Aber wenn der Heilige Geist über euch gekommen ist, werdet ihr seine Kraft empfangen. Dann werdet ihr den Menschen auf der ganzen Welt von mir erzählen – in Jerusalem, in ganz Judäa, in Samarien, ja bis an die Enden der Erde. – Apostelgeschichte 1,8
(Ab hier sind die chinesischen Kirchenleiter die Hauptautoren des Textes, Paul Hattaway ist ihr Dolmetscher.)
Als wir in China den obigen Vers zum ersten Mal lasen, wussten wir nicht, was „bis an die Enden der Erde“ bedeutet. Diese Schriftstelle erweckt den Eindruck, dass die Erde flach ist und es Gläubigen möglich ist, das tatsächliche „Ende“ der Erde zu erreichen, wo der Weltraum beginnt! Wir beteten und dachten über diesen Vers nach und baten Gott, uns zu zeigen, was er damit meint.
Nach und nach ließ der Herr uns verstehen, dass er sich dabei auf die geografische Verbreitung des Evangeliums in der gesamten Welt bezog. Als Jesus das erste Mal dieses Versprechen gab, stand er auf dem Ölberg außerhalb Jerusalems (siehe Apostelgeschichte 1,12). Dieser Hügel befindet sich im Osten der heutigen Altstadt, und sein höchster Punkt liegt etwa 60 Meter über dem Tempelberg. Als Jesus diese Worte in Apostelgeschichte 1,8 zu seinen Jüngern sprach, schaute er auf die Stadt hinunter und seine Worte zeigten eine natürliche Entwicklung auf. „Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem“ (die Stadt unterhalb ihres Standorts), „Judäa“ (die Provinz im Westen und Nordwesten von Jerusalem), „Samarien“ (die Provinz im Norden von Judäa) und „bis an die Enden der Erde“.
Könnte es sein, dass Jesus seinen Jüngern zeigte, dass das Feuer des Evangeliums zuerst in Jerusalem brennen würde, bevor es sich in das Umland im Westen und im Norden der Stadt ausbreitete, und dann weiter in die Länder, die an die heidnische Welt grenzten, und dann immer weiter in die Nationen, in denen der Name Gottes unbekannt war?
Gott half der Kirche, das Evangelium unter den Heiden zu verbreiten. Selbst Jerusalem lag absolut ideal am Kreuzungspunkt der Wege nach Europa, Asien und Afrika. „So spricht Gott, der Herr: ‚Dies ist Jerusalem. Ich habe es mitten unter die Völker und die Länder ringsherum gesetzt‘“ (Hesekiel 5,5).
Die Apostelgeschichte zeigt, dass sich das Evangelium auf genau diese Weise ausgebreitet hat. Nachdem der Heilige Geist mit großer Kraft auf die Gläubigen gefallen war, erhob Petrus seine Stimme und sprach zur Menge: „Hört zu, ihr jüdischen Männer und ihr Einwohner Jerusalems“ (Apostelgeschichte 2,14). Der Heilige Geist stattete Petrus mit so viel Autorität aus, dass „diejenigen, die glaubten, was Petrus gesagt hatte, getauft wurden und von da an zur Gemeinde gehörten – insgesamt etwa dreitausend Menschen“ (Apostelgeschichte 2,41).
Was für ein wundervoller Augenblick in der Geschichte! Die herrliche Botschaft von Jesus Christus nahm jetzt ihre lange und gesegnete Reise durch die Welt auf. So wie Eltern sich danach sehnen, beim ersten Schritt ihres Kindes dabei zu sein, so schauten sicherlich auch alle Engel zu und der Himmel verharrte still. Die Geburt der Kirche brachte an ihrem ersten Tag Leben und Rettung für dreitausend Menschen, im krassen Gegensatz zur Einführung des Gesetzes im Alten Testament, das an seinem ersten Tag dreitausend Menschen den Tod gebracht hatte (siehe 2. Mose 32,27.28).
Diejenigen, die begonnen hatten, dem Befehl des Herrn zu gehorchen, leisteten großartige Arbeit auf der ersten Etappe – in Jerusalem. Tatsächlich beschwerte sich der Hohepriester schon bald bei den Jüngern Jesu, dass sie „ihre Lehre in ganz Jerusalem verbreitet“ hatten (Apostelgeschichte 5,28). Es dauerte nur wenige Wochen, heißt es in der Bibel, und „die Zahl der Gläubigen in Jerusalem nahm weiter zu und auch viele jüdische Priester schlossen sich dem neuen Glauben an“ (Apostelgeschichte 6,7).
