Kapitel 10

 

 

 

Ich freue mich auf dich. Auch am nächsten Tag schwirrten mir die Worte noch im Kopf herum, und sie stellten beunruhigende Dinge mit meinem Herzen an. Sei nicht so dumm , sagte ich mir zum wiederholten Male, während ich in der Schlange vor dem Club stand. Das sagt er doch jeder Frau, deren Herz er erobern will. Aber die traurige Wahrheit war, dass ich gern Zeit mit Jack verbrachte. Und das unabhängig davon, ob sein Interesse nun geheuchelt war oder nicht.

     Unsere dämliche Wette änderte nichts daran, dass er charmant, atemberaubend gut aussehend und witzig war. Oder an der Tatsache, dass er mein erster Sexpartner war, mit dem ich meine Fantasien ausleben konnte, ohne befürchten zu müssen, dass er mir gleich einen Heiratsantrag machte. So gesehen war Jack perfekt für mich. Ich durfte nur nicht den schmalen Grat zwischen Sympathie und Gefühlen überschreiten, auf dem ich mich derzeit bewegte.

Leichter gesagt als getan.

„Den Ausweis bitte“, unterbrach der Türsteher meine Gedanken und ich fischte ihn aus meiner Handtasche. Die Kontrolleure hier waren streng, und so wurde ich einer eingehenden Musterung unterzogen, bevor ich durch das Absperrband durfte. Im Inneren des Clubs erwarteten mich stickige Luft, wummernde Musik und zuckende Deckenlichter. Wir hatten es erst 22 Uhr – die Party war also noch nicht lange im Gange –, und die Tanzfläche war jetzt schon voll. An einem Dienstagabend wohlbemerkt. Von so hohen Besucherquoten konnten andere Clubbesitzer nur träumen. Es schien, als würde die Gästeanzahl immer gleich hoch sein, egal um welche Uhrzeit oder welchen Wochentag es sich handelte.

Bemerkenswert.

In Gedanken vertieft schlenderte ich durch das schummerige Lokal, ohne wirkliches Ziel. Früher oder später würde ich Jack schon über den Weg laufen und wenn nicht, konnte ich immer noch Logan nach ihm fragen, der an der Bar fleißig Getränke mixte. Wie neulich schon tummelten sich wieder unglaublich viele Frauen vor dem Tresen, und es schien, als würden sie nur seinetwegen Bestellungen aufgeben. Um einen Grund zu haben, ihn länger beobachten zu können oder um mit ihm ins Gespräch zu kommen.

Nun, da ich das Kernteam kennengelernt hatte, fielen mir auch die anderen Devils auf. Junge, bildschöne Männer, die in nichts weiter als hautengen Hosen durch den Club flanierten, mit den Besucherinnen tanzten und ihnen Getränke brachten. Kein Wunder, dass das Etablissement so beliebt war. Von so heißen Typen wurde man sonst nur in Büchern angebaggert, und welche Frau träumte nicht von einem hübschen Verehrer mit Sixpack?

Obwohl ich nicht explizit nach ihm Ausschau gehalten hatte, dauerte es nicht lange, bis ich Jack entdeckte. Er war unmöglich zu übersehen, in seiner schwarzen, tiefsitzenden Hose, die seine Leisten hervorhob, dem unbestückten Schulterholster an seinem nackten Oberkörper und dem wilden, sexy Lächeln.

Bei seinem Anblick beschleunigte mein Herz, dabei galt sein Lächeln nicht mir, sondern der blonden Frau, mit der er tanzte. Oder sollte ich sagen, die er auf der Tanzfläche fast vögelte? Die laszive Art und Weise, mit der er sich tanzend an ihrem spärlich bekleideten Körper rieb, war alles andere als jugendfrei. Schande über mein Haupt, aber bei dem Anblick schnürte sich etwas in meiner Brust zusammen.

