Kapitel 2

 

 

 

Ich ließ den Teufelskerl stehen und trank einen großen, empörten Schluck meines Mojitos. Was für ein Schmalzkanten! Dachte er, ich ließ mich von ein paar gesäuselten Worten und einem Sixpack beeindrucken? Gut, sein Körper war der Hammer, das konnte ich nicht leugnen. Noch nie hatte ich so definierte Bauchmuskeln und eine so perfekt gewölbte Brust gesehen. Eventuell hatte ich mich einen Moment vergessen und gesabbert, aber welchem weiblichen Wesen mit zwei Augen im Kopf wäre es nicht so ergangen? Noch verhängnisvoller als seinen Waschbrettbauch fand ich aber sein einnehmendes Lächeln, das eine sündhafte Mischung aus Anzüglichkeit und Spott war. Es wäre erschreckend einfach, sich in dieses Lächeln zu verlieben. Zum Glück machte sein großes Ego seine starke Anziehungskraft wieder wett, sodass ich keine Sorge haben musste, ihm zu verfallen. Wenn mich eines abtörnte, dann war es Großspurigkeit und die triefte diesem schwarzhaarigen Adonis aus jeder Pore.

      Offenbar schien ich mit der Meinung aber allein zu sein. Zumindest sagten mir das die missgünstigen Blicke, die ich jetzt erntete. Ein paar Umstehende hatten Jack und mich offenbar beobachtet und musterten mich jetzt, als wäre ich eine zerquetschte Kakerlake unter ihren Schuhsohlen. Wie lächerlich das war, einen Hot Devil für sich beanspruchen zu wollen.

          Das hier war doch eh nur alles Show. 

     Kopfschüttelnd schlenderte ich weiter und erkundete den weiträumigen Club, der ein einziger, verwinkelter Raum war. Je weiter ich ins Innere vordrang, desto beeindruckter war ich, denn das Zusammenspiel von dunkelvioletten Sitzmöbeln, grünen Zimmerpalmen und orangenem Licht schaffte eine außergewöhnliche Atmosphäre, in der man sich automatisch wohlfühlte. Als ich den Schuppen betreten hatte, hatte ich ehrlich gesagt keine hohen Erwartungen gehabt. Fotos vom Innenleben und von den Tänzern gab es im Internet nicht – diese zu schießen war hier strengstens untersagt –, deshalb hatte ich es mir wie in einem billigen Puff vorgestellt, in dem man von roter Farbe nur so erschlagen wurde. Tatsächlich hatte sich hier jemand Gedanken gemacht und mit dem Farbkonzept ein gemütliches, leicht verruchtes Ambiente geschaffen.

Ich kam an einem VIP-Bereich vorbei, ein durch ein Sperrband abgegrenztes, erhöhtes Quadrat, auf dem zwei Sofagruppen und ein beleuchtetes Podium Platz fanden. Dort tanzte ein gelockter Braunhaariger für eine begeisterte Frauengruppe und lieferte eine sagenhafte Show ab. Sein glitzernder Männer-Slip war etwas gewöhnungsbedürftig, aber angesichts seines grandiosen Körperbaus ließ ich ihm diesen modischen Frevel durchgehen.

Ich hatte noch nie einen Mann strippen gesehen. Vielleicht war ich von seinen geschmeidigen, kraftvollen Bewegungen deshalb einen Moment wie gebannt. Erst als mich jemand von hinten anrempelte und mir die Handtasche von der Schulter fegte, erwachte ich aus meiner Trance. Kichernd entschuldigte sich die merklich Betrunkene bei mir und wankte mit ihrer Freundin davon. Verärgert über mich selbst, weil ich mir fest vorgenommen hatte, nicht zu gaffen, und mich am Ende doch wie alle anderen hier benahm, schulterte ich meine Handtasche und setzte meinen Weg fort. Diese halb nackten Trottel wurden schon genug angebetet, da musste ich mich nicht auch noch anschließen.