Es scheint eine bedauerliche Eigenschaft von uns Christen zu sein, dass wir, wenn sich die Dinge gut entwickeln, gerne aufhören, es uns gemütlich machen und unsere Erfolge feiern. Das Evangelium hatte Jerusalem durchdrungen, aber die Jünger fingen an, die weiteren Etappen des Missionsbefehls zu vergessen. Als Erinnerungshilfe schickte Gott Verfolgung! Am gleichen Tag, an dem Stephanus der erste Märtyrer der Kirche wurde, „setzte eine große Welle der Verfolgung ein, von der die ganze Gemeinde in Jerusalem erfasst wurde, und außer den Aposteln flohen alle Gläubigen nach Judäa und Samarien“ (Apostelgeschichte 8,1).
Philippus wurde auf mächtige Weise in Samarien gebraucht. Zeichen und Wunder begleiteten seinen Dienst und viele Menschen kamen zum Glauben an den kürzlich auferstandenen Christus. Kurz darauf beschloss Gott, sich einem der Hauptverfolger der Kirche, einem Mann namens Saulus, zu offenbaren. Die vierte Etappe in Gottes Rettungsplan für die Welt sollte durch die Bemühungen dieses Mannes realisiert werden, der als der Apostel Paulus bekannt wurde. Gleich nachdem er auf dem Weg nach Damaskus (der Hauptstadt von Syrien) auf dramatische Weise Jesus begegnet war, sagte der Herr über Paulus: „Er soll meine Botschaft zu den Völkern und Königen bringen“ (Apostelgeschichte 9,15).
Der Rest der Apostelgeschichte zeichnet auf, wie das Feuer des Evangeliums sich über das Römische Reich bis hin nach Rom selbst und in viele Gegenden entlang der Mittelmeerküste ausbreitete. Liebevoll, aber bestimmt half der Herr der Kirche, seinem Missionsbefehl zu gehorchen, und schon kurz darauf sagten die Juden von Paulus und Silas: „Diese Männer haben die ganze Welt aufgewiegelt, und jetzt bringen sie auch unsere Stadt in Aufruhr“ (Apostelgeschichte 17,6).
Die Worte Jesu in Lukas 24,46–48 erfüllten sich: „Es wurde vor langer Zeit aufgeschrieben, dass der Christus leiden und sterben und am dritten Tag auferstehen muss. Geht in seinem Namen zu allen Völkern, angefangen in Jerusalem, ruft sie zur Umkehr auf, damit sie Vergebung der Sünden erhalten. Für all dies seid ihr meine Zeugen.“
Als wir darüber nachsannen, welchen Weg das Evangelium um die Welt genommen hatte, entdeckten wir, dass sich das Feuer im Wesentlichen in Richtung Westen ausgebreitet hatte, von Südeuropa aus in Richtung Mittel-, Nord- und Westeuropa. Das Feuer war auch an die Südküste des Mittelmeers, nach Nordafrika getragen worden und brachte dort einige der größten Kirchenväter der frühen Kirche hervor, wie Augustinus, der aus dem heutigen Algerien, und Tertullian (155–220 n. Chr.), der aus Tunesien stammte. Tertullians Botschaft an die politischen Führer seiner Zeit hallt unter den chinesischen Hauskirchen-Christen noch immer nach:
Fahrt nur so fort, treffliche Präsidenten, die ihr beim Pöbel viel beliebter werdet, wenn ihr ihm Christen opfert; quält, martert, verurteilt uns, reibt uns auf; eure Ungerechtigkeit ist der Beweis unserer Unschuld! … Und doch, die ausgesuchteste Grausamkeit von eurer Seite nützt nichts; sie ist eher ein Verbreitungsmittel unserer Genossenschaft. Wir werden jedes Mal zahlreicher, so oft wir von euch niedergemäht werden; ein Same ist das Blut der Christen.17
In China verstehen wir, was Tertullian meinte. Die Regierung sieht die Hausgemeinden auf die gleiche Weise, wie die Ägypter die Israeliten in der Gefangenschaft sahen: „Je mehr die Ägypter sie unterdrückten, desto zahlreicher wurden die Israeliten. Da bekamen die Ägypter Angst vor ihnen“ (2. Mose 1,12).