Plötzlich zuckte sein Blick zu mir, als hätte er meine Anwesenheit oder mein Gefühlschaos gespürt. Schnell zwang ich mich zu einem spöttischen Lächeln und winkte ihm kurz zu. Und was tat Jack? Begrüßte mich mit einem teuflischen Grinsen … bevor er sich zu der Frau herunterbeugte und ihr sachte in den Hals biss. So, wie er es bei mir getan hatte. Sanfte Blitze zuckten durch meinen Körper, als sein Blick mich dabei nicht losließ. Diese Geste war allein für mich bestimmt. Sowohl eine Erinnerung als auch ein dunkles Versprechen.

      Ich hatte keine Ahnung, wie ich darauf reagieren sollte, aber die Entscheidung wurde mir abgenommen, als sich jemand Großes, Halbnacktes in mein Sichtfeld schob. Es war Wyatt. „Wir haben hier einen Begriff für Frauen wie dich. Frauen, die immer wiederkommen, weil sie nicht genug von uns kriegen können. Honey Bees.“

     Belustigt hob ich eine Braue. Hatte er wieder zu tief ins Glas geguckt? „Eine ungewöhnliche Begrüßung, aber ich freue mich auch, dich zu sehen, Wyatt.“

    Lachend beugte er sich zu mir herab, gab mir einen Kuss auf die Wange und richtete sich dann wieder zu seiner beeindruckenden Größe auf. Statt der Glitzerunterhose trug er heute eine weiße Jeans und weiße Schuhe. Sonst nichts. Er musste sich mit Öl oder einer Creme eingerieben haben, denn seine Haut duftete nicht nur verführerisch, sie war auch von einem leichten Schimmer überzogen, der seine Brust- und Bauchmuskeln hervorhob, sodass sie mir förmlich entgegensprangen. „Ich würde mich ja geschmeichelt fühlen, weil du Sehnsucht nach mir hattest …“ Demonstrativ drehte er sich zu Jack um, der uns beobachtete. „Wüsste ich nicht, dass du seinetwegen hier bist.“

     Mit einem wissenden Lächeln drehte Wyatt sich wieder zu mir, und ich erklärte peinlich berührt: „Ich will auf keinen Fall, dass du dich ausgeschlossen fühlst. Die Nacht mit euch beiden war wirklich wundervoll …“

     Wyatts Lachen schnitt mir das Wort ab. „Ach, wie niedlich“, sagte er und schnipste mir sanft gegen die Nase. „Das war doch kein Vorwurf. Ich bin nicht eifersüchtig auf euch beide.“

   „Nicht?“, fragte ich erstaunt und erleichtert.

    Er legte eine Hand auf meinen Rücken und schob mich in Richtung Bar. Fort von Jack und den dröhnenden Musikboxen. Die Hocker waren allesamt besetzt, deshalb lehnten wir uns an den beleuchteten Tresen, und der Stripper erklärte mir über das Stimmengewirr hinweg: „Mir war von Anfang an klar, dass du dich mehr zu Jack als zu mir hingezogen fühlst. Und das ist okay, weil ich von dir bekommen habe, was ich wollte: eine aufregende, einmalige Nacht. Was ich neulich bei unserem Kennenlernen gesagt habe, von wegen ich wollte dich ihm ausspannen, war nur Spaß. Ich wollte Jack nur auf den Zahn fühlen, weil er so siegessicher war.“ Wyatts Lächeln verschwand, und er musterte mich jetzt ernst. „Außerdem ist es offensichtlich, dass er dabei ist, die Wette zu gewinnen.“

      „Was? Nein, ich … so ist das nicht“, wehrte ich ab, doch das Mitgefühl in Wyatts braunen Augen ließ mich verstummen.

     „Warum bist du dann hier?“, fragte er sanft. Ich schluckte und sah zu Jack hinüber, der auf der Tanzfläche eine sagenhafte Show ablieferte. Wieder spürte ich etwas in meiner Brust rumoren, aber dann wurde ich wütend und verdrängte das Gefühl.

     „Ich bin hier, weil ich es Jack versprochen habe“, sagte ich und funkelte Wyatt jetzt an. „Und weil ich Sex mit ihm haben will. Denn ob du es glaubst oder nicht, auch Frauen haben sexuelle Bedürfnisse, und die müssen nicht immer etwas mit Liebe zu tun haben! Oder denkst du, nur ihr Männer könnt Sex ohne Gefühle haben?“

      „Hey, kein Grund mich gleich in Stücke zu reißen, du Wildkatze“, sagte er und hob verteidigend die Hände. „Hier, trink lieber was mit mir.“ Damit stibitzte er ungefragt zwei saubere Gläser vom Waschbecken, langte nach einer Flasche Wodka und schenkte uns großzügig ein.

