Die Evangelistengruppe „Back to Jerusalem“

Der Herr hat vor den Augen aller Völker seinen heiligen Arm zum machtvollen Handeln freigemacht. Die ganze Erde wird das Heil unseres Gottes sehen. – Jesaja 52,10

In den frühen 1940er-Jahren gab Gott einer kleinen Gruppe von Christen, die am Nordwest-Bibelinstitut in der Provinz Shaanxi studierten, einen deutlichen Ruf. Dieses Institut war von James Hudson Taylor II (dem Enkel des weltbekannten Pioniers) und seiner Frau Alice gegründet worden, als Bombardierungen während der japanischen Invasion in China sie zwangen, die Provinz Henan zu verlassen. Sie reisten nach Westen in die Provinz Shaanxi, wo sie die Vision hatten, eine Bibelschule zu gründen. Ihre Gebete um ein Stück Land für die Schule wurden erhört: Die China-Inland-Mission bot ihnen Grundstücke in der Nähe der Stadt Fengxiang an. Es war eine sehr schöne Anlage, umgeben von einem dichten Bambushain, in dem die eingeschossigen Gebäude der Klassenräume, Studentenschlafräume und Missionarswohnungen von Laubbäumen eingerahmt wurden.

Hier in dieser schönen Umgebung gab Gott einer kleinen Gruppe von Christen, die von Pastor Mark Ma, dem stellvertretenden Direktor des Instituts, geleitet wurde, einen deutlichen Ruf. Gott forderte sie heraus, über ihren evangelistischen Horizont hinaus zu den Moslems, Buddhisten und den verstreuten Chinesen, die in den Provinzen Gansu, Qinghai und Ningxia lebten, zu gehen und sich der Vision zu weihen, das Evangelium außerhalb der Grenzen Chinas in die islamische Welt zu tragen – den ganzen Weg bis nach Jerusalem: „Back to Jerusalem“.

Mark Ma und die Gründung der Gruppe „Back to Jerusalem“

Mark Ma stammt aus der Provinz Henan. Als einziger Sohn christlicher Eltern war er in der alten Stadt Kaifeng erzogen worden und wurde Lehrer an einer Regierungsschule. Er weigerte sich jedoch, sein Herz für den Herrn zu öffnen, bis 1937 der tragische Tod seines kleinen Sohnes ihm das Herz brach und ihn in Trauer und Reue zum Fuße des Kreuzes führte. Er gab seinen weltlichen Beruf auf und begann eine Ausbildung an der Freien Methodisten-Bibelschule. Als Mr. und Mrs. James Taylor nach Shaanxi flohen, schlossen sich Mark Ma, seine Frau und ihre Kinder ihnen an. Er wurde Gründungsmitglied des Nordwest-Bibelinstituts.

Zu Beginn des Jahres 1942 hatte Mark Ma ein Zwiegespräch mit dem Herrn, das sein Leben für alle Zeit veränderte und ihm die Schwungkraft verlieh, die er für seine Pionierarbeit in der unübersehbar großen unerreichten muslimischen Welt brauchte. Hier sein eigener Bericht darüber, was damals und in den folgenden Monaten geschah:18

Als ich am Abend des 25. Novembers 1942 betete, sprach der Herr zu mir: „Die Tür nach Xinjiang ist bereits offen. Geh hinein und predige das Evangelium.“ Als mich diese Stimme erreichte, zitterte ich und fürchtete mich und war nicht bereit, darauf zu hören, denn ich konnte mich nicht erinnern, bislang auch nur ein einziges Mal für Xinjiang gebetet zu haben; zudem war es kein Ort, an den ich gerne gehen wollte. Daher betete ich nur über diese Angelegenheit und erzählte es nicht einmal meiner Frau.

Xinjiang bedeutet „Neues Herrschaftsgebiet“. Es ist eine ausgedehnte Region im Nordwesten Chinas, traditionell bekannt als Ostturkestan. Es wurde und wird noch immer von Millionen von Muslimen bewohnt, die mehrheitlich Sprachen aus der Sprachfamilie der Turksprachen wie Uigurisch, Kasachisch, Kirgisisch und Usbekisch sprechen. Weitere muslimische Gruppen umfassen Tadschiken, Tataren und chinesisch sprechende Hui-Völker. Xinjiang wird zudem von einer großen Zahl tibetisch-buddhistischer Nomaden bewohnt. Es überrascht nicht, dass Pastor Mark Ma kein besonderes Verlangen danach hatte, in eine Region zu gehen, von der er sehr wenig wusste. In seinem Bericht heißt es weiter:

Nach genau fünf Monaten des Betens, am Ostermorgen des 25. April 1943, als ich zusammen mit zwei Mitarbeitern am Ufer des Flusses Wei betete, erzählte ich ihnen von meinem Ruf nach Xinjiang. Eine Mitarbeiterin sagte, dass sie vor zehn Jahren einen ähnlichen Ruf erhalten habe. Ich dankte Gott, dass er bereits eine Mitarbeiterin vorbereitet hatte. Als ich in die Schule zurückkehrte, erfuhr ich, dass an diesem Ostersonntag beim Sonnenaufgangsgottesdienst acht Bibelschüler ebenfalls eine Last für Xinjiang empfangen hatten.