Aber noch während ich das dachte, fiel mein Blick auf einen Jungen mit platinblondem Haar, und bei seinem Anblick verschlug es mir endgültig die Sprache. Er war der schönste Mann, den ich je gesehen hatte, daran konnte auch seine lächerliche Haarfarbe nichts ändern. Sein Gesicht war nicht so markant wie Jacks, dafür hatten seine Züge etwas Kühles, Erhabenes, genau wie sein Gang. Die Hände in schwarze Anzugtaschen vergraben schlenderte er über die Tanzfläche wie Moses, vor dem sich die Menge wie das Wasser teilte. Dabei betonte der dunkle Stoff seine hochgewachsene Gestalt und ließ seine platinblonde Mähne fast metallisch schimmern.

Der gesamte Club schien den Atem anzuhalten, was ihn, seinem gleichgültigen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, aber offenbar wenig juckte. Warum trug er eigentlich einen Anzug? Die Devils, die ich bisher gesehen hatte, zeigten mehr Haut als Stoff, aber dieser Kerl war vollständig bekleidet. Oder war er der Besitzer des Clubs? Allerdings sah er nicht älter aus als ich, also eher unwahrscheinlich.

So schnell wie er in mein Blickfeld getreten war, verschwand er wieder, und ich setzte meinen Weg aufgewühlt fort. Erst der sexy Barkeeper, dann Jack mit seinen stahlharten Muskeln, der Stripper im VIP-Bereich und jetzt dieser platinblonde Engel. So langsam verstand ich, warum so viele arme Seelen an diesem Ort verloren gingen. Ich hatte zwar noch nicht alle Devils gesehen, aber das, was mir bisher unter die Augen gekommen war, reichte aus, um mir für die nächsten Monate garantiert schmutzige Fantasien zu bescheren.

Eine halbe Stunde später landete ich wieder an der Bar. Dort tauschte ich mein leeres Glas gegen ein gefülltes ein und nahm auf einem freien Hocker Platz. Wir hatten es ein Uhr morgens und die Anstrengungen des Tages machten sich allmählich in meinen Knochen bemerkbar. War ich deshalb schon so weit, nach Hause zu gehen? Im Gegenteil. Ich hatte große Lust, mir den Unistress von der Seele zu tanzen oder mich aus Jux und Tollerei einer wildfremden Mädchentruppe anzuschließen, um mit ihnen um die Häuser zu ziehen.

Das war eines der wenigen Dinge, die Amy an mir bemängelte. Dass ich ihrer Meinung nach nie wusste, wann Schluss war. Sorry, aber wenn wir zusammen feiern gingen, machte sie oft schon nach drei Stunden schlapp. Da fing für mich der Spaß erst an. Ich war eben eine Genießerin und wollte meine Jugend und Ungebundenheit so lange wie möglich ausleben. Oder sollte ich es etwa wie meine Cousine handhaben, die sich schon mit 21 Jahren hatte schwängern lassen und am Wochenende statt Spirituosen jetzt Babywindeln shoppte? Nein, das war nichts für mich, auch wenn ich ihre süße Maus bezaubernd fand und meiner Cousine die Mutterrolle stand.

Ich wusste, irgendwann würde auch mich die große Liebe treffen, mit all ihren Höhen, Tiefen und Verbindlichkeiten. Aber noch war ich nicht bereit, meine Unabhängigkeit aufzugeben. Ich wollte mich ausprobieren, Fehler machen, daraus lernen und über mich hinauswachsen.  

„Hallo, schöne Frau“, sagte jemand mit erhobener Stimme über die Musik hinweg und setzte sich ungefragt zu mir. Daran war zunächst nichts Verwerfliches, ich hatte schließlich keinen Anspruch auf die Barhocker. Allerdings rückte er das Ding so dicht an mich heran, dass mich sein Schenkel berührte, als er Platz nahm. Sein nackter Schenkel, wie mir mit einem Blick nach unten auffiel. „Ich bin Wyatt.“

Langsam hob ich den Blick und wäre vor Schreck fast vom Stuhl gekippt.