 

Jack

 

Willows Blicke elektrisierten mich. Sie fühlten sich wie warme, prickelnde Liebkosungen an und sorgten dafür, dass ich mich nur schwer auf mein Date konzentrieren konnte. Normalerweise war Aileen genau mein Typ. Sie war rothaarig – wenn auch gefärbt –, vollbusig und setzte ihre Kurven mit so wenig Stoff wie möglich in Szene. Doch sie verblasste angesichts des entzückenden Wesens, das dort in schlichter Jeans und Top an der Bar saß. Immer wieder musste ich zu Willow hinüberschauen, die eine Weile mit Wyatt gesprochen hatte und nun allein an der Bar saß.

      Und mich mit Blicken förmlich auszog.

      Ob sie ihre Testergebnisse schon bekommen hatte? Ich betete dafür, denn lange hielt ich das Kopfkino, das ich Nacht für Nacht hatte, nicht mehr aus. Ich wollte sie endlich spüren. Wollte sie dazu bringen, meinen Namen zu schreien. Wollte sie besitzen .

     20 Minuten später konnte ich mich endlich von meinem Date losreißen und ging verschwitzt und atemlos zu Willow hinüber. Ich durfte sie vor versammeltem Publikum nicht auf den Mund küssen, daher musste ich mich mit einem Wangenschmatzer begnügen.

„Ich hoffe, Wyatt hat sich benommen?“, erkundigte ich mich und orderte per Handzeichen ein Glas Wasser bei Logan. Die Wodkaflasche und die leeren Gläser auf dem Tresen sagten mir, dass Willow und Wyatt sich einen Drink genehmigt hatten.

„Ja, und er hat mir außerdem durch die Blume mitgeteilt, dass er mich zwar vögeln wollte, ansonsten aber kein Interesse an mir hat.“

Sie klang erheitert, aber ich fragte dennoch angespannt: „Bist du traurig deswegen?“

Zu meiner Erleichterung schüttelte Willow den Kopf. „Ich mag Wyatt, sehr sogar. Aber es war auch von meiner Seite aus rein körperlich.“ Fast schien es, als wollte sie noch mehr sagen. Aber dann senkte sie abrupt den Blick auf die Wodkaflasche, und ich bildete mir ein, dass ihre Hände zitterten, als sie sich einschenkte. „Willst du auch?“, fragte sie mich, ohne aufzusehen.

Ich verneinte und beobachtete stirnrunzelnd, wie sie den Shot hinunterstürzte. „Ich habe leider nicht viel Zeit für dich“, teilte ich ihr mit. „In 20 Minuten muss ich schon zu meinem nächsten Date.“

Endlich schaute Willow auf, und in ihren Augen tanzte wieder der gewohnte Spott, als sie fragte: „Ist das auf Dauer nicht anstrengend für dich? Diese ständige Daterei?“

„Doch, schon. Tatsächlich ist es sogar harte Arbeit, jeder Frau vorzuspielen, man würde auf sie stehen. Aber dafür bezahlen sie schließlich“, sagte ich lächelnd.

„Du lässt es jedenfalls spielend leicht aussehen. Ich kaufe es dir ja selbst fast ab.“

Mein Lächeln verrutschte etwas. Das meinte sie doch nicht ernst, oder? Wie konnte sie nach allem, was zwischen uns geschehen war, immer noch glauben, ich würde ihr etwas vormachen? Ich war zwar ein guter Schauspieler, aber so gut auch wieder nicht. Oder dachte sie etwa, ich würde bei jeder Frau, die mich berührte, fast abspritzen? Doch ich sparte mir eine Erklärung. Willow würde mir sowieso nicht glauben, wenn ich ihr sagte, dass sie mich völlig aus der Bahn warf.

Was das anging, hatte ich mich mit der Wette selbst in eine Sackgasse manövriert.

