Titeldekoration

Vier

Wenn dein Naturkundeprojekt nicht so funktioniert wie erwartet:

Antwort:

Mein Naturkundeprojekt war nicht besonders spannend. Ich hatte vier Pflanzen und mein Vater hatte mir geholfen, sie in sein Gewächshaus zu stellen. Die erste Pflanze goss ich mit Wasser, die zweite mit Dünger und Wasser, die dritte mit Tee und die vierte mit Cola light. Meiner Theorie nach würde die Pflanze, die Wasser und Düngemittel bekam, am besten gedeihen. Die Pflanze, die Cola light bekam, würde meiner Ansicht nach eingehen. Zumindest erwartete ich, dass sie ein ungesundes Aussehen annehmen würde – welk mit ein paar braunen Blättern. Wenigstens hatte ich gedacht, dass irgendetwas passieren würde. Schließlich kann es für niemanden – egal, ob Langweiler, Fee, Hund oder Pflanze – gut sein, nur von Limo zu leben. Es kam aber anders.

Allen vier Pflanzen ging es gut. Mehr als gut – sie schienen zu wachsen. Ihre Blätter waren hübsch dunkelgrün und sahen fast so aus, als hätte jemand jedes einzelne poliert. Nach der Schule ging ich ins Gewächshaus und kontrollierte die Pflanzen erneut. Sie wuchsen eindeutig. Moment mal! Ich steckte den Finger in die Blumentöpfe. Jemand hatte frische Erde hineingetan! Jede Pflanze war von einem Häufchen frischer, locker aussehender Erde umgeben. Ich blickte mich im Gewächshaus um. Auf dem Boden lag ein Sack Erde, der an einer Ecke aufgerissen war. Es sah aus, als hätte sich jemand durch den Sack gekaut. Mein Vater hätte sein Gewächshaus nie in diesem Zustand zurückgelassen. Ich ging in die Hocke, um es mir genauer anzusehen. Überall war Erde. Als hätte sich jemand durch den Sack gebuddelt und die Erde über seine Schulter geworfen. Mir fiel nur ein einziges mir bekanntes Lebewesen ein, das derart unordentlich war. Und gerne buddelte.

»Winston!« Ich wartete mit verschränkten Armen in der Tür auf ihn.

Nach einer Weile schlenderte Winston ins Gewächshaus. Er ließ sich auf den Boden plumpsen und kratzte sich mit der Hinterpfote am Ohr, während er herzhaft gähnte. »Du bist schon von der Schule zurück? Uff … mein Nachmittagsschläfchen muss heute ein bisschen länger ausgefallen sein. Ich sollte wirklich früher damit anfangen.«

»Gibt es etwas, das du mir sagen willst?« Ich klopfte mit dem Fuß auf den Boden und wartete auf sein Geständnis. Vielleicht würde ich mir ein Beispiel an Katies Eltern nehmen und ihn selbst über seine Bestrafung entscheiden lassen.

Winston kratzte sich erneut am Ohr. »Nö. Gibt es was, das du von mir hören willst?«

»Vielleicht solltest du angestrengter nachdenken. Es gibt etwas, was du mir sagen musst.« Ich deutete mit dem Kopf zu dem Sack Blumenerde. »Ich wette, du hast etwas auf dem Herzen.«

Winston legte den Kopf schief und schien nachzudenken. »Nun … das Einzige, was ich wirklich auf dem Herzen habe, ist, dass ich einen Imbiss vertragen könnte.«

»Einen Imbiss?«, brüllte ich. »Ist das alles, woran du denken kannst? Was ist mit der Schweinerei hier drinnen?«

Winston sah sich im Gewächshaus um, als würde es ihm zum ersten Mal auffallen. »Es ist irgendwie schmutzig. Du solltest sauber machen, bevor dein Vater das sieht.«

»Ich soll sauber machen?« Ich schnaubte verärgert. »Da du diese Schweinerei angerichtet hast – glaubst du nicht, dass du sauber machen solltest?«

Winston wich zurück. »Ich? Ich habe diese Schweinerei nicht angerichtet. Versteh mich bitte nicht falsch, ich habe eine Menge Schweinereien angerichtet, aber das hier stammt nicht von mir.«

»Und wer hat sich dann durch die ganze Erde gebuddelt? Und an meinen Pflanzen rumgepfuscht?«

»Ich nicht. Wenn ich ehrlich sein soll – es gibt etwas, was ich beichten sollte, aber es hat nichts mit deinen Pflanzen zu tun. Du kennst doch den schicken Bleistift mit dem Flamingo am Ende und den Federn?« Winston wich meinem Blick aus und sah stattdessen seine Pfoten an.

»Den Bleistift, den ich nirgends finden konnte?«, fragte ich.

»Es könnte sein, dass ich die Federn abgekaut und die Überreste unter dem Strauch neben der Eingangstür vergraben habe.«

»Es könnte sein.« Ich hob eine Augenbraue.

»Na gut, na gut, ich hab’s getan. Ich bin nicht für eine Verbrecherlaufbahn geschaffen. Ich hab den Bleistift gefressen. Ich gebe den Federn die Schuld daran. Sie haben sich im Wind hin und her bewegt und mich geneckt.«

Ich ließ mich auf die Holzbank sinken. Ich glaubte ihm. Winston war ein sehr ehrlicher Hund. Er war oft unartig, aber er gab es zu, wenn man ihn damit konfrontierte. Wenn er mit meinem Naturkundeprojekt etwas angestellt hätte, hätte er etwas gesagt. »Wer war es dann?«

Winston versuchte, auf die Bank zu hüpfen, knallte jedoch gegen die Kante und landete wieder auf dem Boden. Das war das Problem mit kleinen Hunden: Sie vergaßen oft, dass sie klein waren, und probierten Dinge, die großen Hunden vorbehalten waren. Ich beugte mich vor, hob ihn hoch und setzte ihn neben mich.

