Herzinfarkt hatten die Ärzte ihrem Vater dringend geraten, kürzerzutreten und alle Aufregungen zu vermeiden. Bisher hatte er diesen Rat kaum befolgen können, denn jeder Tag brachte eine weitere Katastrophe ans Tageslicht, die Simon heraufbeschworen hatte. Gerade heute Nachmittag war ihr Vater bei einem Treffen, um einen Teil von Simons Schulden zu begleichen.

„Ich habe nicht vor, den Gesundheitszustand meines Vaters mit Ihnen zu diskutieren“, sagte sie spitz.

„Nein, natürlich nicht. Das wäre auch völlig unnötig. Wir beide wissen doch, was es für Ihren Vater bedeuten könnte, sollte er erfahren, wie weit sein Sohn gegangen ist. Es würde ihm einen Schlag versetzen, von dem er sich so leicht nicht wieder erholen würde. Vielleicht sogar einen, der tödlich enden könnte …“

„Was sind Sie nur für ein Mann!“ Entsetzen war in ihrem Blick zu lesen, als sie ihn mit bleicher Miene ansah.

„Ich bin Sizilianer“, trumpfte er stolz auf, „und in meinem Land gibt es nur eine Gangart bei einer Familienfehde, Robin. Blut für Blut“, fügte er an, als sie ihn mit leerem Blick anschaute. „Eine solche Fehde kann nur durch Tod oder eine Eheschließung zwischen den beiden Familien beigelegt werden.“

Ihr Vater hatte sie vor diesem Mann gewarnt und ihr geraten, sich von ihm fernzuhalten. Doch wie hätte sie das tun sollen, der Mann war ja zu ihr gekommen! Allerdings fragte sie sich jetzt, woher ihr Vater gewusst hatte, welche Bedrohung Cesare Gambrelli darstellte. Hatte er etwa doch Antwort auf seinen Kondolenzbrief erhalten?

Cesare beobachtete sie kalt. Der Schmerz und der Schock auf ihrer Miene ließen ihn völlig ungerührt. Seine wunderschöne Schwester war tot, und der Bruder der Frau vor ihm war daran schuld. Er würde Rache nehmen, auf die eine oder andere Art!

„Mein Vater würde einer Heirat zwischen uns unter solchen Umständen niemals zustimmen“, brachte sie unter Anstrengung gefasst hervor.

„Die Entscheidung obliegt nicht Ihrem Vater, sondern ist allein Ihre“, wischte er ihren Einwand abfällig beiseite. „Weigern Sie sich, meine Frau zu werden, werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um Ingram Publishing zu zerstören.“

Das war keine leere Drohung. Charles Ingram gehörten fünfzig Prozent am Verlag, Robin Ingram zwanzig Prozent. Es war das Erbe ihrer Mutter. Cesare wusste genau, welchen Schaden er mit seinem Anteil von dreißig Prozent anrichten konnte. Bevor er Robin Ingram getroffen und beschlossen hatte, dass er sie wollte, hatte er sich schon darauf gefreut, Ingram Publishing in die Knie zu zwingen. Dann war ihm klar geworden, dass sich da eine viel befriedigendere Art der Rache bot – er würde Robin Ingram auf die Knie zwingen und auch noch sein eigenes Vergnügen dabei haben.

„Aber ich will Sie nicht heiraten!“, begehrte Robin hilflos auf.

Cesare zuckte achtlos mit den breiten Schultern. „Dann nehme ich eben meinen Platz im Vorstand von Ingram Publishing ein.“

„Warum tun Sie das?“, wollte Robin wissen. „Sie können mich doch nicht wirklich heiraten wollen, genauso wenig wie ich Sie. Warum also?“

Tränen der Verzweiflung standen jetzt in den intensivblauen Augen – Tränen, gegen die Cesare sich sofort wappnete. Ihn interessierte nur eine einzige Emotion bei dieser Frau. „Meine Wünsche sind hier völlig unerheblich. Marco braucht eine Mutter“, erinnerte er sie nüchtern.

„Soweit es Sie betrifft, bin ich doch angeblich Ihre schlimmste Feindin!“, fuhr Robin auf.

„Sie nehmen das Ganze zu persönlich, Robin.“

„Wie viel persönlicher könnte es denn noch sein?“, verlangte sie fassungslos zu wissen.

