Superdupergut

Ich heiße Susi, bin elf Jahre alt und total beliebt. Mein Spitzname ist Supidu, weil ich superdupergut in der Schule bin und weil es ein bisschen wie Susi klingt.

Ich lebe mit meinen Eltern in einer schicken Wohnung in einer großen Stadt. Im Sommer machen wir immer tolle Reisen und fahren weit, weit weg in fremde Länder. Leider sind die großen Ferien schon vorbei und heute ist der erste Schultag. Das ist natürlich blöd, aber dafür treffe ich endlich meine Freundinnen Anna und Tabea wieder!

Ich habe total viele Freundinnen, aber Anna und Tabea sind meine besten Freundinnen. In der Schule sitzt Anna links und Tabea rechts von mir. Und jetzt ratet mal, wo ich sitze? Klaro, in der Mitte, wo denn sonst?

Weil wir drei uns so ewig lang nicht mehr gesehen haben, tuscheln wir in der ersten Stunde die ganze Zeit miteinander. Oder wir kritzeln und schreiben auf Zettelchen, die wir uns heimlich hin- und herschieben. Ich zeichne übrigens superdupergut und alle in der Klasse glauben, dass ich mal sehr berühmt werde.

Unsere Lehrerin, Frau Schmidt-Klein, bekommt gerade rote Flecken im Gesicht. Das passiert immer, wenn sie sich über uns ärgert. Sie wirft uns böse Blicke zu, aber weil es der erste Schultag ist, gibt sie uns keine Strafarbeit. Frau Schmidt-Klein ist übrigens überhaupt nicht klein, eher so groß wie eine Basketballspielerin. Außerdem hat sie riesige Füße mit lila Zehennägeln, die meistens in ausgetretenen Riemchensandalen stecken.

In der großen Pause haken sich meine Freundinnen bei mir unter. Ich bin fast einen Kopf größer als Anna und Tabea und sowieso die Größte in der Klasse, aber längst nicht so riesig wie Frau Schmidt-Klein. Gemeinsam schlendern wir über den Schulhof und plappern drauflos. Anna erzählt von ihren Ferien auf dem Reiterhof.

»Stellt euch vor!«, sagt sie gerade. Dabei verzieht sie ihr hübsches Gesicht zu einer finsteren Grimasse und wirft ihre blonden Haare wie ein Star nach hinten. »Als ich einmal meine Reitstiefel anziehen wollte, kam eine dicke Spinne herausgekrochen. Das war vielleicht widerlich!«

»Wie eklig!«, ruft Tabea. Dabei schüttelt sie sich wie ein nasser Hund, wobei ihre Brille verrutscht. »Aber mir ist noch etwas viel Ekligeres passiert: Mich hat ein Junge in bayrischen Lederhosen auf den Mund geküsst!«

»Igitt!«, kreischen Anna und ich gleichzeitig.

»Bäh!« Ich strecke noch die Zunge aus dem Hals, als ob mir schlecht würde.

Dann prusten wir laut los. Als wir uns wieder beruhigt haben, spazieren wir ein Stück weiter. Unter dem Dach der Turnhalle ziehen wir die Handys aus den Taschen, um uns die Ferienfotos der anderen anzusehen. Anna zeigt ihre lahmen Pferde und Tabea irgendwelche öden Berge. Als ich endlich an der Reihe bin, staunen die beiden mit offenen Mündern.

Auf meinem Display erscheint ein superschicker Strandbungalow. Mein Urlaub mit meinen Eltern war aber auch megacool! Wir haben in einer traumhaften Ferienwohnung mit drei Zimmern und einem Balkon gewohnt. Den ganzen Tag haben wir am Strand gelegen und Eis gegessen. Am Abend saßen wir draußen und haben Sternschnuppen gezählt. Nur die Stechmücken waren nervig. Wir haben uns dann von oben bis unten mit Mückenspray eingedieselt, doch die hinterlistigen Viecher haben uns trotzdem gestochen. Meine Klamotten müffeln wegen des Sprays heute noch wie frisch geputzte Bahnhofsklos.

Ich drücke auf eine Taste an meinem Handy.

»Wow!«, ruft Anna beindruckt, als ein neues Urlaubsfoto unser Wohnzimmer zeigt.

»Das sieht echt super aus, Supidu!«, stimmt Tabea zu.

Doch ich habe plötzlich einen Kloß im Hals. Mir fällt der Abend ein, als ich schon im Bett lag und das Schreien meiner Eltern aus dem Wohnzimmer gehört habe. Kurz darauf klirrte es, als ob jemand mit Karacho eine Bierflasche auf den Boden schmeißen würde. Ich habe mir meinen alten Teddy an mein Herz gedrückt, das wie wahnsinnig gepocht hat. Dann habe ich mich auf die Seite gerollt und den Teddy auf mein Ohr gepresst, damit ich Mamas Schluchzen nicht hörte.

Papa hat gar nichts mehr gesagt. Das war fast noch schlimmer als sein Brüllen. Auf einmal war alles so still, dass ich Gänsehaut bekam und mir trotz der schwülen Nacht ganz kalt wurde.

Ich lag ganz starr und unbeweglich da und hörte von weit her das Meer rauschen. Zusammengerollt wie eine Lakritzschnecke stellte ich mir vor, wie ich aus dem Fenster zum Strand flog.

Von oben sah ich die Wellen, die sanft ans Ufer gespült wurden. Das Meer leuchtete und glitzerte, als ob gleich Nixen aus dem Wasser steigen würden. Wie ich so dahinschwebte, wurde in mir wieder alles ruhig und ordentlich und warm.

Wisst ihr, irgendwie fliege ich in solchen Momenten wirklich, obwohl ich weiß, dass die Bilder nur in meinem Kopf sind. Ich bin ja nicht wirklich Supergirl und auch nicht verrückt, wenn ihr das jetzt meint.

Ich knabberte noch ein bisschen am rechten Ohr meines Teddys, während ich als Supergirl übers Meer schwebte. Dann schlief ich ein.

Am nächsten Morgen war alles wieder in Ordnung. Die Sonne schien warm und wir haben zusammen unter dem Sonnenschirm auf dem Balkon gefrühstückt. Papa hat Mama Kaffee eingeschenkt und Mama sah richtig hübsch mit ihrer großen Sonnenbrille aus. Sie hatte ihre Lippen schon angemalt und anstelle ihres alten gestreiften Bademantels trug sie ein enges rotes Kleid mit weißem Gürtel.