Kurz herrschte Schweigen zwischen uns, dann fragte sie: „Habt ihr hier Personalräume, in die wir uns zurückziehen können?“

Ich starrte sie an. „Wozu?“

Sie grinste süffisant. „Du hast gesagt, du hast 20 Minuten, oder? Das sollte doch für eine schnelle Nummer reichen.“

Schaudernd sah ich mich um, ob jemand zuhörte, dann sagte ich halb lachend: „Und ich dachte schon, ich bin der Einzige von uns, der vor Ungeduld fast platzt. Aber es geht nicht. Leider.“

Anstatt etwas zu sagen, zog Willow ein Papier aus ihrer Handtasche. Noch bevor sie es mir in die Hand drückte, wusste ich, worum es sich dabei handelte. Um die Testergebnisse. Alle negativ, wie ich feststellte. Meine Eier zogen sich erwartungsvoll zusammen. Willow fragte neckisch: „Bist du sicher, dass du nicht ein paar Minuten für mich erübrigen kannst?“

     Scheiße, ich wollte es ja selbst, aber … „Das ist zu riskant, Willow.“ Selbst in meinen Ohren klang ich gequält. „Warten wir bis zum Feierabend, dann ziehen wir uns irgendwohin zurück, wo wir ungestört sind.“

„Ich will dich aber jetzt haben.“

Ich schluckte. Dieser Blick! Das Verlangen in ihren Augen! Meine Tanzeinlage musste sie ja irre scharf gemacht haben, wenn sie es so eilig hatte. Aber verdammt, es gefiel mir, wenn sie so fordernd war.

 

 

Zwei Minuten später drückte ich sie gegen die schäbige Wand unseres Aufenthaltsraums und schob meine Zunge in ihren Mund. Scheiß auf die Konsequenzen, wenn wir erwischt wurden. Ich musste Willow jetzt spüren. Küssend fiel ich über sie her, knabberte an ihrem Ohr, um sie feucht und bereit zu machen. Aber dann sank Willow vor mir auf die Knie und lächelte mich auf eine Weise an, die mir den Atem raubte.

„Was machst du?“

„Wonach sieht es denn aus?“

„Ich glaube nicht, dass ich heute die Geduld dafür habe“, sagte ich heiser, doch schon hatte sie mir die Hose mitsamt der Boxershorts ausgezogen und mein erigierter Schwanz sprang ihr förmlich ins Gesicht. Willow leckte sich die Lippen. Dieser Anblick, wie sie vor mir kniete, mit diesem sadistischen Lächeln, nur Millimeter von meiner Erektion entfernt, brachte mich fast um. Noch mehr, als sie ihr Gesicht daran rieb. Willenlos reckte ich mich ihr entgegen. Vor Verlangen bekam ich kaum noch Luft. Dann leckte sie einmal langsam meine Härte entlang, und absolut nichts auf dieser Welt hatte sich jemals so gut angefühlt. Schon war mein Puls auf 180 und meine Atemzüge gingen unregelmäßig. Mit Ausnahme des Schulterholsters und meiner Schuhe war ich splitterfasernackt. Dennoch war mir jetzt so heiß, dass ich mir am liebsten die Haut von den Knochen gerissen hätte. 

Willow hatte mir schon mal einen geblasen, aber das hier fühlte sich um Welten besser an. Vielleicht lag es daran, dass ich seit einer Woche scharf auf sie war, aber ihre Zunge brannte förmlich auf meiner Haut, süß und qualvoll.

„Mach schon“, presste ich ungeduldig hervor und sackte gegen die Wand. Doch Willow quälte mich weiter, indem sie wieder nur einmal über meine Erektion leckte. Sie nahm eine Hand hinzu, packte meine Eier und knetete sie sanft. Mit der anderen umklammerte sie meinen Arsch, wie um besseren Halt zu haben. Als sie mir dann einen Kuss auf die Spitze drückte, konnte ich meine Hände nicht mehr bei mir behalten. Ich umfasste ihren Kopf, wollte sie an mich ziehen, doch Willow erlaubte es nicht. Mir entfuhr ein frustriertes Knurren. Wenn sie mich nicht gleich von meinen Qualen erlöste, würde ich sie packen, aufs Sofa werfen und ihr die Klamotten vom Leib reißen.

