26. Kapitel

Eine halbe Stunde vor Mitternacht liefen die Spätnachrichten im Fernsehen. Paul Conrad hatte den Ton des TV-Geräts, das an der Wand des Motelzimmers hing, ganz leise gestellt, um seine Nachbarn nicht unnötig aufzuschrecken.

Sein schwarzer Hartschalenkoffer lag geöffnet auf der zweiten Hälfte des Doppelbetts. Das Zimmer war klein, verfügte nur über eine Duschkabine, einen Schrank, ein weiches Bett, einen winzigen Eckschreibtisch mit Kaffeemaschine und einen schmalen Balkon, von dem aus man auf die beleuchtete Saunalandschaft des Motels blicken konnte, die immer noch in Betrieb war. Aber auf einen Besuch in Sauna oder Fitnessstudio verzichtete er lieber. Nicht dass ihn jemand erkannte. Außerdem sollte er unbedingt versuchen, ein paar Stunden zu schlafen.

Nachdem er am späten Vormittag am Augsburger Bahnhof ein geöffnetes Reisebüro gefunden und für seine Tochter Flug und Hotel cash bezahlt hatte, blieben ihm jetzt nur noch das Bargeld von ihrem gemeinsamen Raubzug und der Schmuck, den er im Ausland verkaufen würde, wenn auch sicher weit unter Wert.

Wie ein Tiger lief er in seinem Zimmer auf und ab, in einer Hand die Tasse mit dem koffeinfreien Pulverkaffee, den er sich gemacht hatte, in der anderen die Fernbedienung. Die Nachrichtensprecherin hatte soeben von einer Autobombe in der Nähe der Frankfurter Innenstadt berichtet. Wenigstens das hatte geklappt. Anscheinend wussten die Medien noch nichts von dem dritten Anschlag in Düsseldorf, aber Conrad war zuversichtlich, dass auch das noch kommen würde. Spätestens morgen früh.

Was ihn jedoch verrückt machte, war die Tatsache, dass er seine Tochter nicht kontaktieren konnte, ohne seinen oder ihren Aufenthaltsort zu verraten. Er hoffte nur, dass bei der Übergabe beim Speed-Dating nichts schiefgegangen war.

Schließlich schaltete er das TV-Gerät aus, löschte das Licht im Zimmer, schob den Vorhang ganz beiseite und trat auf den Balkon.

Die Nacht war angenehm lau. Er spähte zum Münchner Flughafen, der vom Airportmotel nur einen knappen Kilometer entfernt lag, und sah eine Weile den letzten Flugzeugen zu, die mit blinkenden Lichtern im Fünfminutentakt von der Startbahn abhoben und über das Areal des Airports donnerten, bevor das Nachtflugverbot einsetzte.

Für morgen war alles vorbereitet. Er hatte bereits zehn Euro als Trinkgeld für den Zimmerservice auf den Schreibtisch gelegt. Das Panoramarestaurant würde noch nicht geöffnet haben, wenn er zeitig in der Früh aufbrach, also würde er sich ohne Frühstück gleich vom Shuttleservice direkt zum richtigen Terminal bringen lassen.

Sein Flug LH 1796 ging morgen um sieben Uhr früh nach Mallorca.