43. Kapitel

»Mir ist diese Vicky Fuchs bereits im Flugzeug aufgefallen, als ich mir die Beine vertreten habe«, sagte Sabine, während sie zurück zu Sneijders Apartment gingen. Sie wartete, bis sie an dem Gärtner vorbei waren, der die Palmen goss, ehe sie weiterredete. »Hat merkwürdige Selbstgespräche geführt.«

»Vielleicht ist sie nicht ganz dicht«, knurrte Sneijder und dachte mit einem Ziehen im Magen an diese Kurse. Eigentlich konnte keiner ganz dicht sein, der sich für so einen Pseudo-Selbstfindungs-mesthoop interessierte.

»Was wäre«, überlegte Sabine, »wenn Conrad wirklich nur diese Workshops halten wollte, um ein bisschen Kohle zu verdienen? Ohne kriminellen Hintergedanken?«

»Mit einer gefälschten Identität? Und zu dem verdächtig niedrigen Honorar? Nee, nee! «, erwiderte Sneijder. »An dieser Sache muss etwas faul sein.«

»Okay«, lenkte sie ein, »aber möglicherweise haben diese Workshops gar nichts mit Conrads Verbindung zur RAF oder Ruth-Allegra Francke zu tun.«

Sneijder nickte. Sein Blick wurde düster. Er wollte etwas sagen, hielt aber kurz inne, während zwei Hotelgäste auf orangefarbenen E-Bikes mit gelben Streifen an ihnen vorbeifuhren. »Seit wir hier angekommen sind, denke ich ständig darüber nach, ob wir möglicherweise auf der falschen Spur sind und hier nur unsere Zeit verplempern, während woanders die Weichen gestellt werden.«

»Sie wollen wieder heimfahren – nachdem Sie mich hierhergeschleppt haben?«

»Nein, noch nicht …« Sie erreichten sein Apartment, er sperrte auf, ließ Sabine hinein und warf den Schlüssel auf die Kommode. »Wir sind gerade mal ein paar Stunden hier. Noch ist es zu früh, um den Aufenthalt abzubrechen. Warten wir den heutigen Abend noch ab, ob etwas passiert und …« Das Klingeln eines Telefons unterbrach ihn.

Sabine sah zum großen Wohn- und Schlafzimmer, wo Conrads Handy auf dem Schreibtisch neben dem Computermonitor lag. »Interessant – jemand kennt diese Nummer.«

Sneijder ging hin und nahm das Handy hoch. »Das ist schon der dritte Anruf von derselben Nummer, während wir weg waren. Muss verdammt wichtig sein.« Er betrachtete das Display. Eine nicht abgespeicherte Nummer mit spanischer Vorwahl. Rasch aktivierte er die Freisprechfunktion und ging ran. »Hallo?«

» Hola! Spreche ich mit Señor Ron Pacula , erklang eine junge weibliche Stimme mit einem etwas merkwürdigen spanischen Akzent auf Deutsch.

»Ja«, sagte er selbstbewusst und warf Sabine einen erwartungsvollen Blick zu.

» Ich bin Ramona, Ihre Assistentin bei Ihren Workshops. Sind Sie gerade schwer beschäftigt?«

Er sah Sabine immer noch an. »Nein. Wo sind Sie?«

» In zwanzig Sekunden bei Ihnen.« Sie legte auf, und aus dem Lautsprecher war nur noch ein Tuten zu hören.

»Sie haben eine Assistentin?«, fragte Sabine überrascht.

»Sieht ganz danach aus.« Im nächsten Augenblick klopfte es bereits an der Tür. »Spickaal und Speigatten , ist die schnell!«

»Vielleicht sollte ich besser von hier verschwinden.«

Sneijder deutete mit dem Kinn zur Terrassentür. Sabine lief durch den Raum, zog den Vorhang beiseite und riss die Tür auf. »Schreien Sie, falls Sie Hilfe brauchen«, flüsterte sie, ehe sie nach draußen verschwand und an dem mittlerweile aufgestellten Paravent vorbei und über einige Blumentöpfe hinweg auf ihre eigene Terrasse hüpfte.

Es klopfte erneut. Sneijder dachte an seine Glock im Safe, entschied sich dann aber, die Dame unbewaffnet zu empfangen. Nun wurde es interessant – gleich würde er wissen, ob sie Paul Conrad bereits kannte oder nicht. Er öffnete die Tür und warf einen Blick auf die knapp dreißigjährige Frau, die am Türrahmen lehnte und so tat, als betrachtete sie schon seit Stunden gelangweilt ihre langen roten Fingernägel. Wie die radikalisierte Sympathisantin einer linksextremen Terrorgruppe sah sie nicht aus, viel eher wie ein Fotomodel.

»Wollen Sie mich nicht hereinbitten?«, fragte sie frech und warf sich das lange, glatte schwarze Haar über die Schulter.