Der Morgengottesdienst am Ostersonntag des Jahres 1943, von dem er berichtet, sollte der Beginn einer Kette von Ereignissen werden, die das Leben vieler Menschen auf drastische Weise veränderte. Die Auswirkung jener Gebetszeit ist in der chinesischen Kirche bis auf den heutigen Tag zu spüren. Da Pastor Ma nicht beim Gottesdienst dabei war, geben wir einen Bericht über die Ereignisse aus einer anderen Quelle wider:

Auf dem harten Boden des Hofes unter den großen Bäumen, deren starke Äste ein Schutzdach aus Blättern über uns bildete, war mit Kalkfarbe eine Karte von China skizziert worden. Die Bibelschüler standen rings umher und schauten darauf. Sie hatten erneut von den Nöten der großen Provinzen im Norden und Westen gehört. […] Im Osten erhellte sich der Himmel, und dünne Lichtstrahlen löschten das verblassende Grau der Nacht aus. Es war sehr still im Hof, und die Umrisse der Karte auf dem Boden zeichneten sich deutlich ab. Der feierliche Augenblick war gekommen, ein Augenblick, der eine fast atemberaubende Stille mit sich brachte. „Diejenigen, die den Auftrag des Herrn vernommen haben, mögen ihre Plätze verlassen und sich auf die Provinzen stellen, zu denen der Herr sie berufen hat.“ […] Es kam Bewegung in die Gruppe der Bibelschüler. Füße in Schuhen mit Stoffsohlen bewegten sich geräuschlos, als einer nach dem anderen den Hof überquerte und zur Karte ging. Und als die Sonne am fernen Horizont aufging, sah man acht Bibelschüler, die schweigend auf dem Flecken standen, der mit dem Wort XINJIANG gekennzeichnet war.19

Dies waren die Bibelschüler, die sich Mark Ma anschlossen, als er seinem Ruf folgte. Hier ist sein eigener Bericht mit einer anschaulichen Beschreibung seiner Unterredung mit Gott:

Voller Freude versammelte ich sie alle; wir nahmen uns vor, ein regelmäßiges Gebetstreffen abzuhalten. Mit Erlaubnis der Fakultät bestimmten wir den Dienstagabend zum Zeitpunkt unseres wöchentlichen Gebetstreffens. Am Abend des 4. Mai hielten wir unser erstes Gebetstreffen ab und es waren 23 Personen anwesend. […] Am 11. Mai erhielten wir die erste Spende für unsere Mission in Höhe von 50 Dollar.

Allmählich kam die Frage auf, wie wir unsere Gruppe nennen sollten. […] Am Morgen des 23. Mai, während ich fastete und über dem Namen unserer Gruppe betete, legte der Herr mir folgenden Schriftvers ans Herz: „Die Botschaft vom Reich Gottes wird auf der ganzen Welt gepredigt werden, damit alle Völker sie hören, und dann erst wird das Ende kommen“ (Matthäus 24,14).

Ich sagte: „O Herr, was hat das zu bedeuten?“ Der Herr antwortete: „Es ist dies: Ich will nicht nur, dass die chinesische Kirche die Verantwortung dafür übernimmt, die Botschaft nach Xinjiang zu tragen, sondern ich will, dass ihr den Auftrag vollendet, das Evangelium in der ganzen Welt zu predigen.“ Ich fragte: „O Herr, ist das Evangelium nicht bereits auf der ganzen Welt gepredigt worden?“

Der Herr sagte: „Seit Pfingsten hat sich der Lauf des Evangeliums größtenteils in westlicher Richtung ausgebreitet. Von Jerusalem über Antiochia nach ganz Europa; von Europa nach Amerika und dann in den Osten; vom Südosten Chinas in den Nordwesten, sodass man heute sagen kann, dass es westlich von Gansu keine fest gegründete Kirche gibt. Geht von Gansu aus nach Westen und predigt das Evangelium auf dem ganzen Weg bis Jerusalem, damit das Licht des Evangeliums seinen Kreislauf um die Welt vollendet.“ Ich sagte: „O Herr, wer sind wir, dass wir eine so große Verantwortung tragen können?“ Der Herr antwortete: „Ich will meine Macht durch diejenigen offenbar werden lassen, die aus sich heraus keine Macht haben.“

Ich sagte: „Dieses Gebiet befindet sich im Machtbereich des Islam, und die Muslime sind von allen am schwierigsten mit dem Evangelium zu erreichen.“

Der Herr antwortete: „Die widerspenstigsten Menschen sind die Israeliten, das schwierigste Arbeitsfeld ist mein eigenes Volk, die Juden.“ […] Der Herr fuhr fort: „Selbst ihr Chinesen, du selbst eingeschlossen, seid schwierig genug, aber ihr seid vom Evangelium überwunden worden.“

Ich fragte: „O Herr, wenn es nicht daran liegt, dass ihre Herzen so hart sind, weshalb haben Missionare aus Europa und Amerika dann in China so viele Kirchen gegründet, aber sind noch immer nicht in der Lage, die Tür nach Westasien zu öffnen?“

Der Herr antwortete mir: „Es liegt nicht daran, dass ihre Herzen besonders hart sind, aber ich habe der chinesischen Kirche einen Teil des Erbes vorbehalten, damit, wenn ich wiederkomme, ihr nicht so arm seid.“

Als ich den Herrn sagen hörte, er habe uns einen Teil des Erbes vorbehalten, floss mein Herz vor Dankbarkeit über und ich stieß immer wieder ein Halleluja aus! Ich hörte auf, mit dem Herrn zu streiten.

Am 23. Mai 1943 berichtete Mark Ma der Gebetsgruppe von der oben erwähnten Offenbarung. Sie beschlossen, dass sie einen Namen für ihre Gruppe bräuchten, und einigten sich auf Bian Chuan Fuyin Tuan, was wörtlich übersetzt „Predige-überall-das-Evangelium-Bund“ bedeutet. Unter diesem Namen ist diese kleine Gruppe glaubensvoller Männer und Frauen in China bis heute bekannt, aber die Missionare kamen überein, dass der englische Name der Bewegung „Back to Jerusalem Evangelistic Band“ sein sollte.