Neben mir saß der Stripper, den ich vorhin bestaunt hatte, und aus der Nähe betrachtet sah er sogar noch umwerfender aus. Noch immer trug er nichts weiter als diesen glitzernden Slip – nicht mal Schuhe. Dennoch überragte er mich um fast zwei Köpfe. Sein nackenlanges, kaffeebraunes Haar war so wild gelockt, dass man automatisch hineingreifen wollte und sein breiter, geschwungener Mund lud zum Küssen ein.

„Hallo, schöner Mann“, gab ich das Kompliment zurück, bevor ich zum VIP-Bereich sah, der jetzt im Dunkeln lag. „Ich bin Willow. Ist deine Tanzeinlage schon vorbei?“

Er zeigte eine Reihe weißer Zähne. „Du hast zugeguckt?“

„Nur kurz, dann hat mich eine Betrunkene netterweise davor gerettet, vollständig in deinen Bann gezogen zu werden. Du warst beeindruckend.“ Warum erzählte ich ihm das? Jack hatte ich nicht mal meinen Namen verraten und ihm schüttete ich mein halbes Herz aus? Um meinen Worten ihre Wirkung zu nehmen, fügte ich hinzu: „Aber der Slip ist echt gewöhnungsbedürftig.“

„Wie in vielen Dingen kommt es weniger auf die Verpackung als auf den Inhalt an“, entgegnete er amüsiert. „Findest du nicht auch?“ Seine schokoladenbraunen Augen gaben mir das Gefühl, bis auf den Grund meiner Seele blicken zu können. „Ich habe dich vorhin mit Jack reden sehen. Dem Kerl mit dem Schulterholster. Du sahst genervt aus, hat er sich dir aufgedrängt?“

„Du meinst, so wie du gerade?“

Wyatt lachte, und er wusste sicher genau, was er damit bei mir auslöste. Was er bei allen weiblichen Wesen auslösen musste. „Ich unterhalte mich doch nur.“

„Nein, du checkst mich ab. Was mich zu der Frage bringt, warum mich ? Du bist jetzt schon der zweite Devil, der mich aus heiterem Himmel anspricht. Liegt es an meinem stinknormalen Outfit? Denkt ihr, ich wäre ein Mauerblümchen, mit dem ihr eure Spielchen treiben könntet?“ Dass ich amüsiert und nicht beleidigt klang, schien mein Gegenüber zu verwirren. Forschend legte er den Kopf schräg, als versuchte er, mich einzuschätzen, und ich machte es ihm zusätzlich schwer, indem ich freundlich lächelte. Sie wollten Spielchen mit mir spielen? Das konnte ich auch.  

Wyatt antwortete nicht sofort. Einen Arm auf den Tresen gestützt, massierte er sein unbehaartes Kinn und ließ sich meinen Anblick dabei regelrecht auf der Zunge zergehen. Seine Haut war makellos und schimmerte wie bronzefarbene Seide, die man über eine griechische Skulptur gespannt hatte. Der braunhaarige Schönling war ein Gesamtkunstwerk – aber das schien auf alle Devils hier zuzutreffen. Anstatt auf meine Frage zu antworten, sagte er wie zu sich selbst: „Langsam verstehe ich, was Jack an dir findet.“

Ich blinzelte überrascht. „Wie meinst du das? Hat er mit dir über mich gesprochen?“

Lächelnd strich Wyatt sein gelocktes Haar zurück und entblößte ein Bluetooth Headset, das an seinem rechten Ohr befestigt war. „Mit uns allen. Er hat dich für sich beansprucht und uns anderen gesagt, wir sollen die Finger von dir lassen.“

„Er hat was ?!“

„Das hat mich neugierig gemacht“, überging er meine fassungslose Reaktion. „Also stimmt, ich checke dich ab, und ich finde dich recht interessant.“

„Soll das etwa ein Kompliment sein? Und was soll das heißen, er hat mich für sich beansprucht? Denkt er, er kann mich rumkriegen?“

„Er wird’s versuchen.“ Mit einem gedehnten Lächeln winkte Wyatt den Barkeeper heran und bestellte ein Bier. Dann wandte er sich mir wieder zu, mit diesem sengenden Blick, der mir unter die Haut ging.