»Ist vielleicht Lucinda schuld?«, fragte Winston. »Sie war ziemlich wütend, dass du ihren ersten Kuss durch dein Nachspionieren verdorben hast.«

»Lucinda ist zu fast allem fähig, aber ich glaube nicht, dass sie mit etwas herumpfuschen würde, das mit der Schule zu tun hat. Außerdem ist das Erde. Lucinda hasst es, sich schmutzig zu machen.« Ich hob eine der eingetopften Pflanzen hoch und drehte sie in meinen Händen. »Abgesehen davon sieht es so aus, als hätte sich jemand die Zeit genommen, jede einzelne Pflanze sorgfältig neu einzutopfen. Wenn Lucinda versucht hätte, es mir heimzuzahlen, hätte sie die Pflanzen einfach aus den Töpfen gekippt oder ihnen die Blätter abgeschnitten. Ich dachte, du hättest sie vielleicht ausgebuddelt und dann versucht, das Verbrechen zu vertuschen.«

Winston schnaubte, dass seine Barthärchen wehten. »Immer gibt man uns Hunden an allem die Schuld.«

Ich bemerkte etwas Helles, das teilweise unter einem Haufen Erde in der Ecke verborgen war. Ich beugte mich vor und zog es heraus. Es war eine kleine, rote Strickmütze. »Wo kommt das denn her? Es sieht aus, als wäre es für ein Baby gedacht.«

Winston schnüffelte daran. »Es riecht komisch. Ich kann es nicht zuordnen.«

Ich setzte Winston die Mütze auf und kicherte. »Sie steht dir.« Die Mütze reichte ihm bis über die Ohren und drückte seine buschigen Augenbrauen nach unten.

Winston schüttelte den Kopf, bis die Mütze wieder auf dem Boden landete. »Ich bin nicht die Sorte Hund, die gerne Kleider trägt.« Er nieste. »Und eins sage ich dir – irgendwas stimmt damit nicht …« Winston hielt mitten im Satz inne und spitzte die Ohren. »Hast du das gehört?«

Unter der Bank war ein Scharren und Rascheln zu hören. Ich hob die Beine an. Ich hatte nichts gegen Mäuse, aber der Gedanke an eine Ratte versetzte mich nicht gerade in Begeisterung. Noch ein Rascheln ertönte und dann griff etwas nach der Mütze, schnappte sie und zog sie unter die Bank. Das geschah so schnell, dass ich nicht sagen konnte, was es war, es sah jedoch nicht wie eine Ratte aus.

»Hast du das gesehen?«, zischte ich Winston zu. »Tu was.«

Winston war ans äußerste Ende der Bank zurückgewichen. »Ich? Warum ich? Du bist größer.«

»Du solltest eigentlich ein Wachhund sein.«

Winston hatte den Schwanz eingezogen. Er stieß ein klägliches Bellen aus. »Okay, ich hab das Meinige getan, und jetzt schau nach, ob es weg ist.«

Sollte ich mir je einen anderen Hund zulegen, dann so etwas wie einen Deutschen Schäferhund. Ich stellte mich auf die Bank und schnappte mir den Rechen. Ich atmete ein paarmal tief durch und sprang dann so weit von der Bank weg, wie ich konnte. Ich wirbelte herum und hielt den Rechen wie ein Schwert vor mich. Nichts rührte sich. Ich konnte nicht unter die Bank sehen, weil es zu dunkel war. Ich stocherte mit dem Rechen unter der Bank herum. Etwas Starkes griff nach den Zinken des Rechens und zog ihn mir aus der Hand.

Winston quietschte wie ein kleines Mädchen und hielt sich die Pfoten vor die Augen. Ich packte den Stiel des Rechens und zog ihn zurück. »Wer ist da unten?«, fragte ich und bemühte mich, mutig zu klingen. Ich versuchte fieberhaft, an irgendeinen Zauberspruch zu denken, aber ich hatte Angst, das Was-auch-immer-es-war mit Glitzerzeug zu bedecken oder es größer zu machen. Ich musste beim Zauberunterricht am Wochenende wirklich besser aufpassen.

»Wenn du willst, dass ich rauskomme, hör auf, nach mir zu stochern«, sagte eine barsche Stimme unter der Bank.

Vor lauter Überraschung ließ ich den Rechen fallen. Ich hatte nicht erwartet, dass es sprechen konnte. Erneut war ein Rascheln zu hören und dann kroch unter der Bank eine winzige Gestalt hervor, nicht länger als dreißig Zentimeter, die einen langen weißen Bart hatte. Sie trug eine blaue Wollhose und ein schlabberiges Leinenhemd. Dann setzte sie sich ihre rote Strickmütze auf.

Winston stand vor Schreck das Maul offen. Der kleine Mann versetzte ihm einen Nasenstüber. »Was glotzt du mich so an, du haariges Scheusal? Wenn du dein Maul so sperrangelweit aufreißt, fliegt dir noch was rein.«

Oh-oh. Wir hatten einen Gartenzwerg.