Titeldekoration

Elf

Richtig oder falsch:

Antwort:

Mrs Caul fuhr uns vier zum Wissenschaftszentrum, wo der Bundesstaat-Wettbewerb abgehalten wurde, damit wir unsere Projekte nicht selber hinschleppen mussten. Das war ziemlich ungewöhnlich, weil wir dafür freibekamen. Der Rest der Klasse hatte Mrs Kysell als Vertretung. Niemand mochte Mrs Kysell. Sie war schon ziemlich alt, färbte ihr Haar aber knallrot. Sie hatte immer ein breites Lächeln im Gesicht, das jedoch nie ihre Augen erreichte. Sie hatte Habichtsaugen. Sie gehörte zu den Leuten, die immer nett und freundlich taten. Doch in Wirklichkeit hoffte sie bloß, einen dabei zu erwischen, wie man etwas anstellte. Ich war wirklich froh, den Nachmittag mit Mrs Caul zu verbringen.

»Gibt es bei unserem Tisch eine Steckdose?«, fragte Bethany vom Rücksitz des Lieferwagens aus. »Ich muss unser Herz anstecken können, damit die Preisrichter es schlagen sehen.«

»Du hast schon hundertmillionenmal nach der Steckdose gefragt«, wies Katie sie hin.

»Das ist schon in Ordnung. Man vergisst leicht etwas, wenn man nervös ist«, sagte Mrs Caul vom Fahrersitz aus. »Es gibt eine Steckdose. Ich habe dem Veranstalter extra gesagt, dass ihr eine braucht.«

»Überleg mal, wie nervös sie erst wäre, wenn sie das Projekt tatsächlich selber gemacht hätte«, flüsterte ich Katie zu. Sie kicherte.

Bethany riss Nathan einen Füller aus der Hand. Er hatte damit auf seinem Bein herumgetrommelt, als wäre der Füller ein Trommelstock. »Pass auf. Sonst bekleckerst du dich noch überall mit Tinte.«

Nathan verdrehte die Augen. Sowohl er als auch Bethany hatten sich heute fein gemacht. Das ergab für mich keinen Sinn. Wir stellten schließlich nur unsere Projekte auf. Bethany beharrte darauf, dass es für den ersten Eindruck keine zweite Chance gab und dass man nie wissen konnte, wann die Preisrichter vielleicht doch vorbeischauten. Sie hatte einen Rock an und Nathan dazu gebracht eine Anzughose anzuziehen. Sie wollte auch, dass er sich eine Krawatte umband, aber er hatte sich geweigert.

Ich bekam einen trockenen Mund, als wir vor dem Wissenschaftszentrum anhielten. Das Gebäude war gigantisch. Es war so groß wie ein Fußballstadion und gleich hinter der Eingangstür sah ich ein riesengroßes Dinosaurierskelett. Gruppen von Kindern schwirrten hinein und heraus wie Bienen. Ich hatte nicht gewusst, dass es im ganzen Bundesstaat so viele Kinder gab, geschweige denn so viele, die sich für Wissenschaft interessierten. Wir vier standen auf den Eingangsstufen und behielten den Lieferwagen im Auge, während Mrs Caul einen Handwagen für unsere Projekte holen ging.

»Hast du das gesehen?«, flüsterte Katie mir zu, als ein paar ältere Kinder, mindestens Siebtklässler, einen riesigen mechanischen Arm an uns vorbeitrugen. »Das wird ein echt harter Wettbewerb. Ich habe von einer Privatschule im Süden gehört, die Uniprofessoren einstellt, damit die den Schülern bei ihren Projekten helfen. Echte Wissenschaftler.« Katie schüttelte den Kopf, als könne sie sich das nicht einmal vorstellen.

Bethany warf das Haar über die Schulter. »Ich glaube nicht, dass wir uns Sorgen machen müssen. Unser Projekt hat alles, was es braucht, um zu gewinnen.« Sie sah meine Pflanzen an, die auf dem Gehsteig standen. »Sieh es positiv, Willow. Du hast sowieso keine Chance, also brauchst du dir auch keine Sorgen zu machen.«

Ich hatte wahrscheinlich wirklich keine Chance. Hätte Jakob meine Pflanzen nicht in ausgeflippte Superpflanzen verwandelt, wäre ich überhaupt nicht hier. Aber selbst wenn ich nicht gewinnen würde, passte es mir nicht, von Bethany darauf hingewiesen zu werden. Ich drehte ihr den Rücken zu und ignorierte sie.