„Oh, da gibt es noch ausreichend Spielraum.“ Er wusste, dass sie seine Anspielung genau verstanden hatte. „Doch im Moment tragen Sie den Namen der verfeindeten Familie – Ingram. Und als Sizilianer …“

„Als eiskalter, rachsüchtiger Sizilianer!“

Abwartend schaute er sie an, dann legte er den Kopf leicht schief. „Rachsüchtig vielleicht, aber kalt? Das glauben Sie auch nicht, oder, Robin?“, fragte er provozierend. „So, wie ich nicht glaube, was allgemein über die unnahbare Robin Ingram behauptet wird.“

Seine Bemerkung trieb ihr das Blut in die Wangen. Sie erinnerte sich schlagartig daran, wie sie sich selbst vor Kurzem verraten hatte. Dieser Kuss vorhin machte es ihr unmöglich, zu behaupten, sie würde nicht auf diesen Mann reagieren. Es gefiel ihr auch nicht, dass offensichtlich über sie geklatscht wurde, und dieser Mann auf den Klatsch hörte. Schließlich konnte er gar nicht den wahren Grund wissen, weshalb sie nach der Scheidung beschlossen hatte, sich zurückzuziehen und jegliche Beziehung zu meiden, sowohl körperliche als auch gefühlsmäßige.

„Mein Vater wird eine Heirat aus den von Ihnen genannten Gründen niemals akzeptieren“, wiederholte sie starrsinnig.

„Mich interessiert nicht, was Ihr Vater akzeptiert oder nicht.“

Nein, natürlich nicht, dachte Robin. Ihn kümmerte es nicht im Geringsten, wie ihr Vater oder sie sich fühlen mochten. „Nun, aber mich interessiert es“, gab sie entschieden zurück. „Ich kenne meinen Vater. Er wird niemals zulassen, dass ich einen Mann heirate, den ich nicht liebe, auch nicht, um die Firma vor einem angekündigten Ruin zu retten.“

Ja, sie kannte ihren Vater gut genug, um das behaupten zu können. Ebenso sicher war sie allerdings, dass es ihm den finalen Schlag versetzen würde, nach Simons Tod und dem von ihm verursachten Schuldenberg nun auch noch das Unternehmen zugrunde gehen zu sehen.

Grundgütiger, sie freundete sich doch nicht etwa schon mit dem Gedanken an, Cesare Gambrelli zu heiraten, um den Ruin des Verlags zu verhindern?!

Nein, natürlich nicht!

Doch bis sie nicht ganz genau wusste, welche möglichen Asse Cesare noch im Ärmel hatte, würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als ihn weiter anzuhören.

„Dann werden Sie eben sehr überzeugend sein müssen“, wischte Cesare ihren Einwand mit einer ungeduldigen Handbewegung beiseite. „Ich verstehe natürlich, weshalb Sie Ihrem Vater gegenüber eine Beschützerhaltung einnehmen.“

„Auch wenn Sie selbst sich keinen Deut darum scheren?“, fauchte sie verärgert.

Seine dunklen Augen funkelten. „Ich bin nicht herzlos, Robin, ganz gleich, was Sie auch denken mögen. Im Gegenteil, ich befürworte sogar, dass Sie die ganze Sache leichter verdaulich für ihn machen. Sagen Sie Ihrem Vater ruhig, wir hätten uns Hals über Kopf ineinander verliebt. Behaupten Sie, Sie könnten ohne mich nicht mehr leben. Sagen Sie ihm, was Sie wollen, aber eines steht fest … Sie werden meine Frau!“

Er war so gnadenlos unnachgiebig, so absolut sicher, dass er bekommen würde, was er wollte. Und war das nicht auch berechtigt? Konnte sie es über sich bringen, ihrem Vater mitzuteilen, was Simon getan hatte? Konnte sie ihrem Vater die Wahrheit über Cesare Gambrellis Forderung sagen und damit riskieren, einen zweiten Herzinfarkt bei ihrem Vater zu provozieren? Die Ärzte hatten doch gesagt, er könne keinen Stress mehr vertragen. Dabei hatte sie in den letzten drei Monaten zusehen müssen, wie er immer gestresster geworden war, mit jeder neuen offenen Forderung, die aufgrund von Simons Verhalten nun an ihn herangetragen wurde …

Was sie jetzt brauchte, war Zeit. Zeit, um sich zu überlegen, wie sie den Hals aus der Schlinge ziehen konnte.

„Ich werde Ihnen einige Zeit lassen.“ Cesare Gambrelli faltete die Papiere ordentlich zusammen und steckte sie zurück in seine Jacketttasche. „Um sich an den Gedanken zu gewöhnen, meine Frau zu werden. Ich schlage vor, wir beide gehen heute Abend zum Dinner aus, dann können wir auch die notwendigen Arrangements besprechen.“

„Sie geben mir ein paar Stunden Zeit, um mich an diese absurde Vorstellung gewöhnen zu können?“, rief sie fassungslos aus.