„Ich schätze, dann sollte ich dir für den Tipp wohl danken“, erwiderte ich mit einem Schnauben. „Wobei er sowieso keine Chance bei mir gehabt hätte.“ Zur Untermauerung trank ich einen großzügigen Schluck Mojito und stellte das Glas energisch wieder ab.

Wyatt beobachtete mich amüsiert. „Oh, ich tue das nicht für dich“, informierte er mich. „Sondern, um meine eigenen Chancen bei dir zu erhöhen.“

Sein Lächeln war so entwaffnend, dass ich vor Entzücken fast vom Hocker gekippt wäre. Dennoch sagte ich: „Gib dir keine Mühe. Du siehst zwar umwerfend aus, aber ich habe nicht vor, mir von dir den Kopf verdrehen zu lassen. Oder von einem deiner Kollegen.“

„Wenn ich jedes Mal einen Dollar dafür bekommen hätte, wenn mir das ein Gast ins Gesicht sagt, wäre ich jetzt reich.“

Gegen meinen Willen musste ich lachen. Dieser Wyatt war noch selbstgefälliger als Jack. Aber er hatte etwas an sich, was es mir schwer machte, ihm deswegen böse zu sein. Wenn ich ehrlich war, fand ich seine direkte Art sogar unterhaltsam. Und hey, ein bisschen flirten hatte noch niemandem geschadet.

Wyatt bekam sein Bier serviert und nippte an der Flasche. Dabei spielte seine Zunge mit der Öffnung und das so unanständig, dass ich Kopfkino bekam. Sanft stieß seine Zunge gegen das Loch, bevor seine Lippen sich darum schlossen, und ich war machtlos gegen die Bilder, die meinen Geist fluteten: Wyatt, wie er zwischen meinen Beinen kniete, wie er mich mit der Zunge verwöhnte. Unwillkürlich presste ich die Schenkel zusammen, was meinem Gegenüber nicht entging. Ein schiefes Grinsen zierte sein Gesicht, als er die Flasche absetzte, und ich war mir sicher, dass er etwas Anzügliches sagen würde. 

Aber dann huschte sein Blick hinter mich, und er rief über die Musik hinweg: „Hey, Nat. Komm her, ich stelle dir meine neue Freundin vor.“ Ich lachte entrüstet, aber er ignorierte mich und sagte zu meinem Hintermann: „Sie weiß es noch nicht, aber sie wird schon bald mir gehören.“ Augenblicke später trat eine dunkle Gestalt an meine Seite, und als ich den Blick hob, erkannte ich den Anzugtypen mit dem platinblonden Haar. Ich schauderte, als sein Arm meine Schulter streifte. Jack und Wyatt waren ja schon Augenweiden, aber dieser Devil war so schön, dass es fast wehtat. 

Kommentarlos trat er an Wyatts Seite und musterte mich aus eisblauen Augen. „Deine Ansprüche sinken auch immer weiter“, meinte er mit einem kritischen Blick auf mein Outfit. „Aber wenn du meinst.“

Ich war so vor den Kopf gestoßen, dass mir einen Moment die Worte fehlten.

„Sei nicht so ein Arsch, Nataniel“, verlangte Wyatt und stieß ihm mit den Ellenbogen in die Rippen. „Nicht bei ihr.“

Nataniel. Ein schöner Name, der zu seiner engelhaften Erscheinung passte. Das, was aus seinem Mund kam, war weniger engelhaft. „Warum nicht?“, fragte er ungerührt. „In einer Woche kennst du doch nicht mal mehr ihren Namen.“

„Gehört das zu deiner Rolle, oder bist du wirklich so ein Arschloch?“, fand ich endlich meine Sprache wieder.