»Was ist mit dir und deiner Familie und deinen Pflanzen überhaupt los?«, schnaubte Bethany. »Hast du ihren Garten gesehen?«, fragte sie Nathan. »Der ist total eigenartig. Die ganze Stadt spricht davon.«

»Was stimmt mit unserem Garten nicht?« Ich stemmte die Hände in die Hüften.

Katie war neben mir, wir standen also beide Bethany gegenüber. »Ich finde ihn cool«, sagte Katie.

»Wieder mal typisch, dass er dir gefällt. Kein Wunder, dass ihr befreundet seid. Du bist genauso irre wie Willow und ihre Familie.« Wieder warf Bethany ihr Haar nach hinten. »Wenn ihr ›Irre‹ im Wörterbuch nachschlagt, ist dort bestimmt ein Bild von euch beiden. Ihr hättet euch für den Wissenschaftswettbewerb gegenseitig studieren können, das wäre zumindest interessanter gewesen als das, was ihr gemacht habt.«

»Wen bezeichnest du hier als ›Irre‹?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Ich machte mich ja vielleicht manchmal über meine Familie lustig – aber es war meine Familie. Ich war die Einzige, die etwas gegen sie sagen durfte. Und über meine beste Freundin spotten? Gar nicht cool.

»Ich gehe sowieso jede Wette ein, dass dein irrer Vater das Projekt für dich gemacht hat. Wahrscheinlich hat er bloß irgendwas aus eurem Garten ausgebuddelt.« Sie lachte und stieß Nathan mit dem Ellenbogen an, doch der machte einen Schritt zurück.

»Ich finde Willows Projekt cool. Du solltest es in Ruhe lassen«, sagte Nathan. »Abgesehen davon ist Mogeln das Letzte, was du erwähnen solltest.«

Bethany wurde knallrot im Gesicht. Als hätte sie sich in eine Tomate verwandelt. »Ich, ich … weiß nicht, wovon du redest«, stotterte sie.

»Ich rede davon, dass dein Vater unser ganzes Projekt gemacht hat. Na ja, außer den Beschriftungen – die sind von deiner Mutter. Wir haben überhaupt nichts gemacht.«

Katie und ich blickten einander schockiert an. Nathan stand nun auf unserer Seite und Bethany allein neben ihrem Plastikherz.

»Sie haben das Projekt nicht gemacht, sie haben bloß geholfen!«, beharrte Bethany. »Wenn du mit dem Projekt nicht zufrieden bist, hättest du etwas sagen sollen.«

»Ich sage es jetzt. Und ich sage Mrs Caul, sie soll meinen Namen aus dem Projekt streichen.«

»Das kannst du nicht machen!«, kreischte Bethany. »Nicht jetzt!«

»Ich mogle beim Sport nicht und ich mogle in Naturkunde nicht«, sagte Nathan mit fester Stimme.

Wir standen alle in einem Kreis und starrten einander an. »Schön. Ich sage Mrs Caul, sie soll deinen Namen streichen und wenn ich gewinne – und ich werde gewinnen –, fahre ich ohne dich ins Weltraum-Camp. Du weißt hoffentlich, dass aus dir dann nie ein Weltraumschmuggler wird.« Bethany stampfte zur Eingangstür, um Mrs Caul zu suchen.

»Wow«, sagte Katie und sah zu, wie Bethany davonstürmte.

»Danke, dass du mich verteidigt hast«, sagte ich. Ich zupfte an den Blättern von einer der Pflanzen herum.

Nathan zuckte mit den Achseln. »Bitte. Und vergiss einfach, was Bethany über deinen Vater gesagt hat. Ich finde euren Garten cool. Ich mochte den Drachen, den er aus einem Strauch geformt hat.«

»Gärtnern ist so was wie sein Hobby.«

»Vielleicht könnte er einmal was mit Space Fighters machen.« Nathan kauerte sich nieder und tat so, als würde er Leute abschießen, die ins Wissenschaftszentrum hineingingen oder herauskamen. »Er könnte eine riesige Laserkanone aus Immergrün machen, aus dem Laserstrahlen in Form von purpurroten Blumen hervorschießen.«

»Ähm, klar. Ich richte es ihm aus.« Ich hielt das für einen ziemlich bescheuerten Plan, aber das würde ich ihm jetzt, nachdem er so nett zu mir gewesen war, nicht auf die Nase binden.

Jungs konnten seltsam sein, doch damit musste man sich abfinden, wenn man sie ansonsten eigentlich mochte. Es gab sie nur als Gesamtpaket. Man musste nur entscheiden, ob das, was einen an ihnen wahnsinnig machte, das andere überwog. Das würde ich mir bei Gelegenheit notieren. Ich würde es allerdings heimlich tun, nur für den Fall, dass Nathan versuchte, mir das Notizbuch wieder wegzunehmen.