Cesare musterte sie, wie sie würdevoll und stolz dasaß, und er wollte nichts lieber, als das weiterführen, was sie vorhin begonnen hatten. Doch er beherrschte sich. „Ich sehe keinen Sinn darin, das Unvermeidliche noch länger hinauszuzögern.“

„Unvermeidlich – Ihrer Meinung nach. Aber ich bin anderer Ansicht.“

Cesare lächelte dünn. „Marco braucht sofort eine Mutter, nicht in drei oder sechs Monaten.“ Und er wollte diese Frau in seinem Bett. „Natürlich weiß ich, dass Sie schon eine Ehe hinter sich haben.“ Und die Vorstellung, dass ein anderer Mann sie besessen hatte, gefiel ihm ganz und gar nicht.

„Was ist mit Ihnen?“, stellte sie die Gegenfrage. „Sie sind immerhin … wie alt? Ende dreißig? Waren Sie auch schon einmal verheiratet?“

„Siebenunddreißig“, antwortete er gepresst. „Und nein, wenn ich geheiratet hätte, Robin, dann wäre ich auch noch verheiratet. In meinem Leben wird es keine Scheidung geben. Einmal verheiratet, bleibe ich es auch“, fügte er betont hinzu, um mögliche Spekulationen von ihr, sie könne jetzt zusagen, sich die Anteile zurückholen und sich später wieder scheiden lassen, von vornherein auszuschließen.

Je eher er sie an sich band, und zwar mit einem gemeinsamen Kind, desto besser. „Sie werden auch verheiratet bleiben“, stellte er fest, nur für den Fall, dass sie sich Hoffnungen machen sollte. „Also … Dinner heute Abend. Ich hole Sie um halb acht hier ab.“

„Ich habe nicht einmal zugesagt!“, rief Robin frustriert aus. Das ging ihr alles zu schnell … Dieser Mann war ihr zu schnell … Und dennoch spürte sie, wie sich die Schlinge immer fester um ihren Hals zusammenzog.

Sicher, im Moment sah sie keinen Ausweg, aber das hieß nicht, dass es keinen gab. Und je mehr Zeit sie gewann, desto mehr erhöhten sich die Chancen, dass ihr doch noch eine Lösung einfallen würde.

Cesare hob die schwarzen Augenbrauen. „Aber Sie werden zusagen, oder nicht?“

Seine Arroganz trieb sie zur Weißglut! Sie kam sich immer mehr wie die Maus vor, mit der die Katze aus purem Vergnügen spielte. Eine große, gefährliche Katze … ein schwarzer Panther …

Herrgott, reiß dich zusammen, Robin! Cesare Gambrelli war genauso gefährlich, wie ihr Vater gesagt hatte, aber das hieß nicht, dass sie ihn sehen lassen musste, wie sehr seine Drohungen sie verunsicherten!

„Ja, ich sage zu.“ Sie musste die Kontrolle über die Situation gewinnen, sonst hatte sie nicht die geringste Chance gegen ihn. „Aber machen Sie sich nicht die Mühe, mich abzuholen. Ich werde Sie im Restaurant treffen.“

Das selbstsichere Lächeln auf seinem Gesicht erstarb, abschätzig verzog er den Mund. Diese Zurschaustellung von Unabhängigkeit beeindruckte ihn nicht. Aber im Moment hatte er damit noch kein Problem. Sollte sie ruhig ihre Freiheit noch ausnutzen.

Sobald sie seine Frau war, würde sich das ändern. Er nahm von niemandem Befehle entgegen, am allerwenigsten von der Frau, die er nur zu seiner Frau machte, um eine Blutschuld einzufordern.

„Wir essen nicht in einem Restaurant, sondern in meiner Suite im Londoner Gambrelli-Hotel“, teilte er ihr sachlich mit. „Ich halte diese Umgebung für angebrachter, um private Dinge, wie wir sie zu regeln haben, zu besprechen.“

Er konnte sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. Ihre erste Reaktion war Empörung, dann folgte Unsicherheit bei der Vorstellung, mit ihm allein in seiner Suite zu sein, und schließlich die Erkenntnis, dass er wahrscheinlich recht hatte, obwohl sie das nicht gern zugeben wollte.

Er ahnte, dass das Gespräch heute Abend in seiner Suite ebenso hitzig verlaufen würde wie das jetzige. Und keiner von ihnen war der Typ Mensch, der gerne eine öffentliche Szene in einem Restaurant verursachte. Ihr Bruder Simon hatte schon für genug öffentliche Szenen gesorgt.