Nataniel starrte mich an, als wäre er über jeden Zweifel erhaben. Ich hörte Wyatt noch fordern, dass er mich in Ruhe lassen sollte, aber da machte er schon einen Schritt auf mich zu und beugte sich so weit zu mir herunter, dass er mich fast küsste. Ein betörendes Parfüm hüllte mich ein, und so nahe bei ihm entdeckte ich braune Sprenkel in seinen blauen Augen.

„Wieso findest du es nicht heraus?“

Mein Puls beschleunigte. Himmel, dieser Blick! Hart wie Stahl und sanft wie Seide. Wie konnte es sein, dass jeder Devil mich auf seine eigene Weise so ansprach? War ich einfach nur untervögelt oder jubelten sie uns über die Lüftungsanlage bewusstseinsverändernde Drogen unter? Ehrlich, das war nicht normal.

„Nein, danke, du bist nicht mein Typ“, behauptete ich, doch er zog nur einen Mundwinkel hoch, alles andere als überzeugt.

„Das reicht jetzt, bezirz gefälligst eine andere“, beschwerte Wyatt sich und zog Nataniel von mir weg. Kaum hatte dieser sich aufgerichtet und mich aus seinem hypnotischen Blick entlassen, konnte ich viel besser atmen. Ohne noch etwas zu sagen, machte der blonde Teufel auf dem Absatz kehrt und spazierte davon.

„Wenn du Nat weiter so hinterhersabberst, werde ich eifersüchtig“, drang Wyatts Stimme durch den Nebel in meinem Kopf. 

Nur widerwillig riss ich meinen Blick von Nataniels Kehrseite los und sah funkelnde Belustigung in Wyatts Augen. Als wüsste er nur zu gut, wie anziehend sein Kollege auf Frauen wirkte. „Willst du tanzen?“, fragte er mich und rutschte bereits vom Hocker. Er war so groß, dass ich jetzt seine glatte Brust vor Augen hatte.

Skeptisch legte ich den Kopf in den Nacken. „Muss ich dafür extra zahlen?“

„Eigentlich müsstest du mich dafür sogar buchen, aber da Jack ein Auge auf dich geworfen hat und ich es liebe, diesen Angeber zu ärgern, verzichte ich ausnahmsweise.“ Damit zog er mich auf die Tanzfläche, und ich ließ es geschehen. Aus Neugierde. Abenteuerlust. Und weil ich wissen wollte, wie sich Wyatts halb nackter Körper anfühlte.

„Seid ihr nicht alle Angeber?“, rief ich über den Lärm hinweg, als wir auf der Tanzfläche umgeben von verschwitzten Körpern waren.

„Nicht so große wie Jack. Andererseits kann er es sich leisten, da er noch nie eine Wette verloren hat.“ Während er sprach, umfasste Wyatt meine Taille und zog mich zu sich heran, sodass ich nun jeden Muskel, jede Wölbung und seine unglaubliche Körperwärme spürte.

„Das macht ihr hier also?“ Ich umschlang ebenfalls seine Mitte und wäre fasziniert von der Wärme gewesen, die sein Körper ausstrahlte, hätten wir nicht gerade Hochsommer. Im Winter gab er bestimmt einen fantastischen Wärmespender ab. „Ihr wettet, wer welche Frau zuerst rumkriegt?“

Im Takt der Musik begann Wyatt, seine Hüften zu bewegen, und es war sicher kein Zufall, dass seine Ausbuchtung mehr als einmal mein Becken streifte. Ich sollte ihm eine dafür scheuern. Ihn beim Besitzer wegen sexueller Belästigung anschwärzen. Stattdessen kehrte die Hitze zwischen meine Schenkel zurück, und ich krallte ungewollt meine Hände in seine Haut. Jep, ich war eindeutig schon zu lange enthaltsam. Das letzte Mal Sex hatte ich vor knapp einem Jahr gehabt. Mit einem Footballer aus meiner Uni, der zwar süß und nett, aber kein Kandidat zum Heiraten gewesen war.  