Vielleicht spürte Willow, dass meine Selbstbeherrschung rapide sank, denn endlich öffnete sie die Lippen und nahm mich tief in den Mund. Haut auf Haut. Ohne Kondom dazwischen.

„Heilige Scheiße, Willow!“ Das Gefühl war der Wahnsinn. Ich umklammerte ihren Kopf so fest, dass es ihr wehtun musste, doch sie gab keinen Schmerzenslaut von sich. Nein, sie seufzte, als hätte sie nie etwas Besseres gekostet.

Schwer atmend starrte ich auf sie herunter, und zum ersten Mal kam mir der Gedanke auf, dass Willow zu gut hierfür war. Zu gut, um mir in einem muffigen Hinterraum einen Blowjob zu geben. Zu gut, um mit ihrem Herzen zu spielen. Doch der Gedanke verpuffte, als Willow die Lippen zusammenpresste und damit den perfekten Druck ausübte.

Meine Selbstdisziplin verließ mich, und ich begann, in ihren Mund zu stoßen. Willows Zähne schabten über meine empfindliche Haut, als sie die Lippen fester zusammenpresste. Sich noch enger für mich machte. Fuck ja! , dachte ich und vögelte sie in den Mund. Wie von Sinnen stieß ich zu. Und Willow? Sie hielt die Stöße aus. Spornte mich sogar an, indem sie meine Eier drückte. Verdammt, sie war der Wahnsinn! Sie musste gespürt haben, dass ich gleich so weit war, denn kurz bevor ich kam, packte sie meine Pobacken und drückte mich so fest an sich, dass sie an meinem Schwanz fast ersticken musste.

Das gab mir den Rest.

Stöhnend ergoss ich mich in ihr. Mein Schwanz konnte gar nicht mehr aufhören, zu pumpen. Und in diesem Moment wusste ich, dass ich nie wieder Angst vor dem Tod haben würde, denn ich war längst im Himmel.

Ich war in Willows Mund. 

 

Willow

Grinsend saß ich am Esstisch und lauschte Moms und Dads hitziger Debatte über das gestrige Footballspiel. Ob ich ihnen verklickern sollte, dass ich gestern auch mit den Bällen gespielt hatte? Es war selten, dass wir alle gemeinsam am Frühstückstisch saßen. Mom war ein Workaholic und außerdem keine große Frühstückerin. Daher genoss ich die Dreisamkeit … auch wenn ich ihrer Diskussion nicht wirklich folgte.

„Was ist so lustig, Schatz?“, erkundigte Mom sich bei mir. Wie üblich sah sie wie aus dem Ei gepellt aus. Sie besaß einen Schrank voller Blazer und passenden Anzughosen in nahezu allen Farben. Heute trug sie ein mintgrünes Outfit, dazu eine Designerhandtasche und halsbrecherische Absatzschuhe. Stirnrunzelnd nippte sie an ihrem Kaffee und betrachtete mich mit ihrem fachmännischen Anwaltsblick. Offenbar dachte sie, ich machte mich über sie und Dad lustig, dabei waren es die gestrigen Ereignisse, die mir das hartnäckige Grinsen bescherten.

Ich winkte ab und versank wieder in meinen prickelnden Erinnerungen. Ich hatte Jack gestern lustvolle Laute entlockt. Hatte ihn dazu gebracht, meinen Namen zu stöhnen und sich völlig zu vergessen. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich ihn wahrscheinlich dazu bringen können, auf Knien vor mir zu rutschen, und das machte mich irgendwie … stolz. 

         Leider hatten wir gestern weder die Zeit noch die nötige Privatsphäre gehabt, um unser Schäferstündchen fortzusetzen. Denn es war ein Unterschied, ob ein hereinplatzender Arbeitskollege ihn oder mich nackt gesehen hätte. Ich war zwar experimentierfreudig, aber ich hatte kein Interesse daran, das mir jemand Fremdes beim Sex zusah.

Wie gut, dass Jack mich gleich abholen würde und wir dann bis zum Abend Zeit hatten, dieses Versäumnis nachzuholen.