Zu den Missionaren, die in den ersten Tagen dieses Bundes eine Schlüsselrolle spielten, gehörte Helen Bailey, eine amerikanische presbyterianische Missionarin, die schon seit einem Vierteljahrhundert in China lebte. Sie wohnte auf dem Gelände des Nordwest-Bibelinstituts und wurde von den Schülern und Fakultätsangehörigen innig geliebt. Sie förderte und ermutigte die Vision, die Gott den jungen chinesischen Männern und Frauen gegeben hatte, aber als diese sie aufforderten, dem Bund beizutreten, wies sie dies weise zurück in der Überzeugung, dass es sich in erster Linie um einen Ruf an die chinesische Kirche handele und deshalb eine einheimische Bewegung bleiben solle.

Die Leiter des Bundes vertraten den Grundsatz, in keiner Weise um Geld zu bitten, sondern zu beten und darauf zu vertrauen, dass Gott für ihre Bedürfnisse sorgen würde. Aus allen Teilen Chinas trafen allmählich Spenden von Gläubigen ein, deren Herzen von der Vision angerührt worden waren und die sich gedrängt fühlten, ihren Teil dazu beizutragen. Alice Taylor kommentierte:

Auf merkwürdige Weise kam Geld fast ausschließlich aus chinesischen Quellen in die Kasse, und sie hatten das Gefühl, sie müssten verbrauchen, was geschickt wurde, und darauf vertrauen, dass Gott mehr schicken würde. Chinesische Christen aus vielen Orten, die von diesem Werk hörten, sandten großzügige Spenden. Es war offenkundig, dass diese Bewegung von Gott inspiriert war.20

Trotz der Dringlichkeit des Rufes wurden erst 1944 drei Frauen und zwei Männer nach Lanzhou in der Provinz Gansu zu einem Kurzeinsatz, 1945 zwei Männer zu den Muslimen der Hui in die Provinz Ningxia ausgesandt, um das Evangelium zu predigen. 1946 berief der Herr zwei weitere Männer, Mekka Chao und Timothy Tai, um zu einem längeren Einsatz in den Nordwesten nach Xinjiang zu gehen.

Da nun der Ruf auf eine ernsthaftere Art und Weise befolgt wurde, gab es am 15. Mai 1946 eine Arbeitstagung, auf der eine Satzung angenommen und Bevollmächtigte gewählt wurden, sodass die Evangelistengruppe „Back to Jerusalem“ nun auch formal organisiert wurde. Die Satzung umfasste die folgenden Erklärungen:

Dies ist eine überkonfessionelle, aber keine anti-konfessionelle Gruppe von Mitarbeitern, die die ganze Bibel als Offenbarung Gottes anerkennt. Ihr Ziel ist es, die Glieder des Leibes Christi als Gemeinschaft zusammenzufügen, um Kraft und Willen der Aufgabe zu weihen, das Evangelium zu predigen, um für die Wiederkunft des Herrn bereit zu sein. Der Arbeitsbereich ist zweigeteilt:

Erstens, die Pionierarbeit gestaltet sich wie folgt:

1) In den sieben Provinzen an den Grenzen Chinas: Xinjiang, Innere Mongolei, Tibet, Xikang (tibetische Gebiete des heutigen westlichen Sichuan), Qinghai, Gansu, Ningxia.

2) In den sieben Ländern an den Grenzen Asiens: Afghanistan, Iran, Arabien, Irak, Syrien, Türkei und Palästina.

Zweitens, was die Gründung neuer Gemeinden in evangelisierten Gebieten sowie das Leiten und Erneuern bestehender Gemeinden betrifft, so haben wir vor, in Pioniergebieten gemäß den Beispielen der Schrift Gemeinden zu gründen. An Orten, an denen bereits Gemeinden bestehen, haben wir vor, diesen Gemeinden zu dienen. Wir erwarten die finanzielle Versorgung allein vom Herrn.21

Mark Ma wurde von Anfang an als Leiter der Evangelistengruppe „Back to Jerusalem“ betrachtet. Zu seinen Pflichten als stellvertretender Direktor des Nordwest-Bibelinstituts und seiner umfangreichen evangelistischen Arbeit nahm er die zusätzliche Pflicht auf sich, durch China zu reisen, „um die Kirche zum Beten und zur geistlichen Kriegsführung für die Evangelistengruppe ‚Back to Jerusalem‘ aufzurufen und um Freiwillige für den Dienst in diesem großen Werk zu gewinnen“.22

Die folgenden Worte von Mark Ma passen zu der Überzeugung der gegenwärtigen Generation von chinesischen Gläubigen, die heute mit ergebenen Herzen vorwärts drängen, um diesen wichtigen Ruf zu erfüllen:

Meine Hoffnung ist, dass die chinesische Kirche mit Entschlossenheit und Mut an dieser großen Verpflichtung festhält und in Abhängigkeit von unserem siegreichen Retter diese gewaltige Aufgabe erfüllt, das Evangelium zurück nach Jerusalem zu tragen, und somit Besitz ergreift von unserem herrlichen Erbe. Dort werden wir auf dem Berg Zion stehen und unseren Herrn Jesus Christus willkommen heißen, wenn er mit den Wolken des Himmels in großer Herrlichkeit wiederkommt!

Die Pioniere

Im März 1947 machten sich zwei Männer und fünf Frauen auf den langen Marsch westwärts nach Xinjiang. Jeder trug nur eine kleine Tasche und eine Waschschüssel mit sich. (Die Waschschüsseln sind auf dem Foto, das vor ihrem Aufbruch aufgenommen wurde, zu sehen.) In einer Zeitschrift der Gruppe „Back to Jerusalem“, die vor der Abreise des Teams erschien, schrieben sie:

DIE ZEIT FÜR DIE ARBEIT IST GEKOMMEN!

NEHMT DEN GLAUBENSKAMPF AUF!