„Zu unserer Verteidigung sollte ich vielleicht erwähnen, dass alle Frauen wissen, worauf sie sich bei uns einlassen“, erklärte Wyatt. „Wir spielen immer mit offenen Karten.“

So gut wie die Hot Devils aussahen, glaubte ich ihm das. Jungs mit ihrem Format hatten es nicht nötig, Frauen hinters Licht zu führen, um sie rumzukriegen. Trotzdem. Wie konnten sie nur so dumm sein?

„Abgesehen vom Sex, den sie von euch bekommen, verstehe ich dennoch nicht, warum sie das Risiko, ihr Herz zu verlieren, eingehen. Wenn ihr schon per Slogan damit werbt, ihnen Liebeskummer zu bereiten, wären sie doch bescheuert, sich darauf einzulassen.“

„Darum locken wir sie ja auch mit Geld.“

Nicht Wyatt hatte gesprochen, sondern jemand hinter mir. Jack, wie ich mit einem Blick über die Schulter erkannte. Das Funkeln in seinen dunklen Augen, als er mich in Wyatts Armen sah, war schwer zu deuten. Es könnte Wut, aber genauso gut Belustigung sein. „Hatte ich nicht gesagt, ihr sollt die Finger von ihr lassen?“, fragte er Wyatt mit hochgezogenen Brauen. Dieser stellte das Tanzen ein, ließ mich aber nicht los.

    „Noch hat sie der Wette nicht zugestimmt.“

    „Und das wird sie auch nicht.“ Entschieden machte ich Wyatts Hände von mir los, und er gab mich frei. Allerdings rückte er nicht von mir ab, sodass ich jetzt zwischen den halb nackten Kerlen eingekesselt war. Über meinen Kopf hinweg starrten sie sich an. Nicht feindselig, eher so, als würden sie stumm miteinander kommunizieren.

„Bist du sicher?“, fragte Jack und senkte den Blick auf mich. „Es würde eine Menge Kohle für dich rausspringen.“

„Wie viel Kohle?“, wollte ich wissen.

Er lachte leise, dann streckte er eine Hand nach mir aus. „Tanz mit mir und ich verrate es dir.“

Sein Blick war pure Verlockung, dennoch sah ich erst zu Wyatt. „Ist das okay für dich? Ich will nicht, dass ihr euch meinetwegen die Köpfe einschlagt.“

Mein sarkastischer Ton entlockte ihm ein Grinsen. „Ich kann warten, Kleines. Eine Woche mit diesem Süßholzraspler und du kommst freiwillig zu mir.“

„Das behauptest du jedes Mal“, lachte Jack. „Und trotzdem schreien sie am Ende meinen Namen.“

Oh Mann! Ernsthaft? Auf dem Schild vor dem Club wurde man ja ausdrücklich vor dem losen Mundwerk der Devils gewarnt. Dirty Talk und dreiste Sprüche gehörten genauso zu ihrer Darbietung wie die verbotenen Versprechen, die sie uns ins Ohr flüsterten. Sie spielten eine Rolle. Ähnlich wie die Mitarbeiter in diesem berühmten Hot Dog-Laden in Chicago, die ihre Kunden absichtlich beleidigten. Man wusste also, was einen an diesem sündhaften Ort erwartete.

Dennoch verspürte ich gerade große Lust, ihm für diesen Spruch eine reinzuhauen.