Ich hatte ihm gesagt, dass er mich nicht immer mit dem Auto herumkutschieren musste und ich durchaus in der Lage war, mit den Öffentlichen zu fahren. Doch er hatte darauf bestanden, mich abzuholen, und so stieg ich wenige Zeit später in einem luftigen, weißen Sommerkleid zu ihm ins Auto.

Einen Moment sagte niemand von uns etwas, und wir sahen uns nur an. Jacks Blick wanderte über meine nackten Arme, über mein Dekolleté und das Kleid hinunter, während ich sein eng anliegendes, weißes Kurzarmshirt bewunderte. Oder besser gesagt die Muskeln, die sich darunter abzeichneten. Pechschwarze Haarsträhnen hingen ihm in die Stirn, und seinen Augen, diesen dunklen Abgründen, schien nicht die kleinste Regung von mir zu entgehen. Jack sah zum Anbeißen aus, und bei dem Gedanken daran, wie er sich in meinem Mund angefühlt hatte … 

Als er sich zu mir herüberlehnte und mir einen Kuss auf den Mund drückte, erstarben meine Gedanken. So etwas hatte er vorher nicht gemacht, und es fühlte sich seltsam an. Als hätte sich etwas Entscheidendes zwischen uns geändert. Du tust es schon wieder , ermahnte ich mich. Du vergisst die Tatsache, dass ihr eine Wette am Laufen habt. Richtig. Ich gab zu, dass es mir immer schwerer fiel, mich daran zu erinnern. Besonders, wenn Jack mich so anlächelte wie jetzt. Als würde er mich wirklich mögen. Als wäre ich mehr als nur einen Zeitvertreib für ihn.

„Hast du gut geschlafen?“

„Ja“, sagte ich wie betäubt. „Und du?“

Seine Augen schienen zu funkeln. „Wie ein Stein.“ Ich schauderte, als Jack fragte: „Hast du auf etwas Bestimmtes Lust?“

„Nein, und du?“

Meine Gegenfrage überraschte ihn sichtlich, aber ich hatte keine Lust, immer nur das zu tun, was ich wollte. Das hier war auch seine Freizeit und er musste Vorlieben und Hobbys wie jeder andere auch haben. Jack fing sich wieder und sagte schulterzuckend: „Ich weiß nicht. Da sich hier alles nur um dich dreht, stellt sich mir die Frage normalerweise nicht.“

„Vielleicht will ich aber nicht, dass sich alles nur um mich dreht.“ Ich biss mir auf die Zunge und fragte mich bestürzt, warum mir neuerdings solche dämlichen Sachen herausrutschten.

An Jacks Kiefer zuckte ein Muskel. „Das musst du mir jetzt genauer erklären. Ich dachte, du kannst mich nicht leiden und würdest daher keinen Finger rühren, um mir bei der Wette entgegenzukommen? Gestern hast du mir den sagenhaftesten Blowjob gegeben, den ich je bekommen habe, und das, ohne eine Gegenleistung zu verlangen, und heute nimmst du Rücksicht auf meine Bedürfnisse? Willst du mir vielleicht irgendetwas mitteilen, Willow?“

„Ja, dass du schwere Wahnvorstellungen hast, wenn du glaubst, es würde bedeuten, ich hätte Gefühle für dich“, höhnte ich. „Du bist noch genauso arrogant und unausstehlich wie am ersten Tag, aber ich bin nun mal nicht herzlos oder egoistisch. Ich bin durchaus in der Lage, auf meine Mitmenschen Rücksicht zu nehmen, selbst wenn sie mir an die Wäsche, nein, warte, an mein Herz wollen.“

Jedes Wort war in Spott getränkt, und ich atmete erleichtert aus, als ich registrierte, wie sein bohrender Blick nachließ. Das Lächeln hielt sich zwar hartnäckig in seinem Gesicht, aber wenigstens guckte Jack mich nicht mehr an, als würde er glauben, ich wäre in ihn verliebt.

Noch mal Glück gehabt.