Cesare presste die Lippen zusammen, als er an den anderen Mann dachte. „Ich erwarte Sie dann um halb acht im Hotel.“ Es war keine Frage, sondern eine Anordnung.

Nun, er konnte erwarten, wen und was er wollte! Robin würde zu seinem Hotel kommen, wann es ihr passte. Reiner Trotz, wie sie sich eingestand, als sie beschloss, ihn warten zu lassen. Denn welchen Sinn hatte es, ihn zu verärgern?

Einfach, weil sie sich dann besser fühlte. Das war der Sinn!

Falls es überhaupt irgendetwas an dieser Situation gab, das ihr helfen konnte, sich besser zu fühlen. Außerdem wollte sie erst mit ihrem Vater reden, wenn er heute Abend zurückkam. Nicht über ihre Verabredung mit Cesare Gambrelli und erst recht nicht über dessen Besuch und seine Drohung. Aber sie wollte herausfinden, was ihr Vater damit gemeint hatte, als er sie warnte, der Mann sei gefährlich.

Nicht, dass sie daran zweifeln würde. Inzwischen hatte sie am eigenen Leib erfahren, wie gefährlich!

„Acht Uhr würde mir besser passen“, hob sie also kühn an.

Cesare schüttelte den Kopf. „Das ist zu spät, fürchte ich.“

Furcht war sicherlich kein Gefühl, das dieser Mann kannte! „Zu spät für was?“

„Für Marco, natürlich. Um diese Zeit schläft er bereits.“

Robin starrte ihn verständnislos an. „Sie haben Marco mit nach London gebracht?“, stieß sie schließlich schwach aus.

„Selbstverständlich. Wo sollte er denn sonst sein, wenn nicht bei mir?“

Ja, wo sonst. Die Aussicht, mit diesem Mann zu essen, war schon schlimm genug. Aber das hier war ja noch viel schlimmer. Robin holte tief Luft. „Ich halte es für keine gute Idee, dass ich Marco jetzt schon sehe.“

„Ich bin sicher, Sie halten es sogar für eine schlechte Idee, Marco überhaupt zu sehen“, schoss er sofort zurück. „Mir ist klar, dass Sie keine Erfahrung mit Kindern haben, Robin. Aber diesen Mangel an Erfahrung werden Sie schnell wettmachen, glauben Sie mir.“

Für einen Moment war Robin aus der Fassung gebracht. Keine Erfahrung mit Kindern? Sicher, als jüngster Spross in ihrer Familie war sie wirklich nicht viel mit kleinen Kindern zusammen gewesen. Aber sie hätte gern ein eigenes Baby gehabt …

Cesares Blick lag wissend auf ihr. „Die Ehe mit dem Ehrenwerten Giles Bennett ist kinderlos geblieben, nicht wahr? Was mich wundert, schließlich hätte er doch einen Erben gebraucht, an den er seinen Titel vererben kann, so, wie er ihm selbst von seinem Vater vererbt wurde. Hat er sich von Ihnen scheiden lassen, weil Sie ihm diesen Wunsch verweigerten? Sind Sie wie viele junge Frauen heute, die an ihrer eigenen Freiheit festhalten und daher das Mutterwerden so lange wie möglich hinausschieben?“ Sein Blick schien sie zu durchbohren. „Das hat jetzt ein Ende. Sie werden Ihre eigennützigen Bedürfnisse vergessen, sobald Sie meine Frau und Marcos Mutter sind.“

Es widersprach allen Werten, mit denen Cesare aufgewachsen war, und seinem Wesen, Kinder nicht als Erfüllung des Lebens zu betrachten. Er hatte keinerlei Verständnis für Leute, die Kinder nicht an erste Stelle setzten. Er hatte sich die Mühe gemacht, so viel wie nur möglich über die Scheidung von Giles Bennett und Robin Ingram herauszufinden, mit dem Ergebnis, dass er jetzt noch entschlossener war, sie zu der Mutter seiner Kinder zu machen.

Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, auf solchen Widerstand bei Robin zu stoßen, Marco zu sehen. Nun, nicht alle Frauen besaßen mütterlichen Instinkt, das konnte er akzeptieren. Manche brauchten eben länger, bevor er sich in ihnen meldete. Aber irgendwie glaubte Cesare nicht, dass das bei der so empfindsamen Robin Ingram der Fall war.

Ganz augenscheinlich hatte sie ihren Bruder geliebt, und die Liebe zu ihrem Vater war mehr als offensichtlich. Hatte sie vielleicht Angst vor einer Schwangerschaft oder der Geburt? Was immer ihre Gründe sein mochten, er würde dafür sorgen, dass sie ihre Ängste überwand.

Und zwar schon im ersten Jahr der Ehe …