Dies sind die Worte Gottes an uns. Er hat uns wissen lassen, dass einige bald in den Nordwesten aufbrechen sollen. Wir erkennen also, dass es nicht nur seine Botschaft an uns ist, sondern ein Befehl – der dringende Befehl, voranzuschreiten. Es ist eine Botschaft, zu der das Schwert und das Blut gehört, aber auch die Krone und das Lied. Aus diesem Grund ängstigt sie die Schwachen, aber das Blut der Starken bringt sie in Wallung.

Preist den Herrn, es gibt bereits fünf Frauen aus Fengxiang, die vom Herrn berufen wurden und seinem Auftrag folgen. Sie haben beschlossen, im nächsten März (1947) Richtung Westen aufzubrechen. Vielleicht wird die Verheißung aus Psalm 68,12 bald in unserer Mitte in Erfüllung gehen: „Der Herr ruft den Sieg aus, und viele Frauen verkünden die gute Nachricht.“ Wenn wir an die Gefahren und die Entbehrungen denken, die vor ihnen liegen, so befürchten wir, dass es kein Weg ist, den junge Frauen normalerweise nehmen sollten, aber eine von ihnen sagte: „Wir werden möglicherweise nicht dort ankommen, vielleicht sterben wir auf dem Weg, aber wir sind bereit, unser Blut auf der Straße zum Berg Zion zu vergießen.“ … Daran zeigt sich das Format unserer jungen Missionarinnen. Aber was ist mit den Männern? Brüder, wacht auf!23

Wer waren diese Frauen? Ihre Namen waren Ho En Cheng, Lu Teh, Li Chin Chuan, Fan Chi Chieh und Wei Suxi. Wir wissen ein wenig aus ihrem Leben und wie sie dazu kamen, sich auf solch eine gefährliche Reise zu begeben, und wir werden auf drei von ihnen kurz unser Augenmerk richten.

Ho En Cheng (Grace Ho) wurde nach ihrer Geburt von ihrer Mutter Gott geweiht. Als kleines Mädchen war sie mit biblischen Geschichten wohlvertraut und beklebte den Hof der Familie mit Namen von Orten wie „Jerusalem“, „Bethanien“ und „Berg Zion“. Nach ihrem Abschluss an der Bibelschule in Tianjin im Jahre 1937 erhielt die siebzehnjährige Ho En Cheng den deutlichen Ruf vom Herrn, die Botschaft nach Xinjiang zu tragen und letztendlich den ganzen Weg zurück bis Jerusalem:

Sie nahm an einem evangelistischen Treffen teil, und als die Versammlung sich erhob, um zu beten, erhielt sie eine Vision vom Herrn. In ihrer Vision verschwand ihre unmittelbare Umgebung und sie schien allein in einer riesigen, hellen Wüstenebene zu stehen. Aus der Ferne hörte sie eine Stimme – eine sorgenvolle Stimme, die qualvoll um Hilfe rief. Sie schaute umher, aber sie sah niemanden, nur die grauenhafte Finsternis, aus der die Laute drangen. Während sie noch um sich blickte, erklang eine andere Stimme. Eine Stimme aus dem Himmel, voller Mitleid und Erbarmen. „Die Völker in der Finsternis haben niemanden, der ihnen die Gute Nachricht verkündet.“ Zutiefst bewegt vom Klang dieser Stimme antwortete sie mit Tränen in den Augen: „O Herr, hier bin ich.“24

Zehn Jahre später, nachdem sie „Back to Jerusalem“ beigetreten ware plante Ho, in die Stadt Kashgar, den westlichsten Punkt Chinas, zu reisen, um die Turk- und die arabischen Sprachen zu studieren, bevor sie von China aus nach Zentralasien und dem Nahen Osten aufbrechen wollte.

Lu Teh (Ruth Lu) stammte aus dem Kreis Fengqiu in der Provinz Henan. Im Jahre 1940 wurde sie vom Herrn errettet und entwickelte eine große Leidenschaft für verlorene Seelen. Schließlich besuchte sie das Nordwest-Bibelinstitut. Sie erinnert sich:

Eines Tages, als ich auf Knien betete, rief mich der Herr beim Namen und zeigte mir in einer Vision den trostlosen, erbärmlichen geistlichen Zustand des Nordwestens. Ich sah eine große Menge verlorener Seelen in einem Gebirgstal um Hilfe rufen, damit ihr Leben gerettet würde. Nachdem sie vom rechten Weg abgekommen waren, wussten sie nicht, wie sie den wahren Gott finden konnten, der sie retten würde. Die Stimme Gottes sprach zu mir: „Mein Kind, bist du bereit zu gehen und sie zu retten?“ Als diese Stimme in mein Herz drang, antwortete ich ohne zu zögern: „O Herr, deine Magd ist bereit, deinem Willen zu gehorchen.“25

Der Ruf dieser jungen Frau war es, nach Kashgar in Xinjiang zu reisen, um die Sprachen zu lernen, die ihr helfen würden, in Afghanistan zu dienen.

Li Chin Chuan wurde in eine muslimische Familie hineingeboren. Ihre Eltern starben, als sie noch sehr jung war, und sie lebte dann bei ihrer Großmutter. Als sie gerade zwölf Jahre alt war, lief sie von zu Hause fort und verfiel in ein sündhaftes Leben. Mit zwanzig Jahren hörte sie zum ersten Mal die Botschaft von Jesus Christus. Sie glaubte an den Herrn und wurde errettet. Im Jahr 1941 trat sie in das Nordwest-Bibelinstitut ein. Drei Jahre später, im Jahr 1944, war Li eine von jenen, die zu einem Kurzzeiteinsatz nach Lanzhou in der Provinz Gansu gingen, wo sie tibetische Menschen kennenlernte. Nach ihrer Rückkehr zur Bibelschule merkte Li Chin Chuan, dass

der Herr plötzlich mein Herz berührte, damit ich die erbärmliche Not des tibetischen Volkes erkannte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich nicht den Mut, auf Gottes Ruf zu antworten, aber nachdem ich aus Lanzhou zurückgekehrt war, war mir der Aufruf ständig vor Augen und ich konnte nicht anders, als die Herausforderung Gottes anzunehmen. … Der Herr legte mir Tibet als Last auf mein Herz – er pflanzte sie tief in mein Herz hinein.26

Im März 1947 schloss sie sich den anderen „Back to Jerusalem“-Missionaren an und machte sich auf in den Westen.