Wir haben zahlreiche Zeugnisse von gewaltigen Erweckungen, die an den Orten ausgebrochen sind, an denen Christen ihr Blut vergossen und an denen sie viel Bedrängnis wegen des Evangeliums erlitten haben. In manchen Gegenden, wo es großen Widerstand gibt, sieht es so aus, als ob Gottes Kinder leiden und ihr Blut vergießen müssen, bevor dämonische Mächte gebrochen werden und Menschen das Licht des Evangeliums sehen können.
Aber zurück zur Geschichte. Als Abenteurer und Missionare begannen, die Welt per Schiff zu entdecken, breitete sich das Feuer des Evangeliums nach Zentral- und Südafrika aus, nach Nord-, Mittel- und Südamerika, zu Hunderten von Inseln im Südpazifik, nach Australien, Neuseeland und zu Teilen Asiens im pazifischen Raum. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es zu Erweckungen in Korea, auf den Philippinen, in Teilen Ostchinas und in Südostasien.
Natürlich gab es viele Ausnahmen von diesem Schema. Dem Apostel Thomas wird zugeschrieben, das Evangelium nur wenige Jahre nachdem er die durchbohrten Hände des auferstandenen Retters berührt hatte, nach Indien gebracht zu haben. Aber im Großen und Ganzen können wir sehen, dass die Flamme des Evangeliums sich in westlicher Richtung ausbreitete.
Vor etwa 30 Jahren kam es in den chinesischen Hauskirchen zu einer echten und nachhaltigen Erweckung. Wir befanden uns an vorderster Front dieses weltweiten Feuers von Gottes Segen, und viele Millionen Menschen sind seither zum Glauben an Christus gekommen. Wir erkannten zudem, dass praktisch alle verbleibenden Länder, die noch nie vom Evangelium erreicht wurden, sich westlich und südlich von China befinden. Wir glauben, dass Gott uns eine heilige Verantwortung dafür übertragen hat, das Feuer von seinem Altar zu nehmen und den Missionsbefehl zu erfüllen, indem wir sein Reich in allen verbleibenden Ländern und Volksgruppen in Asien, dem Nahen Osten und dem islamischen Nordafrika aufrichten. Wenn das geschieht, sagt die Schrift, wird der Herr zur Heimholung seiner Braut wiederkommen und „danach werden wir, die noch am Leben sind, mit ihnen zusammen auf Wolken in die Luft gehoben und dem Herrn entgegengeführt werden, um ihn zu empfangen. Dann werden wir für immer mit ihm zusammen sein. Macht euch also damit gegenseitig Mut!“ (1. Thessalonicher 4,17.18 GN).
Wir glauben, dass die weiteste Strecke, die das Evangelium von Jerusalem aus zurücklegen kann, eine Umrundung des ganzen Erdballs ist, um dann dorthin zurückzukehren, von wo aus es seinen Anfang genommen hat – Jerusalem! Wenn das Feuer des Evangeliums seinen Lauf um den gesamten Erdball vollendet hat, wird Jesus wiederkommen! „Die ganze Erde wird die Herrlichkeit des Herrn erkennen und davon erfüllt sein, so wie Wasser das ganze Meer füllt“ (Habakuk 2,14). Daher stammt auch die Bezeichnung „Back to Jerusalem“ für die missionarische Vision der Kirche in China.
Nachdem wir nun einige biblische Grundlagen der „Back to Jerusalem“-Bewegung erläutert haben sowie unser Verständnis davon, wie sich das Evangelium im Laufe der Geschichte in der ganzen Welt ausgebreitet hat, ist es jetzt an der Zeit, die frühen Bemühungen der „Back to Jerusalem“-Pioniere in den 1940er-Jahren zu schildern.
17 Tertullian, Apologetikum oder Verteidigung der christlichen Religion und ihrer Anhänger, Kapitel 50 (ca. 200 n. Chr.), übersetzt von Dr. K. A. Heinrich Kellner (1912/1915), http://www.tertullian.org/articles/kempten_bkv/bkv24_08_apologeticum.htm.