„Jetzt wissen wir aber immer noch nicht, was wir machen.“

Gut, wenn er unbedingt wollte, dass ich den Ton angab: „Wie wäre es, wenn wir zu dir fahren?“

      Sein Lächeln gefror. „Warum?“

„Warum nicht?“ Ich verstaute meine Handtasche zwischen den Füßen und schnallte mich an. „Du warst immerhin auch bei mir.“

„Schon, aber mein Zuhause ist nicht so vorzeigbar und komfortabel wie deins.“

„Wieso? Wohnst du unter der Brücke?“

Leise lachend fuhr Jack sich durchs Haar. Dadurch spannte sich sein Bizeps an, was leider viel zu faszinierend aussah. „So schlimm ist dann doch noch nicht.“

„Wo liegt dann das Problem? Oder schämst du dich für dein Zuhause?

„Ich schäme mich nicht. Es ist nur so, dass mein Mutter ständig zu Hause herumhockt, wir dort also keine Privatsphäre hätten.“

Ich fiel aus allen Wolken und fragte lachend: „Moment, du wohnst noch bei deiner Mutter? Der ach so heiße Teufel und berüchtigte Aufreißer?“

„Gezwungenermaßen, ja“, antwortete Jack, und der veränderte Ausdruck in seinen Augen ließ mein Lachen verebben. Er lehnte sich in seinen Sitz zurück und wandte den Blick zur Straße ab. „Ich sagte dir ja, dass meine Mutter gesundheitliche Probleme hat. Um für sie zu sorgen, bin ich bei ihr geblieben.“

Oh, verdammt. Sofort bereute ich es, Witze darüber gemacht zu haben. Das zeigte nur wieder, dass man nie wissen konnte, was sich hinter den Fassaden der Menschen verbarg. Oder wer hätte gedacht, dass Jack, der Frauenheld, ein aufopferungsvoller Sohn war? Verstohlen musterte ich meinen Fahrer. Er hatte gesagt, dass er sich um seine Mutter kümmerte, was bedeutete, dass sein Vater es nicht tat. Hatte er die beiden verlassen? War er tot? Ich musste es wissen. Auch wenn ich Gefahr lief, Jack damit noch mehr herunterzuziehen.

„Erzähl mir deine Geschichte“, bat ich und widerstand dem Drang, eine Hand auf seine zu legen.

„Wozu?“

„Um dich besser kennenzulernen.“ In dem Versuch, ihn wieder aufzuheitern, erklärte ich lächelnd: „Oder wie soll ich mich in dich verlieben, wenn ich nicht weiß, wer du bist?“

Jack schnaubte, aber ich konnte nicht sagen, ob es ein bitteres oder ein belustigtes war. Er wandte den Blick von der Straße ab und musterte mich kurz, bevor er sagte: „Die anderen Frauen haben mir nie so persönliche Fragen gestellt.“

Ich zuckte die Schultern und machte es ihm nach, indem ich mich zurücklehnte. Der Motor schnurrte unter meinem Hintern und kühle Luft blies mir aus der Klimaanlage entgegen. „Was dachtest du denn, wie die vier Wochen ablaufen würden? Dass wir nur herumvögeln und uns oberflächlich unterhalten? Dachtest du, so gewinnst du mein Herz?“

Frech erwiderte er: „Hat bei deinen Vorgängerinnen doch auch geklappt.“

Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht zu lachen. „Tja, aber mich kriegst du damit nicht so leicht rum. Ich mache dir einen Vorschlag. Du erzählst mir deine Familiengeschichte und ich lasse dich wieder ran.“

Jack lachte so laut, dass ich fast zusammenzuckte. „Du drohst mir mit Sexentzug?“

„Hat bei meinen Exfreunden doch auch geklappt.“

Und – zack – war seine gute Laune wiederhergestellt. Jack grinste mich an, als könnte er sich nicht zwischen Anerkennung und Hohngelächter entscheiden. Und ich liebte es, dass ich so unterschiedliche Emotionen in ihm hervorrufen konnte.

Mein Glück, dass er offenbar tierisch scharf auf mich war, denn nach kurzer Überlegung entschied er: „Na, gut. Ich erzähle dir meine Geschichte. Aber erst fahren wir zu mir.“