Die beiden Männer in dieser Pioniergruppe von Missionaren waren Chang Moxie (Moses Chang) und Mekka Chao. Da Mekka Chao derjenige war, der den genauesten Bericht hinterließ, konzentrieren wir uns auf seine Geschichte.

Mekka Chao wurde in Linxian in der Provinz Henan im östlichen Zentralchina geboren. Als er Kind war, floh seine Familie in die Provinz Shanxi, um einer Hungersnot zu entkommen. Als Halbwüchsiger begann Chao eine Beziehung mit Jesus Christus und sein Leben änderte sich für immer. Sein Herz war so tief von Gottes Liebe berührt worden, dass er sich ohne Vorbehalte dem König der Könige hingab und ihm versprach, zu gehen, wohin auch immer er ihn führen würde, und zu tun, was immer sein Meister von ihm verlangen würde.

Kurz nachdem er errettet worden war, betete Mekka Chao um Gottes Führung hinsichtlich seines Lebensweges. Da erhielt er eine Vision, bei der ihm ein Stück Papier vor die Augen gehalten wurde, auf dem das Wort „Mekka“ geschrieben stand. Er hatte keine Ahnung, was dieses Wort bedeutete, und befragte seine Glaubensgeschwister, aber niemand konnte ihm Auskunft geben. Mekka Chao bezeugte: „Jetzt weiß ich, dass Jesus der wahre Gott ist, der lebendige Gott; ich habe seine Stimme gehört und er hat mir deutlich den Weg gezeigt, den ich gehen soll.“27

In seinem ersten Jahr als Gläubiger erfuhr Mekka Chao Gott auf eine ähnliche Weise wie zahllose chinesische Hauskirchenchristen heute. Sein Leben war charakterisiert von tiefer Buße und Eifer, verbunden mit einer intensiven geistlichen Kriegsführung.

Zu dieser Zeit war mein Eifer sehr feurig. […] Gott gab mir eine besondere Kraft beim Beten. Bei jedem Gottesdienst lasen wir nur in der Bibel, sangen und beteten. Jedes Mal, wenn ich betete, war der Heilige Geist am Werk und überführte die Herzen der Menschen, sodass sie weinten und ihre Sünden bekannten. Dies setzte sich ein halbes Jahr fort, aber der Teufel wirkte mit großer Macht – er griff mich von allen Seiten an; besonders, wenn ich betete, offenbarte er seine boshafte Kraft. Oftmals zeigte er mir furchterregende, seltsam aussehende Wesen, um mich zu ängstigen, was dazu führte, dass ich immer weniger betete, bis ich zum Schluss überhaupt nicht mehr wagte zu beten. […] Allmählich fiel ich in Versuchung. Mein geistliches Leben erkaltete mit jedem Tag mehr. […] Ich führte ein weltliches Leben, das Streben nach Ansehen und Profit nahm in meinem Leben den Platz Gottes ein. […] Das liebende Herz des himmlischen Vaters muss sehr verletzt gewesen sein, aber in meinem Ungehorsam bemerkte ich nicht, wie betrübt sein Herz war.28

In den folgenden Jahren kämpfte der vom Glauben abgefallene Mekka Chao in der chinesischen Armee. Jeden Tag hatte er den Tod vor Augen und innerlich fühlte er sich elend. Bei einer Schlacht wurde er gefangen genommen. Als Kriegsgefangener erlebte er grausame Folter und Entbehrungen. Es geschah, während er hinter Gittern saß, dass der Herr auf liebevolle Weise seinen verlorenen Sohn zurück in seine Arme rief. In seiner schäbigen, isolierten Gefängniszelle begann der Herr, Mekka Chaos Geist wieder zu beleben und ihn an all das zu erinnern, von dem er sich entfernt hatte. „Ich fragte den Herrn: ‚O Gott, ist dies die Art von Leben, das Mekka bedeutet? Ist dies der Weg, auf dem ich gehen soll?‘“

Der Herr antwortete, indem er ihm in einer Vision eine Karte der Provinz Ningxia zeigte, dem Sitz des Islam in China. In einer anderen Vision sah er eine lange, breite Straße, die nach Westen führte, auf der er eines Tages reisen sollte. Später sagte er:

Gott dachte an mich und gab mir einen Hoffnungsschimmer, um ein wenig von der Verzweiflung im Gefängnis zu vertreiben. Er versprach mir, dass ich im Alter von fünfundzwanzig das Gefängnis verlassen würde und im Alter von siebenundzwanzig die Arbeit aufnehmen würde, die für mich bestimmt war. Genau so geschah es. Im Mai des Jahres, als ich fünfundzwanzig war, wurde ich aus dem Gefängnis entlassen und im Juli meines sechsundzwanzigsten Lebensjahres kam ich als Schüler an das Nordwest-Bibelinstitut. Als ich siebenundzwanzig war, ging ich auf Predigtreisen in die Provinz Gansu und im Sommer an den Ort, den ich in der Vision gesehen hatte – die Provinz Ningxia. Wir können uns wahrhaftig auf die Treue Gottes verlassen.29