„Wie dem auch sei.“ Wyatt beugte sich zu mir herunter und drückte mir einen hauchzarten Kuss auf die Wange. „Wenn du einen richtigen Mann im Bett haben willst, dann weißt du ja, wo du mich findest.“

Einen Moment sah ich ihm verdattert nach – die Stelle, an der er mich geküsst hatte, kribbelte sanft –, dann wandte ich mich kopfschüttelnd Jack zu. „Ich muss schon sagen, ihr nehmt eure Rolle wirklich ernst.“

Schwungvoll zog er mich in seine Arme. „Wer sagt, dass wir nicht tatsächlich so sind?“

Ich forschte in seinen dunklen Augen, in denen sich das flackernde Diskolicht spiegelte, konnte aber nicht sagen, ob er scherzte oder nicht. Es fiel mir ohnehin schwer, mich zu konzentrieren. Jetzt, da ich seine harten Bauchmuskeln spürte. Ich würde mich nicht als dick oder dünn bezeichnen. Meine Brüste könnten etwas größer sein und mein Bauch etwas flacher, dafür hatte ich eine schmale Taille und einen großen, knackigen Hintern, auf den ich stolz war. Alles in allem war ich zufrieden mit meiner Figur, aber Jack schaffte es mit seinem Adonis-Körper, dass ich mich wie eine Pummelfee fühlte. 

„Diese Wette, von der Wyatt gesprochen hat …“, kam ich auf das ursprüngliche Thema zurück. „Wie läuft das genau?“

„Ich versuche, dich um den Finger zu wickeln.“

„Mehr nicht?“

Jack lachte leise. „Reicht das etwa nicht? Ich werde dir dermaßen den Kopf verdrehen, dass du in Gedanken an mich einschlafen und mit meinem Namen auf den Lippen aufwachen wirst.“ Abwägend ließ er seinen Blick über mich gleiten, als musterte er ein potenziell leckeres Steak hinter der Fleischtheke. „Ich denke, vier Wochen sollten dafür genügen.“

Ich konnte nicht anders und prustete los. „Ich kannte mal jemanden, der auch an Größenwahn gelitten hat. Soll ich dir seinen Psychiater empfehlen?“

Jack grinste nur, in seinen Augen ein wissendes Funkeln. „Noch lachst du, aber schon bald wird dein Herz für mich schlagen.“

Amüsiert schüttelte ich den Kopf. „Du hast echt einen an der Klatsche. Ist fast schon mitleiderregend.“

    „Wenn du dir so sicher bist, dass du mir nicht erliegen wirst, kannst du ja bedenkenlos auf die Wette eingehen, oder?“

    „Vielleicht tue ich das sogar“, überlegte ich laut und stoppte seine Hände, als sie zu meinem Hintern hinabwandern wollten. Mahnend funkelte ich Jack an. Und was tat er? Lächelte nur unschuldig und legte sie wieder auf meinen Rücken. „Vorher will ich aber, dass du mir die Regeln erklärst.“

    „Die sind einfach. Ich versuche, dir den Kopf zu verdrehen. Du versuchst, mir zu widerstehen. Es gibt keine Tabus, keine Konsequenzen.“ Spöttisch fragte er: „Bist du mutig genug, mit dem Teufel zu tanzen?“

       Grübelnd knabberte ich an meiner Unterlippe. Sagten wir, wie es war: Diese Wette war bescheuert. Der reinste Kindergarten. Andererseits würde ich schon gern sein Gesicht sehen, wenn er mir die Scheine in die Hand drücken musste. Außerdem spukte mir noch Amys Reaktion vorhin im Kopf herum, als wir über den Club gesprochen hatten. Sie war peinlich berührt gewesen. Vielleicht, weil sie ihr Herz an einen Devil verloren hatte und sich dafür schämte. Wenn ich mich auf Jack einließ, lernte ich bestimmt auch die anderen näher kennen. Dann konnte ich herausfinden, wer Amy verhext hatte und mich an ihm rächen.

„Wie viel, sagtest du, springt dabei für mich raus?“, erkundigte ich mich.

„200 Dollar, wenn du es schaffst, mir zu widerstehen.“

„Ein bisschen wenig, wenn man bedenkt, was auf dem Spiel steht.“

Daraufhin dehnten Jacks Mundwinkel sich zu einem tückischen Lächeln. „Sag bloß, du kriegst kalte Füße? Ich dachte, du wirst mir auf keinen Fall erliegen?“

„Werde ich auch nicht“, erwiderte ich schnaubend. „Trotzdem sind mir 200 Mäuse zu wenig.“

„Dann eben 300.“

„Wie wäre es mit 400?“

„Sag doch gleich 1.000!“

„Wenn du bereit bist, so viel zu zahlen?“ Frech grinste ich Jack an, dessen Blick auf meinem Gesicht ruhte. Sah ich da etwa einen Anflug von Ärger in seinen dunklen Augen aufblitzen? Er hatte doch nicht geglaubt, ich würde es ihm einfach machen.