Chaos Eifer hatte jetzt ein inhaltliches Gegengewicht bekommen, und er war begierig darauf, Gottes Wort auf innige und fundierte Weise kennenzulernen. Er bezeugte:

Nachdem ich durch sieben oder acht Jahre harter Prüfungen gegangen war, oft verbunden mit Zeiten extremer Schwierigkeiten und Gefahren, hatte ich schließlich einen Zustand von Frieden und Ruhe erreicht. Wäre da nicht die gewaltige Kraft meines himmlischen Vaters gewesen, die mein einziger Schutz war, hätte ich mich schon lange zuvor zu Staub verwandelt. Obwohl mich die Härten der vergangenen Jahre sehr geschwächt hatten, war ich viel stärker als Jahre zuvor, als ich mein Zuhause als dünnes, gelbes, schwaches Menschenexemplar verlassen hatte. Halleluja! Gott hatte sein Kind so wunderbar bewahrt, damit er es im Nordwesten gebrauchen konnte. Ja, Herr, ich bin bereit, mich von dir so gebrauchen zu lassen, wie du es möchtest. Du bist der Töpfer, ich bin der Ton. […] Der Herr versteht mich vollkommen, ich gehöre ihm. Ich bin um einen Preis erkauft, niemals wieder werde ich meine eigenen Pläne verfolgen. […] Er bittet mich lediglich, mich vollkommen in seine Hände zu begeben, um von ihm gebraucht zu werden.30

Während Mekka Chao am Nordwest-Bibelinstitut studierte, löste Mark Ma das Geheimnis um das Wort „Mekka“ für ihn. Ma sagte ihm, dass der Auftrag, den er mehrere Jahre zuvor erhalten hatte, darin bestand, nach Westen aufzubrechen, um das Evangelium den Muslimen zu predigen, und dann weiter zu reisen, bis er die Stadt Mekka in Saudi-Arabien erreichen würde.

Als Mekka Chao von der Vision erfuhr, die Gott den Schulleitern gegeben hatte, nämlich, das Evangelium zurück nach Jerusalem zu tragen, stellte er staunend fest, dass sie ganz genau seinem eigenen Ruf entsprach. Es überrascht daher nicht, dass er sich voller Begeisterung an dem Unternehmen beteiligte und einer der ersten Mitarbeiter der Evangelistengruppe „Back to Jerusalem“ wurde.

Während sich Mekka Chao und die anderen sechs Pioniere auf ihren Aufbruch vorbereiteten, erwarten Christen in ganz China aufgeregt ihre bevorstehende Abreise. Viele Gebete für den Erfolg des Unternehmens und für die Bewahrung derer, die darin eingebunden waren, stiegen zum Himmel auf. Bischof F. Houghton fasste die Auswirkung des Glaubens dieser jungen Pioniere zusammen:

Die Kirche in China ist durch den Aufbruch einer Gruppe chinesischer Mitarbeiter aus dem Nordwest-Bibelinstitut in Bewegung geraten. Von einem vorläufigen Stützpunkt in Xining haben sie vor, nach Xinjiang zu gehen und von dort – eines Tages – das Evangelium durch Zentralasien „zurück nach Jerusalem“ zu tragen! In ihrer glühenden Hingabe an seinen Willen sowie in ihrer vernünftigen, praktischen Haltung, die an Hudson Taylor erinnert, zeigt sich ihr göttlicher Ruf.31

Diese sieben glaubensvollen Pioniere reisten fünfhundert Kilometer westwärts nach Xining, heute Hauptstadt der Provinz Qinghai. Dort wurden sie von Pastor Su empfangen, der ihnen zuredete, die geistlichen Nöte der Sadt Xining zu bedenken und eine Weile dort zu bleiben und Arabisch zu lernen. Das Team hatte den Eindruck, dass dieses Angebot nicht dem Willen Gottes für sie entsprach, und ihr Verlangen, weiter westwärts nach Xinjiang zu gehen, war ungemindert. Nach einer Tagesreise erreichten sie Huangyuan. Von dort reiste Mekka Chao allein bis in das 429 Kilometer entfernte Tulan (das heutige Ulan) in der Provinz Qinghai weiter, um dort alles für die Ankunft der restlichen Gruppe vorzubereiten. Tulan wurde als letzter Außenposten der chinesischen Zivilisation betrachtet. Es war zudem ein Drehkreuz, durch das Karawanen aus Zentralchina reisten, und somit ein strategischer Ort für das Team, um einige der Sprachen zu erlernen, die von den Muslimen in Zentralasien gesprochen wurden.

Mekka Chao legte diese Strecke auf dem Pferderücken zurück. Er litt heftig unter einer Neuralgie und berichtete, dass es ihm in einer Stadt, in der er Halt machte, „sehr elend ging und er nur in der Lage war, zur Schule und in eine Drogerie zu gehen und ein wenig mit dem Lehrer und dem Ladenbesitzer über das Evangelium zu sprechen“.32

Die Schwierigkeiten dieser Reise, die durch Gebiete führte, die häufig von Banditen heimgesucht wurden, werden in seinem Brief an Mark Ma deutlich. Nachdem er seine Ankunft bekannt gegeben hatte, schrieb Mekka Chao: „Lass mich zuerst etwas ganz Wichtiges sagen – unter keinen Umständen sollte irgendjemand diese Straße nehmen ohne eine sehr deutliche und klar umrissene Führung vom Herrn.“ Einige der Gründe für seine Äußerung findet man in seiner Reisebeschreibung:

Nur an die Schwierigkeiten und Gefahren auf dieser Straße zu denken, lässt einem schon die Haare zu Berge stehen. Entlang des gesamten Weges liegen die Weidegründe der ungezügelten Tibeter, Mongolen und Muslime, die in Zelten leben. Dort gibt es keine Gasthäuser. Es gibt hohe Berge und grasbedeckte Wüsten, Rudel wilder Tiere, menschenfressende tibetische Hunde und mörderische Banditen. …