„350. Das ist mein letztes Angebot.“ Jetzt klang seine Stimme nicht mehr so geschmeidig.

„Zu schade.“ Meine Hände von seinem Becken lösend strich ich mit den Fingern über seine Bauchmuskeln. „Dann muss ich mich wohl nach einem anderen Wettpartner umsehen.“

„Meinetwegen!“, stieß Jack aus, als ich mich schon abwenden wollte. „400 beschissene Mäuse, falls du die Wette gewinnst.“

„Oh, das werde ich“, säuselte ich und ließ meine Hand provozierend zum Saum seiner Hose wandern. Jack zuckte nicht mal mit der Wimper. Wahrscheinlich wurde er am Tag so oft angetatscht, dass ihn Berührungen jeglicher Art kalt ließen. Und doch … war da ein Funkeln in seinen onyxfarbenen Augen, das mir unter die Haut ging. „Gut, dann noch mal fürs Protokoll“, sagte ich und zog meine Hand zurück. „Du versuchst, mich innerhalb eines Monats um den Finger zu wickeln, und falls dir das nicht gelingt, zahlst du mich aus?“

„Exakt.“

„Woher willst du wissen, dass ich dir nichts vormache? Sagen wir mal, ich entwickle im Laufe der vier Wochen tatsächlich Gefühle für dich, dann könnte ich doch einfach behaupten, es wäre nicht so, bis zum Ende der Frist warten, mir die Moneten schnappen und das Weite suchen.“

Eben noch hatte Jack verärgert gewirkt, jetzt grinste er verschlagen, und es war die einzige Warnung, bevor er sich langsam zu mir herunterbeugte, so dicht, dass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spürte.

„Wenn es so weit ist“, raunte Jack und schob zwei Finger unter mein Kinn, „werde ich das hier tun.“ Ich hielt den Atem an, als er meinen Kopf anhob und mich mit seinem dunklen Blick fixierte. „Und in deinen Augen werde ich die Antwort finden.“

„Einfach so? Mit einem Blick?“, hauchte ich, nur, um etwas zu sagen. Seine sanfte Berührung löste ein Kribbeln in mir aus, das bis in die Zehenspitzen ausstrahlte. Mir kam der leise Verdacht, dass es vielleicht doch nicht so einfach werden würde, die Wette zu gewinnen. Aber einen Rückzieher zu machen, kam nicht infrage. Jack war mir entschieden zu selbstverliebt, und es war an der Zeit, dass ihm jemand seine Grenzen aufzeigte.

„So ist es. Noch sehe ich Spott in deinen Augen, aber ich verspreche dir, spätestens am Ende der vier Wochen werden rosa Herzen darin pochen.“

„Wer sagt, dass am Ende nicht in deinen Augen rosa Herzen pochen werden?“, fragte ich neckisch. Ich war stolz auf mich, weil meine Stimme angesichts seiner überwältigenden Nähe nicht flatterte. Schade, dass mein Herz nicht dieselbe Selbstdisziplin besaß.

Leise lachend ließ Jack mich los, und ich musste mich zusammenreißen, um nicht einen Schritt zurückzuweichen, damit ich seinem Wirkungsbereich entkam. Ich würde mich an seine ungeheure Anziehungskraft schon noch gewöhnen. Kein Grund zur Beunruhigung.

„Mach dir darüber keinen Kopf. Das wird niemals geschehen.“

„Dito“, erwiderte ich und reichte ihm mit einem siegessicheren Lächeln die Hand. „Dann lass uns spielen.“