Entlang der Straße lagen viele Leichen von Menschen, die verhungert oder umgebracht worden waren. […] Jede Nacht hielt ich sorgfältig Ausschau, ob auch niemand in Sichtweite war, und begab mich dann leise in das dichte Gras, das mich vor der Straße verbarg. Dort nahm ich das Gepäck vom Pferd und schlief unter freiem Himmel. Ich wagte nicht, ein Geräusch zu machen, aus Furcht, damit die Aufmerksamkeit von Räubern auf mich zu ziehen. Manchmal hörte ich unterwegs Schüsse, aber ich war ganz ruhig, und tatsächlich begegnete ich keiner Gefahr. Alle Reisenden trugen Waffen; meine Waffe war das Gebet. […] Gott ließ mich beweisen, dass ein Halleluja Kraft hat, Räuber und wilde Tiere zu vertreiben und jeder Not zu begegnen.33

Einige Monate später machte sich der Rest des „Back to Jerusalem“-Teams auf den Weg nach Westen, um Mekka Chao in Tulan zu treffen. Man kam überein, dass

einige aus der Gruppe sich in Tulan niederlassen sollten, das das letzte Verbindungsglied zwischen der chinesischen Heimatkirche und den neuen Missionsfeldern sein sollte. Außerdem wurde beschlossen, dass eine kleine Gruppe von Mitarbeitern vorausgehen sollte, um den Nachfolgenden den Weg zu bahnen, denn eine zu große Gruppe würde in den Gebieten, durch die sie ziehen würden, Argwohn erregen. Während sie auf Genehmigungen der Regierung und auf Reisedokumente warteten, beschäftigten sie sich damit, Erkundigungen über die Karawanenstraßen einzuholen, über die billigsten Reisemöglichkeiten und die Gebräuche der Völker, denen sie begegnen würden, darüber hinaus teilten sie sich in evangelistische Gruppen auf und gingen los, um zu predigen.34

Als sie herausfanden, dass das Reisen auf Kamelen wesentlich billiger und weit weniger gefährlich als das Reisen mit dem Bus war, entschlossen sie sich, Kamele zu kaufen. Die Einheimischen fanden es lustig, dass chinesische Prediger versuchten, Kamele zu kaufen, und die Gruppe wurde zwei Wochen aufgehalten, in denen sie mit den ortsansässigen Muslimen über einen fairen Preis verhandelten.

Ende Juli 1947 machten sie sich erneut auf ihre lange Reise Richtung Westen. Sie waren bestrebt, ihr Ziel zu erreichen, bevor die kurzen Sommermonate in diesem Teil der Welt zu Ende gingen und winterliche Schneefälle ein Weiterkommen unmöglich machen würden. Für die erste Etappe von 145 Kilometern durch Sumpfland und über hohe Berge brauchten sie sechs Tage. Als sie schließlich die Grenze von Xinjiang erreichten, wurden sie mehrere Tage lang aufgehalten, während Grenzbeamte ihre Pässe prüften. Schließlich wurde die Erlaubnis erteilt, und die kleine Gruppe von Evangeliumskämpfern begab sich „in die Höhle des Löwen“.

Die Vision, die Gott Mark Ma, Mekka Chao und den anderen gegeben hatte, begann sich jetzt zu erfüllen, und die chinesischen Missionare waren mit dem Feuer des Evangeliums, das in ihren Herzen brannte, auf dem Weg in die islamische Welt.

Während des nächsten Monats reisten sie durch öde Wüsten, in denen es, abgesehen von einigen kleinen Dörfern hier und da, kaum Anzeichen von menschlicher Existenz gab. Trinkwasser war selten. Wo immer sie konnten, füllten sie ihre Behälter auf, aber bis zur nächsten Nachfüllgelegenheit konnten mehrere Tage vergehen. Hunderte von Reisenden waren schon in dieser Gegend umgekommen. Ruchlose Banditen hatten ihnen die Kehle durchgeschnitten und ihr Gepäck geplündert. Es verwundert nicht, dass diese Wüste als Taklamakan bekannt ist – ein Wort aus dem Uigurischen, das sich grob mit „Ort ohne Wiederkehr“ übersetzen lässt. Dennoch zogen die Missionare weiter im Bewusstsein, dass Gott sie zu jeder Zeit beschützen würde.

Und dann schlug das Unheil zu.

Eine Vision mit Verzögerung

Nachdem die kleine Karawane des „Back to Jerusalem“-Trupps einen Monat lang durch die Wüste gezogen war, trafen Regierungsbeamte ein, die ihnen sagten, dass ihre Erlaubnis zur Weiterreise aufgrund neuester politischer Entwicklungen in der Region aufgehoben worden sei. Sie wurden aufgefordert, ins chinesische Kernland zurückzukehren. Trotz ihrer Gebete und ihres Flehens wiesen die Beamten alle ihre Bitten zurück und sagten, es sei unsicher und töricht für solch eine Gruppe junger Leute, hauptsächlich Frauen, durch die Taklamakan-Wüste zu reisen. „Da keinerlei Überredungskunst von ihrer Seite die Beamten überzeugen konnte, dass sie keinen politischen Zweck verfolgten und sich auch nicht vor den Gefahren auf dem Weg fürchteten, mussten sie wieder nach Qinghai zurückkehren.“35

Nach viel Gebet entschieden sie sich, den Winter in Qinghai abzuwarten, dort das Evangelium zu predigen und danach zu versuchen, auf einem anderen Weg nach Xinjiang zu kommen. Sie setzten also ihre evangelistische Arbeit fort und erlebten, dass viele Menschen für den Herrn gewonnen wurden.

Während sie noch darauf warteten, dass sich die Tür nach Xinjiang öffnen würde, kamen in China die Kommunisten an die Macht. Kurz darauf senkte sich der Vorhang des Schweigens über das Land. Alle ausländischen Missionare wurden des Landes verwiesen und die Kommunikation kam zum Stillstand. Angesichts eines systematischen Plans, die Kirche auszulöschen, gingen Gläubige wie Mark Ma, Mekka Chao und Ho En Cheng in den Untergrund. Als aus den Monaten der Verfolgung und Bedrängnis Jahre wurden und aus Jahren Jahrzehnte, begann die Vision „Back to Jerusalem“ allmählich zu verblassen. Alles schien verloren. Wie die Kinder Israels, die dem Land der Verheißung so nahe waren, dass sie es mit eigenen Augen sehen konnten, so wurde auch die „Back to Jerusalem“-Vision in den späten 1940er- und den frühen 1950er-Jahren zurück in die Wüste geführt, um auf eine Zeit zu warten, in der die Arbeiter besser ausgerüstet wären, um die große Aufgabe zu meistern, die vor ihnen lag.

Eine Vision wird neu entfacht

Alice Taylor, deren Familie am Nordwest-Bibelinstitut dabei behilflich gewesen war, die Arbeiter des Bundes zu schulen und zu ermutigen, schrieb den folgenden Gebetsaufruf, nachdem die „Back to Jerusalem“-Gruppe 1948 nach Qinghai zurückgeschickt worden war:

Wollt ihr diesen jungen Leuten mit euren Gebeten helfen? Die Mächte des Bösen werden in diesen verfinsterten Winkeln der Erde, in denen Grausamkeit und Gewalt wohnen, nicht so einfach dem Licht des Evangeliums nachgeben, aber durch Gebet werden wir vielleicht erleben, wie die ehernen Mauern vor diesen geisterfüllten jungen Leuten ins Wanken geraten, die unter dem Banner des Herrn ausziehen, der noch nie eine Schlacht verloren hat. Wer will sie im Gebet unterstützen?36

Dieser Gebetsaufruf wird heute, wo eine neue Generation von besser vorbereiteten Christen in ihre Fußstapfen tritt und die Vision der ursprünglichen „Back to Jerusalem“-Evangelistengruppe erfüllt, viele tausend Mal wiederholt.

Könnte es sein, das Gott zugelassen hat, dass die Bestrebungen des ursprünglichen „Back to Jerusalem“-Teams vereitelt wurden, weil die chinesische Kirche noch nicht bereit war, um eine so große Aufgabe erfolgreich zu meistern? Als die Vision entstand, zählte die protestantische Kirche Chinas weniger als eine Million Gläubige, und die „Back to Jerusalem“-Vision wurde nur von wenigen Einzelnen aufgenommen. Auf wundersame Weise zählt die chinesische Kirche fünfzig Jahre später 80 bis 100 Millionen Mitglieder und Tausende Gläubige folgen dem Ruf „Back to Jerusalem“. „Denn das, was du siehst, wird erst zu einer bestimmten Zeit eintreten. Aber du kannst dich darauf verlassen, dass es eintrifft, auch wenn es eine Weile auf sich warten lässt. Du kannst darauf zählen, denn es ist keine Täuschung“ (Habakuk 2,3).

Menschlich gesehen ist die damalige Evangelistengruppe „Back to Jerusalem“ gescheitert. Aber Gott kannte die Hingabe seiner jungen Kinder und wies die Aufrichtigkeit ihres Einsatzes für ihn nicht zurück. Obwohl die Vision eine Zeit lang begraben war, ging sie nicht verloren.

Auch sind nicht alle, die damals dazugehörten, gestorben, einige Mitglieder des Teams leben noch. Sie haben mehr als ein halbes Jahrhundert Bedrängnis im Feuer der Verfolgung überlebt. Ho En Cheng, heute über achtzig, lebt noch immer im Herzen von Xinjiang, wo sie Muslime mit dem Evangelium zu erreichen versucht und jedem Christen, der ihr zuhört, von der „Back to Jerusalem“-Vision erzählt.

Gott ist, wie immer, seinen Kindern treu.

map_p46_ok.jpg

Karte 3: Eine Karte von Nordwestchina, die die wichtigsten Stützpunkte der Evangelistengruppe „Back to Jerusalem“ in den 1940er Jahren zeigt.

18 Einem wenig bekannten, 16-seitigen, privat veröffentlichten Heft entnommen: The Chinese Back-to-Jerusalem Evangelistic Band: A Prayer Call to Christian Friends of the Chinese Church, 1947.

19 Back to Jerusalem, S. 3–4. Ein dünnes Gebetsheft ohne Autor, Verleger und Erscheinungszeit (wahrscheinlich 1947).

20 Alice Hayes Taylor, Back to Jerusalem Evangelistic Band (unveröffentlichtes Schriftstück, 1948), S. 2.

21 J. Oswald Sanders, Seen and Heard in China, 1948, S. 38–39.

22 The Chinese Back-to-Jerusalem Evangelistic Band, S. 5.

23 Sanders, Seen and Heard in China, S. 9–40.

24 Back to Jerusalem, S. 6.

25 The Chinese Back-to-Jerusalem Evangelistic Band, S. 14.

26 Back to Jerusalem, S. 10.

27 The Chinese Back-to-Jerusalem Evangelistic Band, S. 5.

28 Ebd., S. 8.

29 Ebd., S. 9.

30 Ebd., S. 9–10.

31 Back to Jerusalem, S. 1.

32 Ebd., S. 14.

33 Sanders, Seen and Heard in China, S. 39.

34 Taylor, Back to Jerusalem Evangelistic Band, S. 3.

35 Ebd., S. 4.

36 Ebd., S. 5.